BGH 11. Oktober 202
X ZR 42/20
BGB § 530

Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks; keine Begründung erforderlich

letzte Aktualisierung: 9.2.2023
BGH, Urt. v. 11.10.2022 – X ZR 42/20

BGB § 530
Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks; keine Begründung erforderlich

Die Erklärung des Widerrufs einer Schenkung wegen groben Undanks bedarf keiner Begründung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen
Entscheidung im Umfang der Anfechtung und zur Zurückverweisung der
Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie
folgt begründet:

Die Klage sei zulässig. Insbesondere sei die Erblasserin jedenfalls bei Erteilung
der Prozessvollmacht Ende Januar 2011 prozessfähig gewesen. Ob ihre
Prozessfähigkeit während des Verfahrens entfallen sei, habe für die rechtliche
Beurteilung keine Bedeutung. Ein Widerruf der Vollmacht könne nicht festgestellt
werden. Nach dem Versterben der Erblasserin hätten die Klägerinnen den Prozess
gemäß § 239 Satz 1 ZPO wirksam aufgenommen.

Jedoch sei die auf Rückübertragung des Grundstückseigentums gerichtete
Klage nicht begründet. Ein entsprechender Anspruch komme nur in Betracht,
wenn den Übertragungen an den Beklagten eine Schenkung im Sinne des § 516
BGB zugrunde gelegen und die Erblasserin diese wegen groben Undanks gemäß
§ 530 Abs. 1 BGB wirksam widerrufen habe. Zumindest die zuletzt genannte
Voraussetzung liege nicht vor. Die Widerrufserklärung vom 16. Dezember 2012
sei unwirksam, weil die Erblasserin keinen Widerrufsgrund angegeben habe und
es deshalb an der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs notwendigen
Begründung fehle. Die Erklärung vom 5. Juli 2012 enthalte zwar eine Begründung,
lasse aber nicht erkennen, welches Verhalten des Beklagten konkret
beanstandet werde. Überdies sei diese Erklärung nach Ablauf der in § 532 BGB
vorgesehenen Jahresfrist abgegeben worden. Die Erblasserin habe von dem Gebrauch
der Löschungsbewilligungen und den Einlassungen des Beklagten in den
daraus resultierenden gerichtlichen Auseinandersetzungen schon im Jahr 2010
bzw. Anfang des Jahres 2011 Kenntnis gehabt.

Ob den Grundstücksübertragungen tatsächlich Schenkungen zugrunde
gelegen hätten, könne danach offenbleiben. Ebenso könne offenbleiben, ob der
Erblasserin ein Widerrufsgrund zur Seite gestanden habe. Der Vollständigkeit
halber sei allerdings festzustellen, dass ein solcher Widerrufsgrund nicht vorliege.
Die Einreichung der Löschungsbewilligungen stelle schon objektiv keine
schwere Verfehlung des Beklagten dar. Darüber hinaus lasse sich nicht feststellen,
dass das Verhalten des Beklagten subjektiv auf einer tadelswerten Gesinnung
beruht habe, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lasse, die
die Erblasserin habe erwarten können.

II. Das hält der Überprüfung im Revisionsverfahren in einem entscheidenden
Punkt nicht stand.

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Widerrufserklärung vom 16. Dezember
2011 wegen Fehlens einer Begründung als unwirksam angesehen.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war die Frage, ob
der Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks grundsätzlich einer Begründung
bedarf, bislang nicht abschließend geklärt.

Der Senat hat bisher nur entschieden, dass § 531 Abs. 1 BGB eine umfassende
rechtliche Begründung des Widerrufs nicht verlangt und die Erklärung
den zugrundeliegenden Sachverhalt allenfalls so weit darstellen muss, dass der
Beschenkte ihn von anderen Geschehnissen unterscheiden, die Einhaltung der
in § 532 BGB vorgesehenen Jahresfrist beurteilen und im Umkehrschluss erkennen
kann, welche gegebenenfalls anderen Vorfälle der Schenker nicht zum Anlass
für die Erklärung des Widerrufs genommen hat (BGH, Urteil vom 22. Oktober
2019 - X ZR 48/17, NJW-RR 2020, 179 Rn. 25).

Ob es einer diesen Anforderungen genügenden Begründung bedarf, hat
der Senat hingegen - entgegen einer verbreiteten Auffassung (vgl. einerseits zustimmend
Staudinger/Chiusi, BGB, Neubearb. 2021, § 531 Rn. 2; Koch/Holle,
JZ 2020, 422, 423; Heinemann, ZNotP 2020, 212, 213 und andererseits ablehnend
BeckOGK/Harke, BGB, Stand: 1. Oktober 2022, § 531 Rn. 5) - in der zitierten
Entscheidung offengelassen. Diese Frage war für die Entscheidung des damals
zu beurteilenden Falls unerheblich, weil die Widerrufserklärung den genannten
Anforderungen genügte.

2. Die Erklärung des Widerrufs einer Schenkung wegen groben Undanks
bedarf keiner Begründung.

a) Die obergerichtliche Rechtsprechung (OLG Hamm, Urteil vom
2. Juli 2001 - 22 U 1/01, juris Rn. 44; OLG Saarbrücken, Urteil vom 22. Juli 2015
- 2 U 47/14, juris Rn. 19) und der überwiegende Teil der Literatur (BeckOK/Gehrlein,
BGB, Stand: 1. August 2022, § 531 Rn. 1; Dauner-Lieb/Langen/Dendorfer-
Ditges/Wilhelm, BGB, 4. Aufl. 2021, § 531 Rn. 4; Erman/Hähnchen, BGB,
16. Aufl. 2020, § 531 Rn. 1; Jauernig/Mansel, BGB, 18. Aufl. 2021, § 531 Rn. 6;
Münchener Kommentar-BGB/Koch, 8. Aufl. 2019, § 531 Rn. 3; Staudinger/
Chiusi, BGB, Neubearb. 2021, § 531 Rn. 2) hält die Mitteilung des Widerrufsgrundes
für erforderlich - insbesondere deshalb, weil der Beschenkte die Möglichkeit
haben müsse, das Vorliegen eines Widerrufsgrundes (§ 530 BGB) und
die Einhaltung der Widerrufsfrist (§ 532 BGB) zu prüfen.

b) Ein anderer Teil der Literatur lehnt eine Pflicht zur Mitteilung des
Widerrufsgrundes ab und beruft sich dafür auf den Wortlaut des Gesetzes
(BeckOGK/Harke, BGB, Stand: 1. Oktober 2022, § 531 Rn. 5).

c) Die zuletzt genannte Auffassung ist zutreffend.
Der Wortlaut des für die Beurteilung maßgebenden § 531 Abs. 1 BGB
sieht eine Mitteilung des Widerrufsgrundes in der Widerrufserklärung nicht
vor.

d) Eine Pflicht zur Begründung der Widerrufserklärung kann auch
nicht aus dem Sinn und Zweck des § 531 Abs. 1 BGB sowie der §§ 530 und 532
BGB hergeleitet werden.

Angesichts der gravierenden Folgen, die der Widerruf einer Schenkung für
den Beschenkten haben kann, hat der Beschenkte allerdings ein schutzwürdiges
Interesse daran, die Wirksamkeit eines Widerrufs hinreichend zuverlässig überprüfen
zu können. Das Gesetz stellt den Beschenkten insoweit aber nicht schutzlos.
Es gewährt ihm dadurch Schutz, dass die materielle Wirksamkeit des Widerrufs
an enge objektive und subjektive Voraussetzungen geknüpft ist und dass ein
Rückgabeverlangen nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn der Schenker das
Vorliegen dieser Voraussetzungen vor Gericht darlegen und beweisen kann.
Es stünde in Widerspruch zu diesem Regelungskonzept, zusätzlichen
Schutz durch ein formelles Begründungserfordernis zu gewähren, obwohl das
Gesetz ein solches Erfordernis nicht vorsieht.

e) Für dieses Ergebnis spricht auch ein systematischer Vergleich mit
den Voraussetzungen für die fristlose Kündigung eines Dienstvertrags aus wichtigen
Grund (§ 626 BGB).

Eine solche Kündigung setzt nach § 626 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2
BGB ebenfalls das Vorliegen eines besonderen Grundes und die Einhaltung
einer - im Vergleich zu § 532 BGB deutlich kürzeren - Erklärungsfrist vor.
Nach § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB muss der Kündigende dem anderen Teil
auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen. Die Wirksamkeit
der Kündigung hängt aber nicht davon ab, dass der Dienstherr dieser
Pflicht nachkommt. Insoweit ist vielmehr allein ausschlaggebend, ob ein wichtiger
Grund vorliegt und die Erklärungsfrist eingehalten ist (BAG, Urteil vom 17. August
1972 - 2 AZR 415/71, AP BGB § 626 Nr. 65 unter II 1).

Für den Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks, für die das
Gesetz nicht einmal eine Pflicht zur nachträglichen Begründung vorsieht, kann
insoweit nichts Anderes gelten.

III. Die angefochtene Entscheidung erweist sich nicht aus anderen
Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

1. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig
- keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Übertragung an den Beklagten
auf einer Schenkung beruht.
Für die revisionsrechtliche Prüfung ist deshalb zugunsten der Klägerinnen
von einer Schenkung auszugehen.

2. Die vom Berufungsgericht vorsorglich angestellten Erwägungen
zum Widerrufsgrund vermögen die angefochtene Entscheidung nicht zu tragen.

a) Der Widerruf einer Schenkung gemäß § 530 BGB setzt objektiv
eine Verfehlung des Beschenkten von gewisser Schwere voraus. Darüber hinaus
muss die Verfehlung auch in subjektiver Hinsicht Ausdruck einer Gesinnung des
Beschenkten sein, die in erheblichem Maß die Dankbarkeit vermissen lässt, die
der Schenker erwarten kann.

Ob diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung
aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Diese Umstände
sind darauf zu untersuchen, ob und inwieweit erkennbar wird, dass der
Beschenkte dem Schenker nicht die durch Rücksichtnahme geprägte Dankbarkeit
entgegenbringt, die der Schenker erwarten darf. Anhaltspunkte dafür, was
der Schenker an Dankbarkeit erwarten kann, können neben dem Gegenstand
und der Bedeutung der Schenkung auch die näheren Umstände bieten, die zu
der Schenkung geführt und deren Durchführung bestimmt haben. Besondere Bedeutung
kann ferner der persönlichen Beziehung zwischen Schenker und Be-
schenktem zukommen, vor allem dann, wenn diese von einer besonderen Verantwortlichkeit
des Beschenkten gegenüber dem Schenker geprägt ist (BGH,
Urteil vom 22. Oktober 2019 - X ZR 48/17, NJW-RR 2020, 179 Rn. 30 f.; Urteil
vom 25. März 2014 - X ZR 94/12, NJW 2014, 3021 Rn. 17 f.).
Die danach gebotene Gesamtwürdigung des festgestellten Sachverhalts
ist Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß
§ 559 Abs. 2 ZPO gebunden ist. Das Revisionsgericht ist in diesem Zusammenhang
auf die Kontrolle beschränkt, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot
des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und gegebenenfalls den Beweisergebnissen
umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat (BGH, Urteil
vom 13. November 2012 - X ZR 80/11, NJW-RR 2013, 618 Rn. 12; Urteil vom
11. Juli 2000 - X ZR 89/98, BGHZ 145, 35, 38).

b) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Würdigung wird den danach
zu stellenden Anforderungen nicht gerecht.

aa) Das Berufungsgericht hat die Einreichung der Löschungsbewilligungen
nicht als schwere Verfehlung angesehen, weil die Löschung der Nießbrauchsrechte
für die Erblasserin auch mit gewissen Vorteilen verbunden gewesen
sei, die Klägerinnen ebenfalls Verhandlungen über die Verwendung der
Löschungsbewilligungen geführt hätten und die Erblasserin selbst kein Herausgabeverlangen
an den Beklagten gerichtet habe.

Hierbei hat das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, unberücksichtigt
gelassen, dass der Beklagte angesichts der Umstände, unter denen
die Erblasserin die Löschungsbewilligungen übersandt hat, und angesichts der
ohne Ergebnis gebliebenen Verhandlungen im Jahr 2010 auch ohne ausdrückliches
Herausgabeverlangen der Erblasserin nicht ohne weiteres davon ausgehen
durfte, von der Löschungsbewilligung ohne Einigung mit den übrigen Beteiligten
Gebrauch machen zu dürfen.

Wie die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht, war der Beklagte
aufgrund der Schenkungen zwar nicht unmittelbar gegenüber den Klägerinnen
zur Dankbarkeit verpflichtet. Der Umstand, dass die Erblasserin die Löschungsbewilligungen
der gemeinsamen Hausverwaltung übersandt und sich auch in der
Folgezeit nicht mit einer eigenmächtigen Verwendung durch einen Beteiligten
einverstanden erklärt hat, könnte aber zur Folge haben, dass das Verhalten des
Beklagten als grobe Verfehlung gegenüber der Erblasserin zu werten ist, wenn
diese erkennbar erwartet hat, dass der Beklagte von den Erklärungen nur im Einvernehmen
mit den Klägerinnen Gebrauch macht.

Hätte das Berufungsgericht diesen Aspekt in seine Würdigung einbezogen,
so hätte es sich mit der Frage befassen müssen, ob das einseitige Vorgehen
des Beklagten aus diesem Grund die durch Rücksichtnahme geprägte Dankbarkeit
vermissen lässt, die die Erblasserin erwarten durfte. Es kann nicht ausgeschlossen
werden, dass das Berufungsgericht dann eine objektiv schwere Verfehlung
bejaht hätte.

bb) Die vom Berufungsgericht angestellte Erwägung, die Erblasserin
habe mit einer Verwendung der Löschungsbewilligungen auch gegen ihren Willen
rechnen müssen, findet keine Grundlage in den getroffenen Feststellungen.
Die Erwägung mag zutreffen, wenn für die Erblasserin schon bei der Erteilung
der Bewilligungen erkennbare Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten,
dass der Beklagte von der faktisch bestehenden Verwendungsmöglichkeit ohne
oder gegen ihren Willen Gebrauch machen würde. Diesbezügliche Anhaltspunkte
ergeben sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht.
Mangels solcher Anhaltspunkte ist nicht auszuschließen, dass die Erblasserin
aufgrund getroffener Absprachen oder aufgrund der Umstände, unter denen
sie die Löschungsbewilligungen erteilt hat, damit rechnen konnte und durfte,
dass der Beklagte die Unterlagen nicht eigenmächtig verwenden wird, um die
Nießbrauchsrechte löschen zu lassen.

c) Vor diesem Hintergrund erweisen sich die Erwägungen des Berufungsgerichts
zu den subjektiven Voraussetzungen von § 530 Abs. 1 ZPO ebenfalls
als nicht tragfähig.
Das Berufungsgericht hat eine tadelnswerte Gesinnung verneint, weil dem
Beklagten nicht abgesprochen werden könne, dass er bei Verwendung der
Löschungsbewilligungen nicht lediglich in eigenem Interesse gehandelt habe,
sondern im Hinblick auf den Gesundheitszustand der Erblasserin - zunächst offenbar
auch mit Zustimmung der Klägerinnen - die Absicht hatte, die Vermögensverhältnisse
zu regeln und die Erblasserin von den mit den Nießbrauchsrechten
einhergehenden Belastungen zu befreien.
Auch hierbei hat das Berufungsgericht außer Acht gelassen, dass der Beklagte
nicht ohne weiteres davon ausgehen durfte, die Regelung der Vermögensverhältnisse
selbst in die Hand nehmen zu dürfen.

IV. Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht
erneut zu prüfen haben, ob ein Widerrufsgrund im Sinne von § 530 Abs. 1
BGB vorliegt. Sollte es dies bejahen, wird es die bislang offen gelassene Frage
zu klären haben, ob die Übertragung an den Beklagten auf einer Schenkung beruht.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

11.10.202

Aktenzeichen:

X ZR 42/20

Rechtsgebiete:

Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Grundstücksübergabe, Überlassungsvertrag

Normen in Titel:

BGB § 530