Aufstockungsunterhalt und Erwerbsobliegenheit
letzte Aktualisierung: 19.11.2020
OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.8.2020 – 13 UF 192/19
BGB §§ 1569, 1573 Abs. 2, 1574
Aufstockungsunterhalt und Erwerbsobliegenheit
1. Die Erwerbsobliegenheit des unterhaltsberechtigten, teilschichtig erwerbstätigen Ehegatten
erfordert, dass dieser sich unter Einsatz aller zumutbaren und möglichen Mittel um eine
angemessene vollschichtige Erwerbstätigkeit durch Ausweitung seiner Tätigkeit bei seinem
bisherigen Arbeitgeber oder um eine vollschichtige Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber bemüht.
Eine angemessene Erwerbstätigkeit i. S. v. § 1574 BGB kann auch die Ausübung von zwei
Teilzeitbeschäftigungen sein.
2. Will der Berechtigte einen hypothetischen beruflichen Aufstieg geltend machen, so hat er konkret die
Umstände darzulegen, aus denen sich die verpassten Aufstiegsmöglichkeiten ergeben sollen. Dabei
hat er insbesondere seine Fähigkeiten, besonderen Talente und Neigungen, auch seine Bereitschaft
zum Erwerb von Zusatzqualifikationen bzw. Fortbildungsbereitschaft darzulegen, seine berufliche
Entwicklung vor der Ehe, die Aufschluss über seine Leistungsbereitschaft und ggf. frühe
Erfolge geben kann, die er ohne die Ehe bei durchgehender Beschäftigung erworben hätte.
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Gründe:
I.
Aus der am ... Juni 2009 geschlossenen Ehe der Beteiligten ist ein am … Dezember 2009
geborenes Kind hervorgegangen. Seit April 2017 leben die Beteiligten voneinander getrennt.
Das gemeinsame Kind hat bis Ende 2019 im Wechselmodell gelebt. Seit Januar 2020 lebt es bei
der Antragsgegnerin.
Der Antragsgegner arbeitet vollschichtig als Beamter bei der … Feuerwehr, was ihm im
Zeitraum von März 2018 bis Februar 2019 ein Gesamtnettoeinkommen von 35.079 €
eingebracht hat, darin enthalten ein Zuschlag wegen Mehrarbeit in Höhe von brutto 618,98 € (Bl.
33 UE) und eine Jubiläumszahlung in Höhe von brutto 350 € (Bl. 30 UE). Monatlich wendet er
245 € für die für ihn selbst und seine Tochter abgeschlossene Krankenversicherung (Bl. 37 UE),
10 € für eine Unfallversicherung der Tochter (Bl. 38 UE) sowie Raten in Höhe von 317 € zur
Rückzahlung eines am 1. Februar 2018 auf 20.000 € aufgestockten Darlehens auf (Bl. 39 UE).
Die Antragstellerin ist bis zum 23. Juli 2009 als medizinisch-technische Assistentin mit einer
Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich im Institut für Pathologie beim W... in B... angestellt
gewesen. Nach Beschäftigungsverbot, Mutterschutz und Erziehungsurlaub im Hinblick auf die
Geburt der gemeinsamen Tochter am … Dezember 2009 hat sie diese Tätigkeit am 12. Februar
2011 in einem Arbeitszeitumfang von wöchentlich 30 Stunden wieder aufgenommen. Sie trägt
vor, nur aufgrund ihres Erziehungsurlaubs habe sie nicht zur Laborleiterin mit einem
Arbeitszeitvolumen von 40 Stunden aufsteigen können (Bl. 52 UE). Inzwischen sei eine
Aufstockung der Arbeitszeit auf 40 Stunden nicht möglich, weil bei ihrem Arbeitgeber kein
Bedarf an Mehrarbeit bestehe. Um vergleichbare Beschäftigungen an anderen Standorten habe
sie sich bemüht. Von einem Wechsel habe sie im Hinblick auf die Nachteile höherer Fahrzeiten
und/oder Gehaltseinbußen abgesehen.
Die Antragsgegnerin hat in der Folgesache Ehegattenunterhalt beantragt,
den Antragsteller zu verpflichten, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung
monatlich jeweils zum ersten Tage eines jeden Monats einen nachehelichen Unterhalt
von 461 € zu zahlen.
Der Antragsteller hat in der Folgesache Ehegattenunterhalt beantragt,
den Antrag der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
Das Amtsgericht hat die Beteiligten persönlich angehört (Bl. 53; 61) und durch den
angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des
erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug nimmt, die Ehe der Beteiligten geschieden, den
Antragsteller zur Zahlung von Ehegattenunterhalt in Höhe von 103 € für die Dauer eines Jahres
verpflichtet und Entscheidungen in den Folgesachen Güterrecht und Versorgungsausgleich
getroffen.
Mit ihrer Beschwerde erstrebt die Antragsgegnerin einen höheren und unbefristeten
nachehelichen Unterhalt. Ihre zuerst auch gegen den Scheidungsausspruch gerichtete
Beschwerde hat sie zurückgenommen (Bl. 219).
Ihr bereinigtes Nettoeinkommen betrage 1.481 €. Ein fiktives Einkommen von weiteren 400 €
dürfe ihr nicht angerechnet werden. Aus einer Teilzeitbeschäftigung könnte sie gerade einmal
ein Nettoeinkommen von 200 € erzielen. Für zusätzliche Fahrten hätte sie wöchentlich einen
Zeitaufwand von 15 Stunden für 10 Stunden Arbeitszeit. Dies sei unverhältnismäßig, sie
benötige die Zeit für die Kinderbetreuung. Für Arbeitnehmerinnen ihrer Qualifikation stünden im
weiteren Umkreis Berlins nur sehr wenige Vollzeitstellen zur Verfügung. Mehrere Bewerbungen
hätten mit der Feststellung geendet, dass mit einem Wechsel in eine Vollzeitstelle hohe
Gehaltsminderungen einher gegangen wären.
Die Antragsgegnerin habe ehebedingte Nachteile. Während ihres bis Februar 2011 in Anspruch
genommenen Erziehungsurlaubes sei das Labor an ihrem Arbeitsort umgestaltet worden. Ein
Teil des Labors sei zu einem selbstständigen Teil umgestaltet worden. Die vormalige
Laborleiterin sei die Leiterin dieses Teils geworden, ihre Stellvertreterin sei in ihre Position
aufgerückt (Bl. 191). Wäre sie nicht im Erziehungsurlaub gewesen, wäre vermutlich die
Antragsgegnerin aufgrund ihrer Erfahrung in der Wahrnehmung der Aufgaben der
stellvertretenden Laborleiterin und ihrer langjährigen Dienstzugehörigkeit in diese Position
aufgerückt, was mit einer Arbeitszeitaufstockung auf wöchentlich 40 Stunden und einer
Gehaltsverbesserung verbunden gewesen wäre.
Allenfalls nach Ablauf von etwa fünf Jahren sei mit einem Aufrücken in eine leitende Funktion zu
rechnen, die ihre ehebedingten Nachteile, die mit monatlich gut 800 € zu bewerten seien,
ausgleichen könnte.
Unangemessen kurz sei die Befristung des Unterhaltsanspruchs im Hinblick auf die Ehedauer
von rund neun Jahren.
Bei der Bemessung der Unterhaltshöhe sei die private Krankenversicherung für die gemeinsame
Tochter nicht abzugsfähig, weil der Antragsteller nicht nachgewiesen habe, dass sie nicht
überflüssig sei. Der Antragsteller habe zudem Kreditverbindlichkeiten betreffend Zahlungen in
Höhe von 317 € nicht nachgewiesen. Das Beweisangebot in Gestalt einer Ablichtung des
Kreditvertrages sei kein Nachweis, insbesondere nicht für eine Ehe- oder Trennungsbedingtheit
der Schuld. Der Kreditschuld von angeblich 25.999 € habe zudem ein Guthaben in Höhe von
7.536,99 €, gegenübergestanden, so dass der Kredit zumindest in dieser Höhe gewiss nicht
ehe- oder trennungsbedingt gewesen sei. Entsprechend sei auch von dem monatlich zu
zahlenden Betrag von 317 € ein Drittel von vornherein nicht einkommensmindernd zu
berücksichtigen. Die Kreditaufnahme sei zudem leichtfertig, die Angaben zur Verwendung der
Kreditsumme bestritten. Die Anschaffung von Möbelstücken sei nicht erforderlich gewesen. Die
Mietkaution hätte er aus der Rückzahlung einer anderen Mietkaution begleichen können. Die
Finanzierung eines PKW sei durch die berufsbedingten Aufwendungen abgegolten. Die -
bestrittenen - Verfahrenskosten seien nicht abzugsfähig, weil sie üblicherweise für beide
Beteiligten anfielen. Schließlich verstoße es gegen das Doppelverwertungsverbot, den Kredit
sowohl im Güterrechtsverfahren als Vermögensposten als auch im Unterhaltsverfahren als
Verbindlichkeit zu berücksichtigen. Zudem erhalte der Antragsteller alljährlich für seine Tätigkeit
als Animateur bzw. Betreuer und Leiter der "familienfreundlichen Wochen" des ...-Sozialwerks in
Pr... eine steuerfreie Vergütung in Höhe von 1.500 €.
Weil die nun im Haushalt der Antragsgegnerin lebende gemeinsame Tochter durch die
Umstände der Trennung psychisch sehr belastet sei und einen erhöhten Bedarf an persönlicher
Nähe sowie an Rückzugsmöglichkeiten habe, könne die Antragsgegnerin ihre Erwerbstätigkeit
nicht ausweiten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 27. August 2019 in Ziffer 7 dahingehend
abzuändern, dass der Ehemann verpflichtet wird, an die Ehefrau ab Rechtskraft der
Scheidung monatlich jeweils zum ersten Tage eines jeden Monats einen nachehelichen
Unterhalt von 461 € zu zahlen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen
und im Wege der Anschlussbeschwerde
den Antrag auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt unter Abänderung des Beschlusses
des Amtsgerichts Nauen vom 27. August 2019 abzuweisen.
Der Antragsteller trägt vor, im Jahr 2018 ein überdurchschnittliches Nettoeinkommen erzielt zu
haben, weil zu den Monatsbezügen eine einmalige Zahlung von 350 € brutto aus Anlass eines
Dienstjubiläums und eine Einmalzahlung infolge einer Tariferhöhung in Höhe von 619 € brutto
hinzu gekommen seien. Das Einkommen sei um monatlich 48 € netto zu reduzieren, so dass mit
ca. 2.800 € zu rechnen sei.
Seit Januar 2020 zahlt der Antragsteller an die Antragsgegnerin monatlich Kindesunterhalt in
Höhe von 344 €, weil das gemeinsame Kind der Beteiligten nicht mehr im Wechselmodell,
sondern bei der Antragsgegnerin lebt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die im
Beschwerderechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Der Senat entscheidet, seiner Ankündigung entsprechend (Bl. 204R), ohne erneute mündliche
Erörterung. Die Beteiligten haben ihren Sachvortrag und ihre Rechtsansichten umfassend
schriftsätzlich dargelegt. Es ist nicht ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung zu weiteren
Erkenntnisfortschritten führen könnte.
II.
Soweit die Antragsgegnerin ihre Beschwerde zurückgenommen hat, beruht die Entscheidung
über den Verlust des Rechtsmittels auf §§ 117 Abs. 2 FamFG, 516 Abs. 3 ZPO.
Soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, ist die Beschwerde der Antragsgegnerin zulässig,
und teilweise begründet
1. Die Antragsgegnerin macht Unterhaltsansprüche aus § 1570 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB
(Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes) geltend. Das Vorliegen der Voraussetzungen hierfür
hat sie nicht darzulegen vermocht.
Im nachehelichen Unterhaltsrecht wird ein Betreuungsunterhalt im Falle der Bedürftigkeit als
Basisunterhalt ohne weitere Voraussetzungen nur für die ersten drei Lebensjahre des zu
betreuenden Kindes gewährt. Daran kann sich eine Verlängerung anschließen, solange und
soweit dies der Billigkeit entspricht. Maßstab für eine Verlängerung sind in erster Linie
kindbezogene Gründe (§ 1570 Abs. 1 S. 2, 3 BGB). Eine Verlängerung kann im Rahmen der
Billigkeit aber auch aus Gründen geltend gemacht werden, die ihre Rechtfertigung allein in der
Ehe haben (§ 1570 Abs. 3 BGB). Maßgebend ist das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die
vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung. Dabei ist auch die Dauer der Ehe als Kriterium
genannt (Grandel/Schnitzler, MAH FamR, 5. Aufl. 2020, § 8, Rn. 22, beck-online). Zur Frage
der Billigkeit einer Verlängerung des Anspruchs über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus,
ist eine umfassende Abwägung der Umstände vorzunehmen. Dabei sind der Grundsatz der
Eigenverantwortung des geschiedenen Ehegatten (§ 1569 S. 1 BGB) und die für beide
Ehegatten geltende generelle Erwerbsobliegenheit (
Die Antragsgegnerin macht kindbezogene Gründe geltend. Im Hinblick auf den
Betreuungsbedarf des gemeinsamen 10jährigen Kindes P... könne sie in einem Umfang von
nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich arbeiten. Die Hausaufgaben des Kindes müssten täglich
nachmittags nachkontrolliert werden, in mehreren Fächern sei zusätzliches Üben erforderlich.
Eine vollschichtige Beschäftigung würde diese Tätigkeiten in die notwendigen Erholungszeiten
des Kindes verlagern.
Der Antragsteller hat indes bestritten, dass insbesondere nach den Umgangstagen bei ihm, an
deren letztem das Kind bereits um 5 Uhr aufstehen müsse, um in den Hort gebracht zu werden,
P... bei der Antragsgegnerin einen außergewöhnlichen Bedarf an persönlicher Zuwendung und
Nähe aufweise, der der Antragsgegnerin neben den Hol- und Bringdiensten zu sportlichen
Aktivitäten, der notwendigen Hausaufgabenbetreuung und trotz bestehender außerfamiliärer
Betreuungsmöglichkeiten eine vollschichtige Beschäftigung verbiete. Er hat dem
entgegengehalten, die Antragsgegnerin arbeite im Umfang von wöchentlich 30 Stunden, seit
das Kind zwei Jahre alt ist. Das Maß der Betreuungsbedürftigkeit des Kindes habe sich seitdem
verringert. Die Hausaufgaben müssten nicht besonders kontrolliert werden, schon gar nicht am
frühen Nachmittag. Hol- und Bringdienste zu sportlichen Aktivitäten sei er zu organisieren
bereit.
Die Antragsgegnerin hat nicht nachgewiesen, dass in der Person des Kindes Gründe vorliegen,
die einen Unterhaltsanspruch nach Ablauf der Dreijahresfrist des
rechtfertigen können. Sie hat nicht substantiiert dargelegt, dass das 10jährige Mädchen nicht
ebenso gut betreut und versorgt werden könnte, wenn die Antragsgegnerin wöchentlich 10
Stunden mehr arbeiten würde. Die Antragsgegnerin hat weder dargelegt, dass es
außerfamiliäre Betreuungsmöglichkeiten, die Zeiten ihrer beruflichen Abwesenheit abdecken
könnten, nicht gäbe, noch dass die Inanspruchnahme solcher Betreuungsmöglichkeiten oder
Dritter für Fahrdienste zu Trainings- und Sportveranstaltungen unzumutbar oder mit dem Wohl
des Kindes nicht in Einklang zu bringen wäre.
2. Die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt, § 1573
Abs. 2 BGB, hat die Antragsgegnerin indes dargelegt.
Nach dieser Vorschrift kann der geschiedene Ehegatte, der im Zeitpunkt der Scheidung
erwerbstätig ist, den Unterschiedsbetrag zwischen seinen tatsächlichen oder fiktiven Einkünften
aus einer tatsächlich ausgeübten oder ihm möglichen angemessenen Erwerbstätigkeit und
seinem vollen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen (
wenn seine eigenen Einkünfte zur Deckung seines vollen Bedarfs nicht ausreichen (Wendl/Dose
UnterhaltsR, 9. Aufl., § 4 Ehegattenunterhalt, Rn. 308, beck-online).
Der Anspruch setzt voraus, dass der Unterhalt begehrende geschiedene Ehegatte eine
angemessene Erwerbstätigkeit ausübt, deren Einkünfte aber nicht zu seinem vollen, nach den
ehelichen Lebensverhältnissen zu bestimmenden Unterhaltsbedarf ausreichen. § 1573 Abs. 2
BGB gilt auch, wenn der geschiedene Ehegatte unter Verletzung der Erwerbsobliegenheit keiner
oder nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht und die ihm deshalb zuzurechnenden fiktiven
Einkünfte nicht ausreichen, um seinen vollen eheangemessenen Unterhalt zu decken
(Scholz/Kleffmann/Doering-Striening, Teil H, beck-online).
a) Bei einer teilschichtigen Erwerbstätigkeit - wie vorliegend - hat der Berechtigte sich
grundsätzlich unter Einsatz aller zumutbaren und möglichen Mittel um eine angemessene
vollschichtige Erwerbstätigkeit durch Ausweitung seiner Tätigkeit bei seinem bisherigen
Arbeitgeber oder um eine vollschichtige Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber bemühen.
Auch die Ausübung von zwei Teilzeitbeschäftigungen kann grundsätzlich eine angemessene
Erwerbstätigkeit im Sinne von § 1574 BGB sein (Wendl/Dose, a. a.O., § 4 Rn. 316, 317;
Palandt/Brudermüller, BGB, 79. A., § 1573 Rn. 7). Erforderlich ist eine intensive und
zielgerichtete Arbeitssuche, die erkennen lässt, dass sich der Arbeitssuchende ernstlich und
nachhaltig um die Erlangung einer einträglichen Erwerbstätigkeit bemüht (vgl. BGH FamRZ
2011, 1851; Palandt/Brudermüller a. a. O.).
Diesen Anforderungen werden die Erwerbsbemühungen der Antragsgegnerin, die zu einer
einzigen Bewerbung in P… konkret vorträgt, nicht gerecht. Dass medizinisch-technische
Assistentinnen mit einer der Qualifikation und Berufserfahrung wie die Antragsgegnerin in Berlin
immer wieder von Arbeitgebern für Voll- und Teilzeitstellen gesucht werden, ist anhand einer
einfachen Internetrecherche (vgl. https://de.indeed.com/Medizinisch-Technische-Assistent-Jobsin-
Berlin) leicht zu erfahren, so dass der Senat vom Bestehen realistischer Erwerbschancen
ausgeht.
Folge dieser Verletzung der Erwerbsobliegenheit ist, dass der Antragsgegnerin ein fiktives
Einkommen in Höhe eines realistischer Weise erzielbaren Einkommens anzurechnen ist
(Wendl/Dose, a. a. O., § 4 Rn. 280) und dass sie in Höhe der erzielbaren Einkünfte nicht als
bedürftig anzusehen ist (Senat, Beschl. v. 30.7.2014 – 13 UF 96/13,
28-32, beck-online).
a) Für die Antragsgegnerin ist ein fiktives Einkommen in Höhe von 1.965,18 € zugrunde zu
legen.
Grundsätzlich obliegt es gemäß § 1569 BGB jedem Ehegatten, nach Rechtskraft der Scheidung
selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Nur wenn er dazu außerstande ist, hat er gegen den
anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt nach den §§ 1570 ff. BGB. Diese Normen
betonen die wirtschaftliche Eigenverantwortlichkeit der Ehegatten nach der Scheidung und
verdeutlichen, dass nach der Unterhaltsrechtsreform der Schwerpunkt des Unterhaltsrechts
wieder auf die Funktion einer Hilfe bis zum Übergang in die wirtschaftliche Selbstständigkeit
verlagert wird (vgl. Palandt/Brudermüller, a. a. O., § 1569 Rn. 1).
Danach muss sich die Antragsgegnerin ein fiktives Einkommen aus vollschichtiger Tätigkeit als
medizinisch-technische Assistentin zurechnen lassen. Vollschichtige Beschäftigung ist ihr trotz
der Betreuung des 10jährigen Kindes zumutbar. Dass es hinreichende Betreuungsmöglichkeiten
gibt, stellt sie nicht in Abrede. Hinsichtlich sportlicher Aktivitäten des Kindes hat sie die
zwingende Notwendigkeit des persönlichen Bringens und Holens nicht dargelegt. Tatsachen, die
Hinweise darauf bieten könnten, das Kind hätte einen noch darüber hinausgehenden
außergewöhnlichen Bedarf nach persönlicher Zuwendung, der der Antragsgegnerin eine
vollschichtige Beschäftigung zum Wohle des Kindes verbieten könnte, hat die Antragsgegnerin
nicht vorgetragen. Dass der Bedarf an Hausaufgabenbetreuung, unabdingbar notwendiger
Begleitung zu Sport- oder Freizeitveranstaltungen und Zeit für persönliche Nähe und Spiele bei
vollschichtiger Tätigkeit nicht mehr erfüllt werden kann, hat der Antragsteller bestritten und ist
nicht konkret dargelegt oder ersichtlich.
Für Personen mit der Qualifikation der Antragsgegnerin bestehen in Berlin auch reale
Erwerbschancen, etwa in Laboren (vgl. https://de.indeed.com/Medizinisch-Technische-
Assistent-Jobs-in-Berlin). Der Antragsteller hat Bewerbungsversuche der Antragsgegnerin in
Abrede gestellt. Ernsthafte Bemühungen um entsprechende Stellen hat die Antragsgegnerin mit
Ausnahme einer einzigen Bewerbung nicht mit Substanz dargelegt.
Bei der Berufserfahrung der Antragsgegnerin wäre bei vollschichtiger Beschäftigung ein
monatsdurchschnittliches Bruttoeinkommen von 3.094 € ohne Sonderzahlungen (vgl.
www.lohnspiegel.de, Gehaltscheck) erzielbar. Von diesem Bruttoeinkommen ausgehend ist bei
Lohnsteuerklasse 2 und einem Kinderfreibetrag mit einem Nettoeinkommen von 2.068,61 € zu
rechnen, abzüglich 5 Prozent pauschaler berufsbedingter Aufwendungen (103,43 €) 1.965,18 €.
b) Maßgebend für den Bedarf des Unterhaltsberechtigten sind die ehelichen
Lebensverhältnisse (§ 1578 Abs. I BGB). Heranzuziehen sind damit diejenigen Umstände, die
für den Lebenszuschnitt der Eheleute prägend waren, auch wenn sie sich nach der Scheidung
verändert haben (Gerhardt in: Wendl/Dose, a. a. O., § 4 Rn. 413), also insbesondere das
aktuelle Einkommen, Vermögen und berücksichtigungswürdige Belastungen. Die ehelichen
Lebensverhältnisse werden nur durch solche Einkünfte geprägt, die zur Deckung des laufenden
Lebensbedarfs zur Verfügung stehen und dafür eingesetzt werden können (Wendl/Dose, a. a.
O., § 4 Rn. 432).
Im Zeitraum von März 2018 bis Februar 2019 hatte der Antragsteller ein
monatsdurchschnittliches Bruttoeinkommen von 2.923,25 € (Bl. 20 UE). Darin enthalten sind
Bruttobezüge in Höhe von 618,98 € aufgrund einer Mehrarbeitsvergütung (Bl. 33 UE) sowie in
Höhe von 350 € aufgrund einer Jubiläumszahlung (Bl. 30 UE).
Das für den nachehelichen Unterhalt, also den Zeitraum ab Rechtskraft der Scheidung
anzusetzende Einkommen des Antragsgegners bestimmt sich prognostisch danach, was er im
in Rede stehenden Zeitraum - nach Rechtskraft der Scheidung - zu erwarten hat. Anhaltspunkte
dafür dass sich eine Jubiläumszahlung (350 €, Bl. 30 UE) in absehbarer Zeit wiederholen
könnte, legt die Antragsgegnerin nicht dar.
Der Bruttobetrag von 350 € für die Jubiläumszahlung ist daher bei der Ermittlung des für den
nachehelichen Unterhalt relevanten Einkommens abzuziehen. Zur Ermittlung des sich danach
ergebenden Nettoeinkommens hat der Senat zunächst das Gesamtnettoeinkommen von 35.079
€ unter Zugrundelegung der Steuerdaten für 2018 zurückgerechnet (www.rechner.pro) und vom
so ermittelten Bruttobetrag von 44.892,58 € 350 € abgezogen. Aus dem verbleibenden
Bruttobetrag von 44.542,58 € ergibt sich ein Jahresnettoeinkommen von 34.862, 27 €,
monatsdurchschnittlich damit 2.905,19 €.
Die Einmalzahlung von 618,98 € brutto (Bl. 33) im Dezember 2018 bezog sich auf geleistete
Überstunden im tariflichen Übergang von der 48 zur 44-Stundenwoche (Bl. 21 UE). Überstunden
zählen zum anrechenbaren Einkommen, wenn sie in geringem Umfang anfallen oder die
abgeleisteten Überstunden das im Beruf übliche Maß nicht übersteigen
(Scholz/Kleffmann/Doering-Striening, Teil G Einkommensermittlung, beck-online).
Dies legt die Antragsgegnerin für die der hier in Rede stehenden Vergütung zugrunde liegenden
Überstunden dar (Bl. 87 UE). Soweit der Antragsteller dem entgegenhält, dass eine
entsprechende Überstundenvergütung künftig nicht anfallen könne, weil ein „tariflicher Übergang
auf die 44 Std./Woche“ stattgefunden habe (Bl. 21), ergibt sich aus diesem Vortrag nicht, dass
die Leistung und Vergütung von Überstunden für die Zukunft ausgeschlossen wäre.
Hinzu kommen die von der Antragsgegnerin dargelegten Einkünfte des Antragstellers aus seiner
Nebentätigkeit in Pr... in Höhe von jährlich 1.500 €, also 125 € monatlich, die er nicht
substanziiert bestritten hat.
Hat sich der Anspruchsteller substanziiert geäußert, so obliegt es dem Antragsgegner, zu den
einzelnen Behauptungen gezielt Stellung zu nehmen (§ 138 Abs. 2 ZPO). Pauschales Bestreiten
genügt nicht und hat die Geständnisfiktion des
Antragsgegner ein substanziiertes Bestreiten nicht möglich ist, er keine Kenntnis hat und sich
auch nicht zu verschaffen vermag, ist ihm einfaches Bestreiten erlaubt. Eine Partei genügt ihrer
Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet
sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt
das Beteiligtenvorbringen diesen Anforderungen an die Schlüssigkeit und Substanziierung, so
ist weiterer Vortrag nicht erforderlich. Allein der Umstand, dass der Gegner den Sachverhalt
bestreitet, zwingt die Partei ebenfalls nicht zum Vortrag weiterer Einzelheiten (vgl.
MüKoZPO/Fritsche, 6. Aufl. 2020, ZPO § 138 Rn. 20).
Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, der Antragsteller erziele Einkünfte in Höhe von 1.500 €
jährlich aus seiner 30tägigen Tätigkeit für das ...-Sozialwerk im Rahmen der
"familienfreundlichen Wochen" in Pr... (Bl. 84 f. UE). Der Antragsteller hat sich darauf
beschränkt diese Ausführungen pauschal zu bestreiten. Es bedürfe keiner vertieften Darlegung,
weil sie beweislos seien (Bl. 104). Dies genügt den oben dargestellten Anforderungen an ein
substanziiertes Bestreiten nicht. Der Antragsteller hätte es ohne Weiteres darlegen können,
wenn er der entsprechenden Tätigkeit nicht (mehr) nachgehen oder eine entsprechende
Vergütung nicht erzielen würde. Aufgrund des pauschalen Bestreitens gilt der Vortrag der
Antragsgegnerin insoweit als zugestanden, §§ 113 Abs. 1 FamFG, 138 ZPO.
Bei der Bedarfsermittlung für den Ehegattenunterhalt sind grundsätzlich nur eheprägende
Verbindlichkeiten abzusetzen. Beim Verwandtenunterhalt sowie bei Leistungsfähigkeit und
Bedürftigkeit für den Ehegattenunterhalt erfolgt eine Abwägung nach den Umständen des
Einzelfalles.
Die private Krankenversicherung für das Kind P... ist abzugsfähig. Die entsprechenden
Beitragszahlungen durch den Antragsteller haben bereits die ehelichen Lebensverhältnisse
geprägt. Eine unterhaltsrechtliche Obliegenheit, eine private Mitversicherung, die regelmäßig
noch andere Leistungen als die gesetzliche Krankenversicherung beinhaltet, gegen den Willen
des mitsorgeberechtigten Unterhaltpflichtigen zu kündigen, ist auf der Grundlage des
Beteiligtenvortrags nicht feststellbar.
Die Prämie für die private Krankenversicherung gehört zum angemessenen Unterhalt des
Kindes der Parteien nach § 1610 Abs. 1 BGB (OLG Koblenz,
Nach dieser Vorschrift bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der
Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). Minderjährige und in der Ausbildung
befindliche Kinder leiten ihre Lebensstellung und damit ihren angemessenen Lebensbedarf von
den Eltern ab (Palandt/Brudermüller, a. a. O., § 1610, Rn. 3). Kosten für eine private
Krankenversicherung sind in den Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle grundsätzlich nicht
enthalten, weil davon ausgegangen wird, dass das minderjährige Kind nach § 1612 Abs. 1 S. 2
BGB in der gesetzlichen Familienversicherung gegen Krankheit mitversichert ist (OLG Koblenz,
Nach der Lebensstellung des Kindes gehören die Kosten von ca. 34,23 € (Bl. 37 UE) für die
Krankenversicherung zum Mehrbedarf. P... war bereits vor der Trennung der Beteiligten privat
krankenversichert und der Antragsteller als barunterhaltspflichtiger Elternteil ist nach wie vor auf
diese Art krankenversichert.
Soweit die Antragsgegnerin unwidersprochen vorträgt, der Antragsteller habe ihr für
Behandlungs- oder Arzneimittelkosten verauslagte Beträge nicht erstattet, führt das nicht zu
einer anderen Bewertung. Denn die Antragsgegnerin hätte nach ihrem Vortrag auf die
Erstattung einen Anspruch gehabt, den sie auch hätte durchsetzen können.
Die mit 317 EUR monatlich bezifferte Kreditbelastung ist nicht zu berücksichtigen. Allein der
Umstand einer Kreditaufnahme während der Ehe genügt für sich betrachtet nicht, um die
Bedienung der daraus resultierenden Verbindlichkeiten jedenfalls einkommensmindernd in die
Unterhaltsberechnung einzustellen. Bei der Bedarfsermittlung des Ehegattenunterhalts sind
nämlich nur berücksichtigungswürdige Schulden einzustellen, also solche, die vor der Trennung
mit ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung des anderen Ehepartners begründet
wurden oder nach der Trennung einseitig wegen unumgänglicher Kosten/Anschaffungen
eingegangen worden sind. (OLG Brandenburg, 1. Familiensenat, Beschl. v. 23.7.2012 – 9 WF
90/11,
Darlehenslasten, die nach Trennung der Ehegatten ohne Kenntnis des anderen Ehegatten und
ohne erkennbare Notwendigkeit aufgestockt werden, können im Rahmen der Bedarfsermittlung
nicht berücksichtigt werden (OLG Brandenburg, 1. Familiensenat, a. a. O.). Durch eine
Umschuldung nach der Trennung verlieren Verbindlichkeiten noch nicht ihre Berechtigung als
berücksichtigungsfähige Verbindlichkeit. Bei einer Aufstockung des Darlehensvolumens bei
einer Umschuldung sind die Beträge in Höhe der noch nicht getilgten ehebedingten
Verbindlichkeiten weiter zu berücksichtigen. Die übersteigenden Beträge können nur
Berücksichtigung finden, wenn dargelegt wird, dass sie unumgänglich und nicht leichtfertig
aufgenommen wurden und keine anderweitigen Mittel zur Abzahlung vorlagen (Heiß/Born,
Schulden Rn. 500, beck-online).
Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass die Aufstockung der Kreditverbindlichkeit nach der
Trennung unumgänglich gewesen wäre. Soweit die Darlehensverpflichtung bereits vor der
Trennung in Höhe von 5.041,77 € bestanden hat - die nach der Trennung erfolgte Umschuldung
durch den Antragsgegner ging mit einer zur Notwendigkeit nicht konkret untermauerten
Aufstockung des Darlehens um rund 20.000 € einher -, ist diese unstreitig einseitig begründet
worden. Der Antragsteller gibt an (Bl. 63 UE), hiervon die Unterdeckung seines Kontos von im
Zeitpunkt der Darlehensaufnahme bzw. -aufstockung 6.528 €, die diejenige im
Trennungszeitpunkt um ca. 2.000 € überstieg, zurückgeführt zu haben, Honorar an seinen
Verfahrensbevollmächtigten in Höhe von 2.900 € gezahlt, die Zimmereinrichtung für das
gemeinsame Kind mit 700 € angeschafft, eine Erstattung an die Kindergeldkasse mit 1.152 €
geleistet und allgemein mit ca. 1.000 € konsumiert zu haben, und nach Rechtshängigkeit des
Scheidungsantrages die Kaution für eine neue Wohnung mit 1.490 € sowie Abstand und
Anschaffungen für die neue Wohnung mit 2.000 € geleistet sowie ein gebrauchtes Kraftfahrzeug
mit 2.300 € angeschafft und mit weiteren 1.200 € repariert zu haben.
Die Antragsgegnerin hat alle behaupteten Ausgaben bestritten sowie die unabweisbare
Notwendigkeit der Ausgaben und die Notwendigkeit, zur Begleichung der entsprechenden
Aufwendungen eine Darlehensverbindlichkeit einzugehen. Sie trägt vor, der Antragsteller hätte
die in ausreichender Zahl vorhandenen Möbel verwenden können, er habe sogar trotz
Aufforderung Möbelstücke aus ihrem Kleingarten nicht abgeholt. Die Mietkaution hätte er aus
der rückerstatteten Mietkaution für die frühere(n) Wohnung(en) bezahlen können. Diesem
Vortrag ist der Antragsteller nicht, auch nicht mit Beweisangeboten, entgegengetreten.
Im Hinblick auf Aufwendungen für "allg. Konsum / diverses" (Bl. 63 UE) hat der Antragsteller
nichts zur Notwendigkeit der entsprechenden Ausgaben dargelegt. Nach den oben dargestellten
Maßstäben kann die Verbindlichkeit von 317 € bei der Bedarfsermittlung deshalb insgesamt
keine Berücksichtigung finden. Bei der gegebenen Sachlage ist es mit den Grundsätzen von
Treu und Glauben nicht vereinbar, solche Ausgaben im Rahmen der Bedarfsermittlung in
Rechnung zu stellen (vgl. zum Ganzen Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der
familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl., § 1 Rdnr. 1082 ff. mit weiteren Nachweisen).
Der Antragsteller kann der Antragsgegnerin auch keine Kreditraten in geringerer Höhe
entgegenhalten. Die bis zur Trennung (15. April 2017) bestehenden Schulden von 5.041,77 €
(Bl. 62 UE) hätte er bei Zahlung entsprechender Raten mittlerweile vollständig getilgt.
Bei der Bedarfsermittlung ist somit von folgender Einkommenssituation des Antragsstellers
auszugehen:
Einkommen des Antragstellers
Nettobezüge 2.905,19 €
Nebentätigkeit 125,00 €
abzgl. berufsbedingte Aufwendungen, 5 % - 151,51 €
abzgl. priv. Krankenversicherung (Bl. 37 UE) - 245, 35 €
abzgl. Unfallversicherung für das Kind (Bl. 38 UE) - 10,00 €
abzgl. Kindesunterhalt - 344,00 €
2.279,33 €
c) Der Unterhaltsanspruch berechnet sich danach folgendermaßen:
Antragsteller: 2.279,33 €
Erwerbstätigenbonus (1/7): - 325,62 €
Zwischenergebnis: 1.953,71 €
Antragsgegnerin: 1.965,18 €
Erwerbstätigenbonus (1/7): - 280,74 €
Zwischenergebnis: 1.684,44 €
Gemeinsamer Bedarf: 3.638,15 €
Bedarf der Antragsgegnerin: 1.819,08 €
13 UF 192/19 - Seite 14 -
Abzüglich des eigenen Einkommens: – 1.684,44 €
Anspruch: 134,64 €,
rd. 135 € (vgl. Nr. 25 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts)
3. Nach
den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, wenn eine an den
ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs oder ein
unbegrenzter Anspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege
oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Die Kriterien für die
Billigkeitsabwägung ergeben sich aus § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB. Danach ist
insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die
Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, oder ob eine Herabsetzung
des Unterhaltsanspruchs unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe unbillig wäre. Ein
ehebedingter Nachteil des Unterhaltsberechtigten ist nur dann gegeben, wenn er konkret auf
Grund der Ehe berufliche Einschränkungen erlitten hat und daher durch eigene Erwerbstätigkeit
nicht das Einkommen erzielen kann, dass er ohne Ehe erzielen könnte (BGH,
Sinne können sich nach
Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der von den Ehegatten praktizierten
Rollenverteilung im Hinblick auf Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während
der Ehe oder der Ehedauer ergeben. Liegen ehebedingte Nachteile vor, steht dieser Umstand
einer Begrenzung oder Befristung von Unterhaltsansprüchen grundsätzlich entgegen (BGH
Die Darlegungs- und Beweislast für Umstände, die zu einer Befristung oder Beschränkung des
nachehelichen Unterhalts führen können, trägt grundsätzlich der Unterhaltsverpflichtete, weil §
1578b BGB als Ausnahmetatbestand konzipiert ist. Hat der Unterhaltspflichtige allerdings
Tatsachen vorgetragen, die – wie z.B. die Aufnahme einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit in dem
vom Unterhaltsberechtigten erlernten oder vor der Ehe ausgeübten Beruf oder die Möglichkeit
dazu – einen Wegfall ehebedingter Nachteile und damit eine Begrenzung des nachehelichen
Unterhalts nahe legen, obliegt es dem Unterhaltsberechtigten, Umstände darzulegen und zu
beweisen, die gegen eine Unterhaltsbegrenzung oder für eine längere „Schonfrist” sprechen
(BGH,
Einkünfte des Unterhaltsberechtigten aus seiner ausgeübten oder der ihm zumutbaren
Erwerbstätigkeit wenigstens die Einkünfte aus einer ehebedingt aufgegebenen Erwerbstätigkeit
erreichen. Nur dann trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass gleichwohl ehebedingte
Nachteile vorliegen, etwa weil mit der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehezeit
Einbußen im beruflichen Fortkommen verbunden waren. Bleibt das jetzt erzielte oder erzielbare
Einkommen jedoch hinter dem Einkommen aus der früher ausgeübten Tätigkeit zurück, weil
eine Wiederaufnahme der früheren Erwerbstätigkeit nach längerer Unterbrechung nicht mehr
möglich ist, bleibt es insoweit bei einem ehebedingten Nachteil, den der Unterhaltsschuldner
widerlegen muss (BGH,
Gemessen an diesen Grundsätzen lassen sich den Darlegungen der Antragsgegnerin keine
ehebedingten Nachteile entnehmen. Der Antragsteller hat vorgetragen, dass die
Antragsgegnerin wieder in ihrem erlernten Beruf zu einer üblichen Vergütung beschäftigt ist und
noch mit einem höheren Arbeitskraftanteil beschäftigt sein könnte. Dass die Antragsgegnerin
ohne die familienbedingte Erwerbseinschränkung eine leitende Position erreicht hätte, hat er
bestritten.
Die Antragsgegnerin hat dem im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast (vgl. Wendl/Dose, a.
a. O., § 4 Rn. 1093 f.) nichts von Substanz entgegengehalten. Dass mit der ca. anderthalb Jahre
währenden Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit während der Ehezeit Einbußen in ihrem
beruflichen Fortkommen verbunden waren, hat sie nicht substantiiert vorgetragen. Der
Unterhaltsberechtigte, der sich auf ehebedingte Nachteile beruft, muss substantiiert den Vortrag
des fehlenden ehebedingten Nachteils bestreiten und konkret darlegen, dass und welchen
ehebedingten Nachteil er erlitten hat. Dazu gehört regelmäßig der Vortrag der hypothetischen
beruflichen Entwicklung ohne die Ehe mit der praktizierten Rollenverteilung. Ausgangspunkt und
Maßstab der Prüfung ist regelmäßig die berufliche Ausbildung bzw. die erlernten beruflichen
Fähigkeiten im Zeitpunkt der Eheschließung. Mangels abweichenden Vortrags des Berechtigten
ist ein Normalverlauf des Berufslebens ohne besondere berufliche Entwicklungen zugrunde zu
legen. Arbeitet der Berechtigte wieder in seinem erlernten Beruf zur üblichen Bezahlung, will er
aber einen hypothetischen beruflichen Aufstieg geltend machen, hat er konkret die Umstände
darzulegen, aus denen sich die verpassten Aufstiegsmöglichkeiten ergeben sollen. Dabei hat er
insbesondere seine Fähigkeiten, besonderen Talente und Neigungen, auch seine Bereitschaft
zum Erwerb von Zusatzqualifikationen bzw. Fortbildungsbereitschaft darzulegen, seine
berufliche Entwicklung vor der Ehe, die Aufschluss über seine Leistungsbereitschaft und
gegebenenfalls frühe Erfolge geben kann, die er ohne die Ehe bei durchgehender
Beschäftigung erworben hätte (BGH
Karriereschritte dadurch wahrscheinlich gewesen wären (BGH
Umstände, derentwegen solche berufliche Weiterentwicklung in der Ehe nicht möglich war (BGH
FamRZ 2008,1325). Führt der Vortrag dazu, dass die behauptete Entwicklung nur als möglich
anzusehen ist, hat der Berechtigte seine Darlegungslast nicht erfüllt (BGH
So aber liegt der Fall hier. Mehr als die bloße Möglichkeit des Aufstiegs in eine leitende Position
hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt. Die Antragsgegnerin beruft sich auf einen Aufstieg in
"eine leitende Position", die ihr "ein deutlich höheres Einkommen" ermöglicht hätte, was sich
zumindest "aus anderen vergleichbaren Laufbahnen ableiten" (Bl. 41 UE) lasse. Vor der Geburt
ihres Kindes ist sie als medizinisch-technische Assistentin mit einer Arbeitszeit von 40 Stunden
wöchentlich im Institut für Pathologie beim W... in B... angestellt gewesen. Seit Ende der
Erziehungszeit arbeitet sie wöchentlich 30 Stunden. Sie hat vorgetragen, dass sie im Zuge der
während ihres Erziehungsurlaubs vollzogenen Umstrukturierung ihres Labors "vermutlich in
diese Position" der stellvertretenden Laborleiterin eingerückt wäre (Bl. 52 UE). Ohne
Erziehungsurlaub wäre sie als langjährig erfahrene Mitarbeiterin mit Zusatzqualifikation in der
Histologie und Histopathologie zum Zuge gekommen. Mit diesem Aufstieg wären sowohl die
Ausweitung ihrer Arbeitszeit auf 40 Stunden pro Woche als auch eine Gehaltsverbesserung
verbunden gewesen. So aber sei eine andere Mitarbeiterin für diese Position eingestellt worden.
Der Antragsteller hat dies bestritten (Bl. 58 UE). Die Antragsgegnerin sei im Zeitpunkt der
Aufgabe ihrer Tätigkeit infolge einer Rückstufung nicht mehr als stellvertretende Laborleiterin
tätig gewesen. Auch ohne Erziehungsurlaub wäre sie nicht in eine höhere berufliche Position
aufgerückt und hätte auch kein entsprechend höheres Einkommen erzielt.
Trotz Hinweises des Antragstellers (Schriftsatz vom 14. August 2019, Bl. 104 UE) hat die
Antragsgegnerin weder das Anforderungsprofil für die konkrete Stelle als Laborleiterin, für die
sie meint, im Falle ihrer Berufstätigkeit die aussichtsreichste Kandidatin gewesen zu sein,
dargelegt, noch dass ihre Qualifikation diesem Profil entsprochen hätte. Zudem fehlen
Darlegungen dazu, welche Qualifikation sie derjenigen Person, die für die Stelle als Laborleiterin
eingestellt worden ist, vorausgehabt haben will. Soweit sie sich auf Berufserfahrung beruft, legt
sie nicht dar, dass die Stelle durch eine Kollegin besetzt werden sei, die über geringere
Erfahrung verfügt hat. Soweit sie überdies mitteilt, der Aufstieg in die Position der Laborleiterin
wäre mit einer Aufstockung der Arbeitszeit auf wöchentlich 40 Stunden einher gegangen, legt
sie nicht dar, wie sie dieser Anforderung hätte gerecht werden wollen, da sie sich zugleich
darauf beruft, zum Wohle des gemeinsamen Kindes gerade nicht mehr als 30 Stunden arbeiten
zu wollen. Mangels substantiierter Darlegung eines ehebedingten Nachteils war dem
Beweisangebot der Antragsgegnerin nicht nachzugehen.
Die bei der Befristung und Herabsetzung des Unterhalts anzustellende Billigkeitsabwägung
beschränkt sich allerdings nicht auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile, sondern hat darüber
hinaus die vom Gesetz geforderte nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen. Dies gilt auch für
den Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB. Bei der Bestimmung des Maßes der im
Einzelfall gebotenen nachehelichen Solidarität sind vor allem die in § 1578b BGB aufgeführten
Gesichtspunkte zu berücksichtigen (BGH FamRZ 2011,713). Dies führt im Ergebnis zu der in
der Beschlussformel ausgesprochenen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs.
Wesentliche Aspekte im Rahmen der Billigkeitsabwägung sind neben der Dauer der Ehe
insbesondere die in der Ehe gelebte Rollenverteilung wie auch die vom Unterhaltsberechtigten
während der Ehe erbrachte Lebensleistung. Zudem sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der
Beteiligten von Bedeutung (vgl. OLG Karlsruhe,
Im vorliegenden Fall ist zu Gunsten der Antragsgegnerin die Ehedauer bis zur Zustellung des
Scheidungsantrages von nahezu neun Jahren zu berücksichtigen, in der die Antragsgegnerin
während der 14monatigen Elternzeit das gemeinsame Kind betreut hat.
Zu Gunsten des Antragstellers ist zu berücksichtigen, dass durch die Rollenverteilung in der Ehe
keine erhebliche wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Ehegatten eingetreten sind. Die
Antragsgegnerin ist vielmehr nachehelich in der Lage, an ihren vorehelichen Lebensstandard
anzuknüpfen. Bei dieser Sachlage gebietet die nacheheliche Solidarität lediglich eine zeitlich
begrenzte Sicherstellung eines an den ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen Unterhalts.
Es erscheint nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles daher billig, den
Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin bis Ende Mai 2021 zu begrenzen, da das Band der
nachehelichen Solidarität mit zunehmender Distanz zur Ehe eine immer weniger tragfähige
Grundlage für den Unterhaltsanspruch bietet (vgl. OLG Karlsruhe, a. a. O.)
III.
Die gemäß §§ 66, 117 Abs. 2 FamFG, 524 Abs. 2 S. 3 ZPO zulässige Anschlussbeschwerde
des Antragstellers ist nach dem vorstehend Dargelegten unbegründet.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus
ZPO (Schulte-Bunert/Weinreich/Keske, FamFG, 5. Aufl., § 150 Rn. 13 m.w.N.), wobei sich der
Senat am Verhältnis von Obsiegen zu Unterliegen orientiert. Die Entscheidung zum
Verfahrenswert beruht auf
Antragsgegnerin an der Aufhebung des Scheidungsbeschlusses bemisst der Senat mit 13.050 €
(§ 43 FamGKG), den Wert der Folgesache Ehegattenunterhalt mit (12 x 461 € =) 5.532 €.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 70 Abs. 2 FamFG.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Brandenburg
Erscheinungsdatum:11.08.2020
Aktenzeichen:13 UF 192/19
Rechtsgebiete:
Ehegatten- und Scheidungsunterhalt
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Kindes- und Verwandtenunterhalt
BGB §§ 1569, 1573 Abs. 2, 1574