BFH 10. Oktober 2018
IX R 1/17
EStG §§ 7 Abs. 4, 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7; HGB § 255 Abs. 1

Ertragsteuer bei zivilrechtlicher Nachlassspaltung; Erbauseinandersetzung

letzte Aktualisierung: 8.3.2019
BFH, Urt. v. 10.10.2018 – IX R 1/17

EStG §§ 7 Abs. 4, 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7; HGB § 255 Abs. 1
Ertragsteuer bei zivilrechtlicher Nachlassspaltung; Erbauseinandersetzung

Setzen sich die Miterben im Fall der zivilrechtlichen Nachlassspaltung unter Einbeziehung aller
personengleichen Erbengemeinschaften in einem einheitlichen Vorgang in der Weise auseinander,
dass sie sämtliche Nachlassgegenstände gleichzeitig vollständig unter sich verteilen, ist auch für die
ertragsteuerliche Beurteilung, ob insgesamt eine neutrale Realteilung oder ob teilweise
Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge anzunehmen sind, auf diesen einheitlichen Vorgang und
auf den gesamten Nachlass abzustellen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache
an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung
--FGO--). Zwar hat das FG im Ausgangspunkt eine zivilrechtliche Nachlassspaltung zu Recht angenommen. Für die
ertragsteuerliche Beurteilung der Auseinandersetzung zwischen den Miterben im Streitfall kommt es darauf jedoch
nicht an. Zu Unrecht hat das FG deshalb nicht geprüft, in welcher Weise die Miterben die Erbengemeinschaften
insgesamt auseinandergesetzt haben.

1. a) Nach § 7 Abs. 4 EStG bemisst sich die AfA nach den Anschaffungskosten. Welche Aufwendungen zu den
Anschaffungskosten einer Immobilie zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
nach § 255 Abs. 1 HGB. Danach sind Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen
Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Nebenkosten
und nachträglichen Anschaffungskosten (vgl. z.B. Senatsurteil vom 8. November 2017 IX R 36/16, BFH/NV 2018, 215,
Rz 10).

b) Bei der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft können Aufwendungen eines Miterben Anschaffungskosten
sein, z.B. wenn er die Erbanteile anderer Miterben erwirbt. Verteilen die Miterben dagegen das
Gemeinschaftsvermögen unter sich, um die Gemeinschaft zu beenden, liegt in der Erfüllung des erbrechtlichen
Auseinandersetzungsanspruchs kein Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäft. Bei einer derartigen Realteilung des
Nachlasses ist der übernehmende Miterbe entsprechend § 11d Abs. 1 Satz 1 der Einkommensteuer-
Durchführungsverordnung auf die Fortführung der von der Erbengemeinschaft anzusetzenden Anschaffungskosten
oder Herstellungskosten verwiesen. Wie sich das dem Miterben entsprechend seiner Erbquote zugeteilte
Nachlassvermögen zusammensetzt, hat keine Bedeutung. Die wertmäßige Angleichung kann auch dadurch bewirkt
werden, dass der Miterbe Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft übernimmt. Auch soweit dabei sein rechnerischer
Anteil an den Verbindlichkeiten überschritten wird, führt dies noch nicht zu Anschaffungskosten. Übersteigt aber der
Wert des Erlangten den Wert seines Erbanteils und muss der begünstigte Erbe deshalb an einen oder mehrere
Miterben Ausgleichszahlungen leisten, bilden sie für ihn Anschaffungskosten (vgl. Beschluss des Großen Senats des
BFH in BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837).

c) Die Feststellung, in welcher Weise sich die Miterben zur Beendigung der Erbengemeinschaft auseinandergesetzt
haben, ob es sich dabei insgesamt um eine steuerneutrale Realteilung oder teilweise um Anschaffungs- und
Veräußerungsvorgänge handelt und in Bezug auf welche Nachlassgegenstände dies der Fall ist, obliegt dem FG als
Tatsacheninstanz.

2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann die Entscheidung des FG keinen Bestand haben.

a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass im Streitfall zivilrechtlich eine Nachlassspaltung eingetreten ist.
Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) ist der Kläger zusammen mit
seiner Mutter und seinen drei Schwestern Erbe nach seinem im Mai 1990 verstorbenen Vater, der seinen
gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte. Zum Nachlass gehörten u.a. drei in den "alten"
Bundesländern gelegene Grundstücke sowie das mit einem Mehrfamilienhaus bebaute und im Zeitpunkt des Erbfalls
auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gelegene Grundstück W. Zivilrechtlich richtet sich die Erbfolge demnach
grundsätzlich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches. Für die erbrechtlichen Verhältnisse des in der
ehemaligen DDR gelegenen Grundstücks W ist hingegen noch das Zivilgesetzbuch der DDR (ZGB-DDR) maßgebend
(vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 30. November 1994 IV ZR 49/94, Zeitschrift für das
Gesamte Familienrecht 1995, 481, m.w.N.; vom 4. Oktober 1995 IV ZB 5/95, BGHZ 131, 22, unter III.1., und
Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 5. Juli 2002 1Z BR 45/01, Neue Juristische Wochenschrift
2003, 216). Neben der Erbengemeinschaft, zu welcher der in den alten Bundesländern belegene Nachlass gehörte,
bestand damit eine personengleiche weitere Erbengemeinschaft, die gemäß § 400 Abs. 1 ZGB-DDR das
Gesamteigentum an dem Grundstück W in der ehemaligen DDR innehatte (vgl. hierzu BGH-Beschluss vom
24. Januar 2001 IV ZB 24/00, BGHZ 146, 310, unter B.II.2.; Filtzinger in Rißmann, Die Erbengemeinschaft, 2. Aufl.,
Teil 3 § 22 Rz 57).

b) Zu Unrecht hat das FG aber angenommen, die Nachlassspaltung sei ohne Weiteres auch der ertragsteuerlichen
Beurteilung der Erbauseinandersetzung zugrunde zu legen. Eine so weitgehende Bindung an das Zivilrecht besteht
indes nicht. Den Miterben steht es vielmehr frei, ob sie die Nachlassspaltung bei der Auseinandersetzung ihrer
Gemeinschaften beachten. Sie können der zivilrechtlichen Nachlassspaltung folgen und jede Erbengemeinschaft
getrennt auseinandersetzen. Dann kommt es für die ertragsteuerliche Beurteilung auf die jeweilige
Auseinandersetzung an. Die Miterben können sich aber auch unter Einbeziehung beider bzw. aller
Erbengemeinschaften in einem einheitlichen Vorgang in der Weise auseinandersetzen, dass sie sämtliche
Nachlassgegenstände gleichzeitig vollständig unter sich verteilen. Ist dies --wie vorliegend-- der Fall, so ist aber auch
für die ertragsteuerliche Beurteilung, ob insgesamt eine neutrale Realteilung oder ob teilweise Anschaffungs- und
Veräußerungsvorgänge anzunehmen sind, auf diesen einheitlichen Vorgang und auf den gesamten Nachlass
abzustellen. Bei dieser Gestaltung erhalten die Miterben mehr Möglichkeiten, sich unter Einbeziehung sämtlicher
Nachlassgegenstände steuerneutral auseinanderzusetzen, als wenn sie an die zivilrechtliche Nachlassspaltung
gebunden wären. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil kann deshalb keinen Bestand
haben.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Von seinem Standpunkt aus zu Recht hat das FG bisher nicht vollständig festgestellt,
wie sich die Miterben im Zuge der Auflösung der beiden Erbengemeinschaften auseinandergesetzt haben. Dies wird
es im zweiten Rechtsgang nachholen müssen, um abschließend beurteilen zu können, inwieweit und ggf. bezüglich
welcher Objekte dabei Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge verwirklicht worden sind.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BFH

Erscheinungsdatum:

10.10.2018

Aktenzeichen:

IX R 1/17

Rechtsgebiete:

Einkommens- und Körperschaftssteuer

Normen in Titel:

EStG §§ 7 Abs. 4, 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7; HGB § 255 Abs. 1