Anspruch auf Ergänzung eines notariellen Nachlassverzeichnisses
Anspruch auf Ergänzung eines notariellen Nachlassverzeichnisses
Der Pflichtteilsberechtigte kann die Ergänzung bzw. Berichtigung eines notariellen Nachlassverzeichnisses auch dann verlangen, wenn dieses wegen unterbliebener Mitwirkung des Erben teilweise unvollständig ist (hier: verweigerte Zustimmung des Erben zu einem Kontendatenabruf des Notars bei einem ausländischen Kreditinstitut).
BGH, Urt. v. 20.5.2020 – IV ZR 193/19
Problem
Es geht um einen Pflichtteilsstreit zwischen der zur Alleinerbin eingesetzten Tochter (T) der 2010 verstorbenen Erblasserin und den beiden Enkelinnen (Töchter einer weiteren verstorbenen Tochter der Erblasserin). Die Enkelinnen nahmen ihre Tante in einem Verfahren vor dem AG Bonn im Wege der Stufenklage auf Zahlung des Pflichtteils in Anspruch. Durch Teilurteil des AG Bonn vom 23.11.2017 wurde die Tante verurteilt, gegenüber den Enkelinnen Auskunft gem.
Die Erbin legte am 4.5.2018 ein notarielles Verzeichnis vor und meint – im Gegensatz zu den die Vollstreckung betreibenden Enkelinnen –, sie habe den titulierten Auskunftsanspruch erfüllt. Daher beantragte sie im Wege der Vollstreckungsabwehrklage (
In der Sache betrifft der Streit das Gemeinschaftskonto der Erblasserin bei der Raiffeisenbank M in Österreich, zu dem der Notar keine Ermittlungen angestellt und keine Angaben in das Nachlassverzeichnis aufgenommen hat. Die Erbin hatte dem Notar zwar nach Auftragserteilung eine Vollmacht dazu erteilt, Kontenauskünfte zur Errichtung des Nachlassverzeichnisses bei deutschen Kreditinstituten zu beantragen. Einen Kontendatenabruf des Notars für Kontenverbindungen in Österreich hatte die Erbin jedoch nicht ermöglicht.
Entscheidung
Der BGH entscheidet in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht, dass die Vollstreckungsabwehrklage der Klägerin (Erbin) gem.
Der BGH bekräftigt zunächst die mittlerweile ganz h. A., dass der Notar im Falle des notariellen Nachlassverzeichnisses den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig zu ermitteln habe und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck zu bringen habe, dass er den Inhalt verantworte. Der BGH betont auch die grundsätzliche Mitwirkungsverpflichtung des Erben (vgl. dazu auch BGH
Der BGH schließt sich allerdings der h. A. in Rechtsprechung und Literatur an, die von diesem Grundsatz verschiedene Ausnahmen anerkennt: So kann ein Anspruch auf Ergänzung oder Berichtigung eines Nachlassverzeichnisses bestehen, wenn darin eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen (etwa aufgrund eines Rechtsirrtums des Pflichtigen) nicht aufgeführt ist (vgl. BGH
Nach diesen Grundsätzen ist das notarielle Nachlassverzeichnis nach Ansicht des BGH im vorliegenden Fall unvollständig gewesen, weil es keine umfassenden Angaben über die Geschäftsbeziehungen der Erblasserin zur Raiffeisenbank M in Österreich enthält. Die vom Notar in Bezug genommenen Vermögenserklärungen im österreichischen Verlassenschaftsverfahren, die rein private Erklärungen des Erben darstellten, erachtet der BGH nicht für ausreichend oder gleichwertig. Der Anspruch der Pflichtteilsberechtigten gegen die Erbin besteht dementsprechend fort.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:20.05.2020
Aktenzeichen:IV ZR 193/19
Rechtsgebiete:
Allgemeines Schuldrecht
Pflichtteil
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
DNotI-Report 2020, 110-111
RNotZ 2020, 387-390
BWNotZ 2020, 251-254
NJW 2020, 2187-2189
BGB § 2314 Abs. 1 S. 3