Vollziehung eines strafrechtlichen Vermögensarrests; Eintragung einer weiteren Sicherungshypothek
letzte Aktualisierung: 9.10.2023
BGH, Beschl. v. 6.7.2023 – V ZB 68/22
StPO §§ 111f, 111h
Vollziehung eines strafrechtlichen Vermögensarrests; Eintragung einer weiteren
Sicherungshypothek
a) Das in
eines Vermögensarrestes im Sinne des § 111f StPO generell keine Anwendung.
b) Infolgedessen wird die Eintragung einer weiteren Sicherungshypothek aufgrund desselben – noch
nicht ausgeschöpften – oder eines anderen Vermögensarrestes nicht ausgeschlossen, wenn das
Grundstück eines Beschuldigten mit einer Sicherungshypothek belastet ist, die in Vollziehung eines
Vermögensarrestes in das Grundbuch eingetragen worden ist.
Gründe:
I.
In einem von der Beteiligten (Freie und Hansestadt Hamburg) durch die
Staatsanwaltschaft gegen die Beschuldigte geführten Ermittlungsverfahren ordnete
das Amtsgericht Hamburg mit Beschluss vom 1. Februar 2022 wegen eines
Anspruchs auf Wertersatz i.H.v. 173.495 den Vermögensarrest in das Vermögen
der Beschuldigten an. Diese ist im Grundbuch als Eigentümerin des in dem
Rubrum näher bezeichneten Grundbesitzes eingetragen. Aufgrund Ersuchens
der Staatsanwaltschaft trug das Amtsgericht - Grundbuchamt - eine Arresthypothek
im Höchstbetrag von 100.000
Ein weiteres Ersuchen, mit der die Staatsanwaltschaft auf der Grundlage
des Arrestbeschlusses vom 1. Februar 2022 die Eintragung einer zusätzlichen
Sicherungshypothek i.H.v. 73.495 hat, ist von dem Grundbuchamt zurückgewiesen
worden. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist vor dem Oberlandesgericht
erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt
die Staatsanwaltschaft das Eintragungsersuchen weiter.
II.
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts, dessen Entscheidung unter anderem
in
entgegen, dass das Grundstück bereits durch die erste Sicherungshypothek
belastet ist. Unter die Vorschrift des
wonach weitere Zwangsvollstreckungen während der hier noch andauernden Arrestvollziehung
unzulässig seien, fielen alle Maßnahmen nach dem achten Buch
der Zivilprozessordnung und damit auch die Sicherungsvollstreckung eines Vermögensarrestes
nach der Strafprozessordnung, auf die § 928 und
sinngemäß anzuwenden seien.
Vorrang der Verletzten vor anderen Gläubigern und die Gleichbehandlung
der Geschädigten. Darüber hinaus solle die Vorschrift verhindern, dass andere
Gläubiger im Falle der Insolvenz des Arrestschuldners Absonderungsrechte
erlangten. Da mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die im Wege der Vollziehung
des Vermögensarrests eingetragene Sicherungshypothek nach § 111i
Abs. 1 Satz 1 StPO erlösche, hätten die zur Absonderung berechtigten Gläubiger
ohne das Vollstreckungsverbot bessere Befriedigungsmöglichkeiten als die Tatgeschädigten,
deren Ansprüche nur durch den Vermögensarrest gesichert seien.
Komme es nicht zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, habe das Vollstre-
ckungsverbot allerdings zur Folge, dass Tatgeschädigte und auch andere Gläubiger
ihre Forderungen nicht sichern könnten. Der eindeutige Wortlaut des § 111h
Abs. 2 StPO lasse aber eine teleologische Auslegung in dem Sinne, dass er nur
für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelte, nicht zu. Das Vollstreckungsverbot
greife zudem auch dann ein, wenn die Staatsanwaltschaft selbst
eine weitere Sicherung begehre. Ansonsten würde die Staatsanwaltschaft gegenüber
anderen Gläubigern bevorzugt, ohne dass sich eine solche Ungleichbehandlung
rechtfertigen ließe.
III.
1. Die aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht (§ 78 Abs. 1
GBO) statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig (§ 78 Abs. 3 GBO
i.V.m. § 71 FamFG). Insbesondere ist die Beteiligte ohne Bevollmächtigung eines
bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts ordnungsgemäß vertreten
und postulationsfähig (§ 10 Abs. 4 Satz 2 FamFG).
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Beschwerdegericht hat die
Beschwerde zu Unrecht zurückgewiesen. Das in
Vollstreckungsverbot findet auf die Vollziehung eines Vermögensarrestes
im Sinne des § 111f StPO generell keine Anwendung. Infolgedessen wird
die Eintragung einer weiteren Sicherungshypothek aufgrund desselben - noch
nicht ausgeschöpften - oder eines anderen Vermögensarrestes nicht ausgeschlossen,
wenn das Grundstück eines Beschuldigten mit einer Sicherungshypothek
belastet ist, die in Vollziehung eines Vermögensarrestes in das Grundbuch
eingetragen worden ist.
a) Gemäß
die im Wege der Arrestvollziehung nach § 111f StPO gesichert worden
sind, während der Dauer der Arrestvollziehung nicht zulässig. Wie das Beschwerdegericht
zutreffend sieht, endet das sich hieraus ergebende Vollziehungsverbot
nicht schon durch die Eintragung der Sicherungshypothek. Vielmehr
111h Abs. 2 Satz 1 StPO bis zur
Aufhebung der Vollziehungsmaßnahme an, die hier noch nicht erfolgt ist (vgl.
Senat, Beschluss vom 28. Mai 2020 - V ZB 56/19,
b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts wird aber die Vollziehung
eines strafrechtlichen Vermögensarrestes von § 111h Abs. 2 Satz 1
StPO nicht erfasst, wobei es keine Rolle spielt, ob es sich um die Vollziehung
desselben Vermögensarrestes oder eines weiteren Vermögensarrestes in demselben
Ermittlungsverfahren oder um die Vollziehung eines Vermögensarrestes
aus einem anderen Ermittlungsverfahren gegen denselben Beschuldigten handelt.
aa) Dies folgt allerdings nicht bereits aus dem Wortlaut des § 111h Abs. 2
Satz 1 StPO. Insoweit ist dem Beschwerdegericht zuzustimmen. Gemäß § 111f
Abs. 2 StPO wird der Vermögensarrest in ein Grundstück durch die Eintragung
einer Sicherungshypothek bewirkt. Nach Satz 2 dieser Vorschrift finden die
gemäß
Zwangsvollstreckung ; dies ergibt sich auch aus den in § 932 Abs. 2 ZPO für
anwendbar erklärten Vorschriften der § 866 Abs. 3 Satz 1, § 867 Abs. 1 und 2
und
benen Buch 8 der Zivilprozessordnung finden (vgl. zum weiten Verständnis des
§ 111h Abs. 2 StPO auch Johann in Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 111h
Rn. 13).
bb) Eine allein an dem Wortlaut orientierte Auslegung widerspräche aber
eindeutig dem Sinn und Zweck des angeordneten Vollstreckungsverbots. § 111h
Abs. 2 Satz 1 StPO ist deshalb teleologisch in dem Sinne zu reduzieren, dass
Vollziehungen eines (weiteren oder desselben) strafrechtlichen Vermögensarrestes
von der Norm generell nicht erfasst werden (so im Ergebnis auch
MüKoStPO/Bittmann, 2. Aufl., § 111h Rn. 32 ff.; ders. in Bittmann/Köhler/Seeger/
Tschakert, Handbuch der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, Rn. 501;
SK-StPO/Rogal/Schumann, 6. Aufl., § 111h Rn. 15; Savini,
179; ders., Handbuch zur Vermögensabschöpfung, 6. Aufl., S. 195 f., allerdings
wohl nur für eine Erweiterung der Vollziehung in demselben Sicherungsverfahren).
Nur darum geht es. Die von dem Beschwerdegericht zitierten und zur Begründung
für die Zulassung der Rechtsbeschwerde herangezogenen Entscheidungen
des Oberlandesgerichts München (
2021, 29813 Rn. 12 f.) betreffen demgegenüber die anders gelagerte und hier
nicht zu entscheidende Frage, ob die Forderungspfändung eines privaten Gläubigers
des Beschuldigten trotz Vollziehung eines Vermögensarrestes durch die
Staatsanwaltschaft noch in dem Umfang möglich ist, in dem die Staatsanwaltschaft
auf die Forderung nicht zugegriffen hat.
die Vollziehung einer Arrestanordnung nach § 324 der Abgabenordnung
unberührt bleibt, soweit der Arrestanspruch aus der Straftat erwachsen ist, betrifft
einen Sonderfall. Ein Umkehrschluss dergestalt, dass die Vollziehung eines Vermögensarrestes
nach dem Willen des Gesetzgebers unzulässig sein soll, ergibt
sich hieraus nicht.
(1) Die Unzulässigkeit von Zwangsvollstreckungen in den durch die Arrestvollziehung
gesicherten Gegenstand soll zum einen verhindern, dass andere
Gläubiger durch eine Vollstreckungshandlung ein Absonderungsrecht an dem
Vermögen des Arrestschuldners erlangen können (vgl. BT-Drucks. 18/9525
S. 78). Denn indem § 111i Abs. 1 Satz 1 StPO im Falle der Insolvenz des Arrestschuldners
bei Vorliegen eines Anspruchsberechtigten das Erlöschen des durch
den Vermögensarrest erlangten Sicherungsrechts vorsieht, hätte das Entstehen
eines (zunächst) nachrangigen Absonderungsrechts zur Folge, dass die hiervon
Begünstigten im Insolvenzfall vorrangig vor den Verletzten der Straftat befriedigt
würden (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Mai 2020 - V ZB 56/19,
Rn. 12). Zum anderen dient das Vollstreckungsverbot sowohl dem grundsätzlichen
Vorrang als auch der Gleichbehandlung der Verletzten (vgl. BT-Drucks.
18/9525 S. 78 f.).
Geltung des Prioritätsgrundsatzes nach dem bisherigen Recht im Verhältnis der
Verletzten einer Straftat untereinander beseitigen (vgl. BT-Drs. 18/9525 S. 1).
Der sichergestellte Gegenstand soll nunmehr frei von nachrangigen Belastungen
verwertet werden, damit der gesamte Erlös für eine Verteilung in einem Entschädigungs-
oder Insolvenzverfahren zur Verfügung steht (vgl. hierzu auch Senat,
Beschluss vom 28. Mai 2020 - V ZB 56/19,
(2) Nimmt man (nur) den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über
das Vermögen des Beschuldigten in den Blick, bedeutete es allerdings für die
Verletzten der Straftat keinen Nachteil, wenn das Vollstreckungsverbot die weitere
Vollziehung desselben oder eines anderen Vermögensarrestes erfasste. Sie
würden nämlich an der Verteilung der strafprozessual sichergestellten Vermögenswerte
ebenso partizipieren wie die übrigen Gläubiger. Gegen eine Bevorzugung
anderer Geschädigter oder anderer Gläubiger wären sie dadurch hinrei-
chend geschützt, dass aufgrund der bereits erfolgten Vollziehung des Vermögensarrestes
im Insolvenzverfahren vorrangige Absonderungsrechte wegen des
Vollstreckungsverbots nach
(3) Anders ist es hingegen, wenn es nicht zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens
kommt, sondern zu einer Verwertung des Vermögensgegenstands im
Wege der Einzelzwangsvollstreckung (vgl. § 459h Abs. 2, § 459g Abs. 2, § 459
StPO). Wäre die Staatsanwaltschaft daran gehindert, denselben, noch nicht ausgeschöpften
oder einen anderen Vermögensarrest wegen der bereits zuvor erfolgten
Vollziehung eines Vermögensarrestes zu vollziehen, ginge dies zu Lasten
einzelner Verletzter, die ebenso wie andere Verletzte durch die Straftaten des
Beschuldigten geschädigt worden sind, im Zeitpunkt der Vollziehung des Vermögensarrestes
aber noch nicht bekannt waren. Die von dem Gesetzgeber beabsichtigte
Gleichbehandlung der Tatgeschädigten wäre deshalb nicht gewährleistet,
würde man das Vollstreckungsverbot auf die Vollziehung von Vermögensarresten
erstrecken. Ohne die Möglichkeit der Ergänzung bestehender Sicherheiten
besteht zudem die Gefahr, dass die Verwertung der einmal eingetragenen
Sicherungshypothek die Ansprüche der Tatgeschädigten nicht deckt. Bei der
Vollstreckung in den seinerseits pfändbaren (vgl. Hintzen in Dassler/Schiffhauer/
Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 16. Aufl., § 109 Rn. 14 ff.) Anspruch
des Arrestschuldners auf Auskehrung des möglichen Übererlöses drohte ein
den der Gesetzgeber
gerade vermeiden wollte.
(4) Ob der Vermögensarrest, den die Staatsanwaltschaft im Anschluss an
eine bereits vorgenommene Vollziehung in den gesicherten Vermögensgegenstand
vollziehen möchte, in demselben Strafverfahren oder in einem anderen
Strafverfahren erlassen wurde, ist insoweit unerheblich; § 111h Abs. 2 Satz 1
StPO ist im einen wie im anderen Fall nicht anzuwenden. Mit dem von dem Gesetzgeber
angestrebten Ziel der Gleichbehandlung wäre eine unterschiedliche
Behandlung der Geschädigten aus verschiedenen Strafverfahren unvereinbar;
zudem kann es vom Zufall abhängen, welche Arresthypothek zuerst eingetragen
wird (vgl. auch MüKoStPO/Bittmann, 2. Aufl., § 111h Rn. 35 f.; aA wohl Savini,
S. 195 f.).
IV.
1. Das Grundbuchamt ist deshalb unter Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse
anzuweisen, die Eintragung der zusätzlichen Sicherungshypothek nicht
aus den in den Beschlüssen genannten Gründen abzulehnen (§ 78 Abs. 3 GBO
i.V.m. § 74 Abs. 5 und Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FamFG).
2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:06.07.2023
Aktenzeichen:V ZB 68/22
Rechtsgebiete:
Grundbuchrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
Rpfleger 2023, 726-727
Normen in Titel:StPO §§ 111f, 111h