BGH 28. November 2023
X ZR 11/21
BGB §§ 2302, 2301 Abs. 1

Wirksamkeit der Auflage zur Weiterschenkung eines Schenkungsgegenstandes

BGB §§ 2302, 2301 Abs. 1
Wirksamkeit der Auflage zur Weiterschenkung eines Schenkungsgegenstandes

1. Eine Auflage, die den Beschenkten verpflichtet, den geschenkten Gegenstand spätestens mit seinem Ableben unentgeltlich auf einen Dritten zu übertragen, fällt nicht ohne weiteres unter den Tatbestand des § 2302 BGB.

2. Eine Auflage, die den Beschenkten verpflichtet, zugunsten eines Dritten ein Schenkungsversprechen abzugeben, das unter der Bedingung steht, dass der Dritte den Beschenkten überlebt, ist nach § 2302 BGB nichtig.

3. Wirksam ist eine Auflage, wenn die Parteien des Schenkungsvertrags bereits einen – wenn auch bedingten – Anspruch des Dritten auf Übereignung des geschenkten Gegenstands begründen.

BGH, Urt. v. 28.11.2023 – X ZR 11/21

Problem
Die zwei Kläger (ersteheliche Kinder des Erblassers) begehren von den zwei Beklagten (zweite Ehefrau und Kind aus zweiter Ehe) aus einem Schenkungsvertrag die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück. Der Erblasser E ist im September 2017 verstorben. Seine erste Ehe wurde im März 1995 geschieden. In der zweiten im September 1995 geschlossenen Ehe war in einem notariellen Ehevertrag vom Juli 1995 Gütertrennung vereinbart worden.

Über das in Streit stehende Grundstück schloss der Vater des Erblassers mit diesem im Dezember 1995 eine mit „Hausübergabe“ überschriebene notarielle Vereinbarung, worin sich der Erblasser für bestimmte Konstellationen zur (Rück-)Übereignung des Grundstücks an seinen Vater bzw. an seine leiblichen Kinder verpflichtete. In einem notariellen Nachtrag vom Mai 2003 vereinbarten die Parteien des Übergabevertrags ergänzend, dass die beiden Kläger das Grundstück spätestens beim Ableben des Erblassers je zur Hälfte erhalten sollten. In einem weiteren notariellen Nachtrag vom Juni 2008 verpflichtete sich der Erblasser, das Grundstück spätestens bei seinem Ableben an die beiden erstehelichen Kinder und das Kind aus der zweiten Ehe als Miteigentümer zu je einem Drittel zu übereignen. Bis zum Tod des Erblassers kam es nicht zu einer Übereignung des Grundstücks. Derzeit sind Eigentümer desselben die vier Parteien als Miterben.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt, der Übertragung des Grundstücks auf die beiden Kläger und den Beklagten zu 2 (das Kind aus zweiter Ehe) als Miteigentümer zu je einem Drittel zuzustimmen und die entsprechende Grundbucheintragung zu bewilligen. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision begehren die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidung
Die zulässige Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Aus Sicht des BGH hält die Beurteilung des Berufungsgerichts einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Für rechtsfehlerhaft hält der BGH die Erwägungen des Berufungsgerichts, mit dem dieses zum Ergebnis gelangt ist, dass bereits im Vertrag vom Dezember 1995 eine wirksame Weiterübertragungsverpflichtung begründet worden sei.

Eine wirksame Weiterübergabeverpflichtung kann aus Sicht des BGH aber insbesondere dem Vertrag von Juni 2008 (voraussichtlich) entnommen werden. Der BGH schließt sich insoweit der wohl h. A. der Literatur (vgl. Jülicher, ZEV 1998, 285, 288; ders., ZEV 2003, 350, 353) an, wonach eine Auflage, die den Beschenkten verpflichtet, den geschenkten Gegenstand spätestens mit seinem Ableben unentgeltlich auf einen Dritten zu übertragen, wirksam vereinbart werden kann. Dem steht aus Sicht des BGH nicht das Verbot des § 2302 BGB entgegen, das nur Verpflichtungen im Hinblick auf Verfügungen von Todes wegen, nicht aber in Bezug auf Rechtsgeschäfte unter Lebenden, erfasse.

Dagegen ist aus Sicht des BGH eine Auflage, die den Beschenkten verpflichtet, zugunsten eines Dritten ein Schenkungsversprechen abzugeben, das unter der Bedingung steht, dass der Dritte den Beschenkten überlebt, nach § 2302 BGB nichtig. Dies ergibt sich aus der Anwendbarkeit des § 2301 Abs. 1 BGB auf diese Konstellation, die zur Anwendung der Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen und damit auch des § 2302 BGB führt. In dieser Konstellation wird dem Beschenkten entgegen § 2302 BGB die Pflicht auferlegt, ein Rechtsgeschäft vorzunehmen, das nach § 2301 Abs. 1 BGB als Verfügung von Todes wegen zu behandeln ist. Nach Ansicht des BGH gilt dies entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht auch für Klauseln, die nur zu einer einmaligen Weitergabe des geschenkten Gegenstands verpflichten.

Wirksam ist nach Ansicht des BGH dagegen eine Auflage, wenn die Parteien eines Schenkungsvertrages bereits einen – wenn auch bedingten – Anspruch des Dritten auf Übereignung des geschenkten Gegenstands begründen. Dies wird damit begründet, dass von § 2302 BGB nur die Verpflichtung, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten, nicht zu errichten, aufzuheben oder nicht aufzuheben, verboten wird, nicht aber die Vornahme solcher Rechtshandlungen selbst (wie beispielsweise durch Abschluss eines Erbvertrages, durch ein gemeinschaftliches Testament oder ein formgerecht abgegebenes Schenkungsversprechen i. S. v. § 2301 Abs. 1 BGB).

Praxishinweis
Die ausführlich begründete Entscheidung des BGH zu den verschiedenen Gestaltungsvarianten zeigt, dass Weiterleitungsklauseln mit Bedacht formuliert werden müssen (vgl. dazu auch M. K. Thelen, LMK 2024, 807144; zur zugrunde liegenden Konstruktion eines Vertrages zugunsten Dritter nach § 328 BGB vgl. auch Becker, NJW 2024, 1117 f.).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

28.11.2023

Aktenzeichen:

X ZR 11/21

Rechtsgebiete:

Erbvertrag
Allgemeines Schuldrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2024, 86-87

Normen in Titel:

BGB §§ 2302, 2301 Abs. 1