Grunddienstbarkeit; Anspruch auf Übernahme einer Baulast aus dem Begleitschuldverhältnis
letzte Aktualisierung: 13.11.2023
BGH, Urt. v. 30.6.2023 – V ZR 165/22
BGB §§ 1018, 1020
Grunddienstbarkeit; Anspruch auf Übernahme einer Baulast aus
Begleitschuldverhältnis
a) Aus dem als gesetzliche Folge der Bestellung einer Grunddienstbarkeit entstandenen
Begleitschuldverhältnis kann sich ergeben, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks auch
eine (deckungsgleiche) Baulast übernehmen muss.
b) Eine solche Verpflichtung setzt unter anderem voraus, dass die Grunddienstbarkeit nach ihrem
Inhalt und Umfang die von einer Bebauung herrührenden Nutzungen umfasst, was bei einem
uneingeschränkten Geh- und Fahrtrecht regelmäßig anzunehmen ist; es ist nicht erforderlich, dass
die Grunddienstbarkeit zu dem Zweck bestellt wurde, die Bebauung des herrschenden Grundstücks
zu ermöglichen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Klägerin gegen den
Beklagten auf Übernahme einer Baulast als Nebenpflicht aus dem durch eine
Grunddienstbarkeit begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis. Zwar ermögliche
die Grunddienstbarkeit eine Wohnbebauung der Grundstücke der Klägerin. Das
sei für einen Anspruch auf Baulastübernahme aber nicht ausreichend. Vielmehr
müsse bei Bestellung der Grunddienstbarkeit eine künftige Bebauung des herrschenden
Grundstücks bezweckt gewesen sein. Andernfalls könne die Nebenpflicht,
Jahre oder Jahrzehnte nach Einräumung der Grunddienstbarkeit eine
Baulast zu übernehmen, für den Eigentümer des dienenden Grundstücks eine
erhebliche und überraschende Belastung darstellen. Erforderlich sei damit eine
zweistufige Prüfung. Erstens müsse die Grunddienstbarkeit eine bauliche Nut-
zung des herrschenden Grundstücks ermöglichen. Zweitens müsse positiv festgestellt
werden, dass die Grunddienstbarkeit für jeden erkennbar zum Zwecke
der baulichen Nutzung bewilligt worden sei. Die zweite Voraussetzung sei nicht
erfüllt. Es lasse sich nicht feststellen, dass mit der Bewilligung der Grunddienstbarkeit
im Jahr 1928 der Zweck verfolgt worden sei, die bauliche Nutzung des
herrschenden Grundstücks zu ermöglichen. Es könne somit offenbleiben, ob die
Klage in Bezug auf die Flurstücke 4452 und 4452/13 auch daran scheitere, dass
die Übernahme einer Baulast keine zwingende Voraussetzung für deren Bebauung
darstelle.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der von dem Berufungsgericht
gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Abgabe
der beantragten Baulasterklärung nicht verneint werden.
1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts.
a) Aus dem als gesetzliche Folge der Bestellung einer Grunddienstbarkeit
entstandenen Begleitschuldverhältnis kann sich ergeben, dass der Eigentümer
des dienenden Grundstücks auch eine (deckungsgleiche) Baulast übernehmen
muss. Voraussetzung hierfür ist, dass eine beiderseitige Interessenabwägung einen
Vorrang des Grunddienstbarkeitsberechtigten ergibt. Dabei hat der Senat
bisher dahingehend formuliert, dass darauf abzustellen ist, ob die Grunddienstbarkeit
zu dem Zweck bestellt wurde, das Grundstück des Berechtigten baulich
zu nutzen, ob die Übernahme der Baulast zwingende Voraussetzung für die Bebauung
des Grundstücks ist, ob eine Befreiung von dem Baulastzwang in Be-
tracht kommt, ob bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit Anlass bestand, bereits
die Übernahme einer Baulast zu erwägen, und schließlich, ob Inhalt und
Umfang der geforderten Baulast der Dienstbarkeit entsprechen (vgl. Senat, Urteil
vom 3. Februar 1989 - V ZR 224/87,
2021 - V ZR 92/20,
b) Ob ein Anspruch auf Übernahme einer Baulast besteht, bestimmt danach
das durch die Grunddienstbarkeit begründete gesetzliche Schuldverhältnis.
Dieses hat dienende Funktion und umfasst die das Nutzungsrecht begleitenden
Pflichten des aus der Dienstbarkeit Berechtigten (vgl. Senat, Urteil vom
28. Juni 1985 - V ZR 111/84,
Pflichten des Eigentümers des belasteten Grundstücks (vgl. Senat, Urteil vom
3. Februar 1989 - V ZR 224/87,
kann Nebenpflichten, auch zu einem positiven Tun, auch über
den genannten, im Gesetz ausdrücklich geregelten Umfang (§§ 1020 bis 1023
BGB) hinaus begründen, weil für den Dienstbarkeitsumfang das jeweilige Bedürfnis
des Berechtigten maßgebend ist. Wächst dieses nachträglich, so wird
dadurch der Umfang der sich aus der Dienstbarkeit ergebenden Rechte und
Pflichten erweitert, sofern sich die Steigerung in den Grenzen einer der Art nach
gleichbleibenden Benutzung des dienenden Grundstücks hält und nicht auf eine
unvorhersehbare willkürliche Änderung in der Benutzung des herrschenden
Grundstücks zurückzuführen ist. Die Abgrenzung der aus der Grunddienstbarkeit
und dem hierdurch begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis hergeleiteten
Rechten und Pflichten beruht im Kern auf einer Abwägung der einander gegenüberstehenden
Interessen und damit auf dem Grundsatz von Treu und Glauben
(zum Ganzen vgl. Senat, Urteil vom 3. Februar 1989 - V ZR 224/87, BGHZ 106,
348, 350 f. mwN).
c) Die das Nutzungsrecht begleitenden Pflichten der beteiligten Grundstückseigentümer
ergeben sich daher aus dem Inhalt und dem Umfang der bestellten
Grunddienstbarkeit. Ein Anspruch auf Einräumung einer Baulast lässt
sich aus dem Begleitschuldverhältnis nur ableiten, wenn die Grunddienstbarkeit
nach ihrem Inhalt und Umfang die Nutzungen erfasst, die durch die Bebauung
des herrschenden Grundstücks hervorgerufen werden; hiervon geht auch das
Berufungsgericht aus.
aa) Inhalt und Umfang einer zeitlich unbegrenzten Dienstbarkeit liegen
nicht in jeder Beziehung von vornherein für alle Zeiten fest, sondern sind gewissen
Veränderungen unterworfen, die sich aus der wirtschaftlichen und technischen
Entwicklung ergeben. Insbesondere kann der Umfang einer Dienstbarkeit
mit dem Bedürfnis des herrschenden Grundstücks wachsen, wenn sich die Bedarfssteigerung
in den Grenzen einer der Art nach gleichbleibenden Benutzung
dieses Grundstücks hält und nicht auf eine zur Zeit der Dienstbarkeitsbestellung
nicht vorhersehbare oder auf eine willkürliche Benutzungsänderung zurückzuführen
ist (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 5. Oktober 1965 - V ZR 73/63, BGHZ 44,
171, 172 f.; Urteil vom 20. Mai 1988 - V ZR 29/87,
Urteil vom 30. September 1994 - V ZR 1/94,
es, wenn der Inhalt der Grunddienstbarkeit festgelegt ist.
bb) Diese Grundsätze gelten auch für den Inhalt eines Wegerechts, wie er
sich aus dem Wortlaut und Sinn der Grundbucheintragung und der nach § 874
BGB in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung für einen unbefangenen Betrachter
als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Umstände außerhalb
dieser Urkunden dürfen insoweit mit herangezogen werden, als sie nach
den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar
sind (vgl. zum Ganzen Senat, Urteil vom 11. April 2003 - V ZR 323/02,
(1) Ist das Wegerecht für eine bestimmte Nutzungsart des herrschenden
Grundstücks vereinbart, erlaubt es eine davon abweichende Nutzung nicht (vgl.
Senat, Urteil vom 20. März 1963 - V ZR 143/61,
MüKoBGB/Mohr, 9. Aufl., § 1018 Rn. 62; Staudinger/Weber, BGB [2017], § 1018
Rn. 155). Eine Beschränkung des Wegerechts beispielsweise auf land- und forstwirtschaftliche
Zwecke steht einer baulichen Veränderung für eine Wohnnutzung
des herrschenden Grundstücks entgegen. Dies dient vorrangig den Interessen
des Grunddienstbarkeitsverpflichteten (vgl. Amann,
Grziwotz,
zu der Ermöglichung einer Wohnbebauung ist dann ausgeschlossen. Für eine
solche Beschränkung des Wegerechts bedarf es eindeutiger Anhaltspunkte (vgl.
Senat, Urteil vom 26. Oktober 1984 - V ZR 67/83,
trägt die Darlegungs- und Beweislast (vgl. Senat, Urteil vom 22. Oktober
2021 - V ZR 92/20,
(2) Anders ist es bei einem auf Dauer eingeräumten Wegerecht, bei dem
aus der Eintragung im Grundbuch und der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung
auf einen von Nutzungsart und -umfang des herrschenden Grundstücks
unabhängigen Umfang der Dienstbarkeit geschlossen werden kann (vgl.
dazu Senat, Urteil vom 26. Oktober 1984 - V ZR 67/83,
vom 30. September 1994 - V ZR 1/94,
Geh- und Fahrtrecht sichert die Zuwegung grundsätzlich für jede zulässige
Nutzung des herrschenden Grundstücks (vgl. auch Grziwotz, NJW 2008,
1851, 1853). Dazu gehört - wie das Berufungsgericht zutreffend sieht - die bauliche
Nutzung des herrschenden Grundstücks (vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom
20. Dezember 2012 - 13 U 97/12, juris Rn. 22; OLG Hamm, Urteil vom 16. Februar
2017 - 5 U 78/16, juris Rn. 86). Bedarfssteigerungen kann der Eigentümer
des dienenden Grundstücks nicht bereits deshalb abwehren, weil sich die Art der
Grundstücksnutzung aufgrund der Bebauung des herrschenden Grundstücks ändert.
Die Grenze liegt in einer willkürlichen Benutzungsänderung. Ist das herrschende
Grundstück bei Bestellung unbebaut, gestattet das Wegerecht nur Nutzungen
infolge einer Bebauung, die vorhersehbar ist. Das ist anzunehmen, wenn
das Grundstück in einem Gebiet liegt, in dem mit einer baulichen Erschließung,
wenn auch langfristig, zu rechnen ist (vgl. Senat Urteil vom 30. September 1994
- V ZR 1/94,
wie es z.B. in Stadtrandlagen der Fall sein kann, nimmt das Wegerecht
an dieser Entwicklung teil.
(3) Um ein uneingeschränktes Wegerecht handelt es sich hier; die dahingehende
Auslegung des Berufungsgerichts hält der - revisionsrechtlich uneingeschränkten
(vgl. Senat, Urteil vom 12. Juli 2019 - V ZR 288/17, NJW-RR 2020,
77 Rn. 6 mwN) - Nachprüfung stand und wird von der Revision als ihr günstig
hingenommen.
2. Anders als das Berufungsgericht meint, kommt es nicht zusätzlich auf
die mit der Bestellung des dinglichen Rechts verfolgten Absichten der Parteien
der Bestellungsurkunde an. Wenn und soweit der Inhalt eines uneingeschränkten
Wegerechts die Bebauung des herrschenden Grundstücks ermöglicht, muss für
den Anspruch auf Einräumung einer Baulast - auch wenn die bisherige Senatsrechtsprechung
so verstanden werden kann - nicht zusätzlich festgestellt werden,
dass die Grunddienstbarkeit zu dem Zweck bestellt wurde, die Bebauung des
herrschenden Grundstücks zu ermöglichen.
a) Allerdings hat der Senat das Kriterium des mit der Bestellung der Grunddienstbarkeit
verfolgten Zwecks der baulichen Nutzung als erste Voraussetzung
für den Anspruch auf Einräumung der Baulast formuliert (vgl. Senat, Urteil vom
3. Februar 1989 - V ZR 224/87,
aufgegriffen (vgl. oben Rn. 6
verständlich und in der Sache nie tragend geworden. Der Senat hat ihn im Rahmen
der Interessenabwägung auch nicht im Sinne einer finalen Bestimmung verstanden.
Er hat nämlich nicht die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten bei
der Bestellung der Dienstbarkeit, sondern - wie stets bei der Auslegung eines
dinglichen Rechts - den Inhalt der Grunddienstbarkeit geprüft, wie er sich aus
dem Grundbuch ergibt. In einer Entscheidung hat der Senat deshalb ausdrücklich
offengelassen, ob es für den Anspruch auf Einräumung der Baulast darauf ankommt,
dass bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit die künftige Bebauung
bezweckt war, oder ob es ausreicht, wenn sie nur - mittelbar - objektiv ermöglicht
wurde (Urteil vom 3. Juli 1992 - V ZR 203/91,
b) Richtigerweise kommt es für die Verpflichtung, eine Baulast zu übernehmen,
nicht darauf an, dass die Bebauung bei der Bestellung der Grunddienst-
Grunddienstbarkeit hält der Senat nicht fest. Eine solche Verpflichtung setzt unter
anderem voraus, dass die Grunddienstbarkeit nach ihrem Inhalt und Umfang die
von einer Bebauung herrührenden Nutzungen umfasst, was bei einem uneingeschränkten
Geh- und Fahrtrecht regelmäßig anzunehmen ist; es ist nicht erforderlich,
dass die Grunddienstbarkeit zu dem Zweck bestellt wurde, die Bebauung
des herrschenden Grundstücks zu ermöglichen.
aa) Grundbucheintragungen sind - wie oben ausgeführt (vgl. Rn. 10) -
nächstliegend und objektiv auszulegen. Das verbietet es, den Zweck, den die
Beteiligten bei der Bewilligung der Grunddienstbarkeit verfolgt haben, einzubeziehen,
sofern dieser aus dem Grundbuch nicht hervorgeht. Zwar können auch
außerhalb der Eintragung und Bewilligung liegende Umstände bei der Ermittlung
von Inhalt und Umfang einer Grunddienstbarkeit mit herangezogen werden, dies
aber nur, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann
ohne weiteres erkennbar sind (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 30. September
1994 - V ZR 1/94,
- V ZR 45/17,
92/20,
Beteiligten zu dem mit der Bestellung der Grunddienstbarkeit verfolgten Zweck
nicht; sie finden als innere Tatsachen keinen Niederschlag in der Eintragung oder
der ihr zugrundeliegenden Bewilligung und sind, vor allem, wenn Jahre oder - wie
hier - Jahrzehnte verstrichen sind und die Eigentümer gewechselt haben, auch
nicht zuverlässig feststellbar. Die jetzigen Eigentümer, auf deren Interessen es
für die Abwägung ankommt, können sich demgegenüber auf die Grundbucheintragung
verlassen, aus der sich eine Beschränkung der Grunddienstbarkeit gerade
nicht ergibt. Für sie macht es keinen Unterschied, ob die Grunddienstbarkeit
bestellt wurde, um das herrschende Grundstück bebauen zu können, oder ob die
Grunddienstbarkeit nach ihrem Inhalt und Umfang die Bebauung des Grundstücks
ermöglicht. In beiden Fällen sind die Nutzungen, die durch die Bebauung
des herrschenden Grundstücks hervorgerufen werden, von der Grunddienstbarkeit
erfasst. Weil die Ausweitung der Nutzungen in dem dinglichen Recht von
vornherein angelegt ist, sind die gesteigerten Nutzungen für den Verpflichteten
vorhersehbar und nicht überraschend. Das ist im Rahmen der Interessenabwägung
zugunsten des Berechtigten zu berücksichtigen. Die Grenze liegt lediglich
in der willkürlichen Nutzungsänderung.
bb) Eine restriktive Sichtweise ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts
nicht wegen des öffentlich-rechtlichen Charakters der Baulast geboten.
(1) Richtig ist zwar, dass die Baulast im Verhältnis zur Grunddienstbarkeit
eine zusätzliche Belastung des Grundstücks bewirkt. Sie begründet ein öffent-
lich-rechtliches Verhältnis zu der Bauaufsichtsbehörde und ist der privaten Dispositionsbefugnis
entzogen (vgl. Senat, Urteil vom 9. Januar 1981 - V ZR 58/79,
353). Dieser Nachteil wirkt sich aber nur in ganz seltenen Ausnahmefällen aus,
etwa wenn eine Grunddienstbarkeit in einem Zwangsversteigerungsverfahren als
nicht in das geringste Gebot fallend gelöscht wird, die Baulast aber fortbesteht
(vgl. Senat, Urteil vom 19. November 2021 - V ZR 262/20,
mwN), oder wenn der Begünstigte auf die Grunddienstbarkeit verzichtet. Diese
von dem Berufungsgericht in den Blick genommenen Möglichkeiten sind jedoch
so fernliegend und atypisch, dass es mit dem Grundsatz von Treu und Glauben
unvereinbar wäre, einen faktischen Rechtsverlust hierauf zu stützen (vgl. Senat,
Urteil vom 3. Februar 1989 - V ZR 224/87,
1989 - V ZR 127/88,
(2) Die Grunddienstbarkeit würde zudem ganz erheblich entwertet, wenn
durch das später hinzugetretene öffentlich-rechtliche Erfordernis einer Baulast
das zivilrechtlich dinglich gesicherte Recht zur Bedarfssteigerung ausgeschlossen
wäre. Das gilt jedenfalls dann, wenn nach der bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit
geltenden Rechtslage - wie hier im Jahr 1927 - derartige Anforderungen
nicht vorgesehen waren. Hier hätte die Grunddienstbarkeit die Bebauung
des herrschenden Grundstücks in den auf ihre Bestellung folgenden Jahrzehnten
zunächst ohne Weiteres ermöglicht. Der Umstand, dass die Sicherung der Zuwegung
durch eine Grunddienstbarkeit heute bauordnungsrechtlich nicht mehr
ausreicht, sondern die Erteilung einer Baugenehmigung von der Übernahme einer
Baulast abhängt (hier nach § 4 Abs. 1 Halbs. 1 LBO BW; vgl. dazu BeckOK
BauordnungsR BW/Balensiefen [1.3.2023], § 4 Rn. 12), gereicht nicht dem
Dienstbarkeitsverpflichteten zum Vorteil, sondern führt in der Interessenabwägung
dazu, dass er durch Übernahme einer Baulast an der Verwirklichung des
dinglichen Rechts mitwirken muss.
(3) Wie es sich verhält, wenn die Grunddienstbarkeit schon zur Zeit ihrer
Bestellung nach allgemeiner Rechtsauffassung bauordnungsrechtlich nicht als
ausreichende Sicherung der Zufahrt hätte angesehen werden können und sich
die Grundstückseigentümer gleichwohl damit zufrieden gegeben hätten, hat der
Senat bislang offen gelassen (vgl. Senat, Urteil vom 3. Februar 1989 - V ZR
224/87,
1991, 250, 252; Urteil vom 22. Oktober 2021 - V ZR 92/20,
Rn. 20). Jedenfalls ist ein Ausschluss des Anspruchs auf Abgabe einer Baulasterklärung
nicht schon dann anzunehmen, wenn die Baulast bauordnungsrechtlich
erforderlich war, sich die Grundstückseigentümer dieses Umstandes jedoch
nicht bewusst waren, oder wenn eine darauf bezogene schuldrechtliche Verpflichtung
bei einer Veräußerung nicht weitergegeben worden ist. Vielmehr wird
ein solcher Ausschluss nur in Betracht kommen, wenn die Beteiligten um die Erforderlichkeit
der Baulast wussten und sehenden Auges auf eine Einräumung
verzichteten (vgl. Senat, Urteil vom 22. Oktober 2021 - V ZR 92/20, aaO Rn. 20
aE). Das bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung.
IV.
Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (
Rechtsstreit ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen, da er nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1
Satz 1, Abs. 3 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes
hin:
1. Nach dem Vorbringen der Revision soll sich ein Anspruch auf Baulastübernahme
aus einer ergänzenden Vertragsauslegung des Erbteilungsvertrags
aus dem Jahr 1937 ergeben, mit dem das Flurstück 4452 zum zweiten Mal
geteilt worden ist. Gegenüber einem Anspruch aus dem durch die Grunddienstbarkeit
begründeten Schuldverhältnis wäre ein vertraglicher Anspruch auf Übernahme
einer Baulast vorrangig (vgl. Senat, Urteil vom 18. März 1994 - V ZR
159/92,
Parteien Vertragspartner bzw. deren Rechtsnachfolger sind. Feststellungen dazu
sind bislang nicht getroffen.
2. Der aus dem Begleitschuldverhältnis folgende Anspruch auf Übernahme
einer Baulast setzt voraus, dass die Baulast zwingende Voraussetzung
für die Bebauung ist; andernfalls ist dem Eigentümer des dienenden Grundstücks
die Einräumung der Baulast nicht zumutbar. Ob dieses Kriterium für die Flurstücke
4452/13 und 4452 der Klägerin erfüllt ist, hat das Berufungsgericht - aus seiner
Sicht folgerichtig - offengelassen. Das bedarf der abschließenden Prüfung.
Eine baurechtliche Relevanz der Baulast ist hinsichtlich des Flurstücks 4452
zweifelhaft, weil es bereits bebaut ist. Zugunsten des Flurstücks 4452/13 könnte
die Baulast deshalb erforderlich sein, weil es sich dabei ausweislich des von dem
Berufungsgericht in Bezug genommenen Lageplan um ein gefangenes Wegegrundstück
handelt, das in Verlängerung des durch die Grunddienstbarkeit gesicherten
Wegs als Zuwegung zu den Flurstücken 4452/12 und 4452 benötigt wird.
Anders wäre es, wenn die Übernahme einer sogenannten Eigenbaulast durch
die Klägerin (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg,
Landesbauordnung für Baden-Württemberg [April 2022], § 4 Rn. 20) ausreichen
sollte.
3. Weil sich der Anspruch auf Einräumung einer (deckungsgleichen) Baulast
aus dem Begleitschuldverhältnis nur ableiten lässt, wenn die Grunddienstbarkeit
nach ihrem Inhalt und Umfang die Nutzungen erfasst, die durch die Bebauung
des herrschenden Grundstücks hervorgerufen werden, scheidet der Anspruch
aus, wenn das Bauvorhaben, für das die Baulast übernommen werden
soll, nicht von der Grunddienstbarkeit gedeckt sein sollte. Dann wäre die Übernahme
der Baulast dem Eigentümer des dienenden Grundstücks nicht zumutbar.
Das ist bei einer willkürlichen Benutzungsänderung der Fall, die nicht der Umgebungsbebauung
entspricht (zu einem solchen Fall vgl. Senat, Urteil vom 30. September
1994 - V ZR 1/94,
4. Soweit der Beklagte geltend macht, die Zufahrt zu den Grundstücken
der Klägerin müsse für Rettungs- und Feuerwehrfahrzeuge eine lichte Breite von
3,50 Metern aufweisen und gehe damit über den Inhalt der Grunddienstbarkeit
hinaus, weil das Wegerecht nur auf einer Breite von 3 Metern ausgeübt werden
dürfe, steht dies nach den getroffenen Feststellungen dem Anspruch auf Übernahme
einer Baulast nicht entgegen. Nach § 4 Abs. 1 Halbs. 1 LBO BW erfordert
die Errichtung eines Gebäudes auf einem Grundstück, das - wie hier - nicht an
einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt, zwar eine befahrbare, öffentlich-
rechtlich gesicherte Zufahrt. Diese muss eine angemessene Breite aufweisen,
was entsprechend dem Schutzzweck der Regelung, insbesondere nach den
Belangen des Brandschutzes im konkreten Einzelfall zu bestimmen ist (vgl.
BeckOK BauordnungsR BW/Balensiefen [15.3.2023], § 4 Rn. 10 mwN). Für die
Belange des Brandschutzes ist nach § 3 Satz 4 der Allgemeinen Ausführungsverordnung
des Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen zur Landesbauordnung
Baden-Württemberg vom 5. Februar 2010 (LBOAVO) eine Breite
von mindestens 3 Metern im Allgemeinen aber als ausreichend anzusehen. Nur
wenn die Zufahrt auf einer Länge von mehr als 12 Metern beidseitig durch
Bauteile begrenzt wird, muss die lichte Breite mindestens 3,5 Meter betragen (§ 3
Satz 5 LBOAVO). Dass dies der Fall ist, ergibt sich aus dem Vortrag, auf den der
Beklagte verweist, nicht.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:30.06.2023
Aktenzeichen:V ZR 165/22
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
NotBZ 2023, 461-463
Normen in Titel:BGB §§ 1018, 1020