AG Brandenburg 31. März 2021
31 C 189/19
GenG § 68 Abs. 2

Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes beim Ausschluss eines Genossenschaftsmitglieds nach § 68 GenG

letzte Aktualisierung: 21.7.2021
AG Brandenburg, Urt. v. 31.3.2021 – 31 C 189/19

GenG § 68 Abs. 2
Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes beim Ausschluss eines
Genossenschaftsmitglieds nach § 68 GenG

Auch wenn gemäß der Satzung einer Genossenschaft ein Grund zum Ausschluss eines
Genossenschaftsmitglieds gemäß § 68 GenG vorliegt, muss die Genossenschaft bei ihrer
Ermessensentscheidung doch den „Gleichbehandlungsgrundsatz“ hinsichtlich ihrer Mitglieder mit
beachten.

Entscheidungsgründe

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Amtsgerichts ergibt sich aus § 23 Nr. 1 GVG in Verbindung mit § 12 und § 17 ZPO.

Die Feststellungsklage (§ 256 ZPO) ist zulässig. Sie ist das zulässige Rechtsmittel um die Unwirksamkeit gesellschaftsrechtlicher Beschlüsse im Wege einer Feststellungsklage desjenigen Mitglieds feststellen zu lassen, dessen Mitgliedschaftsverhältnis durch sie betroffen wird. Ausschließungsbeschlüsse sind nämlich Rechtsverhältnisse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO, weshalb unmittelbar auf die Feststellung der Unwirksamkeit derartiger Beschlüsse geklagt werden kann (BGH, Urteil vom 21.10.1991, Az.: II ZR 211/90, u.a. in: NJW-RR 1992, Seite 227; BGH, Urteil vom 24.10.1988, Az.: II ZR 311/87, u.a. in: NJW 1989, Seiten 1724 ff.; OLG Brandenburg, Urteil vom 28.12.2017, Az.: 6 U 40/16, u.a. in: GesR 2018, Seiten 430 f.; OLG Brandenburg, Urteil vom 03.07.2012, Az.: 11 U 174/07, u.a. in: „juris“; OLG Schleswig, Urteil vom 18.04.2008, Az.: 14 U 95/07, u.a. in: BeckRS 2008, Nr. 21671 = „juris“; OLG Hamm, Urteil vom 25.04.2001, Az.: 8 U 139/00, u.a. in: NJW-RR 2001, Seiten 1480 ff.; OLG Köln, Urteil vom 15.01.1992, Az.: 11 U 161/91, u.a. in: OLG-Report 1992, Seiten 136 f.; LG Bonn, Urteil vom 08.01.2013, Az.: 18 O 63/12, u.a. in: BeckRS 2013, Nr. 5886 = „juris“; LG Landau/Pfalz, Urteil vom 30.12.2003, Az.: 1 S 178/03, u.a. in: BeckRS 2003, Nr. 17401 = „juris“).

Die gegen den Ausschließungsbeschluss des Vorstandes gerichtete, grundsätzlich nicht fristgebundene Feststellungsklage ist auch gemäß § 256 ZPO statthaft. Eine Verwirkung des Klageerhebungsrechts kommt hier nicht in Betracht. Zwar muss eine gegen die Ausschließung eines Mitglieds gerichtete Klage innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntnis des Ausschließungsbeschlusses erfolgen. Hinsichtlich des hierfür erforderlichen Zeitraums gibt es aber unterschiedliche Ansätze, die - unter Heranziehung entsprechender Regelungen in § 626 Abs. 2 BGB, § 51 Abs. 1, § 67a Abs. 2 GenG, § 242 AktG - zwei Wochen bis zu einem halben Jahr umfassen (OLG Hamburg, Beschluss vom 25.06.2018, Az.: 11 U 13/18, u.a. in: ZMR 2018, Seiten 966 ff.). Hierauf aufbauend ist die Frage der Verwirkung im Falle des Schweigens der Satzung regelmäßig eine im Einzelfall zu treffende Wertungsfrage (OLG Hamburg, Beschluss vom 25.06.2018, Az.: 11 U 13/18, u.a. in: ZMR 2018, Seiten 966 ff.).

Die von dem Kläger etwa zwei bis drei Wochen nach Erhalt des Beschlusses am 24. Juni 2019 unter dem 24. Juli 2019 erhobene und bei dem Landgericht Potsdam auch an diesem Tage eingegangene Klage überschreitet das vorstehende Zeitfenster insofern nicht. Im Übrigen kommt eine Verwirkung wohl auch Zwar hat die Beklagte hier zudem behauptet, dass bei Begründung der Mitgliedschaft des Klägers als Genossenschaftsmitglied am 10.01.2014 zwischen den Prozessparteien Einigkeit darüber bestanden habe, dass diese Mitgliedschaft in der Genossenschaft mit der Beendigung der Tätigkeit des Klägers in der Genossenschaft ebenso enden solle, jedoch hat die von der Beklagten hierzu benannte Zeugin E… O…-S… ausgesagt, dass sie bei keinem Gespräch zwischen dem Vorstand der Genossenschaft und dem Kläger dabei war, als der Kläger Genossenschaftsmitglied wurde.

Die Zeugin E… O…-S… hat zudem zwar auch noch bekundet, dass mit dem Kläger dann am 27.03.2018 im Rahmen des Aufhebungsvertrages auch darüber gesprochen worden sei, was mit seiner Mitgliedschaft in der Genossenschaft passieren solle und der Kläger mündlich erklärt habe, dass er dann auch in der Genossenschaft als Mitglied ausscheiden würde mit einem Aufhebungsvertrag. Jedoch sagte sie auch aus, dass der Kläger an diesem Tag dies nicht schriftlich bestätigt habe.

Der Zeuge E… P… S… hat im Übrigen nur bekunden können, dass er bei keinem Gespräch oder dergleichen dabei war, als der Kläger im Jahre 2014 bei der Genossenschaft anfing und es gegebenenfalls um die Beendigung der Mitgliedschaft bei seinem etwaigen späteren Ausscheiden gehen sollte. Ein derartiges Gespräch sei ihm nicht bekannt. Er sei auch bei keinem Gespräch dabei gewesen als der Kläger dann aus der Genossenschaft ausschied und es eventuell um seine Mitgliedschaft ging. Auch bei einem solchen Gespräch war er nicht mit dabei.

Zwar wurde dem Kläger im Zuge der Vereinbarung eines Aufhebungsvertrages auch unstreitig dann eine Vereinbarung zum Ausscheiden als Mitglied der Genossenschaft durch die Beklagte angetragen, im Gegensatz zum Aufhebungsvertrag hat der Kläger aber die Vereinbarung zum Ausscheiden als Mitglied ebenso unstreitig nicht unterzeichnet.

Dass hier somit bereits bei Begründung der Mitgliedschaft des Klägers als Genossenschaftsmitglied am 10.01.2014 zwischen den Prozessparteien Einigkeit darüber bestanden hat, das diese Mitgliedschaft in der Genossenschaft mit der Beendigung der Tätigkeit des Klägers in der Genossenschaft endet, ist durch die Beklagtenseite vorliegend nicht bewiesen worden.

Im Übrigen wäre aber eine derartige (mündliche bzw. konkludente) tatsächlich erfolgte Vereinbarung, dass der Kläger mit Beendigung seiner Tätigkeit bei der Beklagten zugleich auch aus der beklagten Genossenschaft ausscheidet, auch unwirksam gewesen, weil eine derartige Vereinbarung gegen zwingende gesetzliche Vorgaben verstoßen hätte. Eine solche Vereinbarung hätte nämlich gegen die aus den §§ 65 ff. GenG insgesamt zu entnehmenden Einschränkungen verstoßen, denen das Ausscheiden aus einer Genossenschaft unterliegt. Derartige Vereinbarungen knüpfen nämlich die Auflösungswirkung an den Eintritt einer Bedingung und erweisen sich aus diesem Grund als unwirksam. Der Abschluss eines bedingten Auflösungsvertrages ist darauf gerichtet, dass die Mitgliedschaft nach dem Eintritt der Bedingung von selbst endet, auch wenn das zu diesem Zeitpunkt dem Willen des Mitglieds nicht mehr entsprechen sollte. Damit ist die Frage berührt, ob in einer Genossenschaft im Voraus für den Fall des Eintritts oder des Ausbleibens bestimmter Umstände die dann ohne weiteres Zutun der Beteiligten von selbst eintretende Beendigung der Mitgliedschaft vereinbart werden kann (BGH, Urteil vom 15.05.2018, Az.: II ZR 2/16, u.a. in: NJW-RR 2018, Seiten 933 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 09.12.2015, Az.: 8 U 26/15, u.a. in: BeckRS 2015, Nr. 124802 = „juris“).

Derartige Regelungen, die das Mitgliedschaftsverhältnis unmittelbar berühren, sind aber grundsätzlich in der Satzung zu treffen, nach der sich gemäß § 18 Satz 1 GenG das Rechtsverhältnis der Genossenschaft und ihrer Mitglieder zunächst richtet. Unabhängig davon, ob in der Satzung bedingungsabhängig eintretende Ausscheidenstatbestände normiert werden können, scheidet nämlich jedenfalls die Festlegung eines solchen Beendigungsgrundes durch eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen der Genossenschaft und dem Mitglied aus. Denn damit würde nicht nur ein weiterer, vom Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehener, Ausscheidensgrund zugelassen, sondern es würden auch die aus § 18 Satz 1, §§ 65 ff. GenG ableitbaren Beschränkungen außer Acht gelassen, denen Beendigungstatbestände genossenschaftsrechtlich unterliegen (BGH, Urteil vom 15.05.2018, Az.: II ZR 2/16, u.a. in: NJW-RR 2018, Seiten 933 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 09.12.2015, Az.: 8 U 26/15, u.a. in: BeckRS 2015, Nr. 124802 = „juris“).

Beschlüsse eines Vorstands einer Genossenschaft über den Ausschluss eines Mitgliedes unterliegen aufgrund der durch Art. 9 GG und den §§ 25 ff. BGB geschützten Autonomie jedoch grundsätzlich nur einer beschränkten gerichtlichen Nachprüfung (BGH, Urteil vom 09.06.1997, Az.: II ZR 303/95, u.a. in: NJW 1997, Seiten 3368 f.; BGH, Urteil vom 24.10.1988, Az.: II ZR 311/87, u.a. in: NJW 1989, Seiten 1724 ff.; BGH, Urteil vom 19.10.1987, Az.: II ZR 43/87, u.a. in: NJW 1988, Seiten 552 f.; BGH, Urteil vom 30.05.1983, Az.: II ZR 138/82, u.a. in: NJW 1984, Seiten 918 f.; OLG Brandenburg, Urteil vom 28.12.2017, Az.: 6 U 40/16, u.a. in: GesR 2018, Seiten 430 f.; KG Berlin, Beschluss vom 22.02.2005, Az.: 5 U 226/04, u.a. in: KG-Report 2005, Seiten 590 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 26.06.2003, Az.: 5 U 1621/02, u.a. in: OLG-Report 2003, Seiten 361 f.; OLG Hamm, Urteil vom 25.04.2001, Az.: 8 U 139/00, u.a. in: NJW-RR 2001, Seiten 1480 ff.; OLG Saarbrücken, NJW-RR 1994, Seiten 251 f.; OLG Hamm, NJW-RR 1993, Seiten 1535 f.; OLG Köln, Urteil vom 15.01.1992, Az.: 11 U 161/91, u.a. in: OLG-Report 1992, Seiten 136 f.; OLG Nürnberg, Urteil vom 27.03.1980, Az.: 8 U 81/78, u.a. in: VersR 1980, Seiten 1137 f.; LG Bonn, Urteil vom 08.01.2013, Az.: 18 O 63/12, u.a. in: BeckRS 2013, Nr. 5886 = „juris“; LG Landau/Pfalz, Urteil vom 30.12.2003, Az.: 1 S 178/03, u.a. in: BeckRS 2003, Nr. 17401 = „juris“; AG Essen, Urteil vom 11.05.2010, Az.: 11 C 549/09, u.a. in: „juris“).

Es ist aber andererseits auch anerkannt, dass die Gerichte jedenfalls nachprüfen können, ob die verhängte Maßnahme eine Stütze im Gesetz oder in der Satzung hat, ob das satzungsmäßig vorgeschriebene Verfahren beachtet ist, sonst keine Gesetzes- oder Satzungsverstöße vorgekommen sind und ob die Maßnahme nicht grob unbillig oder sogar willkürlich ist (BGH, Urteil vom 09.06.1997, Az.: II ZR 303/95, u.a. in: NJW 1997, Seiten 3368 f.; BGH, Urteil vom 24.10.1988, Az.: II ZR 311/87, u.a. in: NJW 1989, Seiten 1724 ff.; BGH, Urteil vom 30.05.1983, Az.: II ZR 138/82, u.a. in: NJW 1984, Seiten 918 f.; OLG Brandenburg, Urteil vom 28.12.2017, Az.: 6 U 40/16, u.a. in: GesR 2018, Seiten 430 f.; KG Berlin, Beschluss vom 22.02.2005, Az.: 5 U 226/04, u.a. in: KG-Report 2005, Seiten 590 ff.; OLG Köln, Urteil vom 15.01.1992, Az.: 11 U 161/91, u.a. in: OLG-Report 1992, Seiten 136 f.; LG Bonn, Urteil vom 08.01.2013, Az.: 18 O 63/12, u.a. in: BeckRS 2013, Nr. 5886 = „juris“; LG Landau/Pfalz, Urteil vom 30.12.2003, Az.: 1 S 178/03, u.a. in: BeckRS 2003, Nr. 17401 = „juris“).

In Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung hat die herrschende Rechtsprechung zudem entschieden, dass die Gerichte auch darüber zu befinden haben, ob die Tatsachen, die der Ausschließungsentscheidung zugrunde gelegt wurden, bei objektiver und an rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichteter Tatsachenermittlung zutreffend festgestellt worden sind (BGH, Urteil vom 24.10.1988, Az.: II ZR 311/87, u.a. in: NJW 1989, Seiten 1724 ff.; BGH, Urteil vom 30.05.1983, Az.: II ZR 138/82, u.a. in: NJW 1984, Seiten 918 f.; OLG Brandenburg, Urteil vom 28.12.2017, Az.: 6 U 40/16, u.a. in: GesR 2018, Seiten 430 f.; KG Berlin, Beschluss vom 22.02.2005, Az.: 5 U 226/04, u.a. in: KG-Report 2005, Seiten 590 ff.); die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter die herangezogene Vorschrift gehöre hingegen zu den Maßnahmen, die eine Genossenschaft in Ausübung ihrer Eigenverantwortlich zu treffen habe und die gerichtlich daher nur in den genannten engen Grenzen nachprüfbar ist (BGH, Urteil vom 09.06.1997, Az.: II ZR 303/95, u.a. in: NJW 1997, Seiten 3368 f.; BGH, Urteil vom 24.10.1988, Az.: II ZR 311/87, u.a. in: NJW 1989, Seiten 1724 ff.; BGH, Urteil vom 30.05.1983, Az.: II ZR 138/82, u.a. in: NJW 1984, Seiten 918 f.; OLG Brandenburg, Urteil vom 28.12.2017, Az.: 6 U 40/16, u.a. in: GesR 2018, Seiten 430 f.; KG Berlin, Beschluss vom 22.02.2005, Az.: 5 U 226/04, u.a. in: KG-Report 2005, Seiten 590 ff. OLG Koblenz, Urteil vom 26.06.2003, Az.: 5 U 1621/02, u.a. in: OLG-Report 2003, Seiten 361 f.; OLG Köln, Urteil vom 15.01.1992, Az.: 11 U 161/91, u.a. in: OLG-Report 1992, Seiten 136 f.; LG Bonn, Urteil vom 08.01.2013, Az.: 18 O 63/12, u.a. in: BeckRS 2013, Nr. 5886 = „juris“; LG Landau/Pfalz, Urteil vom 30.12.2003, Az.: 1 S 178/03, u.a. in: BeckRS 2003, Nr. 17401 = „juris“).

Das wegen eines Ausschließungsbeschlusses angerufene staatliche Gericht hat dem entsprechend sowohl die formelle Rechtmäßigkeit als auch die sachliche Berechtigung des Beschlusses zu überprüfen. Es ist nur nicht berufen, die Zweckmäßigkeit des Ausschusses und die Ermessensausübung des zuständigen Organs der Genossenschaft zu beurteilen (OLG Brandenburg, Urteil vom 28.12.2017, Az.: 6 U 40/16, u.a. in: GesR 2018, Seiten 430 f.; OLG Hamm, Urteil vom 26.05.1999, Az.: 8 U 17/99, u.a. in: NZG 1999, Seiten 1234 f.; LG Bonn, Urteil vom 08.01.2013, Az.: 18 O 63/12, u.a. in: BeckRS 2013, Nr. 5886 = „juris“).

Diese Prüfung führt hier aber zu dem Ergebnis, dass der Ausschluss des Klägers durch die Beklagte nicht rechtmäßig erfolgt ist.

Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Beschlusses ist es zunächst, dass er durch das zuständige Organ auf wirksamer satzungsmäßiger Grundlage formell ordnungsgemäß, ohne Gesetzesverstoß und unter Beachtung allgemeiner rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze ergangen ist und dass die Maßnahme auf richtiger Tatsachengrundlage ergriffen wurde und nicht grob unbillig oder willkürlich war (OLG Brandenburg, Urteil vom 28.12.2017, Az.: 6 U 40/16, u.a. in: GesR 2018, Seiten 430 f.; AG Essen, Urteil vom 11.05.2010, Az.: 11 C 549/09, u.a. in: BeckRS 2011, Nr. 22534 = „juris“).

Im Genossenschaftsrecht gilt – ähnlich dem Vereinsrecht – der Grundsatz, dass der Verstoß gegen zwingende Vorschriften des Gesetzes oder der Satzung einen Beschluss nichtig machen können (BGH, Urteil vom 09.11.1972, Az.: II ZR 63/71, u.a. in: NJW 1973, Seite 235; OLG Brandenburg, Urteil vom 28.12.2017, Az.: 6 U 40/16, u.a. in: GesR 2018, Seiten 430 f.; OLG Köln, Beschluss vom 04.02.2009, Az.: 2 Wx 56/08, u.a. in: FGPrax 2009, Seiten 82 ff.; BayObLG, Beschluss vom 18.09.2002, Az.: 3Z BR 148/02, u.a. in: NJW-RR 2002, Seiten 1612 f.). Zu den zwingenden Vorschriften gehören aber auch die Bestimmungen der Satzung über den Ausschluss eines Genossenschaftsmitgliedes (OLG Brandenburg, Urteil vom 28.12.2017, Az.: 6 U 40/16, u.a. in: GesR 2018, Seiten 430 f.; OLG Köln, Beschluss vom 04.02.2009, Az.: 2 Wx 56/08, u.a. in: FGPrax 2009, Seiten 82 ff.).

In formeller Hinsicht hat der Kläger keine Mängel geltend gemacht; eine Überprüfung insoweit ergibt auch keinen Fehler.

Der Kläger hatte vor der Entscheidung des Vorstandes mittels Beschluss vom 24.06.2019 bereits mit Schreiben vom 19.06.2019 – Anlage K 5 (Blatt 42 bis 44 der Akte) – gemäß § 9 Abs. 3 der Satzung das rechtliche Gehör erhalten. Insofern ist ihm die beabsichtigte Maßnahme - der Ausschluss - und deren tragende Gründe somit schon vor der Beschlussfassung vom 24.06.2019 durch den Vorstand eröffnet worden, so dass insoweit die rechtsstaatlichen Grundsätze durch den Vorstand der Beklagten bei seiner Beschlussfassung am 24.06.2019 in dieser Hinsicht eingehalten wurden. Die Gewährung rechtlichen Gehörs ist nämlich ein Gebot der natürlichen Gerechtigkeit, das zu den grundlegenden Wertvorstellungen in unserer demokratischen Gesellschaft gehört und auch die interne Gerichtsbarkeit der beklagten Genossenschaft bindet (BGH, Urteil vom 26.02.1959, Az.: II ZR 137/57, u.a. in: NJW 1959, Seite 982; OLG Brandenburg, Urteil vom 28.12.2017, Az.: 6 U 40/16, u.a. in: GesR 2018, Seiten 430 f.; OLG München, Urteil vom 25.09.1972, Az.: 21 U 1553/72, u.a. in: MDR 1973, Seite 405; LG Gießen, Urteil vom 22.02.1995, Az.: 1 S 403/94, u.a. in: NJW-RR 1995, Seiten 828 f.).

Die strafprozessualen Grundsätze der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit gelten hier im Übrigen nicht (OLG München, Urteil vom 25.09.1972, Az.: 21 U 1553/72, u.a. in: MDR 1973, Seite 405; LG Gießen, Urteil vom 22.02.1995, Az.: 1 S 403/94, u.a. in: NJW-RR 1995, Seiten 828 f.), so dass es deshalb auch nicht zu beanstanden ist, dass der Vorstand der beklagten Genossenschaft dem Kläger vor der Beschlussfassung vom 24.06.2019 über die Ausschließung keine Gelegenheit zur persönlichen Stellungnahme gewährte. Der Kläger hätte sich nämlich schriftlich vorab, d.h. vor der Beschlussfassung vom 24.06.2019 äußern können. Rechtliches Gehör wurde dem Kläger somit hier vor der Beschlussfassung vom 24.06.2019 gewährt.

Mit dem Vorstand hat das nach § 9 Absatz 2 S. 1 der Satzung zuständige Organ den angefochtenen Ausschließungsbeschluss gefasst, dem Kläger ist vor Beschlussfassung mit der Ankündigung des Ausschlusses und seiner Gründe in dem Schreiben vom 19.06.2019 – Anlage K 5 (Blatt 42 bis 44 der Akte) – das rechtliche Gehör gewährt worden und die Ausschließung ist dem Kläger dann unstreitig mit Schriftsatz vom 24.06.2019 mitgeteilt worden, so dass in formeller Hinsicht hier keine Mängel vorliegen.

In materiell-rechtlicher Hinsicht ist jedoch zu prüfen, ob der hier der Ausschließung zugrunde gelegte Sachverhalt unter Berücksichtigung von Gesetz, Satzung, Treu und Glauben und des zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern bestehenden Treueverhältnisses die Ausschließung tatsächlich rechtfertigt (OLG Brandenburg, Urteil vom 28.12.2017, Az.: 6 U 40/16, u.a. in: GesR 2018, Seiten 430 f.).

Diese Frage ist vorliegend aber nach Überzeugung des erkennenden Gerichts zu verneinen.

Zwar kann eine Genossenschaft ein Mitglied gemäß § 68 GenG ausschließen, jedoch müssen nach § 68 Abs. 1 Satz 1 GenG die Gründe, aus denen ein Mitglied ausgeschlossen werden kann, in der Satzung bestimmt sein. Die Gründe, die typischerweise für ein bedingungsabhängiges Ausscheiden in Betracht gezogen werden, wie etwa der Wegfall der statutarischen Mitgliedschaftsvoraussetzungen, können insofern aber auch als Ausschließungsgründe festgelegt werden (BGH, Urteil vom 15.05.2018, Az.: II ZR 2/16, u.a. in: NJW-RR 2018, Seiten 933 ff.).

Aus diesem Grunde konnte die hiesige Satzung der beklagten Genossenschaft grundsätzlich auch in § 9 Abs. 1 Buchstabe f) regeln, dass wenn „die Voraussetzungen für die Aufnahme in der Genossenschaft“ (gemäß § 3 Abs. 2 der Satzung) „…nicht mehr vorhanden sind“ ein Mitglied aus der Genossenschaft zum Schluss des Geschäftsjahres auch durch den Vorstand (§ 9 Abs. 2 der Satzung in Verbindung mit § 68 GenG) mittels Beschluss ausgeschlossen werden kann.

Die Ausschließung eines Mitglieds aus der beklagten Genossenschaft ist insofern hier unter § 9 Abs. 1 Buchstabe f) der Satzung der beklagten Genossenschaft somit näher bestimmt worden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.1988, Az.: 23 U 222/87, u.a. in: NJW-RR 1988, Seiten 1271 f.), der zufolge ein Mitglied aus der Genossenschaft zum Schluss des Geschäftsjahres ausgeschlossen werden kann, wenn „die Voraussetzungen für die Aufnahme in der Genossenschaft …nicht mehr vorhanden sind“.

Gemäß § 3 Abs. 2 dieser Satzung sind aber „natürliche Personen nur aufnahmefähig, wenn sie in einem Dienst-, Arbeits- oder Auftragsverhältnis mit der Genossenschaft stehen“.

Zwar muss der jeweilige Ausschlussgrund konkret bezeichnet werden (BGH, Urteil vom 10.07.1989, Az.: II ZR 30/89, u.a. in: NJW 1990, Seiten 40 ff.; BGH, Urteil vom 19.10.1987, Az.: II ZR 43/87, u.a. in: NJW 1988, Seiten 552 f.; LG Karlsruhe, Urteil vom 31.07.2009, Az.: 6 O 250/08, u.a. in: BeckRS 2009, Nr. 27246 = „juris“) und ist dies hier unstreitig gegeben, jedoch unterliegt dieser Grund der gerichtlichen Nachprüfung mit dem Inhalt und der Begründung, auf die er im genossenschaftsrechtlichen Verfahren gestützt worden ist.

Das „Nachschieben“ von Ausschließungstatsachen (wie ggf. von der Beklagten mit dem vermeintlichen Wohnsitzwechsel des Klägers aufgrund der zunächst nicht erfolgreich erfolgten Zustellung des Beschlusses vom 24.06.2019 wohl angedeutet), die im Ausschließungsverfahren nicht festgestellt worden sind, würde im Übrigen nach dieser herrschenden Rechtsprechung auf eine nachgeschobene Begründung des Ausschließungsbeschlusses hinauslaufen, die jedoch unzulässig ist (BGH, Urteil vom 10.07.1989, Az.: II ZR 30/89, u.a. in: NJW 1990, Seiten 40 ff.; BGH, Urteil vom 19.10.1987, Az.: II ZR 43/87, u.a. in: NJW 1988, Seiten 552 f.; OLG Schleswig, Urteil vom 18.04.2008, Az.: 14 U 95/07, u.a. in: BeckRS 2008, Nr. 21671 = „juris“; LG Karlsruhe, Urteil vom 31.07.2009, Az.: 6 O 250/08, u.a. in: BeckRS 2009, Nr. 27246 = „juris“; LG Düsseldorf, Urteil vom 28.09.2010, Az.: 9 O 82/10, u.a. in: BeckRS 2010, Nr. 25151 = „juris“; LG Landau/Pfalz, Urteil vom 30.12.2003, Az.: 1 S 178/03, u.a. in: BeckRS 2003, Nr. 17401 = „juris“).

Entscheidend für das erkennende Gericht ist demnach die Frage, ob der in dem Beschluss vom 24.06.2019 angegebene Grund den Ausschluss des Klägers rechtfertigt bzw. ob der Ausschluss des Klägers aus diesem Grund als offenbar unbillig oder willkürlich angesehen werden kann.

Zwar lag hier – sogar unstreitig – gemäß der Satzung der verklagten Genossenschaft ein Ausschließungsgrund hinsichtlich des Klägers gemäß § 9 Abs. 1 Buchstabe f) in Verbindung mit § 3 Absatz 2 vor, jedoch musste der Vorstand der beklagten Genossenschaft bei seiner diesbezüglichen Ermessensentscheidung auch den Gleichbehandlungsgrundsatz (BGH, Urteil vom 06.07.1970, Az.: V ZR 110/67, u.a. in: NJW 1970, Seiten 1917 f.; BGH, Urteil vom 20.04.1967, Az.: II ZR 142/65, u.a. in: NJW 1967, Seiten 1657 ff.; BGH, Urteil vom 11.07.1960, Az.: II ZR 24/58, u.a. in: NJW 1960, Seiten 2142 f.; Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, 4. Aufl. 2012, Genossenschaftsgesetz, § 68 GenG, Rn. 14; Schulte, in: Lang/Weidmüller, 39. Aufl. 2019, Genossenschaftsgesetz, § 68 GenG, Rn. 14; Geibel, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, § 68 GenG, Rn. 2) mit beachten.

Der Satzungsgeber einer Satzung einer Genossenschaft ist in der Formulierung von Ausschlussgründen aber nicht frei, sondern muss seine Bestimmungen vor allem an dem Gebot der Verhältnismäßigkeit, an der genossenschaftlichen Treuepflicht, am Gleichbehandlungsgrundsatz, am Willkürverbot, an die §§ 134 und 138 BGB sowie am Demokratieprinzip ausrichten. Insbesondere ist die Festlegung eines Ausschlussgrundes nur wirksam, wenn er zur ungestörten Verwirklichung des Förderzwecks der eG und zur Sicherung ihrer Funktionsfähigkeit sachlich gerechtfertigt und erforderlich ist (BGH, Beschluss vom 10.11.1992, Az.: KVR 26/91, u.a. in: NJW 1993, Seiten 1710 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 26.05.1999, Az.: 8 U 17/99, u.a. in: NZG 1999, Seiten 1234 f.).

Die Genossenschaft und ihre Organe sind daher zwar berechtigt, unterschiedlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen und zwischen den Mitgliedern nach sachlichen Kriterien in angemessener Weise zu differenzieren (BGH, Urteil vom 14.10.2009, Az.: VIII ZR 159/08, u.a. in: NJW-RR 2010, Seiten 226 f.; BGH, Urteil vom 11.07.1960, Az.: II ZR 24/58, u.a. in: NJW 1960, Seiten 2142 f.).

Das Ermessen des Organs kann in bestimmten Einzelfällen aber gebunden oder sogar auf Null reduziert sein. Das ist z.B. der Fall, wenn bislang alle Mitglieder, die einen bestimmten Ausschlusstatbestand erfüllt haben, auch ausgeschlossen wurden und gegen ein jetzt den Ausschlussgrund ebenfalls erfüllendes Mitglied ohne sachlichen Grund ein Ausschluss nicht ausgesprochen wird. Bei der Ausübung des Ermessens dürfen jedoch auch generalpräventive Gesichtspunkte dergestalt berücksichtigt werden, dass andere Mitglieder durch den Ausschluss von einem gleichartigen Verhalten abgehalten werden sollen (OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 12.12.2000, Az.: 11 U (Kart) 28/00, u.a. in: NZG 2001, Seiten 904 ff.).

Die Interessen der Mitglieder am Fortbestand ihrer Mitgliedschaft müssen jedoch stets eine angemessene Berücksichtigung finden (OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 12.12.2000, Az.: 11 U (Kart) 28/00, u.a. in: NZG 2001, Seiten 904 ff.). Der Ausschlusstatbestand muss im Übrigen mit der notwendigen Bestimmtheit und Transparenz gefasst sein, so dass jedes Mitglied ihn als solches verstehen und ihn vermeiden kann (OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 12.12.2000, Az.: 11 U (Kart) 28/00, u.a. in: NZG 2001, Seiten 904 ff.).

Dem Mitglied muss der Ausschlussgrund zugerechnet werden können, d.h. das Mitglied muss dafür im weitesten Sinne „verantwortlich gemacht“ werden können. Den Ausschluss muss eine Satzung aber nicht zwingend an ein Verschulden knüpfen (BGH, NJW 1963 Seiten 1152 f.).
Ist ein Ausschlussgrund erfüllt, besteht in der Regel aber noch keine Pflicht zum Ausschluss; dieser steht vielmehr im pflichtgemäß auszuübenden Ermessen des zuständigen Organs. Hierbei sind jedoch alle Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des genossenschaftlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Treuegebots zu prüfen. Sachfremde Erwägungen sind unzulässig.

Ein Ausschluss ist insofern auch dann unzulässig, wenn er gegen das auch den Mitgliedern gegenüber zu beachtende Treuegebot und den Gleichheitsgrundsatz verstößt (BGH, Urteil vom 06.07.1970, Az.: V ZR 110/67, u.a. in: NJW 1970, Seiten 1917 f.; BGH, Urteil vom 20.04.1967, Az.: II ZR 142/65, u.a. in: NJW 1967, Seiten 1657 ff.; BGH, Urteil vom 11.07.1960, Az.: II ZR 24/58, u.a. in: NJW 1960, Seiten 2142 f.; Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, 4. Aufl. 2012, Genossenschaftsgesetz, § 68 GenG, Rn. 14; Schulte, in: Lang/Weidmüller, 39. Aufl. 2019, Genossenschaftsgesetz, § 68 GenG, Rn. 14; Geibel, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, § 68 GenG, Rn. 2).

Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot kann somit bereits darin liegen, dass die Genossenschaft das Genossenschaftsmitglied ausgeschlossen hat, während sie bei anderen Genossen, die sich vergleichbar verhielten, von einem Ausschluss abgesehen hat. Auch bei einer Genossenschaft ist es zwar Ermessenssache, ob sie im Einzelfall von einem Ausschlussgrund Gebrauch machen will; aber auch hinsichtlich des Ausschlusses eines Genossenschaftsmitglieds darf das eine Mitglied in gleich liegenden Fällen nicht schlechter behandelt werden als andere Mitglieder, da ansonsten eine rechtsfehlerhafte Ausübung des Ermessens vorliegt, die den Ausschluss zu einer offenbar unbilligen und damit rechtlich unwirksamen Maßnahme macht (BGH, Urteil vom 06.07.1970, Az.: V ZR 110/67, u.a. in: NJW 1970, Seiten 1917 f.; BGH, Urteil vom 20.04.1967, Az.: II ZR 142/65, u.a. in: NJW 1967, Seiten 1657 ff.; BGH, Urteil vom 11.07.1960, Az.: II ZR 24/58, u.a. in: NJW 1960, Seiten 2142 f.).

Der Ausschluss eines Mitglieds ist somit offenbar unbillig und deshalb auch unwirksam, wenn die Genossenschaft andere Mitglieder, die unter denselben Umständen ebenso ausgeschlossen werden müssten, ohne sachlichen Grund, der eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigt, nicht ausschließt (Verstoß gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung; BGH, Urteil vom 20.04.1967, Az.: II ZR 142/65, u.a. in: BGHZ Band 47, Seiten 381 ff. = NJW 1967, Seiten 1657 ff. = MDR 1967, Seite 908).

Eine Satzung darf aber nur aus sich heraus und nur einheitlich ausgelegt werden, da sie in ihren körperschaftlichen Regelungen für einen unbestimmten Personenkreis, insbesondere für die künftigen Mitglieder, bestimmend und für das Verhältnis der Genossenschaft zu Dritten maßgebend ist. Nur objektive Gesichtspunkte - zum Beispiel Zweck- und Sinnzusammenhang einzelner Satzungsbestimmungen - und das objektiv als Ziel Erstrebte, dürfen berücksichtigt werden, nicht aber subjektive Vorstellungen der Beteiligten und für die Allgemeinheit nicht übersehbare Erwägungen und Absichten (BayObLG, Beschluss vom 12.05.1971, Az.: BReg 2 Z 74/70, u.a. in: DB 1971, Seite 1428 = Rpfleger 1971, Seite 311 = WM 1971, Seiten 1405 ff.; LG Braunschweig, Urteil vom 19.05.1995, Az.: 1 O 113/94, u.a. in: MDR 1995, Seiten 754 f.). Die Auslegung einer Satzung hat insofern unter Anwendung der §§ 133, 157 BGB zu geschehen.

Zwar hätte die Beklagte insoweit in ihrer Satzung aufnehmen können, dass z.B. „Gründungsmitglieder“ nicht ausgeschlossen werden und somit noch Mitglied der Genossenschaft bleiben, selbst wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Genossenschaft irgendwann nicht mehr vorhanden sind; jedoch fehlt in der hiesigen Satzung eine derartige Ausführung. Der § 9 der Satzung enthält hier nämlich keinerlei ausdrückliche Ausführungen zu „Gründungsmitgliedern“ (vgl. analog hierzu bei „Kriegsdienstverweigerern“: LG Braunschweig, Urteil vom 19.05.1995, Az.: 1 O 113/94, u.a. in: MDR 1995, Seiten 754 f.).

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind die das Genossenschaftsleben bestimmenden Grundentscheidungen als „Verfassung“ der Genossenschaft in die Satzung aufzunehmen. Das von der Beklagtenseite hier wohl ins Feld geführte Argument, die durch die Satzung zu leistende Integration der Mitglieder werde durch eine weniger in die Einzelheiten gehende Satzung erleichtert und die Eröffnung eines Spielraums für außerhalb der Satzung erfolgte Regelungen der Rechtsstellung der Mitglieder der Genossenschaft erscheine wegen der hiermit gegebenen Möglichkeit einer flexiblen Reaktion gegenüber wechselnden Herausforderungen sinnvoll, berücksichtigt nicht die Zielsetzung des GenG unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze des § 33 Abs. 1 Satz 1 BGB. Indem durch diese Normen die erschwerte Abänderbarkeit von Satzungsbestandteilen vorgeschrieben wird, tragen sie dem Gedanken des Minderheiten-Schutzes Rechnung.

Dieser Schutzzweck würde unterlaufen, wenn schwerwiegende Eingriffe in die Mitgliedschaft nicht der Satzung vorbehalten blieben. Dem kann nicht entgegengehalten werden, eine derartige Betrachtungsweise führe über kurz oder lang dazu, dass alle denkbaren Regelungen von Anfang an in die Satzung aufgenommen werden müssten. Diese Argumentation kann schon deshalb nicht überzeugen, weil es hier nicht um den Schutz desjenigen geht, der sich trotz für ihn nachteiliger Satzungsbestimmungen zu einem Beitritt in die Genossenschaft entschließt, sondern um den Schutz der Minderheit vor einer Majorisierung durch die Mehrheit der Genossenschaftsmitglieder. Es kann auch nicht auf eine satzungsmäßige Verlautbarung der das Genossenschaftsleben bestimmenden Grundentscheidung weitgehend verzichtet werden. Zwar mag von der damit eröffneten Informationsmöglichkeit in der Praxis oftmals kein Gebrauch gemacht werden. Dieser Umstand lässt die Forderung nach einer satzungsmäßigen Verlautbarung der das Genossenschaftsleben bestimmenden Grundentscheidungen aber keineswegs entbehrlich erscheinen, da das Gesetz für die Satzung eine derartige Publikation verlangt und im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles abstellt. Diese für das Genossenschaftsrecht geltenden Grundsätze müssen erst recht bei Ausschlüssen aus der Genossenschaft Anwendung finden.

Hieraus folgt, dass jedenfalls die das Sicherungssystem bestimmenden Grundentscheidungen zum Ausschluss eines Mitglieds aus der Genossenschaft auch in der Satzung selbst verankert werden musste (analog vgl.: BGH, Urteil vom 24.10.1988, Az.: II ZR 311/87, u.a. in: NJW 1989, Seiten 1724 ff.).

Die somit hier aus diesem Grunde gegebene Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes begründet dann aber auch den Anspruch des Klägers als benachteiligter Genosse so gestellt zu werden, wie die bevorzugten Mitglieder durch die Beklagte gestellt worden sind (BGH, Urteil vom 14.10.2009, Az.: VIII ZR 159/08, u.a. in: NJW-RR 2010, Seiten 226 f.; BGH, Urteil vom 11.07.1960, Az.: II ZR 24/58, u.a. in: NJW 1960, Seiten 2142 f.).

Zwar ist der Kläger unstreitig kein „Gründungsmitglied“ der Beklagten, so dass er bei einer entsprechenden Regelung in der Satzung der Beklagten ggf. wohl auch keinen Anspruch darauf gehabt hätte, dass die Beklagte ihm gegenüber auf den - nach § 9 der Satzung berechtigten – Ausschluss aus der Genossenschaft ebenso verzichtet wie gegenüber den anderen, vom Kläger angeführten Genossenschaftsmitgliedern, die ebenfalls nicht mehr in einem Dienst-, Arbeits- oder Auftragsverhältnis zu der Beklagten stehen (BGH, Urteil vom 14.10.2009, Az.: VIII ZR 159/08, u.a. in: NJW-RR 2010, Seiten 226 f.). Insoweit hätte die Beklagte also rechtswirksam in ihrer Satzung bestimmen können, dass die Mitgliedschaft eines Mitglieds dann nicht endet, wenn es ein „Gründungsmitglied“ gewesen ist (vgl. analog: BVerfG, Beschluss vom 29.05.1989, Az.: 1 BvR 1049/88, u.a. in: FamRZ 1989, Seite 1047; BGH, Urteil vom 20.09.1982, Az.: II ZR 195/81, u.a. in: WM 1982, Seite 1222 = ZIP 1982, Seiten 1321 f. = ZfgG 33, Seiten 270 ff.; OLG Celle, Urteil vom 13.06.1988, Az.: 1 U 13/88, u.a. in: NJW-RR 1989, Seiten 313 ff.), jedoch ist eine derartige Regelung zu „Gründungsmitglied“ in der hiesigen Satzung der Beklagten gerade nicht erfolgt.

Aus dem genossenschaftlichen Treueverhältnis ergeben sich zudem hier aber auch noch Schranken für den Ausschluss des Klägers als Genossenschaftsmitglied der Beklagten, insbesondere muss diese Sanktion dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Das ist aber nur dann der Fall, wenn die Ausschließung geeignet und erforderlich ist, um die Störung des Mitgliedschaftsverhältnisses zu beseitigen und nicht außer Verhältnis zu diesem Ziel steht. Soweit der Genossenschaft schonendere Mittel zu Gebote stehen, hat sie zunächst diese anzuwenden, da die Ausschließung die „ultima ratio“ ist (BGH, Beschluss vom 20.09.2010, Az.: II ZR 17/09, u.a. in: DStR 2010, Seite 2319; OLG Brandenburg, Urteil vom 28.12.2017, Az.: 6 U 40/16, u.a. in: GesR 2018, Seiten 430 f.; OLG Schleswig, Urteil vom 16.12.2008, Az.: 5 U 46/08, u.a. in: BeckRS 2009, Nr. 25681 = „juris“).

Dabei hat sich die gerichtliche Prüfung zwar darauf zu beschränken, ob sich die Ermessensausübung innerhalb der von Recht und Gesetz gezogenen Grenzen hält, da es nicht Aufgabe des Gerichts ist, die Zweckmäßigkeit des Ausschlusses zu beurteilen und seine eigene Ermessensausübung an die Stelle derjenigen der Genossenschaft zu setzen (OLG Brandenburg, Urteil vom 28.12.2017, Az.: 6 U 40/16, u.a. in: GesR 2018, Seiten 430 f.; OLG Hamm, Urteil vom 26.05.1999, Az.: 8 U 17/99, u.a. in: NZG 1999, Seiten 1234 f.).

Aber auch nach diesen Grundsätzen und bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände wäre die Entscheidung der Beklagten, den Kläger aus der Genossenschaft auszuschließen, wohl hier zu beanstanden. Denn dem Kläger werden von der Beklagten hier keinerlei Pflichtverletzungen vorgehalten. Die Nachteile, die der Kläger durch den Ausschluss erleidet, wiegen demgegenüber aber erheblich schwerer, da er infolge des Ausschlusses konkrete wirtschaftliche Nachteile – ggf. sogar im fünfstelligen Eurobereich – erleiden kann (BGH, Beschluss vom 20.09.2010, Az.: II ZR 17/09, u.a. in: DStR 2010, Seite 2319; OLG Schleswig, Urteil vom 16.12.2008, Az.: 5 U 46/08, u.a. in: BeckRS 2009, Nr. 25681 = „juris“).

Ein milderes Mittel als der Ausschluss des Klägers kam unter Berücksichtigung dieser Interessenlage aber wohl auch in Betracht. Insbesondere hätte die Beklagte den Kläger z.B. als investierendes Mitglied zulassen und ihnen gleichzeitig in seinen Stimmrechten beschränken können.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits stützt sich auf § 91 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Der Wert des Streitgegenstandes des Verfahrens ist hier zudem noch durch das Gericht festzusetzen gewesen. Der Wert einer Feststellungsklage, mit der sich das Mitglied einer Genossenschaft gegen seinen Ausschluss wendet, bestimmt sich insofern aber nach dem Interesse am Fortbestehen der Mitgliedschaft und entspricht damit in der Regel dem Wert des von der Ausschließung betroffenen Geschäftsanteils des Genossen (BGH, Beschluss vom 11.09.2018, Az.: II ZR 37/18, u.a. in: BeckRS 2018, Nr. 23617 = „juris“; BGH, Beschluss vom 27.04.2009, Az.: II ZB 16/08, u.a. in: NJW 2009, Seiten 3161 f.).

Ob hier ggf. eine höhere Bewertung deshalb geboten wäre, weil sich aus dem Vortrag der Parteien ein höherer wirtschaftlicher Wert (ggf. sogar im fünfstelligen Euro-Bereich) des Geschäftsanteils des Klägers ergibt (BGH, Beschluss vom 27.04.2009, Az.: II ZB 16/08, u.a. in: NJW 2009, Seiten 3161 f.), kann vorliegend wohl dahingestellt bleiben, da das Landgericht Potsdam – als hiesiges Berufungsgericht – den Streitwert des nunmehrigen Verfahrens bereits mit Beschluss vom 12.08.2019 auf lediglich 2.500,00 Euro festgesetzt hatte.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

AG Brandenburg

Erscheinungsdatum:

31.03.2021

Aktenzeichen:

31 C 189/19

Rechtsgebiete:

Genossenschaft
Verein
Aktiengesellschaft (AG)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

GenG § 68 Abs. 2