BGH 24. Januar 2020
V ZR 110/19
WEG §§ 24 Abs. 4 S. 2, 26 Abs. 1

Information der Wohnungseigentümer über Bewerber bei Neubestellung eines Verwalters

letzte Aktualisierung: 05.08.2020
BGH, Urt. v. 24.1.2020 – V ZR 110/19

WEG §§ 24 Abs. 4 S. 2, 26 Abs. 1
Information der Wohnungseigentümer über Bewerber bei Neubestellung eines Verwalters

Bei der Neubestellung eines Verwalters ist es regelmäßig geboten, den Wohnungseigentümern die
Angebote der Bewerber oder jedenfalls deren Namen und die Eckdaten ihrer Angebote innerhalb
der Einladungsfrist des § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG zukommen zu lassen.

Entscheidungsgründe:

I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts entsprechen die Beschlüsse der
Wohnungseigentümer über die Bestellung der Firma T. zur Verwalterin
und die Bevollmächtigung des Verwaltungsbeirats zum Abschluss eines Verwaltervertrages
ordnungsmäßiger Verwaltung. Dem Erfordernis, vor der Neubestellung
eines Verwalters Alternativangebote anderer Interessenten einzuholen,
sei entsprochen worden. Dass diese Angebote den Wohnungseigentümern
nicht schon vor der Eigentümerversammlung übersandt worden seien, schade
nicht. Es genüge, wenn in der Eigentümerversammlung vor der Beschlussfassung
die Eckdaten der Alternativangebote bekannt gegeben und die Angebote
zur Einsichtnahme bereitgehalten würden. Dies sei hier geschehen.

II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Beschluss der Wohnungseigentümer
über die Verwalterbestellung entspricht nicht ordnungsmäßiger
Verwaltung.

1. Allerdings geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass die
angefochtene Verwalterwahl die Neubestellung und nicht die Wiederwahl eines
Verwalters zum Gegenstand hatte. Dem steht nicht entgegen, dass die Firma
T. bereits in der Eigentümerversammlung vom 14. November 2017 durch
Beschluss der Eigentümer zur Verwalterin gewählt worden war. Da dieser Beschluss
aufgrund einer Anfechtung nicht bestandskräftig ist, hatte die erneute
Beschlussfassung über die Verwalterbestellung in der nur drei Monate später
anberaumten außerordentlichen Eigentümerversammlung ersichtlich den
Zweck, eventuellen Fehlern bei der damaligen Neubestellung der Verwalterin
durch eine Wiederholung der Verwalterwahl zu begegnen.

2. Ebenfalls rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht an, dass vor der
Beschlussfassung der Wohnungseigentümer über die Bestellung eines neuen
Verwalters Alternativangebote einzuholen sind (vgl. Senat, Urteil vom
1. April 2011 - V ZR 96/10, NZM 2011, 515 Rn. 12; Urteil vom 22. Juni 2012 -
V ZR 190/11, NJW 2012, 3175 Rn. 10). Dadurch soll gewährleistet werden,
dass die Wohnungseigentümer innerhalb des ihnen zustehenden Beurteilungs-
spielraums (vgl. Senat, Urteil vom 22. Juni 2012 - V ZR 190/11, NJW 2012,
3175 Rn. 8) ihre Entscheidung über die Verwalterbestellung auf einer hinreichend
fundierten Tatsachengrundlage treffen können (vgl. Küttner, AnwZert
MietR 14/2019 Anm. 1). Das ist hier geschehen.

3. Unzutreffend ist dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, für
die ordnungsgemäße Wahl eines neuen Verwalters genüge es, dass die Angebote
der Bewerber um das Verwalteramt erst in der Eigentümerversammlung
vor der Beschlussfassung in ihren Eckpunkten bekannt gegeben und zur Einsichtnahme
bereitgehalten werden. Bei der Neubestellung eines Verwalters ist
es regelmäßig geboten, den Wohnungseigentümern die Angebote der Bewerber
oder jedenfalls deren Namen und die Eckdaten ihrer Angebote grundsätzlich
innerhalb der Einladungsfrist des § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG zukommen zu
lassen.

a) Eine ordnungsgemäße Beschlussfassung kann es - unabhängig von
der ausreichenden Bezeichnung des Gegenstands der Beschlussfassung (§ 23
Abs. 2 WEG) - im Einzelfall erfordern, den Wohnungseigentümern schon in der
Einladung zur Eigentümerversammlung Informationen zur Verfügung zu stellen,
um ihnen eine inhaltliche Befassung mit dem Beschlussgegenstand und eine
ausreichende Vorbereitung auf die Eigentümerversammlung zu ermöglichen.
Das kann etwa bei der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung und den
Wirtschaftsplan oder über eine namhafte Sonderumlage für umfangreiche Sanierungsmaßnahmen
der Fall sein (vgl. Senat, Urteil vom 13. Januar 2012 -
V ZR 129/11, NJW-RR 2012, 343 Rn. 12; Schmidt-Räntsch, ZWE 2012, 445,
451). Wann es erforderlich ist, den Wohnungseigentümern bereits vor der Eigentümerversammlung
Unterlagen oder bestimmte Informationen zur Verfügung
zu stellen, hängt von dem Beschlussgegenstand und den auszuwerten-
den Unterlagen bzw. Informationen ab (vgl. Vandenhouten in Niedenführ/
Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, WEG, 13. Aufl., § 23 Rn. 73).

b) Um den Wohnungseigentümern bei der Neubestellung eines Verwalters,
der für sie wichtige und weitreichende Funktionen wahrnimmt und regelmäßig
für mehrere Jahre bestellt wird, eine Wahl auf einer fundierten Tatsachengrundlage
zu ermöglichen, ist es nicht nur erforderlich, Alternativangebote
einzuholen. Vielmehr müssen diese den Wohnungseigentümern auch bekannt
gemacht werden, damit sie Erkundigungen über die Bewerber - etwa über das
Internet - einziehen und sich ein Bild darüber verschaffen können, ob der jeweilige
Bewerber fachlich geeignet ist, die Wohnungseigentümergemeinschaft zu
verwalten (vgl. Briesemeister, IMR 2013, 341). Zudem ist eine Kenntnis der Angebotskonditionen
notwendig, um einen tragfähigen Vergleich zwischen den
Angeboten der Bewerber anstellen und die Stärken und Schwächen der Leistungsangebote
beurteilen zu können (vgl. Senat, Urteil vom 22. Juni 2012 - V
ZR 190/11, NJW 2012, 3175 Rn. 12; Urteil vom 27. Februar 2015 - V ZR
114/14, NJW 2015, 1378 Rn. 12).

Für eine hinreichende Befassungsmöglichkeit mit den Bewerbern und
deren Angeboten reicht es regelmäßig nicht aus, den Wohnungseigentümern
die Namen der zur Wahl stehenden Bewerber und deren Angebote oder die
Eckdaten der Angebote erstmals in der Eigentümerversammlung vor der Verwalterwahl
bekannt zu geben. Eine Bekanntgabe der Namen der Interessenten
für das Verwalteramt erst in der Eigentümerversammlung macht es den Wohnungseigentümern
unmöglich, über diese vorab Erkundigungen einzuziehen.
Auch ein Angebotsvergleich ist erschwert. Die Vergütung in den verschiedenen
Angeboten lässt sich nicht immer direkt vergleichen, da zwischen Verträgen mit
einer Pauschalvergütung und Verträgen zu unterscheiden ist, in denen die Ver-
gütung des Verwalters in Preisbestandteile oder Teilentgelte aufgeteilt ist (vgl.
Senat, Urteil vom 5. Juli 2019 - V ZR 278/17, NJW 2020, 988 Rn. 33), und ein
Angebotsvergleich daher nur unter Auseinandersetzung mit den jeweiligen Vergütungsgestaltungen
und dem Leistungsumfang der Angebote möglich ist. In
der Eigentümerversammlung steht regelmäßig nicht genügend Zeit zur Verfügung,
um sich sachgerecht mit den jeweiligen Angeboten zu befassen.

c) Daher ist es bei einer Neuwahl des Verwalters regelmäßig erforderlich,
die Angebote der Interessenten den Wohnungseigentümern schon vor der Eigentümerversammlung,
in der über die Bewerber abgestimmt werden soll, innerhalb
der Einladungsfrist des § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG vorzulegen. Dies kann
wovon der Senat bereits ausgegangen ist - durch Zusendung der Angebote
selbst erfolgen (vgl. Senat, Urteil vom 1. April 2011 V
ZR 96/10, NZM 2011, 515 Rn. 12). Es reicht aber auch aus, wenn den Wohnungseigentümern die
Namen der Bewerber sowie die Eckpunkte ihrer Angebote mitgeteilt werden. Zu
den mitzuteilenden Eckpunkten der Leistungsangebote gehören die vorgesehene
Laufzeit des Vertrages und die Vergütung (vgl. Senat, Urteil vom 27. Februar
2015 V ZR 114/14, NJW 2015, 1378 Rn. 9), wobei darzustellen ist, ob eine
Pauschalvergütung oder eine Vergütung mit mehreren Vergütungsbestandteilen
angeboten wird. Werden die Wohnungseigentümer nicht durch Übersendung
der Angebote, sondern durch Bekanntgabe der Eckpunkte der Angebote informiert,
ist den Wohnungseigentümern, die dies wünschen, eine Kenntnisnahme
der vollständigen Angebote zu ermöglichen.

4. Diesen Anforderungen ist hier nicht genügt. Die Revision beanstandet
zu Recht, dass den Wohnungseigentümern weder mit dem Einladungsschreiben
noch in einem späteren Informationsschreiben überhaupt zur Kenntnis gegeben
worden war, dass außer dem Angebot der Firma T. auch andere
Bewerbungen um das Verwalteramt vorlagen. Wie sich aus dem Protokoll der
Eigentümerversammlung ergibt, wurde dies den Wohnungseigentümern erst in
der Eigentümerversammlung unter Mitteilung der Namen der anderen Bewerber
und Hinweis auf die pro Wohnung und Monat verlangte Vergütung bekannt gegeben.
Damit bestand für die Wohnungseigentümer keine Möglichkeit, sich auf
die Verwalterwahl inhaltlich vorzubereiten, um sich eine hinreichende Grundlage
für die Entscheidungsfindung zu verschaffen und von ihrem Auswahlermessen
sachgerecht Gebrauch zu machen.

III.
Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Die Sache ist zur Endentscheidung
reif (§ 563 Abs.3 ZPO). Der Beschluss über die Verwalterbestellung
ist für ungültig zu erklären, weil er nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger
Verwaltung entspricht. Ebenso kann der Beschluss über die Ermächtigung des
Verwaltungsbeirats zum Abschluss eines Verwaltervertrages mit der Firma
T. keinen Bestand haben. Da die Wohnungseigentümer keine Gelegenheit
hatten, sich rechtzeitig über die Alternativangebote zu informieren, kann
nicht angenommen werden, dass sie in jedem Fall den Verwaltungsbeirat zu
einem Vertragsschluss mit der Firma T. ermächtigt hätten.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

24.01.2020

Aktenzeichen:

V ZR 110/19

Rechtsgebiete:

WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

NJW-RR 2020, 960-962

Normen in Titel:

WEG §§ 24 Abs. 4 S. 2, 26 Abs. 1