BGH 11. Oktober 2019
V ZR 7/19
BGB §§ 311b Abs. 1 S. 1, 323 Abs. 1, 346, 433 Abs. 1 S. 1

Formfreie Änderung eines Grundstückskaufvertrags

letzte Aktualisierung: 09.04.2020
BGH, Urt. v. 11.10.2019 – V ZR 7/19

BGB §§ 311b Abs. 1 S. 1, 323 Abs. 1, 346, 433 Abs. 1 S. 1
Formfreie Änderung eines Grundstückskaufvertrags

Eine Vereinbarung, mit der die Parteien eines Grundstückskaufvertrags die Möglichkeit zur
Nutzung des Grundstücks beschränken (hier: Verbot der Milchverarbeitung), führt nicht zu einer
Änderung oder Neubegründung von Erwerbs- oder Veräußerungspflichten und ist daher nach
bindend erklärter Auflassung formlos möglich.
E
Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht meint, die Klägerin könne nach § 433 Abs. 1 Satz
1 BGB die Übergabe der Grundstücke verlangen. Der Anspruch sei nicht gemäß
§ 346 BGB erloschen, denn die Beklagte sei nicht zum Rücktritt von dem
Kaufvertrag berechtigt gewesen. Die Klägerin habe durch den Weiterverkauf
der Grundstücke nicht gegen die mit der Beklagten getroffene Vereinbarung
von April 2013 verstoßen. Mit dieser Vereinbarung sei der Klägerin nicht der
Weiterverkauf des Grundstücks ohne Weitergabe des Milchverarbeitungsverbots
verboten worden. Verboten sei nur das Verarbeiten von Milch. Weil die
Vertragsparteien einem Dritten nicht die Milchverarbeitung verbieten könnten,
sei die Vereinbarung in der Weise auszulegen, dass der Klägerin eine Milchverarbeitung
durch einen Mieter, Pächter oder Käufer zugerechnet werden solle.

Bis heute habe aber keiner der Käufer auf dem Grundstück Milch verarbeitet.

Die bloße Möglichkeit, dies zu tun, stelle keine Verbotsverletzung dar.

Zudem sei die Vereinbarung von April 2013 wegen Verstoßes gegen das
Formerfordernis des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB nichtig. Sie habe dem Formzwang
unterlegen, weil durch sie ein schon beurkundeter Grundstückskaufvertrag
geändert worden sei. Etwas anderes folge nicht aus der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs, wonach Änderungen eines notariellen Kaufvertrags
formlos möglich seien, wenn die Auflassung bereits erklärt sei. Dies gelte hier
nicht, weil durch die Vereinbarung des Milchverarbeitungsverbots die Erwerbsverpflichtung
der Klägerin und die Übertragungsverpflichtung der Beklagten wesentlich
geändert worden seien.

II.

Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Allerdings war die nach der Auflassung getroffene Vereinbarung von
April 2013 entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht nach § 311b
Abs. 1 Satz 1 BGB formbedürftig, sondern formlos möglich.

a) Änderungen eines Grundstückskaufvertrags sind, wie das Berufungsgericht
zutreffend erkennt, nach der Auflassung formlos möglich, wenn die Auflassung
bindend geworden ist (§ 873 Abs. 2 BGB; vgl. Senat, Urteil vom 14.
September 2018 - V ZR 213/17, NJW 2018, 3523 Rn. 12 mit umfangreichen
Nachweisen).

b) Richtig ist auch, dass von dieser Formfreiheit Änderungen eines
Grundstückskaufvertrags ausgenommen sind, durch die Erwerbs- oder Veräußerungspflichten
geändert oder neu begründen werden (Senat, Urteil vom 14.

September 2018 - V ZR 213/17, NJW 2018, 3523 Rn. 6 u. 15). Damit sind Änderungen
des Grundstückskaufvertrags gemeint, durch die die Verpflichtung zur
dinglichen Rechtsänderung verändert oder eine solche Verpflichtung neu begründet
wird. Für diese kann der Schutzzweck des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB
durch die Beurkundung des Kaufvertrags und die zu seiner Erfüllung erklärte
Auflassung keine Erledigung gefunden haben. Das ist zum Beispiel dann der
Fall, wenn die Parteien eines Grundstückskaufvertrages nach der Auflassung
vereinbaren, dass der Verkäufer zum Rückkauf verpflichtet ist (vgl. Senat, Urteil
vom 6. Mai 1988 - V ZR 50/87, BGHZ 104, 276, 277 zu § 313 Satz 1 BGB aF).

c) Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, dass
es sich hier um einen solchen Ausnahmefall handelt.

Mit dem Milchverarbeitungsverbot von April 2013 wurde eine Nutzungsbeschränkung
vereinbart. Eine Vereinbarung, mit der die Parteien eines Grundstückskaufvertrags
die Möglichkeit zur Nutzung des Grundstücks beschränken,
führt nicht zu einer Änderung oder Neubegründung von Erwerbs- oder Veräußerungspflichten
und ist daher nach bindend erklärter Auflassung formlos möglich
(vgl. Senat, Urteil vom 14. September 2018 - V ZR 213/17, NJW 2018,
3523 Rn. 11 ff.). Selbst wenn bei einem Verstoß gegen das Verbot, das Grundstück
in einer bestimmten Weise nicht zu nutzen, nicht nur Schadensersatzpflichten
des Käufers begründet werden, sondern ein Recht des Verkäufers
zum Rücktritt von dem Kaufvertrag nach § 323 Abs. 1 BGB gegeben sein könnte,
bleibt die Verpflichtung zur dinglichen Rechtsänderung aus dem Kaufvertrag
unberührt. Es tritt auch keine neue (Rück-)Übertragungsverpflichtung hinzu.

Zwar haben bei der Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts die Parteien
die empfangenen Leistungen zurückzugewähren (§§ 346 ff. BGB). Dabei handelt
es sich jedoch um eine gesetzlich angeordnete Rechtsfolge; eine solche
stellt keine Änderung oder Neubegründung von Erwerbs- oder Veräußerungspflichten
dar (vgl. Senat, Urteil vom 7. Oktober 1994 - V ZR 102/93, BGHZ 127,
168, 173 f. für eine Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht sowie BGH, Urteil
vom 2. Mai 1996 - III ZR 50/95, NJW 1996, 1960 mwN für die Verpflichtung aus
§ 667 BGB; siehe auch Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 311b Rn. 17). An
der Formfreiheit ändert es auch nichts, wenn die Nutzungsbeschränkung mit
einer Minderung des Grundstückswerts einhergeht. Denn auch eine nach der
Auflassung getroffene Vereinbarung, durch die der Kaufpreis erhöht oder ermäßigt,
also ebenfalls das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung verändert
wird, ist nach bindend erklärter Auflassung formfrei möglich (vgl. Senat,
Urteil vom 23. Mai 1973 - V ZR 166/70, WM 1973, 57; Urteil vom 14. September
2018 - V ZR 213/17, NJW 2018, 3523 Rn. 23).

2. Der Rechtsfehler hat sich aber nicht ausgewirkt. Das Berufungsgericht
verneint rechtsfehlerfrei eine Berechtigung der Beklagten zum Rücktritt von
dem Kaufvertrag (§ 323 Abs. 1 BGB) aufgrund einer Auslegung der Vereinbarung
von April 2013.

a) Die Auslegung einer vertraglichen Regelung durch den Tatrichter ist
im Revisionsverfahren nur eingeschränkt, nämlich darauf überprüfbar, ob der
Tatrichter die gesetzlichen Auslegungsregeln, die anerkannten Auslegungsgrundsätze,
die Denkgesetze und die Erfahrungssätze beachtet und die der
Auslegung zugrundeliegenden Tatsachen ohne Verfahrensfehler festgestellt hat
(st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 22. April 2016 - V ZR 189/15, NJW-RR 2017,
210 Rn. 7; Urteil vom 8. November 2013 - V ZR 95/12, NJW 2014, 1000 Rn. 9;
Urteil vom 1. Oktober 1999 - V ZR 168/98, NJW 1999, 3704; Urteil vom 14. Oktober
1994 - V ZR 196/93, NJW 1995, 45, 46). Die Auslegung der Vereinbarung
durch das Berufungsgericht ist in diesem Rahmen nicht zu beanstanden. Die
Revision zeigt weder einen Auslegungsfehler noch einen Verfahrensfehler auf.

Dass eine andere Auslegung möglich ist, macht die vorgenommene Auslegung
nicht fehlerhaft.

b) Die Auslegung des Berufungsgerichts, wonach der Klägerin nicht der
Weiterverkauf des Grundstücks ohne Weitergabe des Milchverarbeitungsverbots
untersagt worden ist, sondern eine Milchverarbeitung durch den Mieter,
Pächter oder Käufer der Klägerin zugerechnet werden soll, verletzt insbesondere
nicht den Grundsatz einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung
(vgl. dazu Senat, Urteil vom 23. Januar 2009 - V ZR 197/07, NJW 2009,
1810 Rn. 20; BGH, Urteil vom 31. Oktober 1995 - XI ZR 6/95, BGHZ 131, 136,
138). In der Vereinbarung von April 2013 hat sich die Klägerin verpflichtet,
selbst keine Milch auf den Grundstücken zu verarbeiten. Aus dem Wortlaut der
Vereinbarung, wonach das Verbot auch für etwaige Mieter oder Pächter des
Grundstücks sowie für jeden Rechtsnachfolger gilt, ergibt sich, dass die Klägerin
zudem die Nebenpflicht übernommen hat, dafür Sorge zu tragen, dass das
Milchverarbeitungsverbot bei Vermietung, Verpachtung und bei einem Weiterverkauf
eingehalten wird. Die Vereinbarung enthält aber keine ausdrückliche
Regelung dazu, auf welche Weise die Klägerin dies sicherzustellen hat. Es versteht
sich auch nicht von selbst, dass sie verpflichtet sein sollte, die Nutzungsbeschränkung
an den Käufer der Grundstücke weiterzugeben. In diesem Fall
hätte sie das Milchverarbeitungsverbot gegenüber den Käufern zwar effektiv
durchsetzen können. Den gleichen Erfolg könnte sie aber beispielsweise durch
den Verkauf an ein in einer anderen Branche tätiges Unternehmen oder an ein
solches, auf dessen Tätigkeit sie Einfluss nehmen kann, erreichen. Es ist zudem
nicht erkennbar, ob der Beklagten in jedem Fall an der Durchsetzung des
Verbots gelegen war; denkbar ist auch, dass ihre Interessen durch eine Schadensersatzverpflichtung
der Klägerin hinreichend gewahrt sind, sofern sich diese
Verpflichtung - wovon das Berufungsgericht ausgeht - auf Verstöße von deren
Rechtsnachfolgern erstreckt. Auch könnte die drohende Schadensersatzverpflichtung
als geeignetes Druckmittel angesehen worden sein, um die Klägerin
zu veranlassen, die Einhaltung des Milchverarbeitungsverbots sicherzustellen.
Tatsachenvortrag zu den Hintergründen der Vereinbarung, die ein anderes
Verständnis nahelegen, zeigt die Revision nicht auf.

Ein revisionsrechtlich beachtlicher Auslegungsfehler ergibt sich auch
nicht aus der Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe sich nicht mit dem
Sachvortrag auseinandergesetzt, nach dem Kaufvertrag vom 7. März 2013 seien
Zubehör und sonstige Gegenstände nicht mitveräußert worden und die Beklagte
habe wegen der frühzeitigen Vermarktungsaktivitäten ein Interesse an
dem Verbot der Milchverarbeitung auch für den Rechtsnachfolger zum Ausdruck
gebracht. Auch aus diesen Umständen ergibt sich nicht zwingend, dass
die Klägerin eine Pflicht getroffen hat, den Käufern der Grundstücke eine Pflicht
zur Unterlassung einer Milchverarbeitung aufzuerlegen.

Damit ist es der Klägerin überlassen, auf welche Weise sie die Einhaltung
des Verbots bei einem Weiterverkauf durchsetzt und die ihr obliegende
Nebenpflicht erfüllt. Folglich liegt keine Pflichtverletzung vor; denn tatsächlich
findet nach Feststellungen des Berufungsgerichts auf den Grundstücken keine
Milchverarbeitung durch die Drittwiderbeklagten statt.

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

11.10.2019

Aktenzeichen:

V ZR 7/19

Rechtsgebiete:

Unternehmenskauf
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Kaufvertrag
Beurkundungserfordernis
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 311b Abs. 1 S. 1, 323 Abs. 1, 346, 433 Abs. 1 S. 1