OVG Weimar 08. Oktober 2020
3 KO 164/16
AusglLeistG § 3 Abs. 8; BGB § 466; ThürWaldG § 17

Vorkaufsrecht nach dem Thüringer Waldgesetz; Selbstbewirtschaftungsverpflichtung des Käufers als Nebenpflicht i. S. v. § 466 BGB

letzte Aktualisierung: 9.9.2021
OVG Weimar, Urt. v. 8.10.2021 – 3 KO 164/16

AusglLeistG § 3 Abs. 8; BGB § 466; ThürWaldG § 17
Vorkaufsrecht nach dem Thüringer Waldgesetz; Selbstbewirtschaftungsverpflichtung des Käufers als Nebenpflicht i. S. v. § 466 BGB

Eine auf Grundlage des § 3 Abs. 8 AusglLeistG in einem Kaufvertrag über Forstflächen vereinbarte
Selbstbewirtschaftungsverpflichtung des Käufers ist jedenfalls eine Nebenpflicht im Sinne des § 466
BGB, die grundsätzlich nicht von einer nach dem Waldgesetz vorkaufsberechtigten Gemeinde
erfüllt werden kann.

Entscheidungsgründe

Die zugelassene und zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat der auf die Aufhebung des Bescheides der Beklagten über
die Ausübung eines waldrechtlichen Vorkaufsrechtes vom 31. März 2014 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes Hildburghausen vom
6. August 2014 gerichteten Klage zu Recht stattgegeben.

1. Die Klage ist zulässig.

Die Klägerin ist insbesondere klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Es kann dahinstehen,
ob dies bereits aus der Stellung der Klägerin als Verkäuferin eines
Grundstückskaufvertrags folgt - in dieser ist sie in ihren Rechten nicht unmittelbar
betroffen. Jedenfalls kommt ihr eine Klagebefugnis zu, da der von ihr durchgeführte
konkrete Verkauf nach §§ 1, 3 AusglLeistG im Wesentlichen der Gewährung eines
Ausgleichs für den durch entschädigungslose Enteignung auf besatzungsrechtlicher
oder besatzungshoheitlicher Grundlage erlittenen Verlust von Vermögenswerten im
Sinne des § 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen
(Vermögensgesetz) dient. Im Rahmen der Wahrnehmung dieser Aufgabe hat die
Klägerin, wie sich auch aus dem Vertragstext ergibt, die Flächen an die Beigeladene
veräußert. Sie kann geltend machen, dass durch den mit der Ausübung des
Vorkaufsrechts beabsichtigten Wechsel in der Person der Käuferin das Ziel der
Verwirklichung einer Ausgleichsleistung nicht mehr erreicht werden kann und insofern
ihre gesetzlich übertragenen Aufgaben und daraus folgenden Rechte verletzt worden
sind.

2. Die (Anfechtungs-)Klage ist auch begründet.

Der Bescheid der Beklagten über die Ausübung eines waldrechtlichen
Vorkaufsrechtes vom 31. März 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 6. August 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Die Beklagte stützt ihren Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechtes auf § 17
Abs. 1 Satz 1 ThürWaldG. Danach steht den Gemeinden und dem Land das
Vorkaufsrecht an Waldgrundstücken in dieser Reihenfolge zu.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass ein Vorkaufsrecht nicht
wirksam ausgeübt werden konnte.

Ob die Geltendmachung eines landesrechtlich geregelten Vorkaufsrechtes bereits
bundesrechtlich nach Sinn und Zweck des Ausgleichsleistungsgesetzes außerhalb
des für den Erwerb durch Nichtberechtigte durch § 4 Abs. 3 Satz 1 AusglLeistG, § 15
Abs. 2, 4 Abs. 3 FlErwVO vorgegebenen Rahmens ausgeschlossen ist oder ob eine
solche Einschränkung nicht gilt, weil sie einer ausdrücklichen Regelung im
Ausgleichsleistungsgesetz bedurft hätte (so: Sächsisches OVG, Urteil vom
3. Dezember 2010 - 3 A 421/09 - juris Rn. 44), kann hier dahinstehen. Denn hier steht
dem Vorkaufsrecht die zivilrechtliche Ausschlussvorschrift des § 466 BGB entgegen.
Gemäß § 17 Abs. 6 Satz 2 ThürWaldG finden die §§ 464 Abs. 2, 465 bis 469 und 471
BGB entsprechende Anwendung. Nach § 466 BGB ist seine Ausübung
ausgeschlossen, wenn sich der Dritte zu einer Nebenleistung verpflichtet hat, die zu
bewirken der Vorkaufsberechtigte außerstande ist und die nicht in Geld schätzbar ist,
es sei denn, der Vertrag wäre auch ohne sie geschlossen worden. Dies ist hier der
Fall.

a. Die Beklagte als Vorkaufsberechtigte kann die Nebenleistung nicht erbringen. § 9
des Kaufvertrages enthält eine Bewirtschaftungsverpflichtung, die an die Person der
Erwerberin geknüpft ist. Der Vertragsschluss erfolgte nach dessen § 9 Abs. 1
ausdrücklich unter der Annahme, dass der Beigeladenen - aufgrund des
Teilbescheides/Ausgleichsleistungsbescheides des Landesamtes zur Regelung
offener Vermögensfragen Mecklenburg-Vorpommern vom 3. September 2001 für die
entschädigungslose Enteignung des Gutes S_____________ - für den
Kaufgegenstand ein Erwerbsanspruch nach den Bestimmungen des § 3 Abs. 8
AusglLeistG zusteht und sie die Flächen für die Dauer des in § 8 des Vertrages und
§ 3 Abs. 10 AusglLeistG geregelten Veräußerungsverbots von 15 Jahren
ordnungsgemäß im Sinne des Bundes- und Landeswaldgesetzes bewirtschaftet und
im Übrigen ausschließlich für forstwirtschaftliche Zwecke nutzt. Die Parteien gehen
übereinstimmend davon aus, dass mit dem Abschluss dieses Kaufvertrages die sich
aus dem vorgenannten Bescheid ergebende Erwerbsberechtigung der Käuferin nach
§ 3 Abs. 8 AusglLeistG im Umfang von 2,5175 ha endgültig verbraucht ist und nicht
mehr für den begünstigten Erwerb nach § 3 AusglLeistG in Anspruch genommen
werden kann.

Diese Verknüpfung entspricht der Zielstellung des Ausgleichsleistungsgesetzes und
der Flächenerwerbsverordnung. Mit den Regelungen zum begünstigten
Flächenerwerb wollte der Gesetzgeber zwei Zwecke erreichen, nämlich einerseits ein
Wiedergutmachungsprogramm für Alteigentümer im Bereich der Land- und
Forstwirtschaft und andererseits ein Förderprogramm zum Aufbau der privatnützigen
Land- und Forstwirtschaft in den neuen Ländern (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober
2004 - 2 BvR 955/00 - BVerfGE 112, 1 ff. Rn. 133; vgl. auch BVerfG, Urteil vom
22. November 2000 - 1 BvR 2307/94 - BVerfGE 102, 254 ff.). Ist aber durch den
Kaufvertrag die Selbstbewirtschaftungsverpflichtung als Nebenleistungspflicht an die
Erwerbsberechtigung nach § 3 Abs. 8 AusglLeistG geknüpft, kommt eine Erfüllung
durch die Beklagte nicht in Betracht. Die Beklagte geht fehl in ihrer Annahme, allein
durch Sicherstellung der forstlichen Bewirtschaftung der verkauften Waldflächen die
vertragliche Nebenpflicht erfüllen zu können.

b. Darüber hinaus kann der mit dem Förderprogramm des
Ausgleichsleistungsgesetzes und von den Klägern mit der Vereinbarung verfolgte
Zweck auch nicht durch eine Geldleistung erzielt werden.

In Geld nicht schätzbar ist eine derartige Nebenleistung dabei nicht nur, wenn ihre
Erfüllung durch einen anderen als den Dritten dem Vorkaufsverpflichteten nicht
zumutbar ist, sondern auch dann, wenn der gesetzliche Zweck, der mit ihrer
Vereinbarung herbeigeführt werden soll, mit einer wie auch immer bemessenen
Geldleistung durch den Vorkaufsberechtigten nicht erreichbar ist (Sächsisches OVG,
Urteil vom 3. Dezember 2010 - 3 A 421/09 - juris Rn. 46). So liegt der Fall hier.
Es kommt - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht darauf an, dass die
forstwirtschaftlichen bzw. betrieblichen Leistungen einen in Geld schätzbaren Wert
haben. Wie oben dargelegt, dient der subventionierte Verkauf von Waldflächen an
Berechtigte im Sinne dieser Vorschriften der Schaffung neuer Eigentumsstrukturen in
der ostdeutschen Land- und Forstwirtschaft und damit der Förderung dieser
Erwerbszweige in den neuen Ländern. Diese staatlich subventionierte Privatisierung
erfolgt im Hinblick auf einen bestimmten Personenkreis. Zur Sicherung der
Zweckbindung sind die in § 12 FlErwV genannten Vereinbarungen getroffen worden.
So ist die Klägerin gemäß § 9 Abs. 2 des Kaufvertrages vom 17. Januar 2014
berechtigt, von diesem Vertrag ganz oder teilweise zurückzutreten, wenn vor Ablauf
von 15 Jahren nach Abschluss dieses Kaufvertrages die forstwirtschaftliche Nutzung
oder die Selbstbewirtschaftung im Sinne des § 3 Abs. 8 AusglLeistG für die
erworbenen Flächen oder wesentlicher Teile aufgegeben wird. Der die Beigeladene
begünstigende Förder- und Wiedergutmachungszweck kann offensichtlich nicht durch
eine Geldleistung der Beklagten, die unstreitig nicht zu diesem Berechtigtenkreis
gehört, erreicht werden.

c. Vor dem durch den gesetzlich vorgegebenen Wiedergutmachungsgedanken
verbunden mit dem Förderzweck geprägten Hintergrund des Kaufvertrages ist es
auszuschließen, dass die Klägerin und die Beigeladene den Vertrag auch ohne die
Nebenleistungsvereinbarung abgeschlossen hätten.

d. Auf die Voraussetzungen der Erwerbsberechtigung der Beigeladenen nach § 3
AusglLeistG - die auch nicht substantiiert bestritten werden - kommt es für die Frage
des Ausschlusses des Vorkaufsrechts nicht an. Die Vertragsparteien sind jedenfalls
vom Vorliegen der Voraussetzungen ausgegangen und haben dies zum
grundlegenden Vertragsinhalt gemacht. Dafür, dass dies im Rahmen eines kollusiven
Zusammenwirkens mit dem Ziel eines Ausschlusses der Ausübung eines
Vorkaufsrechtes geschehen sein könnte, gibt es keine Anhaltspunkte.
e. Ist das waldrechtliche Vorkaufsrecht der Beklagten gemäß § 466 BGB bereits
ausgeschlossen, kommt es auf die Frage, ob die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2
ThürWaldG, nämlich ob der Kauf durch die Beklagte der Walderhaltung oder einer
Verbesserung der Leistungen des Waldes für die Allgemeinheit dient, nicht mehr an.

3. Die Beklagte hat als unterlegene Berufungsführerin die Kosten des
Rechtsmittelverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO). Hierzu gehören nach § 162
Abs. 3 VwGO auch die Kosten der Beigeladenen, weil diese eigene Anträge gestellt
und sich somit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat. Dies gilt nicht für die
außergerichtlichen Kosten des Beteiligten, der einen Antrag nicht gestellt hat.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 i. V. m.
§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO in entsprechender Anwendung.

5. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Hinweis:

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3
GKG).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OVG Weimar

Erscheinungsdatum:

08.10.2020

Aktenzeichen:

3 KO 164/16

Rechtsgebiete:

Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

AusglLeistG § 3 Abs. 8; BGB § 466; ThürWaldG § 17