Fälligkeitsvoraussetzungen von WEG-Sonderumlagen
letzte Aktualisierung: 21.9.2022
LG Karlsruhe, Beschl. v. 2.6.2022 – 11 T 22/22
WEG §§ 21 Abs. 7, 28 Abs. 3;
Fälligkeitsvoraussetzungen von WEG-Sonderumlagen
1. WEG-Sonderumlagen werden grundsätzlich erst durch die Beschlussfassung über die Erhebung
der Sonderumlage und den anschließenden Abruf durch den Verwalter fällig.
2. Die Beschlusskompetenz zur abweichenden Fälligkeitsbestimmung durch die
Eigentümerversammlung ergab sich im alten Recht aus § 21 Abs. 7 WEG a. F. bzw. ergibt sich im
neuen Recht aus
3. Verzug kann ohne Mahnung eintreten, wenn die Fälligkeit der Sonderumlage kalendermäßig
bestimmt wird (
Gründe:
Die Parteien streiten um die Kosten des in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten
Rechtsstreits 3 C 214/21 WEG vor dem Amtsgericht Radolfzell.
Gegenstand der Zahlungsklage (in Höhe von 3.240 EUR nebst Verzugszinsen seit 16.11.2021)
ist die hälftige Sonderumlage gemäß Beschluss der VVohnungseigentümerversammlung vom
14.10.2021, die eine Einzahlung bis zum 15.11.2021 vorsah. Die Klage vom 19.11.2021 wurde
am 07.12.2021 zugestellt. Nach Zahlung der Klagforderung am 13.12.2021 erfolgte die
übereinstimmende Erledigterklärung.
Das Amtsgericht hat am 25.01.2022 beschlossen, dass die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits
nach § 91a ZPO zu tragen hat, und den Streitwert auf 3.240,00 EUR festgesetzt.
Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte am 02.02.2022 sofortige Beschwerde eingelegt.
offenbar mit dem Ziel, dass die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen seien.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde der Beklagte mit Beschluss vom 04.02.2022 nicht
abgeholfen und die Akten dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gemäß § 91a Abs. 2 Satz 1 i.V.m.
zulässig, aber unbegründet.
Zu Recht und mit zutreffenden Gründen hat das Amtsgericht die Kosten des Rechtsstreits nach
übereinstimmender Erledigungserklärung der Hauptsache der Beklagten auferlegt. Die Kammer
macht sich die Begründung des erstinstanzlichen Gerichts nach Prüfung der Sache ausdrücklich
zu eigen und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die Ausführungen in den
genannten Beschlüssen.
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Gericht bei der Entscheidung nach § 91a ZPO
unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen darüber
zu entscheiden hat, wie die Kosten des Rechtsstreits zu verteilen sind. Ausschlaggebend ist
hierbei insbesondere der ohne die Erledigterklärung zu erwartende Verfahrensausgang, wobei
lediglich eine summarische Prüfung der jeweiligen Erfolgsaussichten erfolgen kann.
Der Rechtsgedanke des § 93 ZPO ist zwar grundsätzlich heranzuziehen, kommt im vorliegenden
Fall allerdings nicht zur Anwendung. Zwar erfolgte die Zahlung durchaus sofort nach
Klagerhebung, allerdings gab die Beklagte Anlass zur Klagerhebung (vg.
Musielak/Voit/Flockenhaus, 19. Aufl. 2022, ZPO § 91a Rn. 23). Es gilt insoweit der Grundsatz: zur
Erhebung der Klage hat die Beklagte Veranlassung gegeben, wenn sie sich — ohne Rücksicht auf
Verschulden — vorprozessual so verhalten hat, dass die Klägerin annehmen musste, ohne
Anrufung des Gerichts ihr Ziel nicht erreichen zu können. Bei fälligen Forderungen genügt dafür
in der Regel. dass die Beklagte vor dem Prozess in Verzug geraten ist (vgl. Musielak/Voit, ZPO §
93 Rn. 2, beck-online).
Insbesondere war die Forderung zum Zeitpunkt der Klage fällig war und auch die
Verzugsvoraussetzungen (in Gestalt eines Mahnungssurrogats) lagen vor.
Der Anspruch war—wie von der Eigentümerversammlung beschlossen — am 15.11.2021 fällig.
Für die Sonderumlage gilt, dass der Zahlungsanspruch grundsätzlich erst durch die
Beschlussfassung über die Erhebung der Sonderumlage und den (hier offenbar fehlenden)
anschließenden Abruf durch den Verwalter fällig wird. Sollen die Beiträge sofort fällig werden,
bedarf es — wie hier gegeben — einer ausdrücklichen Regelung. insbes. in dem Beschluss über
die Erhebung der Sonderumlage.
Dieser Beschluss über die Sonderumlage ist unangefochten gültig und auch nicht nichtig. Die
Beschlusskompetenz zur Festlegung des Zeitpunkts der Fälligkeit ergab sich im alten Recht aus
§ 21 Abs. 7 WEG a.F. (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.2017 —V ZR 257/16 - NJVV 2018, 2044 Rn. 20,
21; Engelhardt in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020 MüKoBGB, WEG § 28 Rn.
25) bzw. ergibt sich im hier bereits anwendbaren neuen Recht aus
BeckOGK/Hermann, 1.3.2022, WEG § 28 Rn. 178, 179).
Verzug trat mit Ablauf des 15.11.2021 ein, da die Leistungszeit kalendermäßig durch den
Beschluss der Eigentümerversammlung bestimmt war (§ 286 Abs 2 Nr. 1 BGB).
Allerdings ist die Eigentümerversammlung nur befugt, die Fälligkeit durch Beschluss neu zu
regeln, nicht den Verzugseintritt als solchen. Die Eigentümerversammlung kann also nicht
abweichend von
lassen (vgl. Abramenko, Beschlüsse über Zahlungsmodalitäten und Kostenzuweisungen gemäß
§ 21 VII WEG, ZVVE 2012, 386).
Für den Verzug sind vielmehr die allgemeinen Voraussetzungen des
Wird, was beim Beschluss über den Wirtschaftsplan bzw. einer Sonderumlage häufig vorkommt
und so auch im vorliegenden Fall gehandhabt wurde, für die Fälligkeit eine Leistungszeit nach
dem Kalender bestimmt, tritt Verzug ohne Mahnung ein (
Staudinger/Häublein (2018) WEG § 28, Rn. 262).
Das von der Beklagten zitierte Schreiben ihres damaligen Anwalts vom 10.11.2021 (AS I 47)
hindert nicht die Einschätzung, dass Klagveranlassung gegeben war. Dieses Schreiben kann
insbesondere nicht als (ggf. reaktionspflichtige) Bitte um eine Stundung verstanden werden.
Vielmehr wird darin einseitig mitgeteilt, dass die Zahlung erst 30 Tage nach Vorlage der
Handwerker-Schlussrechnung erfolge. Dass sich die Klägerin auf solche Verzögerungen nicht
einlassen wird, war bereits im Beschluss dadurch klargestellt, dass der Verwalter beauftragt
wurde, „bei nicht termingerechtem Geldeingang ... gegen die säumige Zahlung vorzugehen".
Die Entscheidung zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf
Der Wert eines Beschwerdeverfahrens gegen eine Entscheidung gemäß § 91a ZPO richtet sich
nach dem Kosteninteresse der Beschwerdeführerin, hier der Gerichtskosten und der fremden
Anwaltskosten (Verfahrensgebühr).
Es besteht kein Grund, die Rechtsbeschwerde zuzulassen,
Entscheidung, Urteil
Gericht:LG Karlsruhe
Erscheinungsdatum:02.06.2022
Aktenzeichen:11 T 22/22
Rechtsgebiete:
Allgemeines Schuldrecht
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
WEG §§ 21 Abs. 7, 28 Abs. 3; BGB § 286 Abs. 2 Nr. 1