Grundstücksschenkung; Minderung um Wert des vorbehaltenen Nießbrauchs
letzte Aktualisierung: 30.01.2020
BFH, Urt. v. 28.5.2019 – II R 4/16
ErbStG §§ 10 Abs. 1, 12; BewG §§ 14, 15, 16
Grundstücksschenkung; Minderung um Wert des vorbehaltenen Nießbrauchs
Wird ein Grundstück unter Vorbehalt des Nießbrauchs geschenkt, mindert der Wert des
Nießbrauchsrechts die Bereicherung des Bedachten. Der Jahreswert des Nießbrauchsrechts ist unter
Abzug der Schuldzinsen für die zum Zeitpunkt der Zuwendung bestehenden Darlehen zu ermitteln,
wenn die Schuldzinsen vom Schenker als Nießbraucher während des Bestehens des
Nießbrauchsrechts aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung getragen werden.
Entscheidungsgründe
II.
Das Urteil des FG war aus verfahrensrechtlichen Gründen hinsichtlich der Klage gegen den
Schenkungsteuerbescheid für den Erwerb vom Vater aufzuheben. Während des Revisionsverfahrens hat sich der
Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert (§ 127 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--). An die Stelle des Schenkungsteuerbescheids vom 01.10.2015, über den das FG
entschieden hat, ist während des Revisionsverfahrens der Änderungsbescheid vom 22.06.2016 getreten und nach
§ 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden. Das angefochtene Urteil ist daher
gegenstandslos und aufzuheben (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14.11.2018 - II R 34/15,
Rz 12, m.w.N.).
Einer Zurückverweisung der Sache an das FG nach
Änderungsbescheids an den zwischen den Beteiligten streitigen Punkten nichts geändert hat (BFH-Urteil in BFHE
263, 273, Rz 13). Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen bilden nach wie vor die Grundlage für die
Entscheidung des BFH; sie fallen durch die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils nicht weg, da das
finanzgerichtliche Urteil nicht an einem Verfahrensmangel leidet (BFH-Urteil in
III.
Die Sache ist spruchreif. Der gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Revisionsverfahrens
gewordene Schenkungsteuerbescheid vom 22.06.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten
(
einen eigenen Streitgegenstand dar. Insoweit ist die Revision unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126
Abs. 2 FGO). Das FA hat in beiden Bescheiden die Jahreswerte des Nießbrauchs zutreffend berechnet.
1. Die Zuwendung der Grundstücke durch die Eltern des Klägers aufgrund des Vertrags vom 04.08.2011 stellt im
Zeitpunkt ihrer Ausführung als dem Zeitpunkt der Steuerentstehung gemäß
schenkungsteuerrechtlich eine reine Schenkung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Übernimmt der mit einem
Grundstück unter Vorbehaltsnießbrauch Beschenkte auch die auf dem Grundstück abgesicherten Verbindlichkeiten,
verpflichtet sich aber der Schenker und Vorbehaltsnießbraucher, diese Verbindlichkeiten für die Dauer des
Nießbrauchs weiter zu tilgen und die Zinsen zu tragen, liegt keine gemischte, sondern eine reine Schenkung vor (vgl.
BFH-Urteil vom 17.10.2001 - II R 60/99,
2. Als steuerpflichtiger Erwerb gilt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht
steuerfrei ist.
a) Bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs ist die aus einem Vorbehaltsnießbrauch erwachsende Belastung
eines zugewendeten Grundstücks abzuziehen. Die Belastung durch den Vorbehaltsnießbrauch mindert die
Bereicherung des Bedachten (vgl. Wälzholz, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge --ZEV-- 2016, 217,
Anmerkung; Billig, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 2016, 314).
Ein Abzug des Vorbehaltsnießbrauchs, der eine sog. Nutzungs- oder Duldungsauflage ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE
197, 260, BStBl II 2002, 165, unter II.3.), ist für Erwerbsvorgänge ab 01.01.2009 nicht mehr ausgeschlossen. § 25
Abs. 1 ErbStG a.F., wonach der Erwerb von Vermögen, dessen Nutzungen dem Schenker zustanden, ohne
Berücksichtigung dieser Belastungen besteuert wurde und die Steuer, die auf den Kapitalwert dieser Belastungen
entfiel, bis zu deren Erlöschen zinslos gestundet wurde, wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz vom
24.12.2008 --ErbStRG-- (BGBl I 2008, 3018) aufgehoben und gilt nur noch für Erwerbsvorgänge, für die die Steuer bis
zum 31.12.2008 entstanden ist (vgl. § 37 Abs. 1 ErbStG).
b) Die Bewertung der bei einer Grundstücksschenkung vorbehaltenen Nießbrauchsrechte richtet sich gemäß § 12
Abs. 1 ErbStG nach den Vorschriften des Ersten Teils des BewG.
Der Kapitalwert lebenslänglicher Nutzungen ist nach
anzusetzen. Bei Nutzungen oder Leistungen, die in ihrem Betrag ungewiss sind oder schwanken, ist als Jahreswert
der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird (§ 15
Abs. 3 BewG). Diese Bewertung erfordert eine Schätzung (vgl. BFH-Urteil vom 05.06.1970 - III R 82/67, BFHE 99,
233, BStBl II 1970, 594, und BFH-Beschluss vom 06.05.2009 - II B 14/09, juris). Anhaltspunkt für den in der Zukunft
voraussichtlich erzielbaren Betrag können dabei die in den letzten Jahren erzielten Einkünfte sein (vgl. Urbach, Kölner
Steuerdialog 2014, 18972). Die Ermittlung des zukünftigen Durchschnittsertrags auf der Grundlage des
Durchschnittsertrags der dem Schenkungszeitpunkt vorangegangenen drei Jahre wird von der höchstrichterlichen
Rechtsprechung gebilligt (vgl. BFH-Urteil vom 11.02.1972 - III R 129/70,
II.4.b). Bei Vorliegen besonderer Umstände, z.B. bei starken Schwankungen, kann für die Zukunftsprognose auch auf
einen längeren Zeitraum abzustellen sein.
c) Bei der Ermittlung des Werts von Nießbrauchsrechten an Grundstücken ist zunächst von den Einnahmen aus
Vermietung und Verpachtung auszugehen. Zur Berechnung des Jahreswerts des Nießbrauchs sind sodann die vom
Nießbraucher zu tragenden Aufwendungen abzuziehen. Das gilt auch für die vom Nießbraucher nach § 1047 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) im Innenverhältnis zum Grundstückseigentümer zu zahlenden Zinsen. Der
Nießbraucher ist gemäß § 1047 BGB dem Eigentümer gegenüber verpflichtet, für die Dauer des Nießbrauchs u.a.
diejenigen privatrechtlichen Lasten zu tragen, welche schon zur Zeit der Bestellung des Nießbrauchs auf der Sache
ruhten, insbesondere die Zinsen der Hypothekenforderungen und Grundschulden. Dem Nießbraucher steht nur der
Reinertrag des seiner Nutzung unterworfenen Wirtschaftsgutes zu (BFH-Urteil vom 23.07.1980 - II R 62/77, BFHE
131, 394, BStBl II 1980, 748, unter 2.; Esskandari in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht,
vom Nießbraucher zu zahlenden Schuldzinsen mindern den Jahreswert des ihm zustehenden Nießbrauchsrechts.
d) Beim Bedachten einer Grundstücksschenkung mindern Schuldzinsen für die zum Zeitpunkt der Zuwendung
bestehenden Darlehen ebenfalls den Jahreswert des auf dem zugewendeten Grundstück lastenden
Nießbrauchsrechts, wenn diese vom Schenker als Nießbraucher während des Bestehens des Nießbrauchsrechts
aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung getragen werden (a.A. Wälzholz,
im Hinblick auf das bei einer Schenkung maßgebliche Bereicherungsprinzip bei der Ermittlung des Jahreswerts nicht
--abweichend von der Ermittlung beim Nießbraucher-- außer Acht zu lassen. Es würde dem Bereicherungsprinzip
widersprechen, den Jahreswert des vorbehaltenen Nießbrauchsrechts beim Bedachten wegen des Nichtabzugs von
Schuldzinsen höher anzusetzen als beim Nießbraucher und damit wegen des höheren Werts des auf dem Grundstück
lastenden Nießbrauchsrechts eine geringere Bereicherung des Bedachten anzunehmen. Der Bedachte ist vielmehr
dadurch bereichert, dass er die Zinszahlungen für die übernommenen Verbindlichkeiten nicht zu leisten hat, weil der
Schenker als Nießbraucher des zugewendeten Grundstücks die Zinszahlungen weiter trägt. Der um die Schuldzinsen
geminderte Wert des Nießbrauchs ist insoweit beim Bedachten derselbe wie beim Schenker.
Der Bedachte kann zwar Darlehensschulden, die er im Zusammenhang mit dem zugewendeten Grundstück
übernommen hat, nicht bereicherungsmindernd abziehen, wenn der Schenker im Innenverhältnis zur Verzinsung und
Tilgung der Verbindlichkeiten verpflichtet bleibt (vgl. BFH-Urteil in
hat aber keinen Einfluss auf den Kapitalwert des Nießbrauchsrechts, das auf dem zugewendeten Grundstück lastet.
e) Die im Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Finanzen vom 10.05.2004 - 34-S 3810-023-20976/04 in
Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder vertretene Auffassung, wonach bei der Ermittlung
des Jahreswerts eines Nutzungsrechts im Rahmen der Besteuerung des Erwerbs des damit belasteten Erwerbers die
Zinsen für Verbindlichkeiten, die auf dem übertragenen Vermögensgegenstand lasten und vom Nutzungsberechtigten
zu zahlen sind, auch dann nicht berücksichtigt werden, wenn der Kapitalwert des Nutzungsrechts nach § 10 ErbStG
abziehbar ist, steht der vorstehenden Auffassung nicht entgegen.
Die in dem Schreiben vertretene Auffassung betrifft die Rechtslage vor Aufhebung des
ErbStRG 2009. Es kann dahinstehen, ob es gerechtfertigt war, für die Berechnung der nach § 25 Abs. 1 Satz 2
ErbStG a.F. zu stundenden Steuer den Jahreswert ohne Einbeziehung von Schuldzinsen zu ermitteln (vgl. dazu
Stempel,
Ermittlung der Bereicherung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht der Fall. In Höhe der vom Nießbraucher zu
zahlenden Zinsen ist der Erwerber wirtschaftlich nicht belastet. Ließe man die Zinsen bei der Ermittlung des
Jahreswerts des Nießbrauchs unberücksichtigt, würden sie durch den Abzug des insoweit höheren Kapitalwerts des
Nießbrauchs gleichwohl den Erwerb mindern.
3. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FA die Kapitalwerte der Nießbrauchsrechte zutreffend berücksichtigt.
Der Übertragungsvertrag sieht ausdrücklich vor, dass der Kläger die Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern zu
tragen hat und seine Eltern als Nießbraucher die Tilgungs- und Zinsleistungen für diese Verbindlichkeiten während der
Dauer des Nießbrauchs im Innenverhältnis zu erfüllen haben. Die Belastung durch den Nießbrauch weggedacht,
könnte der Kläger auch nur die entsprechenden Nettoerträge wie seine Eltern erzielen. Die Ermittlung der
Jahreswerte der Nießbrauchsrechte unter Berücksichtigung des Durchschnittswerts der letzten vier Jahre vor der
Übertragung der Grundstücke ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 und 2 FGO.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BFH
Erscheinungsdatum:28.05.2019
Aktenzeichen:II R 4/16
Rechtsgebiete:
Erbschafts- und Schenkungsteuer
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
ZEV 2020, 55-57
Normen in Titel:ErbStG §§ 10 Abs. 1, 12; BewG §§ 14, 15, 16