BFH 14. November 2023
IX R 10/22
EStG §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1

Privates Veräußerungsgeschäft; Nutzung zu eigenen Wohnungszwecken; Nutzungsüberlassung an den geschiedenen Ehegatten

letzte Aktualisierung: 25.3.2024
BFH, Urt. v. 14.11.2023 – IX R 10/22

EStG §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1
Privates Veräußerungsgeschäft; Nutzung zu eigenen Wohnungszwecken;
Nutzungsüberlassung an den geschiedenen Ehegatten

Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 des
Einkommensteuergesetzes liegt nicht vor, wenn eine Nutzungsüberlassung (auch) an den
geschiedenen Ehegatten erfolgt (Bestätigung der Senatsrechtsprechung, u. a. Senatsurteil vom
14.02.2023 – IX R 11/21, BFHE 280, 1, BStBl II 2023, 642, Rz 29 ff.).

Entscheidungsgründe

II.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zu Recht erkannt, dass der Kläger im Streitjahr (2018) ein nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbares privates Veräußerungsgeschäft getätigt hat (dazu unter 1.). Entgegen der Ansicht der Revision hat der Kläger das Wirtschaftsgut im maßgeblichen Zeitraum nicht im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zu eigenen Wohnzwecken genutzt (dazu unter 2.).

1. Der Kläger hat im Streitjahr sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG erzielt.

a) Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG. Dazu gehören gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (zum Beispiel Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.

b) So verhält es sich in Hinblick auf die Veräußerung des von der Kindesmutter erworbenen Miteigentumsanteils an der Immobilie. Dass die im Jahr 2018 erfolgte Veräußerung des im Jahr 2014 im Rahmen der Scheidungsfolgenvereinbarung erworbenen Miteigentumsanteils innerhalb der zehnjährigen Haltefrist stattgefunden hat, bedarf keiner weitergehenden Erörterung.

c) Die Einkünfteerzielungsabsicht ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht zu überprüfen (Senatsurteil vom 20.08.2013 - IX R 38/11, BFHE 242, 386, BStBl II 2013, 1021, Rz 30, m.w.N.). Dieses Merkmal des Steuertatbestands wird durch die Zehnjahresfrist in typisierender Weise objektiviert (vgl. Senatsurteil vom 25.08.2009 - IX R 60/07, BFHE 226, 252, BStBl II 2009, 999, unter II.1.b, m.w.N.). Gesichtspunkte, die eine erneute Befassung des Senats mit dieser Frage erforderten, enthält der Vortrag des Klägers nicht und sind auch nicht von Amts wegen ersichtlich.

2. Der Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist nicht einschlägig.

a) § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nimmt Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden, von der Besteuerung aus.

Nach der Senatsrechtsprechung setzt der Ausdruck "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" in beiden Alternativen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen dauerhaft geeignet ist und vom Steuerpflichtigen auch bewohnt wird. Der Steuerpflichtige muss das Gebäude zumindest auch selbst nutzen; unschädlich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt (Senatsurteile vom 21.05.2019 - IX R 6/18, Rz 16; vom 24.05.2022 - IX R 28/21, Rz 15 und vom 14.02.2023 - IX R 11/21, BFHE 280, 1, BStBl II 2023, 642, Rz 26, m.w.N.).

b) Ein Gebäude wird nach der Senatsrechtsprechung auch zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn der Steuerpflichtige es einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind (oder mehreren einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kindern) unentgeltlich zu Wohnzwecken überlässt (Senatsurteile vom 21.05.2019 - IX R 6/18, Rz 18; vom 24.05.2022 - IX R 28/21, Rz 17 sowie vom 14.02.2023 - IX R 11/21, BFHE 280, 1, BStBl II 2023, 642, Rz 28). Keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liegt hingegen vor, wenn die Überlassung nicht ausschließlich an ein einkommensteuerlich zu berücksichtigendes Kind (oder mehrere einkommensteuerlich zu berücksichtigende Kinder), sondern zugleich an einen Dritten (zum Beispiel die Kindesmutter beziehungsweise den Kindesvater) erfolgt (Senatsurteile vom 24.05.2022 - IX R 28/21, Rz 18 sowie vom 14.02.2023 - IX R 11/21, BFHE 280, 1, BStBl II 2023, 642, Rz 29, m.w.N.; vgl. u.a. Jachmann-Michel, juris - Die Monatszeitschrift 2023, 300; Christopeit, Familie und Recht 2023, 316; Menges, Betriebs-Berater 2023, 279).

Die Nutzung der Wohnung durch das Kind ist dem Eigentümer als eigene zuzurechnen, weil es ihm obliegt, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 26.01.1994 - X R 94/91, BFHE 173, 345, BStBl II 1994, 544, unter 1.b). Soweit die höchstrichterliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Begriff der "eigenen Wohnzwecke" tatbestandlich auf die Vorschrift des § 32 EStG abgestellt hat, erfolgt dies vor dem Hintergrund der Annahme, dass der Gesetzgeber ‑‑aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung‑‑ bei den nach dieser Vorschrift zu berücksichtigenden Kindern typisierend eine Unterhaltspflicht und das Entstehen von Aufwendungen unterstellt (Senatsurteile vom 24.05.2022 - IX R 28/21, Rz 24 und vom 14.02.2023 - IX R 11/21, BFHE 280, 1, BStBl II 2023, 642, Rz 30). Vor welchem Hintergrund beziehungsweise in welchem Umfang die Nutzungsüberlassung (auch) an den Dritten erfolgt, ist demnach unbeachtlich.

c) Nach diesen Maßstäben nutzte der Kläger die Immobilie nicht unmittelbar zu eigenen Wohnzwecken. Der Kläger ist infolge der Trennung von der Kindesmutter aus der Immobilie ausgezogen.

Dem Kläger kann auch keine mittelbare Nutzung zu Wohnzwecken aufgrund der Überlassung der Immobilie an seine Kinder als eigene zugerechnet werden. Neben den Kindern bewohnte zugleich die Kindesmutter die Immobilie. Die Nutzung durch die Kindesmutter kann dem Kläger nicht als Eigennutzung zugerechnet werden. Es fehlt an einer entsprechenden rechtlichen Grundlage für die Zurechnung der Nutzung durch die Kindesmutter als eigene Nutzung durch den Kläger. Die Regelung in der Scheidungsfolgenvereinbarung, dass die mietfreie Nutzung der Wohnung eine Unterhaltsleistung darstelle, stellt keine relevante rechtliche Grundlage dar. Denn eine Nutzung zu "eigenen Wohnzwecken" im Sinne des Einkommensteuerrechts liegt nur vor, wenn unterhaltsberechtigte Personen ‑‑wie Kinder‑‑ typischerweise zur Lebens- oder Wirtschaftsgemeinschaft des Steuerpflichtigen gehören. Dies ist bei dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten, die nicht mehr Teil einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft sind, indes nicht der Fall. Der laufende Unterhalt ist vielmehr regelmäßig durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren (§ 1361 Abs. 4 bzw. § 1585 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ‑‑BGB‑‑; Senatsurteil vom 14.02.2023 - IX R 11/21, BFHE 280, 1, BStBl II 2023, 642, Rz 39; BFH-Urteil vom 26.01.1994 - X R 17/91, BFHE 173, 352, BStBl II 1994, 542, unter 1.).

d) Soweit der Kläger im Revisionsverfahren vorgebracht hat, sich in einer Zwangslage befunden zu haben, da beide Eltern bei der Gestaltung der Scheidungsfolgenvereinbarung primär die Beibehaltung des häuslichen Umfeldes für die durch die Trennung und anstehende Scheidung der Eltern psychisch belasteten Kinder im Fokus gehabt hätten, kommt es auf die Beweggründe für die Überlassung einer Immobilie an einen Dritten nach den genannten Maßstäben nicht an. Im Übrigen handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen. Dieses kann im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden (§ 118 Abs. 2 FGO).

e) Auch Art. 6 GG verhilft der Revision nicht zum Erfolg (vgl. aber Sagmeister, Deutsches Steuerrecht 2011, 1589, 1591, zur Wohnnutzung auf der Grundlage des § 1568a BGB). Der Kläger hat die zum Wesen der Ehe und Familie gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft durch seinen Auszug und spätere Scheidung aufgelöst. Zwar lässt Art. 6 Abs. 1 GG auch der geschiedenen Ehe Schutz zukommen. Gleichwohl kann der Gesetzgeber einer bestehenden Ehe Vorteile einräumen, die er einer geschiedenen Ehe vorenthält. Nur bei zusammenlebenden Ehegatten kann er davon ausgehen, dass sie grundsätzlich zusammen eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs bilden, in der die Ehegatten jeweils an den Einkünften wie Lasten des anderen teilhaben (vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.10.2003 - 1 BvR 246/93, 1 BvR 2298/94, BVerfGE 108, 351, unter C.I.2.b, m.w.N.).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BFH

Erscheinungsdatum:

14.11.2023

Aktenzeichen:

IX R 10/22

Rechtsgebiete:

Einkommens- und Körperschaftssteuer
Erbschafts- und Schenkungsteuer
Ehevertrag und Eherecht allgemein

Normen in Titel:

EStG §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1