BGH 20. Februar 2019
XII ZB 364/18
BGB §§ 528 Abs. 1, 1603 Abs. 1

Keine Erhöhung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit bei Schenkung einer Eigentumswohnung unter lebenslangem Nießbrauchsvorbehalt

letzte Aktualisierung: 29.3.2019
BGH, Beschl. v. 20.2.2019 – XII ZB 364/18

BGB §§ 528 Abs. 1, 1603 Abs. 1
Keine Erhöhung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit bei Schenkung einer
Eigentumswohnung unter lebenslangem Nießbrauchsvorbehalt

Verschenkt der zum Elternunterhalt Verpflichtete eine selbst genutzte, unterhaltsrechtlich als
Vermögen nicht einsetzbare Eigentumswohnung und behält er sich daran einen lebenslangen
Nießbrauch vor, so kann sich seine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit nicht durch einen
Rückforderungsanspruch nach § 528 Abs. 1 BGB erhöhen.

Gründe:

I.
Der Antragsteller macht als Sozialhilfeträger aus übergegangenem Recht
einen Anspruch auf Elternunterhalt für die Zeit von Mai 2017 bis November
2017 geltend.

Der Antragsteller erbrachte der pflegebedürftigen Mutter des Antragsgegners,
die vollstationär in einem Altersheim untergebracht war, ab März 2017
Sozialhilfeleistungen in Höhe seines Antrags. Die Mutter verstarb im Dezember
2017.

Der 1951 geborene Antragsgegner ist verheiratet und bezieht Renteneinkünfte.
Seine 1954 geborene Ehefrau bezieht Vorruhestandsbezüge als Beamtin.
Sie wird vom Antragsteller im vor dem Senat geführten Parallelverfahren
mit dem Aktenzeichen XII ZB 365/18 für ihre Mutter ebenfalls auf Elternunterhalt
in Anspruch genommen.

Die Ehegatten bewohnen eine Eigentumswohnung mit einer Wohnfläche
von 91 m2. Diese stand ursprünglich in ihrem jeweils hälftigen Miteigentum. Im
Oktober 2014 übertrugen sie die Eigentumswohnung schenkweise auf ihre
Tochter und behielten sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vor.
Die Beteiligten streiten vor allem um die Frage, ob von den Ehegatten zu
verlangen ist, dass sie die Schenkung zurückfordern, um daraus im erweiterten
Umfang Elternunterhalt leisten zu können. Das Amtsgericht hat den Antragsgegner
für die Zeit von Mai 2017 bis Oktober 2017 zur Zahlung von insgesamt
973,56 € nebst Zinsen verpflichtet. Das Oberlandesgericht hat auf die Beschwerde
des Antragstellers den Unterhalt für November 2017 einbezogen und
die Verpflichtung auf 1.157,48 € nebst Zinsen erhöht.

Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers,
der seinen weitergehenden Antrag auf Zahlung von insgesamt 2.314,68 €
nebst Zinsen weiterverfolgt.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts besteht kein weitergehender
Unterhaltsanspruch, als er sich aus den Einkommensverhältnissen der Ehegatten
einschließlich Wohnvorteil errechnet. Der Antragsgegner müsse für den Unterhalt
kein Vermögen einsetzen. Dazu gehörten zwar auch alle Ansprüche, die
auf Zahlung von Geld oder Verschaffung von Eigentum gerichtet seien. Der An-
tragsgegner habe gegenüber seiner Tochter einen Anspruch aus § 528 Abs. 1
BGB, weil er nach Vollziehung der Schenkung außerstande sei, die ihm seinen
Verwandten gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht zu erfüllen.
Es komme aber stets darauf an, ob die Vermögensverwertung zumutbar
sei. Eine solche könne etwa nicht verlangt werden, wenn sie den Unterhaltsschuldner
von fortlaufenden Einkünften abschneiden würde, die er zur Bestreitung
seines eigenen Unterhalts benötige. Auch könne die Verwertung eines
angemessenen selbst genutzten Immobilienbesitzes regelmäßig nicht verlangt
werden. Bei der Bemessung dessen, was zumutbar ist, sei insbesondere in
Rechnung zu stellen, dass das Unterhaltsrechtsverhältnis zwischen unterhaltsberechtigten
Eltern und ihren unterhaltspflichtigen Kindern schwächer ausgestaltet
sei als das umgekehrte Verhältnis beim Kindesunterhalt.

Gemessen hieran könne vom Antragsgegner eine Rückforderung der
Schenkung nicht verlangt werden. Seine Tochter habe ihm im Fall der Rückforderung
den gesamten hälftigen Miteigentumsanteil zurückübertragen können.
Sie sei nach § 528 Abs. 1 BGB nicht verpflichtet gewesen, ihn mit einer monatlichen
Geldzahlung in Höhe des noch offenen Bedarfs ihrer Großmutter abzufinden.
Wäre die Rückübertragung des Miteigentumsanteils erfolgt, hätte der
Antragsgegner den Miteigentumsanteil nicht verwerten müssen, weil er die
Wohnung selbst bewohne und hierauf für seinen weiteren eigenen Lebensunterhalt
angewiesen sei. Das unterhaltspflichtige Kind, welches seine selbst bewohnte
Immobilie unter Vorbehalt eines Nießbrauchsrechts verschenke, benötige
die Immobilie in gleicher Weise, wie wenn es noch Eigentümer geblieben
wäre. Die Verneinung einer Rückforderungsobliegenheit werde durch § 852
Abs. 2 ZPO unterstützt, der den Rückforderungsanspruch im Regelfall von der
Pfändung ausnehme, um eine Geltendmachung des Anspruchs gegen den Willen
des Anspruchsinhabers zu verhindern.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Der im vorliegenden Verfahren aufgrund §§ 1601 BGB, 94 Abs. 1
SGB XII geltend gemachte Anspruch auf Elternunterhalt besteht nur im Umfang
der Leistungsfähigkeit des Antragsgegners als Unterhaltsschuldner nach
§ 1603 Abs. 1 BGB.

a) Der vom Oberlandesgericht aus dem Einkommen des Antragsgegners
(Renteneinkünfte und Wohnvorteil) errechnete Umfang der Leistungsfähigkeit
steht grundsätzlich mit der Rechtsprechung des Senats im Einklang (vgl. Senatsbeschlüsse
BGHZ 186, 350 = FamRZ 2010, 1535 Rn. 39 ff. und BGHZ 200,
157 = FamRZ 2014, 538 Rn. 22 ff.). Soweit den Vorinstanzen bei der Quotierung
ein Fehler unterlaufen ist, wirkt sich dieser nicht zum Nachteil des Antragstellers
als Rechtsbeschwerdeführer aus.

b) Das Oberlandesgericht hat eine Obliegenheit des Antragsgegners,
den Unterhalt (teilweise) aus Vermögen zu leisten, zutreffend abgelehnt. Für
eine Zurechnung von - fiktiven - Erlösen aus einer Vermögensverwertung fehlt
es hier an einer rechtlichen Grundlage.

aa) Im Ausgangspunkt gehört ein Rückforderungsanspruch nach § 528
Abs. 1 BGB allerdings zum einsetzbaren Vermögen gemäß § 1603 Abs. 1 BGB
(vgl. Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl.
§ 1 Rn. 600 ff. mwN).

Der Anspruch setzt nach § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB voraus, dass der
Schenker nach Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen
Unterhalt zu bestreiten und die ihm seinen Verwandten, seinem Ehegatten,
seinem Lebenspartner oder seinem früheren Ehegatten oder Lebenspartner
gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht zu erfüllen. Der An-
spruch setzt nicht voraus, dass diese beiden gesetzlichen Alternativen erfüllt
sind. Er kann vielmehr auch dann gegeben sein, wenn allein die Fähigkeit
zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten nach der Schenkung vermindert
oder ausgeschlossen ist (vgl. Staudinger/Chiusi BGB [2013] § 528 Rn. 13;
MünchKommBGB/J. Koch 7. Aufl. § 528 Rn. 3).

Wie sich aus der Begrenzung des Anspruchs ("soweit") ergibt, sind Sinn
und Zweck des Anspruchs, dem Schenker zu erlauben, mit Hilfe des zurückgewährten
Gegenstands seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten oder gesetzliche
Unterhaltspflichten zu erfüllen (vgl. BGHZ 169, 320 = FamRZ 2007,
277, 278). Dem Gesetzeszweck, die Erfüllung bestehender Unterhaltspflichten
zu ermöglichen, kann die Rückforderung nur dienen, wenn durch die Rückgewähr
des geschenkten Vermögensgegenstands die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit
hergestellt oder gesteigert werden würde. Das setzt aber grundsätzlich
voraus, dass der Unterhaltspflichtige aus dem verschenkten Gegenstand
entweder (weitere) unterhaltsrelevante Erträge ziehen könnte oder ihn
insoweit eine unterhaltsrechtliche Verwertungsobliegenheit treffen würde. Ergibt
sich aus der Rückgewähr dagegen keine Verbesserung der unterhaltsrechtlichen
Leistungsfähigkeit des Schenkers, könnte ein Rückforderungsanspruch
seinen Zweck nicht erfüllen und scheidet daher aus.

Insoweit unterscheidet sich die Lage von der Rückforderung zur Sicherung
des eigenen angemessenen Unterhalts des Schenkers, für den der zurückgeforderte
Vermögensgegenstand stets zur Verfügung steht, auch wenn
dieser auf Seiten des Schenkers sozialhilferechtliches Schonvermögen darstellt
(vgl. BGH Urteil vom 19. Oktober 2004 - X ZR 2/03 - FamRZ 2005, 177, 178
mwN). Demgegenüber hat die infolge der Schenkung veränderte Vermögenslage
für die in den Schutzbereich des § 528 BGB einbezogenen Unterhaltsbe-
rechtigten nur dann nachteilige Auswirkungen, wenn der Schenker dadurch seine
unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit vermindert hat.

bb) Nach diesen Maßstäben mangelt es im vorliegenden Fall bereits an
den Voraussetzungen für eine Schenkungsrückforderung nach § 528 Abs. 1
BGB.

(1) Die infolge der Schenkung veränderte Vermögenslage hat zu keiner
Beeinträchtigung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit des Antragsgegners
geführt. Denn hinsichtlich des Miteigentumsanteils an der selbst genutzten
Eigentumswohnung traf diesen neben der bestehenden Nutzungsobliegenheit
keine Obliegenheit zur Vermögensverwertung (vgl. Senatsbeschluss vom
7. August 2013 - XII ZB 269/12 - FamRZ 2013, 1554 Rn. 39 mwN), was die
Rechtsbeschwerde nicht in Frage stellt.

Die Nutzungen kommen dem Antragsgegner auch nach der Veräußerung
in Form von Gebrauchsvorteilen weiterhin ungeschmälert zugute. Sie sind
durch den Nießbrauch dinglich gesichert und bei der Unterhaltsberechnung als
Einkommen berücksichtigt worden.

(2) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ändert sich daran
auch nichts aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der
Anspruch aus § 528 Abs. 1 BGB, wenn ein fortlaufender Unterhaltsbedarf zu
decken ist, unmittelbar auf wiederkehrende Geldleistungen durch den Beschenkten
gerichtet ist und für die Anwendung der Ersetzungsbefugnis nach
§ 528 Abs. 1 Satz 2 BGB kein Raum mehr bleibt (BGHZ 137, 76, 83 = FamRZ
1998, 155, 157 mwN).

Denn dieser Anspruchsinhalt ist in der genannten Rechtsprechung gerade
aus der Begrenztheit des Anspruchs hergeleitet worden. Er kann folglich
nicht zur Begründung einer Erweiterung des für den Elternunterhalt einsetzbaren
Vermögens dienen. Das muss jedenfalls unter den Umständen des vorliegenden
Falls gelten, in dem der Nutzungswert der Immobilie dem Antragsgegner
auch nach der Schenkung in vollem Umfang verblieben ist. Das Oberlandesgericht
hat insoweit zutreffend hervorgehoben, dass die Tochter des Antragsgegners
sich von einem gegebenen Anspruch aus § 528 Abs. 1 BGB jedenfalls
durch Rückgewähr des Miteigentumsanteils an der Eigentumswohnung
befreien könnte. Sogar eine vollständige Rückgewähr könnte aber die unterhaltsrechtliche
Leistungsfähigkeit des Antragsgegners als Schenker nicht erhöhen.
Die Vorschrift vermag daher eine Rückforderung zum Zweck der Herstellung
einer erhöhten Leistungsfähigkeit für den Elternunterhalt nicht zu rechtfertigen.
Nur ausnahmsweise kann der Erlös aus der Veräußerung einer ursprünglich
dem unterhaltsrechtlichen Schonvermögen zuzuordnenden Immobilie
im Einzelfall unterhaltsrechtlich einsetzbares Vermögen darstellen, wenn
dieser hinsichtlich der Zumutbarkeit einer Vermögensverwertung anderen Kriterien
unterliegt als die veräußerte Immobilie. Solches kann aber im vorliegenden
Fall schon deswegen nicht gelten, weil der Antragsgegner sich im Gegenzug
zur Schenkung ein dingliches Nutzungsrecht vorbehalten hat und die Immobilie
gemeinsam mit seiner Ehefrau unverändert für eigene Wohnzwecke nutzt.
Durch den Vollzug der Schenkung hat sich mithin die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit
des Antragsgegners nicht vermindert, außerdem ist dieser nach
wie vor auf die ihm verbliebene Nutzungsbefugnis angewiesen.

Mit dem Ziel der Erhöhung des Elternunterhalts kann im Ergebnis die
Rückforderung also ebenso wenig verlangt werden wie etwa eine Beleihung
der Immobilie mithilfe eines zinslosen und erst im Todesfall (von den Erben
des Unterhaltspflichtigen) rückzahlbaren Darlehens des Sozialhilfeträgers
(vgl. BVerfG FamRZ 2005, 1051 und Senatsbeschluss vom 20. März 2013
- XII ZB 81/11 - FamRZ 2013, 1022 Rn. 15 ff.). Denn in beiden Fällen würde die
nicht einsetzbare selbstgenutzte Immobilie entgegen den gesetzlichen Wertungen
durch einen Kunstgriff für den Elternunterhalt einsetzbar gemacht. Die vom
Antragsteller erstrebte Anrechnung eines fiktiven Verwertungserlöses liefe darauf
hinaus, die Leistungsfähigkeit für den Elternunterhalt allein durch die auf
Seiten des Unterhaltspflichtigen eingetretene Vermögensminderung zu begründen
oder zu erhöhen. Das stünde indessen jedenfalls dann im Widerspruch zu
dem mit § 528 Abs. 1 BGB in der Variante der Rückforderung zur Ermöglichung
von Unterhaltsleistungen verfolgten Zweck, wenn die Schenkung als solche für
die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen keine nachteiligen Folgen hatte
und dieser nach wie vor auf die Nutzung der Immobilie angewiesen ist.

Auf die Frage der Gleichzeitigkeit (zeitliche Kongruenz) von Unterhaltsbedürftigkeit
und Leistungsfähigkeit (vgl. BVerfG FamRZ 2005, 1051;
Staudinger/Klinkhammer BGB [2018] § 1601 Rn. 5 mwN) kommt es demnach
nicht mehr an.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

20.02.2019

Aktenzeichen:

XII ZB 364/18

Rechtsgebiete:

Kindes- und Verwandtenunterhalt
Grundstücksübergabe, Überlassungsvertrag
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Erschienen in:

MittBayNot 2020, 159-161
ZNotP 2020, 259-261
NJW 2019, 1074-1076

Normen in Titel:

BGB §§ 528 Abs. 1, 1603 Abs. 1