OLG Naumburg 23. Juni 1992
1 W 5/92
BGB § 1954

Frist für Anfechtung der Erbschaftsausschlagung

Wohnungs- und dem Teilerbbaurecht auf den Bet. zu2) sind die
Nacherbenvermerke gegenstandslos, die Grundbücher unrichtig geworden. Die übertragenen Anteile sind damit endgültig aus der Erbschaft ausgeschieden; die Verfügungsbeschränkung des § 2113 Abs.1, 2 BGB kann auch beim Eintritt
des Ersatzfalls und des Nacherbfalls nicht mehr wirksam werden.
(1) Vor Eintritt des Falles der Nacherbfolge (§ 2139 BGB) kann
der Nacherbenvermerk (§ 51 GBO) entweder auf die Bewilligung der Nacherben einschließlich der Ersatznacherben oder
gern. §22 Abs.1''GBO dann gelöscht werden, wenn er der
Rechtslage nicht mehr entspricht und dies in der Form des § 29
Abs.1 GBO nachgewiesen wird. Der Nacherbenvermerk entspricht nicht mehr der Rechtslage, wenn der von ihm erfaßte
Gegenstand endgültig aus der der Nacherbfolge unterliegenden Erbschaft ausgeschieden ist. Dies ist wiederum der Fall,
wenn der befreite Vorerbe (§ 2136 BOB) über das Grundstück
oder Grundstücksrecht entgeltlich verfügt oder ohne jede weitere Einschränkung dann, wenn die Verfügung des Vorerben
mit Zustimmung der Nacherben vorgenommen wird (BayObLG
Rpfleger 1982, 277 = DNotZ 1983, 318 = MittRhNotK 1982,142;
BayObLG MittBayNot 1991,122,123 m.w.N. = MittRhNotK 1991,
124; OLG Hamm MittBayNot 1990, 361, 362 = MittRhNotK 1990,
278; Horber/Demharter, 19. Aufl., § 51 GBO, Anm. 13; KEHE/
Eickmann, 4. Aufl., §51 GBO, Rd.-Nr. 28).
(2) Hier hat die Bet. zu 1) ihre Anteile anden Erbbaurechten mit
Zustimmung der Bet. zu3) auf den Bet. zu 2) übertragen; damit
sind die von der Bet. zu 1) geerbten Anteile endgültig aus der
Erbschaft ausgeschieden; einer Zustimmung der Ersatznacherben bedurfte es dazu nicht (BGHZ 40,115,119 m.w.N. =
DNotZ 1964, 623; RGZ 145, 316, 320 f.; BayObLGZ 1959, 493,
497; 1970,137,141 f. = DNotZ 1970, 686; KG JFG 21,251,253;
OLG Oldenburg JR 1962, 23 f. m. zust. Anm. Jansen; Palandt/
Edenhofer, 51. Aufl., § 2113 BGB, Rd.-Nr. 6 f. und § 2120 BGB,
Rd.-Nr.1; MünchKomm/Grunsky, 2. Aufl. §2102 BGB, Rd.Nr:10 und § 2113 BGB, Rd.-Nr.16; Haegele/Schöner/Stöber,
Grundbuchrecht, 9. Aufl., Rd.-Nrn. 3478, 3519; v. Lübtow, Erbrecht, Band II, 634 f.). Vor Eintritt des Ersatzfalles und des Falles der Nacherbfolge hat der Ersatznacherbe zwar eine rechtlich gesicherte Anwartschaft auf den späteren Erwerb der Erbschaft, aber anders als der in erster Linie berufene Nacherbe
noch keine Rechte und Pflichten in bezug auf den Nachlaß; mit
Zustimmung der Nacherben vorgenommene und damit endgültig wirksame Verfügungen des Vorerben kann er nicht verhindern (vgl. RGZ 145, 316, 319; BayObLGZ 1960, 408, 410;
1970,137,141 f. =DNotZ1970, 686; KG JFG 21,251,253; v. Lübtow, a.a.O.). Gegen nicht ordnungsmäßige Verfügungen des
Vererben, die mit Zustimmung des Nacherben vorgenommen
werden, ist er nur insofern geschützt, als ihm vom Eintritt des
Ersatzfalles an gegen den Vorerben die Ansprüche auf ordnungsmäßige Verwaltung des Nachlasses (§§ 2130 Abs.1, 2138
Abs. 2 BGB) zustehen, und zwar rückwirkend vom Zeitpunkt
des Erbfalles an (v. Lübtow, 635); auf die dingliche Rechtslage
hat dies keinen Einfluß.
(3) Die Vorinstanzen haben nicht ausreichend zwischen einer
Löschung aufgrund Bewilligung und einer Löschung aufgrund
Unrichtig keitsnachweises unterschieden. Das LG beruft sich zu
Unrecht auf eine Entscheidung des OLG Hamm DNotZ 1955,
538 f. Hier ging es um die Löschung des Nacherbenvermerks
aufgrund Bewilligung, nicht um,die._ Löschung, nachdem der
Vermerk infolge einer endgültig wirksamen Verfügung desVorerben über ein Grundstück gegenstandslos geworden war.
Auch der vom GBA angesprochene Grundsatz der dinglichen
Surrogation nach § 2111 BGB spielt hier keine Rolle; Surrogation kann nur eintreten bei Gegenständen, die der Vorerbe mit
Mitteln der Erbschaft erwirbt. Daß die Bet zu 1) die von der Anordnung der Nacherbfolge betroffenen Anteile hier auf einen
der Nacherben selbst übertragenhat, ist rechtlich ohne Bedeutung, da die Vorschriften der §§ 2113, 2120 BGB vor Eintritt des
Ersatzfalls nur dem Schutz der Hauptnacherben dienen; es
hätte allerdings der ausdrücklichen Zustimmung des Bet. zu 2)
zu den Verfügungen nicht mehr bedurft. .
c) Die Voraussetzungen für die Löschung des Nacherbenvermerks gern. § 22 Abs.1 GBO sind durch öffentliche Urkunde
nachgewiesen (§ 29 Abs.1 GBO).
Die Entscheidungen der Vorinstanzen können somit keinen Bestand haben.
6. Erbrecht/DDR — Frist für Anfechtung der Erbschaftsausschlagung
(OLG Naumburg, Beschluß vom 23.6.1992-1 W5/92—mitgeteilt von Notar Wilhelm Ickenroth, Rheinbach)
BGB §1954 Abs. 4
Bei der 30jährigen Frist des § 1954 Abs. 4 BGB handelt es
sich um eine Ausschlußfrist, die ohne Rücksicht auf die Fortdauer eines Irrtums oder einer Zwangslage und ohne Hemmung durch die in den §§203, 206, 207 BGB bestimmten
Hemmungsgründe zu Ende geht.
(Leitsatz nicht amtlich)
Zum Sachverhalt:
Der Ast. und Führer der weiteren Beschwerde schlug am 14.11.1953 die
Annahme der Erbschaft nach A. S. aus. Mit einer am 2. 3.1991 beim
Nachlaßgericht eingegangenen Erklärung focht er die Ausschlagung
wegen Drohung an. Hierbei trug er u. a. vor, die Anfechtungsfrist des
§ 1954 BGB seibiszum Ende der DDR-Staatlichkeit gehemmt gewesen.
Der Ast. begehrt nunmehr die Erteilung eines Erbscheines nach A.S.
Kreis- und Bezirksgericht vertraten die Auffassung, daß die abgelaufene dreißigjährige Frist des§ 1954 Abs. 4 BGB einer Anfechtung -- unbeschadet ihrer Berechtigung im übrigen - entgegenstehe.
Die weitere Beschwerde blieb erfolglos.
Aus den Gründen:
Für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Anfechtung ist auf
§ 1954 BGB abzustellen. Das geltende Verfahrensrecht, Erbrecht und Internationale Privatrecht der Bundesrepublik ist am
3.10.1990 auch für das Beitrittsgebiet in Kraftgetreten, soweit
im Einigungsvertrag unter Anlage 1 hierzu nichts anderes bestimmt ist (Art. 8 EV). AnLJ, Kap. III, Sachgeb. B, Abschn. 1, Nr.1
Einigungsvertrag enthält die Übergangsregelungen als sechter
Teil des EGBGB. Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB läßt für die erbrechtlichen Verhältnisse, also für das formelle und materielle
Erbrecht das bisherige Recht weitergelten, wenn der Erblasser
vor dem 3.10 1990 gestorben ist. In der DDR galt bis 31.3.1966
das BGB unbeschränkt. Die Erblasserin starb am 24.9.1953.
Mithin ist auf das in der damaligen DDR zu diesem Zeitpunkt
geltende Erbrecht des BGB und damit auf § 1954 BGB abzustellen.
Der Beschwerde ist nicht zu folgen, wenn sie die dreißigjährige
Frist des § 1954 Abs. 4 BGB alsVerjährungsfrist betrachtet, deren Lauf bis zum Ende der DDR-Staatlichkeit gehemmt gewesen sein soll. Ob letzteres in besonderen Fallgestaltungen einmal möglich ist, kann hier dahinstehen, denn § 1954Abs. 4 BGB
ist eine Ausschlußfrist, die ohne Rücksicht auf die Fortdauer eines Irrtums oder einer Zwangslage und ohne Hemmung durch
die in den §§203, 206, 207 BGB bestimmten Hemmungsgründe zu Ende geht (RGRK/Johannsen, 12. Auf(., § 1954
BGB, Rd.-Nr.13; Staudinger/Otte/Marotzke, 12. Aufl., § 1954
BGB, Rd.-Nr.12). Ist somit die Anfechtungsfrist verstrichen, so
geht es auch nicht an, das Verstreichenlassen der Frist seinerseits der Anfechtung zu unterstellen (MünchKomm/Leipold,
2. Aufl., § 1956 BGB, Rd.-Nr. 9 m.w.N.).
Die Anfechtung der Ausschlagung der Erbschaft war daher
nicht mehr rechtswirksam möglich, und der Führer der weiteren
Beschwerde ist aufgrund seiner wirksamen Ausschlagung der
Erbschaft nicht Erbe nach A. S. geworden. Ein Erbschein ist ihm
daher nicht zu erteilen. Die darauf gerichtete weitere Beschwerde ist zurückzuweisen, ohne daß noch darauf einzugehen ist, ob dem Führer der weiteren Beschwerde überhaupt ein
Anfechtungsgrund zugestanden hätte.
Heft Nr.12 - MittRhNotK • Dezember 1992 315


Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Naumburg

Erscheinungsdatum:

23.06.1992

Aktenzeichen:

1 W 5/92

Erschienen in:

MittRhNotK 1992, 315

Normen in Titel:

BGB § 1954