OLG Celle 26. April 2021
9 W 51/21
GmbHG §§ 4a, 53, 69 Abs. 2

Zulässigkeit der Sitzverlegung einer GmbH im Liquidationsstadium

letzte Aktualisierung: 11.11.2021
OLG Celle, Beschl. v. 26.4.2021 – 9 W 51/21

GmbHG §§ 4a, 53, 69 Abs. 2
Zulässigkeit der Sitzverlegung einer GmbH im Liquidationsstadium

Im Grundsatz ist die Sitzverlegung einer GmbH – vorbehaltlich tatsächlicher Anhaltspunkte für
Rechtsmissbräuchlichkeit im Einzelfall – auch im Liquidationsstadium zulässig (entgegen KG
22 W 63/17).

Gründe

I.
Die betroffene Gesellschaft, deren Stammkapital 1 Mio. Euro beträgt, befindet sich seit Januar 2019 in
Liquidation. Mit formgerechter Anmeldung des Liquidators vom 19. März 2021 (Bl. 15 AR-Hefter) begehrt
sie die Eintragung ihrer Sitzverlegung aus dem Bezirk des Registergerichts Hannover in den Bezirk des
Registergerichts Tostedt, nämlich nach Cuxhaven; dem liegt ein satzungsändernder Beschluss der
Gesellschafterversammlung vom 9. März 2021 zugrunde.

Mit der Anmeldung dieser Sitzverlegung hat die Gesellschaft eine - nach ihrer Darstellung am 9. Januar
2020 bereits vorgenommene – Anmeldung zur Löschung der Gesellschaft aus dem Register
zurückgenommen und angekündigt, die Löschung zu einem späteren Zeitpunkt beim dann zuständigen
Handelsregister erneut beantragen zu wollen.

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den hinsichtlich der Gründe Bezug genommen wird, hat das
Registergericht die Anmeldung der Sitzverlegung zurückgewiesen. Es hat gemeint, die Sitzverlegung
widerspräche dem Wesen der Abwicklung der Gesellschaft; in der Liquidationsphase einer Gesellschaft
sollten die Befriedigung der Gläubiger und die Abwicklung sämtlicher Geschäfte erfolgen. Nachdem im
Streitfall sogar bereits die Beendigung der Liquidation angemeldet gewesen sei, könne davon
ausgegangen werden, dass die Liquidation wahrscheinlich schon habe beendet werden können. Unter
Bezugnahme auf eine Entscheidung des Kammergerichts zum Aktenzeichen 22 W 63/17, derzufolge die
Sitzverlegung einer Liquidationsgesellschaft sehr engen Kriterien unterliege, sei sie im Streitfall nicht
zuzulassen; gemäß dieser Entscheidung könnte es wahrscheinlich sein, dass „sich hier eventuellen
Gläubigern entzogen werden“ solle.

Auch die mit der Beschwerde vorgebrachte Argumentation der betroffenen Gesellschaft, wonach sie zu
einer Firmengruppe gehöre, die insgesamt ihre Geschäftsräume nach Cuxhaven verlege, was zum Teil
auch bereits registerkundig sei, hat das Registergericht nicht zu einer Abänderung seiner Entscheidung
bewogen (Bl. 53 AR-Hefter).

II.
Die Beschwerde hat Erfolg.

1. Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ergibt sich aus § 69 GmbHG, dass auch in
der Liquidation einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Verlegung von deren Sitz möglich ist (vgl.
nur Karsten Schmidt/Scheller in Scholz, Kommentar zum GmbHG, 12. Aufl., § 69 Rn. 14). Davon ist auch
das Registergericht im Ansatz ausgegangen. Es meint nur, die Möglichkeit einer Sitzverlegung in der
Liquidation sei extrem restriktiv zu handhaben, da die Wahrscheinlichkeit, sich Gläubigern entziehen zu
wollen, naheliege.

2. Diesen Überlegungen folgt der Senat schon im Ansatz nicht, soweit sie eine restriktiv enge Handhabung
als Regelfall postulieren. Typisch für die Liquidationsphase eines Unternehmens ist, dass es seine
Geschäftsräume verkleinert und daher - im Normalfall - wechseln muss. Daher liegt ein Wechsel der
inländischen Geschäftsanschrift vielfach auf der Hand; es sind keine Gründe dafür ersichtlich, warum eine
solche Veränderung der Geschäftsanschrift nicht auch durch eine parallele Sitzverlegung in der Satzung
begleitet werden könnte und dürfte.

Davon, dass auch der Gesetzgeber diese Notwendigkeit erkannt hat, zeugt § 69 Abs. 2 GmbHG, der zum
Ausdruck bringt, dass in solchen Fällen, die der Gesetzgeber für existent hält, der alte Gerichtsstand, also
derjenige am alten Gesellschaftssitz, erhalten bleibt.

3. Auch für eine Versagung der Sitzverlegung wegen deren Rechtsmissbräuchlichkeit, die natürlich im
Einzelfall vorliegen kann, hat das Registergericht tragfähige tatsächliche Umstände im angefochtenen
Beschluss nicht anzuführen vermocht. Die Tatsache allein, dass die Beendigung der Liquidation bereits
einmal angemeldet war, diese Anmeldung jedoch zurückgenommen worden ist, rechtfertigt den Schluss
auf eine Rechtsmissbräuchlichkeit nicht. Dass eine Liquidation tatsächlich – entgegen der Annahme der
Gesellschafter – doch nicht beendet ist, kann stets dadurch eintreten, dass sich noch ein Gläubiger meldet
oder eine Steuerangelegenheit nicht abgeschlossen ist. Das Registergericht hat im Streitfall auch weder
aufgearbeitet noch in seinen Entscheidungen mitgeteilt, warum die Anmeldung der Beendigung der
Liquidation aus dem Januar 2020 innerhalb einer Zeitspanne von mehr als einem Jahr nicht vollzogen zu
werden vermochte. Schon diese Zeitspanne lässt indes darauf schließen, dass die Liquidation der
betroffenen Gesellschaft tatsächlich nicht zu Ende war.

Das Registergericht hat in seine Abwägung auch nicht einbezogen, dass – abgesehen von Fällen, in
denen das Gesellschaftsvermögen bereits am Ende der Liquidation an die Gesellschafter verteilt ist –
grundsätzlich eine Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft in der Hand von deren
Gesellschafterversammlung liegt und mithin beschlossen werden kann (vgl. insb. BGH II ZB 3/19 passim;
besonders Rn. 37ff.). Deshalb erscheint es begrüßenswert, wenn eine Gesellschaft in Liquidation ihren Sitz
dort hat, wo sich auch die Geschäftsräume, aus denen heraus eine etwaige Fortsetzung der Gesellschaft
zu erwarten wäre, zum jeweiligen Zeitpunkt befinden.

III.
Der angefochtene, den Eintragungsantrag zurückweisende Beschluss ist mithin aufzuheben. Das
Registergericht hat das Verfahren fortzusetzen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Celle

Erscheinungsdatum:

26.04.2021

Aktenzeichen:

9 W 51/21

Rechtsgebiete:

GmbH

Normen in Titel:

GmbHG §§ 4a, 53, 69 Abs. 2