Geltendmachung der Vollzugsgebühr nach Nr. 22114 KV GNotKG bei Übermittlung der Gesellschafterliste
letzte Aktualisierung: 3.11.2021
LG Duisburg, Beschl. v. 14.1.2021 – 11 OH 103/18
GNotKG §§ 22 Abs. 1, 130 Abs. 2 S. 1
Geltendmachung der Vollzugsgebühr nach Nr. 22114 KV GNotKG bei Übermittlung der
Gesellschafterliste
1. Grundgedanke der Vollzugsgebühr nach Nr. 22114 KV GNotKG ist der Umstand, dass der
Notar auf der Basis einer qualifizierten juristischen Interpretationsarbeit dem Registergericht
Datensätze zukommen lässt, die das Gericht in die Lage versetzen, die übermittelten Daten
automatisch weiterzuverarbeiten, so dass beim Empfänger der Daten der Aufwand an Zeit und
Arbeitsschritten reduziert werden kann. Es ist grundsätzlich ausreichend, wenn die Übermittlung der
Datensätze in einer Form geschieht, die für diese automatische Umsetzung geeignet ist. Die
tatsächliche automatisierte Umsetzung beim Registergericht ist nicht ausschlaggebend.
2. Eine Vollzugsgebühr fällt bei der Übermittlung der Gesellschafterliste in strukturierter Form
durch den Notar nicht an, da die Vorbereitung der elektronischen Übermittlung der
Gesellschafterliste durch das Fachprogramm des Notars erfolgt. Dieses greift automatisch auf die bereits
vorhandene Liste der Gesellschafter zu und vollzieht den Umwandlungsprozess in eine
strukturierte Datei, ohne dass es noch einmal eines juristisch fundierten Zwischenschrittes
bedarf, in dem die Daten interpretiert werden müssten. Außerdem müssen vom Registergericht keine
Arbeitsschritte nach Eingang der Gesellschafterliste vollzogen werden.
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Auf die durch Anweisung des Präsidenten des Landgerichts
vom 12.07.2018 veranlasste Überprüfung der
Kostenberechnung des Antragsgegners vom 29.03.2018 über
1.507,37 € wird diese auf 1.371,36 € ermäßigt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; der
Antragsgegner trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst; die
außergerichtlichen Kosten der anderen Beteiligten des
Verfahrens werden der Landeskasse auferlegt.
Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 136,01 €
festgesetzt.
Der Antragsgegner beurkundete am 04.03.2016 unter der Urkunds-Nr. 152/2016 einen
Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsvertrag, eine Gesellschaft betreffend. Darüber
hinaus erstellte er eine Liste der Gesellschafter und leitete diese an das Registergericht
weiter.
Seine Tätigkeit rechnete er zunächst am 11.05.2016 gegenüber dem Antragsteller ab.
Diese Rechnung enthielt in ihrer korrigierten Fassung vom 29.03.2018 als
Rechnungsposition neben der Vollzugsgebühr nach Nr. 22110, 22113 KV GNotKG für die
Übermittlung der Gesellschafterliste auch die Nr. 22114 KV GNotKG über 114,30 € netto,
da die Liste als XML-Strukturdatei an das Registergericht versandt wurde.
Dabei wurde die Liste der Gesellschafter zunächst herkömmlich erstellt und erst im
Rahmen der Fertigung des Anschreibens, bei dem der Name des Unternehmens und die
Registernummer eingetragen werden, durch das dabei Verwendung findende
Fachprogramm des Antragsgegners in eine XML-Strukturdatei umgewandelt und
anschließend in dieser Form an das Registergericht versendet.
Im Rahmen der Überprüfung der Amtsgeschäfte des Antragsgegners, die bereits zu der
korrigierten Rechnung vom 29.03.2018 führte, wies der Präsident des Landgerichts
Duisburg den Antragsgegner am 12.07.2018 an, eine Entscheidung des Landgerichts
Duisburg herbeizuführen, ob die Vollzugsgebühr Nr. 22114 KV GNotKG im vorliegenden
Fall zur Abrechnung gelangen kann.
Der Präsident des Landgerichts Duisburg ist der Auffassung, dass im vorliegenden Fall die
zusätzliche Vollzugsgebühr nicht in Ansatz gebracht werden dürfe, da der zugrunde
liegende Vorgang nicht mit den sonstigen Übertragungen von Daten vergleichbar sei. Es
liege der Tätigkeit des Antragsgegners keine qualifiziert juristische Interpretationsarbeit
zugrunde, auch würden die gelieferten Daten nicht in das Registerblatt übertragen, eine
Entlastung des Justiz finde dementsprechend nicht statt.
Der Antragsteller beantragt,
die Notarkostenrechnung des Antragsgegners vom 29.03.2018 über 1.507,37 €
aufzuheben, soweit darin eine Vollzugsgebühr gemäß Nr. 22114 KV GNotKG nebst
anteiliger MWSt enthalten ist.
Der Antragsgegner beantragt,
den in der Verfügung vom 12.07.2018 enthaltenen Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsgegner ist der Ansicht, dass auch im Fall der Übermittlung einer
Gesellschafterliste im Zusammenhang mit der Beurkundung eines Geschäftsanteilskaufund
-abtretungsvertrages eine Vollzugsgebühr anfalle. Das von ihm verwendete Programm
XNotar sehe für die elektronische Einreichung von Dokumenten zum Handelsregister vor,
dass eine XML-Datei mitgesendet werde.
Der Präsident des Landgerichts – Bezirksrevisor – hat zu dem Verfahren Stellung
genommen. Auf das Schreiben vom 25.01.2019 wird Bezug genommen.
II.
1)
Antragsteller im Verfahren nach
Notar, sondern der Kostenschuldner unabhängig davon, ob er mit der erteilten Rechnung
inhaltlich einverstanden ist oder die von dem Präsidenten gehegten Bedenken gegen die
Rechnung teilt.
2)
Die Kostenrechnung vom 29.03.2018 ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden, zu
überprüfen ist allein, ob zusätzlich neben der allgemeinen Vollzugsgebühr der Nr. 22110,
22113 GNotKG auch die Nr. 22114 KV GNotKG in Ansatz gebracht werden kann. Dabei ist
nicht von Belang, dass der Antragsgegner im Rahmen der Beurkundung Nr. 153/2016
ebenfalls eine solche Vollzugsgebühr abgerechnet hat, das Verhältnis der jeweiligen
Gebühren nach Nr. 22114 KV GNotKG aus den beiden getrennten Rechnungen ist nicht
Gegenstand der Anweisung nach
3)
Inhaltlich ist dem Präsidenten des Landgerichts zuzustimmen, dass im konkreten Fall
keine Vollzugsgebühr nach Nr. 22114 KV GNotKG abgerechnet werden kann.
Grundgedanke der Vollzugsgebühr ist der Umstand, dass der Notar auf der Basis einer
qualifizierten juristischen Interpretationsarbeit dem Registergericht Datensätze zukommen
lässt, die das Gericht in die Lage versetzen, die übermittelten Daten automatisch weiter zu
verarbeiten, so dass beim Empfänger der Daten der Aufwand an Zeit und Arbeitsschritten
reduziert werden kann. Dabei ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die Übermittlung der
Datensätze in einer Form geschieht, die für diese automatische Umsetzung geeignet ist,
die tatsächliche automatisierte Umsetzung bei dem Registergericht ist nicht
ausschlaggebend.
In der oben beschriebenen Konstellation würde der Notar eine Tätigkeit ausführen, die
anderenfalls vom Registergericht selbst vorgenommen werden müsste, der an sich beim
Registergericht entstehende Aufwand würde stattdessen vom Notar auf sich genommen
und soll in diesen Fällen durch die Nr. 22114 KV GNotKG kompensiert werden.
Das Registergericht könnte sich in diesen Fällen darauf beschränken, die übermittelten
Daten zu sichten und zu überprüfen und anschließend automatisch in das bei ihm geführte
Register oder den sonstigen Zielordner zu übertragen.
Dieser Gesichtspunkt kommt aber nicht zum Tragen, wenn zum Zeitpunkt der qualifizierten
Datenübertragung der Vorarbeit des Notars kein Vorteil bei dem Registergericht
korrespondiert, sondern dort die Arbeitsvorgänge unabhängig davon sind, ob die
Informationen in einfacher oder strukturierter Form eintreffen.
Vielmehr hat das Gericht mitgeteilt, dass keine Arbeitsschritte nach Eingang der
Gesellschafterliste vollzogen werden müssen, für die ein strukturierter Datensatz von
Vorteil wäre. Dort wäre also die normale elektronische Einreichung der Daten völlig
ausreichend, um die üblichen Abläufe in die Wege zu leiten. Die wesentlichen
Informationen, die im Fall der Übertragung in strukturierter Form mitgeteilt werden, also
Firma und Registernummer, müssten auch auf einer ordnungsgemäß erstellten
Gesellschafterliste enthalten sein, so dass sich der Mehrwert einer Strukturdatei für das
Registergericht auf Null reduziert.
Hinzu kommt, dass die Vorarbeit des Notars gerade nicht in juristisch qualifizierter Form
erfolgt, sondern nur ein automatisch generiertes Folgeprodukt der bereits durch Nr. 22110,
22113 KV GNotKG honorierten Tätigkeit darstellt. Die Berechtigung, die Vollzugsgebühr
nach Nr. 22114 KV GNotKG in Rechnung zu stellen und ausnahmsweise eine zweite
Vollzugsgebühr geltend zu machen, setzt eine zusätzliche juristische Tätigkeit voraus, die
über das bloße Erstellen der Gesellschafterliste hinausgeht.
Vorliegend wird aber bei der Vorbereitung der elektronischen Übermittlung durch das
Programm des Antragsgegners automatisch auf die bereits vorhandene Liste der
Gesellschafter Zugriff genommen und der Umwandlungsprozess in eine strukturierte Datei
vollzogen, ohne dass es noch einmal eines juristisch fundierten Zwischenschrittes bedarf,
in dem die Daten interpretiert werden müssten.
Damit wird aber der Grundgedanke der Vollzugsgebühr konterkariert, wonach die
Automatisierung beim Registergericht erfolgen soll, um dort Arbeitsvorgänge zu
vereinfachen und zu beschleunigen, nicht aber durch eine Automatisierung beim Notar
selbst zusätzliche Gebühren eröffnet werden sollen, ohne dass dieser weiteren Gebühr
eine juristische Tätigkeit innewohnt.
Dies gilt erst recht, wenn laut Auskunft von anderen Notaren die elektronische
Übermittlung von Gesellschafterlisten auch ohne die Nutzung des Programms stattfinden
kann und demzufolge die Liste nicht in qualifizierter Form an das Registergericht versandt
werden muss. Dieser Übertragungsweg ist laut Registergericht - wie bereits dargestellt -
völlig ausreichend und führt zu keinen irgendwie gearteten Nachteilen im Vergleich zu dem
vom Antragsgegner gewählten Weg.
Schließlich gilt es auch, folgenden Umstand zu beachten: Der Notar ist grundsätzlich
berechtigt, eine Strukturdatei an das Registergericht zu übersenden, ohne dass er zuvor
um einen besonderen Auftrag von den Beteiligten nachsuchen muss. Dabei soll er sogar
nicht einmal verpflichtet sein, die Beteiligten auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Daten in
einfacher Form an das Gericht zu übermitteln, um dadurch die Gebühr nach Nr. 22114 KV
GNotKG zu vermeiden.
Dies lässt sich aber nur rechtfertigen, wenn aus Sicht des Kostenschuldners mit der Wahl
des qualifizierten Datensatzes irgendwelche Vorteile verbunden sind, die einen erhöhten
Kostenaufwand rechtfertigen. Wenn aber - wie hier - der Weg der automatisiert erstellten
Strukturdatei gewählt wird, obwohl auch ein anderer elektronischer Übertragungsweg zur
Verfügung steht und das Registergericht nicht in der Lage ist, mit den strukturierten
Datensätzen eine Vereinfachung oder Beschleunigung der eigenen Tätigkeit zu
ermöglichen, stellt sich das aus Sicht des Kostenschuldners ggfls. als Fall einer
unrichtigen Sachbehandlung dar, der zu einer entsprechenden Reduzierung dieser
Vollzugsgebühr nebst anteiliger MWSt. auf Null führen müsste.
Hieraus resultiert als Ergebnis, dass die Rechnung des Antragsgegners vom 29.03.2018
um den Bruttobetrag der Vollzugsgebühr gemäß Nr. 22114 KV GNotKG zu reduzieren ist,
so dass ein Restbetrag von 1.371,36 € verbleibt.
III.
Gerichtsgebühren sind gemäß
Vorschrift befreit nicht nur den Antragsgegner von der entsprechenden
Kostentragungspflicht, sondern auch den Kostenschuldner, der zwar formal Antragsteller
ist, aber mangels Veranlassung des Verfahrens nicht nach
Kostenübernahme herangezogen werden kann.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 130 Abs. 2 S. 4
GNotKG. Danach trägt der Antragsgegner seine eigenen außergerichtlichen Kosten, die
Kosten der anderen Beteiligten werden der Landeskasse auferlegt.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Entscheidung kann ohne Rücksicht auf den Wert des
Beschwerdegegenstandes binnen einer Frist von einem Monat, die mit der schriftlichen
Bekanntgabe des Beschlusses beginnt, Beschwerde eingelegt werden, § 130 Abs. 3 S. 1
GNotKG i.V.m.
Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle beim Landgericht Duisburg
einzulegen. Die Frist wird nur durch den Eingang der Beschwerdeschrift bei dem
genannten Gericht bzw. durch die Erklärung zur Niederschrift der Geschäftsstelle des
genannten Gerichts gewahrt. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen
Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss
eingelegt werde. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu
unterzeichnen,
Entscheidung, Urteil
Gericht:LG Duisburg
Erscheinungsdatum:14.01.2021
Aktenzeichen:11 OH 103/18
Rechtsgebiete:
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
GNotKG §§ 22 Abs. 1, 130 Abs. 2 S. 1