OVG Bremen 09. Juni 2020
1 D 137/13
BGB §§ 133, 157; GG Art. 9 Abs. 2; VereinsG § 3 Abs. 1; VwGO § 61 Nr. 2

Keine Klagebefugnis der ehemaligen Mitglieder eines aufgelösten Vereins

letzte Aktualisierung: 30.12.2020
OVG Bremen, Urt. v. 9.6.2020 – 1 D 137/13

BGB §§ 133, 157; GG Art. 9 Abs. 2; VereinsG § 3 Abs. 1; VwGO § 61 Nr. 2
Keine Klagebefugnis der ehemaligen Mitglieder eines aufgelösten Vereins

1. Mit seiner endgültigen Selbstauflösung erlischt ein Verein und ist damit in einem Rechtsstreit
grundsätzlich nicht mehr beteiligtenfähig.

2. Die Klage eines Vereins gegen ein Vereinsverbot ist mangels Beteiligtenfähigkeit unzulässig, wenn
der Verein selbst substantiiert vorträgt, dass er sich vor der Verbotsverfügung (und vor
Klageerhebung) aufgelöst habe.

3. Die Parteibezeichnung in einer Klagschrift ist grundsätzlich auslegungsfähig. Gemäß §§ 133, 157
BGB ist insoweit der objektive Empfängerhorizont maßgeblich.

4. Die Klage der ehemaligen Mitglieder eines verbotenen Vereins ist mangels Klagebefugnis
unzulässig, wenn diese substantiiert geltend machen, der Verein habe sich vor der Verbotsverfügung
(und vor Klageerhebung) aufgelöst.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie wurde ausschließlich vom Verein „Hells Angels MC Charter
Bremen“ erhoben (1.) und ist bereits unzulässig (2.).

1. Die Klage ist ausschließlich von dem Verein „Hells Angels MC Charter Bremen“ erhoben
worden und nicht auch von seinen Mitgliedern.

Die Klage ist ausweislich der Klagschrift vom 19.06.2013 ausdrücklich vom „Verein Hells
Angels MC Charter Bremen vertreten durch die Mitglieder: (…)“ erhoben worden. Dies ist
auch im Schriftsatz vom 26.06.2013 und in der Klagebegründung vom 30.08.2013 so wiederholt
worden. Damit hat der Prozessbevollmächtigte bei der nach § 82 Abs. 1 Satz 1
VwGO erforderlichen Bezeichnung der klagenden Partei eindeutig nicht die einzelnen
(ehemaligen) Mitglieder des Vereins, sondern den verbotenen Verein aufgeführt.

Zwar ist auch eine Parteibezeichnung in einer Klagschrift grundsätzlich auslegungsfähig.

Dabei ist gemäß §§ 133, 157 BGB auf das Verständnis aus der Sicht der Empfänger, also
des Gerichts und des Beklagten, abzustellen (BVerwG, Urt. v. 22.10.2013 - 9 A 11.12, juris
Rn. 13 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 22.03.2001 - 8 B 262.00, juris Rn. 2 m.w.N.). Wird in
der Klageschrift ein falscher Kläger bezeichnet, so ist eine fehlerhafte Parteibezeichnung
aber grundsätzlich nur dann unschädlich, wenn der Fehler für das Gericht und den Beklagten
offensichtlich und eine Auslegung aufgrund der übrigen Angaben die Identifizierung
des richtigen Klägers möglich ist (BVerwG, Beschl. v. 22.03.2001 - 8 B 262.00, juris Rn. 2).

Dies wiederum setzt voraus, dass dem Gericht Anhaltspunkte zur Kenntnis gelangen, die
die Fehlerhaftigkeit der Parteibezeichnung belegen. Insoweit können der Klageantrag, die
zur Begründung der Klage angegebenen Tatsachen und Beweismittel sowie der Klageschrift
beigefügte Ur- oder Abschriften der angefochtenen Bescheide (§ 82 Abs. 1 Satz 2
und 3 VwGO) von Bedeutung sein (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 03.12.2003 - 2 A
417/01, juris, Rn. 21 m.w.N.), zumal wenn sie im Text der Klagebegründung ausdrücklich
in Bezug genommen werden. Ergänzend ist die Interessenlage des Klägers zu berücksichtigen,
soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten
als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt. Je nach den Umständen
des jeweiligen Falles kann den Angaben in der Klageschrift oder den beigefügten
Unterlagen eine größere Aussagekraft zukommen, wobei neben anderen Gesichtspunkten
vor allem die erkennbare Interessenlage des Klägers und der Umstand, ob er anwaltlich
vertreten worden ist oder selbst gehandelt hat, die Deutung beeinflussen können (BVerwG,
Beschl. v. 17.05.2004 - 9 B 29.04, juris Rn. 5 f.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hätte sich dem Senat entgegen der Auffassung des
Klägers hier nicht die Erkenntnis aufdrängen müssen, dass nicht (nur) der in der Klageschrift
ausdrücklich benannte Kläger, sondern (auch) seine Mitglieder Kläger sein sollten.
Der Kläger ist anwaltlich vertreten, so dass der ausdrücklichen Bezeichnung des Klägers
bereits gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlichen Klägers zukommt.

Aber auch aus der umfangreichen Klagebegründung vom 30.08.2013 ergibt sich nicht,
dass anstelle oder zusätzlich zu dem ausdrücklich genannten Kläger seine Mitglieder als
natürliche Personen klagen wollten. In der Klagebegründung ist durchgängig nur von „dem
Kläger“ die Rede. Die Mitglieder werden demgegenüber ausnahmslos nicht als Kläger bezeichnet.
Zudem wird ausführlich begründet, warum der Kläger trotz seiner Selbstauflösung
auch weiterhin beteiligtenfähig und klagebefugt sei und warum weiterhin ein Rechtsschutzinteresse
bestehe. Dass der Kläger offensichtlich davon ausgeht, auch nach seiner
Auflösung weiterhin beteiligtenfähig zu sein, spricht insbesondere deutlich gegen die Annahme,
(auch) seine Mitglieder hätten die Klage erhoben.

Zudem setzt sich die Klagebegründung sehr umfangreich mit der formellen Rechtmäßigkeit
der Verbotsverfügung sowie mit den von der Beklagten angenommenen Verbotsgründen
auseinander. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann eine Überprüfung des
Vorliegens von Verbotsgründen nur vom Verein selbst, nicht aber von seinen Mitgliedern
erreicht werden (st. Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. zuletzt BVerwG, Urt. v.
29.01.2020 - 6 A 1.19 u.a., juris Rn. 15 f. m.w.N.). Zur Anfechtung des Verbots einer Vereinigung
ist regelmäßig nur die verbotene Vereinigung befugt, nicht hingegen ein Mitglied.

Die Verbotsverfügung betrifft nicht die individuelle Rechtsstellung natürlicher Personen,
sondern die Rechtstellung der verbotenen Vereinigung als einer Gesamtheit von Personen.
Sofern das Vereinsverbot Rechte verletzt, können dies nur Rechte der verbotenen organisierten
Personengesamtheit sein. Denn bei einem Vereinsverbot handelt es sich nicht um
ein Betätigungsverbot, sondern um ein Organisationsverbot, durch das der Verein aufgelöst
und als organisatorische Grundlage und Quelle der gemeinsamen Betätigung beseitigt
wird (BVerwG, Urt. v. 29.01.2020 - 6 A 1.19, juris Rn. 15 m.w.N.). Da es dem Kläger nach
seinem Klagvortrag ersichtlich um eine Überprüfung der Verbotsgründe ging, entspräche
es auch nicht etwa dem eindeutigen Rechtsschutzinteresse des Klägers, seine Klage
(auch) in eine Klage seiner Mitglieder umzudeuten.

Dass auf Seite 64 der Klagebegründung ausgeführt wird, die Verbotsverfügung gehe insbesondere
nicht ins Leere, sondern entfalte Rechtswirkungen gegenüber dem Verein und
seinen Mitgliedern, ändert an dem eindeutigen Auslegungsergebnis nichts. Diese Aussage
betrifft bereits nicht die Problematik, wer vorliegend Kläger ist. Wem gegenüber eine Verbotsverfügung
Rechtswirkungen entfaltet, ist eine andere Frage, als die nach dem Kläger.

Die Annahme, das Gericht selbst habe im Rubrum seiner Beschlüsse durchgängig die Mitglieder
als Kläger aufgeführt, ist bereits unzutreffend. So findet sich im Beschluss über die
vorläufige Streitwertfestsetzung vom 19.07.2013 im Rubrum ausdrücklich der Zusatz „für
den Verein Hells Angels MC Charter Bremen“. Dass dieser Zusatz im Rubrum des Aussetzungsbeschlusses
(versehentlich) entfallen ist, ist unerheblich. Das Gericht kann ohnedies
nicht durch eigenmächtige Gestaltung des Rubrums die Person des Klägers bestimmen.
An dem Auslegungsergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass sämtliche Mitglieder
des Klägers für den Prozessbevollmächtigen zu 1. Vollmachten unterzeichnet haben. Dies
ist bei einem nichtrechtsfähigen Verein wie dem Kläger in der Regel erforderlich (vgl. § 54
Satz 1 in Verbindung mit §§ 709, 710, 714 BGB; BVerwG, Beschl. v. 29.01.2013 - 6 B
40.12, juris Rn. 4).

Sofern man den Vortrag der Prozessbevollmächtigten auf den Hinweis des Senats vom
31.07.2019 so versteht, dass jedenfalls nunmehr auch die Mitglieder des Klägers gegen
das Vereinsverbot Klage erheben, wäre diese Klage jedenfalls verfristet. Den Mitgliedern
des Klägers ist die Verbotsverfügung sämtlich bereits am 05.06.2013 zugestellt worden.

2. Die Klage ist bereits unzulässig.

a) Der Kläger ist nicht beteiligtenfähig. Seine Beteiligtenfähigkeit ergibt sich insbesondere
nicht aus § 61 Nr. 2 VwGO („Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann“).

aa) Zwar können sich auch nichtrechtsfähige Vereinigung wie der Kläger grundsätzlich auf
die Vereinsfreiheit berufen und damit nach § 61 Nr. 2 VwGO Zuordnungssubjekt eines
Rechts sein (st. Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. nur: BVerwG, Urt. v.
13.01.2016 - 1 A 2/15, juris Rn. 13).

Auch bleiben verbotene Vereinigungen im Anfechtungsrechtsstreit gegen die jeweiligen
Behördenentscheidungen grundsätzlich beteiligtenfähig (vgl. die ständige Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts zu den Vereinsverboten seit BVerwG, Urt. v. 13.08.1984
- 1 A 26.83, juris; siehe zuletzt: BVerwG, Urt. v. 29.01.2020 - 6 A 5/19, juris Rn. 16). Denn
ebenso wie ein Verein sich während des Zeitraums seines Bestehens gegen Eingriffe in
ihm zustehende Rechts wehren kann, muss ihm – erst recht – eine Möglichkeit offenstehen,
gegen eine seine Rechte verletzende Auflösung gerichtlichen Rechtsschutz zu suchen
(vgl. für eine Körperschaft: OVG Münster, Beschl. v. 12.06.2003 - 8 B 640/03, juris
Rn. 6 f. m.w.N.). Dies ist erforderlich, um eine sonst bestehende Rechtsschutzlücke zu
schließen: die einzelnen Mitglieder einer Vereinigung sind nach der ständigen Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts zur Anfechtung des Verbots der Vereinigung regelmäßig
nicht befugt, da die Verbotsverfügung nicht die individuelle Rechtsstellung natürlicher
Personen betreffe, sondern die Rechtsstellung der verbotenen Vereinigung als einer
Gesamtheit von Personen (vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 19.07.2010 - 6 B 20.10, juris
Rn. 13 ff. m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 02.03.2001 - 6 VR 1.01, 6 A 1.01, juris Rn. 5;
BVerwG, Urt. v. 13.08.1984 -1 A 26.83, juris Rn. 6 f.).

bb) Der Kläger trägt jedoch vorliegend vor, er habe sich bereits am 13.04.2013 und damit
vor Erlass der Verbotsverfügung und auch vor Klageerhebung am 21.06.2013 endgültig
selbst aufgelöst. Mit seiner endgültigen Selbstauflösung ist der Kläger erloschen, d.h.
rechtlich nicht mehr existent (Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl. 2020, § 41 Rn. 5; für
nichtrechtsfähige Vereine gelten insoweit die gleichen Regelungen wie für rechtsfähige
Vereine, Palandt/Ellenberger, BGB 79. Aufl. 2020, § 54 Rn. 14). Mit dem Erlöschen eines
Vereins – das dem Tod einer natürlichen Person gleichsteht – entfällt grundsätzlich auch
seine Beteiligtenfähigkeit an einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren (BVerwG, Urt. v.
13.12.2018 - 1 A 14.16, juris Rn. 20; vgl. auch: BVerwG, Urt. v. 24.10.2007 - 8 C 10.06,
juris zu einer „altrechtlichen Separationsgemeinschaft“; Posser/Wolff, BeckOK, VwGO,
Stand: 01.04.2020, § 61 Rn. 8; VG Halle, Urt. v. 15.12.2011 - 1 A 7/11, juris Rn. 20 mit
Hinweis auf BGH, Urt. v. 05.04.1979 - II ZR 73/78, juris). Da der Kläger selbst geltend
macht, sich bereits vor Erlass der Verbotsverfügung ernsthaft und endgültig aufgelöst zu
haben, gebietet es – entgegen seiner Auffassung – auch Art. 19 Abs. 4 GG nicht, ihn für
die Klage gegen das Vereinsverbot als fiktiv fortbestehend anzusehen. Seine Auflösung
wurde nach eigenem Vortrag gerade nicht durch das Vereinsverbot herbeigeführt. Dieses
kann ihn daher nicht mehr in seinen Rechten verletzen.

Grundsätzlich war der Kläger auch zur Selbstauflösung berechtigt. Das Bundesverwaltungsgericht
hat nunmehr entschieden, dass ein Verein sein Verbot grundsätzlich durch
endgültige Selbstauflösung entbehrlich machen darf (BVerwG, Urt. v. 13.12.2018 - 1 A
14.16, juris Rn. 19): Aus der besonderen Bedeutung, die der Gesetzgeber dem in § 8 Abs.
1 VereinsG geregelten Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen beimisst, folge zwar,
dass ein materiell zu verbietender Verein nach einer Verbotsverfügung den Verbotsfolgen
nicht dadurch solle begegnen können, dass er sich während der Vollziehbarkeit eines Ver11
bots selbst auflöse. Aus § 8 VereinsG folge indes kein Selbsterhaltungsgebot eines materiell
verbotsfähigen Vereins, um als Gegenstand eines behördlichen Vereinsverbots bestehen
zu bleiben. Zur Vermeidung von Missbrauch seien an eine endgültige Selbstauflösung
und deren Nachweis dann aber hohe Anforderungen zu stellen. Erforderlich sei nicht nur
die (endgültige und dauerhafte) Einstellung aller Aktivitäten, die materiell ein Verbot rechtfertigen;
die Selbstauflösung müsse sich auch auf alle dem Verein zuzurechnenden Vermögenswerte
erstrecken, für die - vereinsrechtlich - die materielle Darlegungslast den (vormaligen)
Verein treffe, und im Zeitpunkt einer Verbotsverfügung vollständig abgeschlossen
sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.12.2018 - 1 A 14.16, juris Rn. 19).

Jedenfalls im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung ist allerdings die Behauptung des Klägers,
er habe sich bereits vor Erlass der Verbotsverfügung und vor Klagerhebung selbst aufgelöst,
nicht in allen Einzelheiten zu überprüfen. Die Beteiligtenfähigkeit ist zwar grundsätzlich
von Amts wegen zu prüfen, Zweifel sind von Amts wegen aufzuklären (Bier/Steinbeiß-Winkelmann,
in: Schoch/Schneider/Bier, Stand: Juli 2019, VwGO, § 61 Rn. 9). Das Gericht ist
aber bei der Prüfung der Beteiligtenfähigkeit des Klägers nicht gehalten, dessen eigenen
Vortrag, er habe sich endgültig selbst aufgelöst, detailliert kritisch zu hinterfragen und vielleicht
sogar durch Beweisaufnahme zu prüfen, ob tatsächlich alle Aktivitäten endgültig und
dauerhaft eingestellt worden sind und ob sich die Selbstauflösung auch auf alle dem Verein
eventuell zuzurechnenden Vermögenswerte erstreckt. Der Vortrag des Klägers hinsichtlich
seiner Selbstauflösung ist jedenfalls in sich schlüssig und grundsätzlich plausibel. Vereinsvermögen
ist auch nach Auskunft der Beklagten nicht beschlagnahmt oder gar eingezogen
worden. Hinzu kommt, dass – anders als für die Frage der Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots
– für das Vorliegen der Beteiligtenfähigkeit nicht etwa auf den Zeitpunkt des Erlasses
der Verfügung abzustellen ist, sondern auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
(vgl. Bier/Steinbeiß-Winkelmann, in: Schoch/Schneider/Bier VwGO, Stand: Juli
2019, § 61 Rn. 9). Der Verein will sich bereits vor über sieben Jahren aufgelöst haben. Es
ist jedenfalls nicht ersichtlich und wird auch von keinem Beteiligten vorgetragen, dass der
Verein in den vergangenen sieben Jahren seine Tätigkeit fortgeführt hätte. Auch dass sich
der Verein zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch in Liquidation befunden hat,
wird weder vorgetragen noch gibt es dafür irgendwelche Anhaltspunkte.

b) Lediglich ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass die Klage mangels Klagebefugnis
nach der neusten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts selbst dann unzulässig
wäre, wenn nicht der Kläger, sondern die ehemaligen Mitglieder des Klägers rechtzeitig
Klage erhoben hätten. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil zum Verbot
des Vereins „linksunten.indymedia“ (Urt. v. 29.01.2020 - 6 A 1.19, juris) ausgeführt,
einzelne Personen seien nach der bisherigen Rechtsprechung gemäß § 42 Abs. 2 VwGO
nur zur Anfechtung eines Vereinsverbots befugt, wenn die Verbotsverfügung zu ihren Händen
ergangen sei und sie in materieller Hinsicht geltend machten, sie bildeten keinen Verein
im Sinne des § 3 Abs. 1 VereinsG. Treffe dieser Einwand zu, sei die Verfügung aufzuheben,
ansonsten sei die Klage abzuweisen, ohne dass das Vorliegen von Verbotsgründen
nach § 3 Abs. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG zu prüfen sei (BVerwG, Urt. v. 29.01.2020
- 6 A 1.19, juris Rn. 16 m.w.N.). Diese Rechtsprechung bedürfe angesichts des in § 42
Abs. 2 VwGO normierten Erfordernisses der Geltendmachung einer Verletzung in eigenen
Rechten der Modifizierung. Die Personen, die in der Verbotsverfügung als Mitglied aufgeführt
würden, müssten sich auf die Verletzung in eigenen Rechten berufen können. Diese
Voraussetzung sei nur dann gegeben, wenn eine Person geltend mache, dem als Verein
verbotenen Personenzusammenschluss anzugehören und durch das Verbot gehindert zu
werden, ihre bisherige Betätigung im Rahmen des vom Verbot aufgelösten Zusammenschlusses
auch in Zukunft fortsetzen zu können (BVerwG, Urt. v. 29.01.2020 - 6 A 1.19,
juris Rn. 17, 22 m.w.N.; anders wohl noch: BVerwG, Urt. v. 13.12.2018 - 1 A 14/16, juris
Rn. 13, 15 m.w.N.). Diese Voraussetzungen erfüllen die Mitglieder des Klägers nicht. Da
sie selbst geltend machen, der Kläger habe sich durch ihren entsprechenden Beschluss
am 13.04.2013 selbst aufgelöst, können sie durch das Vereinsverbot auch nicht mehr in
ihrer von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Betätigungsfreiheit verletzt werden. Die Mitglieder
haben selbst entschieden, dass der Verein aufgelöst werden soll. Eine weitere Betätigung
im Rahmen des Vereins war also unabhängig vom Verbot nicht geplant.

Soweit insbesondere das Mitglied zu 8. geltend macht, durch die Mitgliedschaft in einem
verbotenen Verein im Rechtsverkehr beeinträchtigt zu sein, beispielsweise für einen bestimmten
Zeitraum kein Bordell mehr betreiben zu dürfen (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 3 Prostitutionsschutzgesetz),
erwächst aus diesen Nachteilen jedenfalls kein Klagerecht gegen das
Vereinsverbot (entsprechend auch: BVerwG, Urt. v. 29.01.2020 - 6 A 1.19, juris Rn. 30
m.w.N.).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Tritt als Kläger eine nicht beteiligtenfähige
Vereinigung auf und ist die Klage deshalb unzulässig, sind die Kosten den
einzelnen Mitgliedern nach den für Streitgenossen maßgebenden Grundsätzen aufzuerlegen
(Bier/Steinbeiß-Winkelmann, in: Schoch/Schneider/Bier, Stand: Juli 2019, VwGO, § 61
Rn. 9).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m.
§§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2 und 711 ZPO.

4. Die Revision ist mangels Vorliegens von Zulassungsgründen im Sinne des § 132 Abs. 2
VwGO nicht zuzulassen.

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils beim
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen,
(Tag-/Nachtbriefkasten Justizzentrum Am Wall im Eingangsbereich)
einzulegen. Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Die Beschwerde
ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung
ist bei dem oben genannten Gericht einzureichen. In der Begründung muss die grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil
abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung
der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte durch einen
Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten
Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates
des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die
Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen
des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte
mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten
lassen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OVG Bremen

Erscheinungsdatum:

09.06.2020

Aktenzeichen:

1 D 137/13

Rechtsgebiete:

Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

BGB §§ 133, 157; GG Art. 9 Abs. 2; VereinsG § 3 Abs. 1; VwGO § 61 Nr. 2