Amtspflicht; Kettenkaufvertrag: (keine) sittenwidrige Überhöhung des Kaufpreises
letzte Aktualisierung: 17.01.2020
BGH, Urt. v. 5.12.2019 – III ZR 112/18
Amtspflicht; Kettenkaufvertrag: (keine) sittenwidrige Überhöhung des Kaufpreises
a) Eine große Differenz zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis eines Grundstücks bei kurz
aufeinanderfolgenden Verträgen ist ein Anhaltspunkt für die Verfolgung unerlaubter oder
unredlicher Zwecke, an welcher der Notar weder durch die Beurkundung noch durch die
Abwicklung der Kaufverträge mitwirken darf (Bestätigung von Senat, Urteil vom 17. Juli 2014 –
III ZR 514/13,
b) Dieser Anhaltspunkt kann jedoch nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls nicht
durchgreifen, insbesondere wenn der Preisunterschied erklärbar ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet.
I.
Das Oberlandesgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von
Interesse - ausgeführt, der Beklagte habe bei Beurkundung der Annahmeerklärungen
der Streithelferin seine Amtspflicht aus
nicht verletzt. Erhebliche Abweichungen der Preise zwischen Ankaufsund
Verkaufsvertrag seien lediglich ein Indiz für die Unredlichkeit des Geschäfts,
vor dem der Notar die Augen nicht verschließen dürfe. Es stehe bereits
nicht fest, dass der Beklagte bei der Beurkundung der Annahme des Kaufangebots
durch die Streithelferin die erheblichen Differenzen zwischen An- und Ver-
kaufspreisen erkannt habe. Eine Kenntnis von der Höhe des abgegebenen Angebots
habe sich der Beklagte nicht zu verschaffen brauchen. Jedenfalls habe
er Anlass zu der Annahme gehabt, die Verkaufspreise seien infolge hoher Sanierungsaufwendungen
und aufgrund eines entsprechenden Verkehrswerts der
Wohnungen berechtigt gewesen. Anhaltspunkte für eine Unredlichkeit bestünden
nur, wenn die Preisunterschiede sachlich nicht erklärbar seien. Auch eine
Amtspflichtverletzung im Sinne von
der Verträge nicht begangen. Zwar sei dem Beklagten bei Vornahme der Auszahlungen
der jeweilige Verkaufspreis und damit dessen erhebliche Differenz
zu dem von ihm selbst beurkundeten Ankaufspreis bekannt gewesen. Ihm sei
jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu widerlegen, dass er hätte annehmen
dürfen, für die erheblichen Preisunterschiede gebe es sachliche Gründe.
Ein Teil der Differenz sei mit dem von der Streithelferin pro Wohnung gezahlten
Betrag von 4.832,74 € zu erklären gewesen. Die Sanierungsabrede sei
ferner nicht wertlos gewesen. Außerdem habe aus der maßgeblichen damaligen
Sicht des Beklagten die Möglichkeit bestanden, dass der Ankaufspreis, den
die Streithelferin dem Voreigentümer habe zahlen müssen, besonders niedrig
gewesen sei und der Verkehrswert der Wohnungen deutlich höher gelegen habe.
Insbesondere habe die Streithelferin dem Beklagten nach dessen unwiderlegter
Darstellung vor den Beurkundungen mehrere Gutachten vorgelegt, aus
denen sich ein hoher Verkehrswert ergeben habe. Auf die Wertangaben der
öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen habe er sich verlassen
dürfen. Dies habe auch der Notarsenat des Oberlandesgerichts angenommen.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Zu Recht hat
das Berufungsgericht einen Amtshaftungsanspruch gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1
BNotO verneint.
Auf der Grundlage der verfahrensfehlerfrei getroffenen tatsächlichen
Feststellungen hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, dass der Beklagte
seine (etwaig) gegenüber der Klägerin bestehenden Amtspflichten (siehe
zu den Amtspflichten eines Notars auch gegenüber der an der von ihm vorgenommenen
Beurkundung einer Annahmeerklärung nicht beteiligten vertragsanbietenden
Partei, Senat, Urteil vom 21. Januar 2016 - III ZR 159/15, BGHZ 208,
302 Rn. 15 f mwN) nicht verletzt hat.
1. Nach
zu versagen beziehungsweise die Beurkundung abzulehnen, wenn sie mit seinen
Amtspflichten nicht vereinbar wäre, insbesondere, wenn seine Mitwirkung
bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche
Zwecke verfolgt werden. Aus den gleichen Gründen hat der Notar gemäß § 54d
Nr. 1 BeurkG in der vorliegend maßgeblichen Fassung des Dritten Gesetzes
zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze vom 31. August
1998 (BGBl. I S. 2585 im Folgenden: a.F.; entspricht § 61 BeurkG in der Fassung
des Gesetzes zur Neuordnung der Aufbewahrung von Notariatsunterlagen
und zur Errichtung des Elektronischen Urkundenarchivs bei der Bundesnotarkammer
sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 1. Juni 2017, BGBl. I S.
1396, im Folgenden: n.F.) von der Auszahlung eines hinterlegten Betrages abzusehen
(vgl. Senat, Urteil vom 17. Juli 2014 - III ZR 514/13,
Rn. 32).
Ein unerlaubter oder unredlicher Zweck in diesem Sinne kann etwa vorliegen,
wenn eine Immobilie zu einem sittenwidrig überhöhten Preis verkauft
werden soll oder der Verdacht besteht, dass die Tätigkeit des Notars der Begehung
einer Straftat dient (BGH, Beschlüsse vom 24. Juli 2017 - NotSt(Brfg)
2/17,
einer kreditgebenden Bank oder eines späteren Erwerbers zu hoch oder zu
niedrig angesetzt wird (BGH, Beschlüsse vom 14. Dezember 2009 - NotSt(B)
2/09,
2008, 17806 Rn. 24 ff). Dabei sind insbesondere erhebliche Differenzen zwischen
An- und Verkaufspreisen bei sogenannten Kettenkaufverträgen ein - für
den Notar erkennbarer - Anhaltspunkt für einen unerlaubten oder unredlichen
Zweck. Die Pflichtwidrigkeit einer Amtshandlung des Notars und damit eine Haftung
gemäß
und
des konkreten Einzelfalls, die im Revisionsrechtszug nur eingeschränkt
überprüfbar ist (vgl. Senat aaO Rn. 33). Nichts anderes kann für die nachfolgende
Abwicklung eines solchen Vertrages und die Pflicht gemäß
a.F. (§ 61 BeurkG n.F.) gelten.
Für sich betrachtet, ist es nicht unredlich, eine Immobilie mit einem erheblichen
Aufschlag weiterzuverkaufen (vgl. BGH, Beschlüsse vom
14. Dezember 2009 aaO Rn. 13 und vom 28. November 2005 - NotSt(B) 3/05,
liegt aber umso näher, je massiver die Kaufpreissteigerungen sind und je kurzfristiger
An- und Verkauf aufeinander folgen (vgl. BGH, Beschlüsse vom
8. November 2013 - NotSt (B) 1/13,
2008 aaO Rn. 24 und vom 28. November 2005 aaO; OLG Celle aaO). Es
kommt daher entscheidend darauf an, ob der Notar nach entsprechender Prüfung
davon ausgehen kann, dass die in den Kettenkaufverträgen enthaltenen
außerordentlichen Kaufpreissteigerungen gerechtfertigt sind beziehungsweise
es für sie eine sachliche oder nachvollziehbare Erklärung gibt, die - neben einer
angemessenen Gewinnspanne des Zwischenerwerbers - etwa in durchgeführten
oder beabsichtigten Instandsetzungsmaßnahmen liegen kann (vgl. BGH,
Beschlüsse vom 14. Dezember 2009 aaO Rn. 15 und vom 28. Juli 2008 aaO).
Nichts anderes gilt, wenn es - wie im vorliegenden Fall - um die Beurkundung
einer Vielzahl von Vertragserklärungen oder die Abwicklung solcher Verträge
geht.
2. Dies zugrunde gelegt, ist das Berufungsgericht in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher
Würdigung unter Ausschöpfung des Sachverhalts und ohne Verstoß
gegen Denk- und Erfahrungssätze davon ausgegangen, dass der Beklagte
weder bei der Beurkundung der Annahmeerklärungen noch bei der Abwicklung
der beiden Kaufverträge Kenntnis von Umständen hatte, die eine sittenwidrige
Kaufpreisüberhöhung zum Nachteil der Klägerin nahelegten, oder ihm insoweit
eine fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen gewesen wäre. Auch wenn die wiederholte
Beurkundung von Kettenkaufverträgen mit erheblichen Unterschieden
zwischen An- und Verkaufspreisen eine Pflicht des Notars zu erhöhter Wachsamkeit
begründet, durfte der Beklagte nach der beanstandungsfreien tatrichterlichen
Würdigung des Berufungsgerichts seinerzeit annehmen, dass es für
die Preisdifferenzen einen nachvollziehbaren Grund gab. Entgegen der Auffassung
der Revision hat das Berufungsgericht insoweit nicht nur auf die bloße
(theoretische) Möglichkeit einer sachlichen Rechtfertigung des Preisaufschlags
abgestellt, sondern auf die dem Beklagten bekannten, den vorliegenden Fall
konkret prägenden tatsächlichen Umstände.
a) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass auch bei Kettenkaufverträgen,
bei denen An- und Verkauf kurz aufeinander folgen und erhebliche
Preissteigerungen erzielt werden, der Anhaltspunkt für eine Unredlichkeit
nicht durchgreifen muss, wenn die Preisunterschiede erklärbar sind. Der
Ankaufspreis als solches muss nicht zwingend etwas über den wahren Wert der
Immobilien und damit ein Missverhältnis zwischen dem Verkaufspreis und der
dafür erhaltenen Gegenleistung aussagen. Vielmehr kann es eine Vielzahl von
Gründen geben, sich von Immobilien zu einem niedrigen Preis zu trennen,
weshalb bei ihrem Weiterverkauf hohe Preisspannen entstehen können (vgl.
BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2009 aaO Rn. 13). Bei einer hohen Differenz
zwischen An- und Verkaufspreis bleibt für sich betrachtet offen, welcher
der beiden Preise den wahren Verkehrswert des Kaufgegenstands abbildet oder
ob keiner von beiden Preisen dem entspricht. Mehr als ein Indiz für einen
überteuerten Weiterverkaufspreis stellt eine solche Abweichung daher nicht dar.
b) Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts
durfte der Beklagte die Preisunterschiede zwischen An- und Verkauf - gleichgültig,
ob er sie bereits zum Zeitpunkt der Beurkundung der Erklärung der Annahme
des Kaufangebots der Klägerin durch die Streithelferin kannte - für unbedenklich
halten. Aus damaliger Sicht bestand kein Grund dafür anzunehmen,
die - als solches zulässige Gewinnaufschläge und Provisionen enthaltenden -
Verkaufspreise seien nicht durch einen entsprechenden Verkehrswert gerechtfertigt.
aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen und hat darauf
abgestellt, dass dem Beklagten die Wertgutachten zweier öffentlich bestellter
und vereidigter Sachverständiger vorlagen, die aus seiner damals maßgebli-
chen Sicht der Annahme einer sittenwidrigen Überteuerung des Kaufpreises
entgegenstanden.
(1) Von einem den Vorwurf der Sittenwidrigkeit (
besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung
kann bei Grundstücksgeschäften erst dann ausgegangen werden,
wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung
(ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BGH, Urteil vom 24. Januar 2014 -
V ZR 249/12,
erst ab einer Verkehrswertüber- oder -unterschreitung von 90 % erfüllt (BGH
aaO).
(2) Eine solche sittenwidrige Überteuerung der von der Klägerin zu zahlenden
Kaufpreise war nach den von dem Beklagten vorgelegten Gutachten der
Sachverständigen Dipl.-Ing. R. und Prof. Dipl.-Ing. B. indes auszuschließen.
Vielmehr ergab sich aus dem Gutachten des Sachverständigen R. vom
6. Juni 2006 für eine in demselben Wohnkomplex belegene Wohnung mit einer
Größe von 82,50 m² zum Bewertungsstichtag 18. Mai 2006 ein Verkehrswert
von 140.000 € (= 1.696,97 €/m² - insoweit unter Berücksichtigung einer zu der
Wohnfläche hinzuzurechnenden Garage). Ein ähnlicher Verkehrswert von ca.
158.000 € - bezogen auf den Bewertungsstichtag 26. Juli 2005 - war dem Gutachten
des Sachverständigen B. vom 5. September 2005 für eine 97 m²
große (modernisierte) Wohnung (= 1.629 €/m²) zu entnehmen.
In Anbetracht dessen ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht
- das ersichtlich von dem von dem Sachverständigen B. ermittelten
Quadratmeterpreis ausgegangen ist - angenommen hat, auf der Grundlage von
dessen Gutachten habe sich für die von der Klägerin erworbenen Wohnungen
ein Verkehrswert von "gut 117.000 €" (1.629 € x 72 m² = 117.288 €) ergeben.
Ebenso beanstandungsfrei hat das Berufungsgericht - schon wegen der übereinstimmenden
Grundaussage in den Gutachten der beiden Sachverständigen -
keinen Anlass dafür gesehen, warum der Beklagte sich ungeachtet der Qualität
der nur wenige Seiten umfassenden Ausführungen des Sachverständigen
B. nicht auf dessen Wertangaben hätte verlassen dürfen. Konkrete Anhaltspunkte,
die den Beklagten an der Richtigkeit und Zuverlässigkeit der Gutachten
und der dort getroffenen Feststellungen oder sonst an deren Vergleichbarkeit
mit den von der Klägerin erworbenen Objekten hätten zweifeln lassen müssen,
sind nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich. Dass es sich um Parteigutachten
handelte, ist dabei ohne - hier nicht vorliegende - Anhaltspunkte für inhaltliche
Zweifel ohne Bewandtnis. Eine eigene Wertermittlung muss der Notar
nicht vornehmen. Das Berufungsgericht hat den beiden Gutachten auch keinen
zu hohen Stellenwert beigemessen.
Der Hinweis der Revision auf eine in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
angenommene geringere Bedeutung solcher Gutachten geht fehl.
Insbesondere unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt entgegen der Ansicht
der Revision von dem vom Senat für Notarsachen des Bundesgerichtshofs
mit Beschluss vom 28. Juli 2008 (aaO) entschiedenen Fall sowohl hinsichtlich
des Prüfungsumfangs als auch inhaltlich. Der Senat für Notarsachen nahm eine
umfassende eigene tatrichterliche Würdigung des Sachverhalts vor, da er in
notariellen Disziplinarsachen nicht Revisions-, sondern Berufungsgericht und
damit Tatsacheninstanz ist (siehe zur Rechtslage bis zum 31. Dezember 2009:
iVm § 80 Abs. 1 Satz 1 BDO; jetzt: §§ 105, 109 BNotO in der Fassung
des Gesetzes zur Neureglung des notariellen Disziplinarrechts vom 17. Juni
2009, BGBl. I S. 1282, iVm
der Bundesgerichtshof im Zivilprozess Revisionsgericht und damit auf eine
rechtliche Überprüfung der tatrichterlichen Sachverhaltswürdigung des Berufungsgerichts
beschränkt. Dessen ungeachtet ist der der Entscheidung des Senats
für Notarsachen zugrundeliegende Sachverhalt auch inhaltlich mit dem
vorliegenden nicht vergleichbar. Der dortige Beklagte konnte konkrete - die Annahme
eines angemessenen Verkehrswerts bestätigende - Gutachten zu ähnlichen
Wohnungen gerade nicht vorlegen, sondern beschränkte sich auf die Einreichung
von Internetausdrucken ohne Aussagekraft im Einzelfall. Demgegenüber
hat der Beklagte Gutachten zu vergleichbaren Wohnungen tatsächlich
vorgelegt.
(3) Entgegen der Rüge der Revision ist es nicht von ausschlaggebender
Bedeutung, ob sich - wie sie geltend macht - der Notarsenat des Schleswig-
Holsteinischen Oberlandesgerichts bei seiner disziplinarrechtlichen Bewertung
des Vorgehens des Beklagten nicht erschöpfend mit der Sach- und Rechtslage,
insbesondere im Hinblick auf die Gutachten, auseinandergesetzt hat. Das Berufungsgericht
hat eine vollständige eigene Würdigung selbst vorgenommen und
sich lediglich abrundend-bestätigend auf die Entscheidung des Notarsenats
bezogen.
bb) Auch der enge zeitliche Zusammenhang zwischen An- und Verkauf -
im Fall der Klägerin fielen die Beurkundung des Zwischenerwerbs (Ankauf vom
Voreigentümer) und der auf ihr Angebot abgegebenen Annahmeerklärung der
Streithelferin auf denselben Tag - war aus der damaligen Sicht des Beklagten
unbedenklich. Unstreitig hatte es in zeitlichem Zusammenhang mit den beurkundeten
Geschäften bereits Sanierungsmaßnahmen gegeben, die eine Wertsteigerung
der Wohnungen nahelegten. Dabei hat die Klägerin mit der Revisionsbegründung
selbst darauf hingewiesen, dass nach Auskunft des mit der Sa-
nierung des Objekts befassten Architekten in der Anlage W. I pro Wohnung
Kosten in Höhe von (immerhin) ca. 25.840 € angefallen seien. Auf den genauen
Zeitpunkt der Sanierung - vor oder nach dem Verkauf an die Letzterwerber -
kam es für den Verkehrswert der Wohnungen für die Klägerin nicht an. Insbesondere
war es nicht erforderlich, dass die Sanierung zwischen An- und Verkauf
geschah. Denn es war aus Sicht des (Letzt-)Käufers ohne Bedeutung, wer
die Kosten im wirtschaftlichen Ergebnis getragen hat, sofern er nicht selbst -
wie hier nicht - damit belastet wurde. Dass die Klägerin die Übernahme jeglicher
Kosten durch die Streithelferin sowie die Existenz eines von jener zu tragenden
sogenannten "Sanierungsüberhangs" ganz allgemein in Abrede gestellt
hat, ist vor diesem Hintergrund unbeachtlich. Insoweit geht der Vorwurf der Revision,
das Berufungsgericht habe unter Verletzung des rechtlichen Gehörs der
Klägerin (
und die in diesem Zusammenhang angebotenen Beweise übergangen,
ins Leere.
c) Das Berufungsgericht hat entgegen der Rüge der Revision seiner
Würdigung auch keinen falschen Maßstab für die Verdachtsschwelle, ab der
Misstrauen des Notars geboten ist, zugrunde gelegt. Vielmehr hat es im Einklang
mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Obergerichte
geprüft, ob für den Beklagten konkrete Verdachtsgründe für unredliche oder
unerlaubte Zwecke erkennbar waren. Dabei hat es sich insbesondere mit den
Aspekten auseinandergesetzt, die aus Sicht des Beklagten für eine Übervorteilung
der Klägerin sprachen, und diese gegen die einen solchen Verdacht ausräumenden
Umstände abgewogen, wobei es - wie ausgeführt - in zumindest
vertretbarer tatrichterlicher Würdigung des vorliegenden Einzelfalls zu dem Ergebnis
gelangt ist, dass für den Beklagten hinreichende Anhaltspunkte für unredliche
oder unerlaubte Zwecke nicht bestanden. Die Klägerin, die die gegen-
teilige Auffassung vertritt, versucht insoweit lediglich, in revisionsrechtlich unbeachtlicher
Weise ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts
zu setzen.
d) Den Vortrag der Klägerin zu im Kaufpreis enthaltenen Innenprovisionen
entgegen § 286 Abs. 1 ZPO,
Weise zur Kenntnis genommen zu haben, kann dem Berufungsgericht ebenso
wenig vorgeworfen werden.
In welcher Höhe im Kaufpreis versteckte Innenprovisionen enthalten waren
und ob der Beklagte dies erkennen konnte, spielt schon deswegen keine
Rolle, weil es bis zu den Grenzen der - hier aus Sicht des Beklagten nicht gegebenen
- Sittenwidrigkeit und des Wuchers den Vertragsparteien überlassen
bleibt, welchen Kaufpreis sie vereinbaren (z.B. BGH, Urteil vom 14. März 2003
- V ZR 308/02,
e) Das Berufungsgericht hat auch nicht die Darlegungs- und Beweislast
hinsichtlich der Tatsachen verkannt, die aus Sicht des Beklagten gegen eine
sittenwidrige Übervorteilung der Klägerin sprachen. Vielmehr hat die Klägerin
als Anspruchstellerin den zum Schadensersatz verpflichtenden Sachverhalt und
damit das Vorliegen einer Amtspflichtverletzung - hier die eine Sittenwidrigkeit
der zwischen der Klägerin und der Streithelferin abgeschlossenen Kaufverträge
und deren Erkennbarkeit durch den Beklagten ausfüllenden (positiven) Tatsachen
- darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (vgl. z.B. Senat, Urteil vom
22. Juni 2006 - III ZR 259/05,
26. Februar 2009 - III ZR 135/08,
Beklagte mit Vorbringen verteidigt hat, dem Tatsachen zugrunde liegen, die
allein in seiner Kenntnissphäre liegen, hat ihn zwar die sekundäre Darlegungs-
last getroffen (vgl. z.B. Senat, Teilurteil vom 15. Juli 2010 - III ZR 336/08, BGHZ
186, 205 Rn. 45; Urteile vom 15. März 2012 - III ZR 190/11,
Rn. 21 und vom 20. Oktober 2016 - III ZR 278/15,
ist er jedoch nachgekommen.
Die sich aus der Diskrepanz zwischen An- und Verkaufspreis von der
Klägerin gezogene Schlussfolgerung, der Beklagte habe den überteuerten
Kaufpreis erkannt oder vor dieser Tatsache die Augen verschlossen, hat dieser
substantiiert bestritten. Dazu hat er vorgetragen, ihm hätten bereits vor der Beurkundung
der Annahmeerklärungen der Streithelferin und der Ankaufverträge
die - auch im vorliegenden Verfahren eingereichten - Gutachten der Sachverständigen
B.
und R. über die Verkehrswerte exemplarischer Wohnungen vorgelegen, welche
die von der Klägerin zu zahlenden Kaufpreise als rechtlich unbedenklich
erscheinen ließen. Dies hat er - persönlich angehört - im Verhandlungstermin
vor dem Landgericht bestätigt und näher erläutert. Diesem Vorbringen hätte die
Klägerin ihrerseits mit konkretem Sachvortrag entgegentreten und gegebenenfalls
hierfür Beweis antreten müssen - etwa durch Benennung des früheren Geschäftsführers
der Streithelferin als Zeugen für einen späteren Zeitpunkt der
Überlassung der Gutachten an den Beklagten. Beides ist jedoch unterblieben.
Wenn das Berufungsgericht vor diesem Hintergrund das Beklagtenvorbringen
seinen Feststellungen zugrunde gelegt hat, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu
beanstanden. Ein unzumutbarer negativer Beweis ist der Klägerin nicht auferlegt
worden.
f) Schließlich kommt es entgegen der Auffassung der Revision, die diesen
Punkt erstmalig aufgreift, auf den im Vergleich zu dem Weiterverkaufspreis
(niedrigen) Ankaufspreis, zu dem die Streithelferin die Wohnungen ihrerseits
vom Voreigentümer erworben hatte, im Verhältnis zwischen den Streitparteien
nicht an. Dies gilt bereits, weil die - insoweit jedenfalls gutgläubige - Klägerin als
Eigentümerin der Wohnungen im Grundbuch eingetragen worden ist und sie
nicht in den Schutzbereich einer Amtspflicht einbezogen gewesen wäre, die der
Beklagte gegenüber dem Erstverkäufer im Hinblick auf dessen (etwaige) sittenwidrige
Übervorteilung ("negativer Wucher") möglicherweise gehabt hätte.
Ebenso wenig war der - von der Revision im Ergebnis auch nicht weiter vertiefte
- Aspekt einer für
die Bank im Übrigen ohne weiteres ersichtlichen Überfinanzierung im Verhältnis
zwischen den Parteien von Bedeutung.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:05.12.2019
Aktenzeichen:III ZR 112/18
Rechtsgebiete:
Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
Notaranderkonto/notarielle Verwahrung
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
ZNotP 2020, 120-125
NJW-RR 2020, 305-306
BeurkG § 4; BNotO § 14 Abs. 2