Familiengerichtlich genehmigungsfreier Grundstückserwerb durch Testamentsvollstrecker zugunsten des minderjährigen Alleinerben
DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 16.6.2015
OLG Karlsruhe, 1.6.2015 - 11 Wx 29/15
BGB §§ 1626, 1629, 1643, 1821 Abs. 1 Nr. 1, 4 u. 5, 2206
Familiengerichtlich genehmigungsfreier Grundstückserwerb durch
Testamentsvollstrecker zugunsten des minderjährigen Alleinerben
Der Erwerb eines Grundstücks durch einen Testamentsvollstrecker, der den Nachlass für einen
minderjährigen Alleinerben verwaltet, bedarf nicht der familiengerichtlichen Genehmigung.
Gründe
I.
1 Der Beteiligte zu 2 - der Käufer - wendet sich gegen eine Zwischenverfügung, mit der das Grundbuchamt den
Vollzug eines Grundstückskaufvertrages von der Vorlage einer familiengerichtlichen Genehmigung abhängig
macht.
2 Die Beteiligten schlossen am 14. August 2014 vor dem Notar M. in H. einen Kaufvertrag, in dem der Beteiligte
zu 2 von der Beteiligten zu 1 eine in O. gelegene Eigentumswohnung erwarb. Beim Abschluss des
Kaufvertrages wurde der minderjährige Beteiligte zu 2 von dem Testamentsvollstrecker über den Nachlass des
am 18. Mai 2012 verstorbenen G. W. vertreten; die Mutter des Beteiligten zu 2 stimmte den in der Urkunde
abgegeben Erklärungen zu.
3 Dem auch die Auflassung enthaltenen Vertrag beigefügt war ein Testamentsvollstreckerzeugnis, das ausweist,
dass auf Ableben von G. W., dessen Alleinerbe der Beteiligte zu 2 ist, Dauertestamentsvollstreckung
angeordnet und der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer W. B. zum Testamentsvollstrecker ernannt ist.
4 Das Grundbuchamt hat mit einer am 24. Februar 2015 erlassenen Zwischenverfügung die Auffassung
vertreten, dass der Abschluss des Kaufvertrages einer familienrechtlichen Genehmigung nach §§ 1626, 1629,
1643 in Verbindung mit § 1821 Abs.1 Nr. 5 BGB bedürfe. Der minderjährige Erbe müsse zur Eingehung der
Verbindlichkeit zur Zahlung des Kaufpreises nach
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folge, dass verhindert werden müsse, dass Minderjährige mit
Verbindlichkeiten belastet in die Volljährigkeit gingen. Ob es möglich sei, die durch den Kaufvertrag
begründeten Verbindlichkeiten allein aus Mitteln des Nachlasses zu erfüllen, könne das Grundbuchamt nicht
prüfen.
5 Gegen die Zwischenverfügung, mit der der Grundbuchvollzug von der Vorlage einer familiengerichtlichen
Genehmigung bis zum 22. Mai 2015 abhängig gemacht worden ist, richtet sich die vom Urkundsnotar für den
Beteiligten zu 2 eingelegte Beschwerde. Er ist der Auffassung, der Testamentsvollstrecker falle bereits nicht in
den Anwendungsbereich des
beglichen; die erworbene Wohnung unterfalle als Surrogat des Kaufpreises auch künftig der
Testamentsvollstreckung.
6 Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
7 Die nach § 71 Absatz 1 GBO in Verbindung mit § 11 Absatz 1 RPflG zulässige Beschwerde, zu deren
Einlegung für den Käufer der Notar gemäß § 15 Absatz 2 GBO als bevollmächtigt gilt, hat auch in der Sache
Erfolg. Der Vollzug des Kaufvertrages kann von einer familiengerichtlichen Genehmigung des Geschäfts nicht
abhängig gemacht werden. Eine Genehmigungsbedürftigkeit besteht weder unter dem rechtlichen
Gesichtspunkt des Grundstückserwerbs durch einen Minderjährigen noch unter demjenigen einer
Überschreitung der Verpflichtungsermächtigung des Testamentsvollstreckers.
8 1. Der Testamentsvollstrecker hat den Kaufvertrag, der der Auflassung zugunsten des Beteiligten zu 2
zugrunde liegt, nicht im eigenen Namen abgeschlossen, sondern ist als Vertreter des minderjährigen Beteiligten
zu 2 aufgetreten. Das bildet seine Rechtsstellung zwar nicht zutreffend ab, weil der Testamentsvollstrecker
Treuhänder und Inhaber eines privaten Amtes, also weder Vertreter des Erblassers noch des Erben ist (BGHZ
13, 203, juris-Rn. 29). An der Wirksamkeit der von ihm vorgenommenen Rechtshandlungen ändert dies aber
nichts. Das Rubrum des Kaufvertrags ist um den Hinweis ergänzt, dass der Vertreter „als
Testamentsvollstrecker über den Nachlass (…)“ handele. Damit ist hinreichend klargestellt, dass er seine
Befugnis, den Minderjährigen zur Kaufpreiszahlung verpflichten und im Gegenzug für ihn Grundeigentum zu
erwerben, nicht aus einer (allgemeinen) Vertretungsbefugnis für den minderjährigen Käufer, sondern aus
seinem Amt als Testamentsvollstrecker ableitet. Dass ein Geschäft für den Nachlass getätigt werden sollte,
zeigt auch der Umstand, dass in Ziffer II. die Eintragung eines Testamentsvollstreckervermerks an dem
erworbenen Grundbesitz bewilligt und beantragt worden ist.
9 2. Das Grundbuchamt leitet eine Genehmigungsbedürftigkeit des Vertrages, auf dessen Grundlage die
Beteiligte zu 2 die Auflassung erklärt hat, zunächst aus §§ 1626, 1629, 1643, 1821 Absatz 1 Nr. 5 BGB ab.
Genehmigungsbedürftig wäre nach diesen Vorschriften - ihre Anwendbarkeit auf den Testamentsvollstrecker
vorausgesetzt (siehe hierzu nachfolgend 3.) - indes nur die schuldrechtliche Vereinbarung, die dem dinglichen
Rechtsgeschäft zugrunde liegt. Die Wirksamkeit des dinglichen Vollzugsgeschäfts würde von einer möglichen
(schwebenden) Unwirksamkeit des schuldrechtlichen Geschäfts nicht berührt. Das Grundbuchamt hat deshalb
die Gültigkeit des dem dinglichen Rechtsgeschäft zugrunde liegenden Kausalgeschäfts nicht zu prüfen
(BayObLG
vorliegenden - Fall, dass die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des Grundgeschäfts auch die dingliche Einigung
erfasst.
10 3. Auch auf die für den dinglichen Erwerb geltenden § 1821 Absatz 1 Nr. 1 und 4 BGB kann das Verlangen des
Grundbuchamts nicht gestützt werden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Ziffern auch den Fall
erfassen, dass der Minderjährige Grundeigentum nicht verliert, sondern erwirbt, obwohl der Erwerb von
Grundbesitz keine Verfügung im Sinne einer Übertragung, Belastung, Aufhebung, Inhalts- und Rangänderung
eines subjektiven Rechts ist. Diese Ziffern sind jedenfalls deshalb nicht einschlägig, weil sie nur Verfügungen
und Verpflichtungen hierzu betreffen, die ein Vormund - oder im Anwendungsbereich des
Elternteil - im Rahmen seiner gesetzlichen Vertretungsmacht hinsichtlich des Mündelvermögens vornimmt. Sie
gilt daher nicht, wenn der betroffene Vermögensgegenstand einer anderweitigen Verwaltung - wie etwa durch
einen Testamentsvollstrecker - unterliegt (vgl. BayObLG
1821, 1822, Rn. 20; Münchener Kommentar/Wagenitz, BGB, 6. Auflage, § 1821, Rn. 13; BeckOK BGB/Bettin,
Edition 34, § 1812, Rn. 2; Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 4. Auflage, § 15, Rn. 53;
Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 4. Auflage, Kap. 1, Rn. 26). Es liegt insoweit keine
andere Situation vor als diejenige, in der ein vom Erblasser über den Tod hinaus Bevollmächtigter handelt; für
diesen hat bereits das Reichsgericht entschieden (
gerichtlichen Genehmigung nicht bedürfe, die ein Vormund für den Mündel nicht ohne diese hätte abschließen
können. Auch der Bundesgerichtshof hat bereits ausgesprochen (
Testamentsvollstrecker grundsätzlich unbeschränkt verfügungsbefugt sei und keiner
vormundschaftsrichterlichen Genehmigung auch im Hinblick auf einen in seiner Geschäftsfähigkeit
beschränkten Erben bedürfe.
11 4. Der Vollzug des Vertrages ist auch nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des
familiengerichtlichen Genehmigung abhängig.
12 a) Allerdings lässt sich nicht feststellen, dass die Voraussetzungen des § 2206 Absatz 1 Satz 2 BGB vorliegen,
der Testamentsvollstrecker sich also nur zu einer Verfügung über einen Nachlassgegenstand verpflichtet hat,
zu der er berechtigt ist. Seine Angabe, dass der Kaufpreis für die Eigentumswohnung (allein) aus Mitteln des
Nachlasses beglichen werden solle, über den er verfügen darf, lässt sich mit den im Grundbuchverfahren
zulässigen Mitteln nicht belegen. Ebenso wenig lässt sich mit den Nachweismitteln der Grundbuchordnung
feststellen, ob der Erwerb der Eigentumswohnung zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich ist und der
Testamentsvollstrecker die schuldrechtliche Verpflichtung daher nach § 2206 Absatz 1 Satz 1 BGB eingehen
durfte.
13 b) Darauf kommt es aber auch nicht entscheidend an. Beim Grundbuchamt ist darauf angetragen, auf der
Grundlage der Auflassung und Bewilligung der Beteiligten zu 1 als Verkäuferin den Beteiligten zu 2 als
Eigentümer der Wohnung einzutragen. Ob der Nachlass wirksam verpflichtet worden ist, die Gegenleistung für
den Erwerb der Wohnung zu erbringen, unterliegt nicht der Untersuchung durch das Grundbuchamt. Sollte der
Testamentsvollstrecker weder nach § 2206 Absatz 1 Satz 1 oder 2 BGB noch aus einem anderen Grunde
berechtigt gewesen sein, die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung einzugehen, ist der Nachlass nicht wirksam
verpflichtet worden (vgl. etwa Staudinger/Wolfgang Reimann [2012],
späteren Rückabwicklung des Geschäfts nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen führen kann, ist im
Grundbuchverfahren nicht zu untersuchen.
14 c) Auch aus § 2206 Absatz 2 BGB lässt sich eine Genehmigungsbedürftigkeit nicht herleiten. Soweit dort
bestimmt ist, dass der Erbe verpflichtet sei, in die nach Absatz 1 berechtigte Eingehung von Verbindlichkeiten
einzuwilligen, soll damit dem Testamentsvollstrecker zur Verringerung seines Haftungsrisikos die Möglichkeit
eingeräumt werden, sich in Zweifelsfällen – notfalls klageweise – durch ein Einwilligungsverlangen der
Berechtigung seines Handelns zu vergewissern (Staudinger/Wolfgang Reimann [2012]
BeckOK BGB/J. Mayer, Edition 34, § 2206, Rn. 11). Der Vorschrift kann hingegen nicht entnommen werden,
dass es im Außenverhältnis der – bei Minderjährigen möglicherweise genehmigungsbedürftigen - Einwilligung
des Erben bedürfe.
15 d) Keiner Entscheidung bedarf, ob die Mutter des Erben eine familiengerichtliche Genehmigung ihrer Erklärung
deshalb benötigt, weil sie damit möglicherweise für ihren Sohn auf Schadensersatzanspruchansprüche gegen
den Testamentsvollstrecker verzichtet hat. Diese Frage ist vom Grundbuchamt nicht zu prüfen; sie würde sich
erst in einem Zivilprozess stellen, in dem möglicherweise vom Erben geltend gemachten
Schadensersatzansprüchen gegen den Testamentsvollstrecker die Genehmigung der Mutter des Erben
entgegengehalten würde.
16 5. Der vom Grundbuchamt angesprochene Grundsatz des effektiven Minderjährigenschutzes rechtfertigt keine
andere Beurteilung.
17 a) Es trifft allerdings wegen § 1967 Absatz 1 BGB im Ausgangspunkt zu, dass Handlungen des
Testamentsvollstreckers dazu führen können, dass der zunächst minderjährige Erbe bei Erreichen der
Volljährigkeit mit Verbindlichkeiten belastet sein wird, denen weder er noch mit Billigung des Familiengerichts
seine Eltern zugestimmt haben. Das zeigt sich bei dem hier in Rede stehenden Erwerb einer
Eigentumswohnung etwa darin, dass dauerhaft die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten
der Instandhaltung, Instandsetzung und Verwaltung anteilig getragen werden müssen (§ 16 Absatz 2 WEG).
Diese Rechtsfolge steht indes nicht im Zusammenhang mit der Minderjährigkeit des Erben, sondern ist eine
notwendige Folge der gesetzlichen Ausgestaltung des Amts des Testamentsvollstreckers. Dessen Befugnisse
sind vom Gesetz so ausgestaltet, dass er in dem durch § 2206 Absatz 1 BGB gezogenen Rahmen
Verbindlichkeiten für den Nachlass und damit für den Erben eingehen kann, ohne dessen Genehmigung zu
bedürfen; dies gilt sowohl für den minderjährigen als auch für den volljährigen Erben. Für beide Gruppen von
Erben ist der Schutz dadurch gewährleistet, dass sie einerseits nur berechtigt eingegangene Verbindlichkeit
gegen sich gelten lassen müssen und ihnen andererseits – wie der zweite Halbsatz von § 2206 Absatz 2 BGB
bestimmt – die Befugnis verbleibt, die Beschränkung ihrer Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten geltend zu
machen.
18 b) Die Ausführungen von Schöner/Stöber (Grundbuchrecht, 15. Auflage, Rn. 3429), auf die das Grundbuchamt
Bezug nimmt, betreffen nicht die hier vorliegende Konstellation. Dort ist lediglich ausgeführt, dass es einer
familiengerichtlichen Genehmigung dann bedürfe, wenn der Testamentsvollstrecker aufgrund einer
testamentarischen Verfügungsbeschränkung der Mitwirkung des Erben bedürfe. Eine solche testamentarische
Beschränkung ist hier aber nicht ersichtlich.
19 c) Die vom Grundbuchamt angesprochene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (
die die Einführung des
ist es mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Minderjähriger als unvereinbar angesehen worden, dass Eltern
kraft ihrer aus
Handelsgeschäfts in ungeteilter Erbengemeinschaft finanziell unbegrenzt verpflichten konnten. Dem lag die
Erwägung zugrunde, dass der Start des Minderjährigen in die Volljährigkeit unzumutbar belastet werde, wenn
es seinen Eltern in derartigen Fällen gestattet werde, ohne eine Haftungsbegrenzung und ohne einen Schutz
durch vormundschaftsgerichtliche Genehmigung Verbindlichkeiten zu begründen. Im Falle der
Testamentsvollstreckung liegt es indes so, dass Verbindlichkeiten für den Erben von vornherein nur im Rahmen
des
III.
20 1. Gerichtskosten fallen im Beschwerdeverfahren nicht an, weil eine Gebührenerhebung nach der
einschlägigen Ziffer 19116 des Kostenverzeichnisses zum GNotKG nur bei einer Verwerfung oder
Zurückweisung des Rechtsmittels vorgesehen ist. Da ein Beteiligter in Gegnerstellung nicht vorhanden ist,
kommt die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht in Betracht.
21 2. Grundsätzliche oder einer Rechtsfortbildung zugängliche Fragen berührt das Verfahren nicht; eine Zulassung
der Rechtsbeschwerde (§ 78 Absatz 2 Satz 1 GBO) war daher nicht veranlasst.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Karlsruhe
Erscheinungsdatum:01.06.2015
Aktenzeichen:11 Wx 29/15
Rechtsgebiete:
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Testamentsvollstreckung
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)
BGB §§ 1626, 1629, 1643, 1821 Abs. 1 Nr. 1, 4 u. 5, 2206