OLG Brandenburg 22. April 2014
3 W 13/14
BGB §§ 1944, 1945

Wirkung einer zur Zeit ihrer Erklärung noch nicht betreuungsrechtlich genehmigten Erbausschlagungserklärung auf die Ausschlagungsfrist

DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 14.10.2014
OLG Brandenburg, 22.4.2014 - 3 W 13/14

BGB §§ 1944, 1945
Wirkung einer zur Zeit ihrer Erklärung noch nicht betreuungsrechtlich genehmigten
Erbausschlagungserklärung auf die Ausschlagungsfrist

1. Ist die betreuungsgerichtliche Genehmigung der Ausschlag einer Erbschaft durch den Betreuer
erforderlich, so bleibt die Zeit, die seit Einleitung des Genehmigungsverfahrens bzw. der
Erklärung der Erbausschlagung bis zum Zugang der rechtskräftigen betreuungsgerichtlichen
Genehmigung verstrichen ist, gem. § 209 BGB bei der Berechnung der 6-wöchigen
Ausschlagungsfrist des § 1944 Abs. 1 BGB außer Betracht.

Gründe

I.
Der Beteiligte zu 2. wendet sich gegen die Feststellung der Tatsachen, die zur Erteilung eines
von der Beteiligten zu 1. beim Amtsgericht Bad Freienwalde (Oder) beantragten Erbscheins
erforderlich sind.
Am 14.3.2013 verstarb in G… der Erblasser M… S…. Zum Todeszeitpunkt war er geschieden.
Der Erblasser hatte vier Kinder, zu denen die Beteiligten zu 1. und 2. gehören. Von den beiden
anderen Kindern des Erblassers wurde die Erbschaft ausgeschlagen. Der Beteiligte zu 2. steht
unter Betreuung, die bereits zum Todeszeitpunkt des Erblassers eingerichtet war. Zur Betreuerin
- u. a. mit dem Wirkungskreis der Vermögenssorge - ist Frau E… Sc… vom C e.V.,
Betreuungsverein, bestellt worden.
Die Betreuerin, die am 2.5.2013 Kenntnis vom Tod des Vaters der Beteiligten erlangte, hat am
30.5.2013 zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Neukölln die Erbschaft für den
Beteiligten zu 2. ausgeschlagen. Auf den am 3.6.2013 bei Gericht eingegangenen Antrag der
Betreuerin vom 27.5.2013 hin hat das Amtsgericht Neukölln mit Beschluss vom 4.9.2013 ihre
Erbausschlagungserklärung vom 30.5.2013 betreuungsgerichtlich genehmigt. Die Genehmigung,
deren Rechtskraft am 26.9.2013 eintrat, ist beim C… am 4.10.2013 eingegangen. Mit Schreiben
vom 22.10.2013 - beim Amtsgericht Neukölln am 24.10.2013 eingegangen - leitete die
Betreuerin die Beschlüsse des Betreuungsgerichts bezüglich der Genehmigung ihrer
Erbausschlagungserklärung weiter.
Von der Beteiligten zu 1. wurde die Erbschaft angenommen. Mit notarieller Urkunde vom
5.7.2013 in Verbindung mit ihrem Berichtigungsschreiben vom 16.1.2014 hat sie die Erteilung
eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, in welchem sie und der Beteiligte zu 2. als
Miterben zu je ½ ausgewiesen sein sollen. Das Amtsgericht - Nachlassgericht - Bad Freienwalde
(Oder) hat mit Beschluss vom 21.2.2014 die Tatsachen, die zur Erteilung des beantragten
Erbscheins - wonach der Erblasser von den Beteiligten zu 1. und 2. je zu ½ Anteil beerbt wurde -
erforderlich sind, für festgestellt erachtet. Die Erteilung des Erbscheins wurde bis zur
Rechtskraft des Beschlusses ausgesetzt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die für
den Beteiligten zu 2. erklärte Erbausschlagung seiner Betreuerin sei unwirksam. Denn diese habe
die betreuungsgerichtliche Genehmigung der Ausschlagungserklärung nicht innerhalb der
Ausschlagungsfrist in der vorgeschriebenen Form bei Gericht vorgelegt bzw. nachgereicht.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 2., vertreten durch
seine Betreuerin. Zur Begründung machte er insbesondere geltend, der Nachweis der
betreuungsrechtlichen Genehmigung der Erbausschlagungserklärung müsse nicht innerhalb der
Ausschlagungsfrist erfolgen. Es komme nur auf den Zugang der Genehmigung beim Betreuer an.
Damit sei die Erbschaft durch seine Betreuerin fristgerecht ausgeschlagen worden.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde durch begründeten Beschluss vom 24.3.2014 nicht
abgeholfen und die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung
vorgelegt.

II.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 2. führt in der Sache nicht
zum Erfolg. Zur Recht ist das Amtsgericht in der angefochtenen sowie in seiner
Nichtabhilfeentscheidung davon ausgegangen, dass der von einem Betreuer des Ausschlagenden
gegenüber dem Nachlassgericht zu erbringenden Nachweis der betreuungsgerichtlichen
Genehmigung - sofern sie nicht bereits der fristgerechten Ausschlagungserklärung beigefügt ist -
innerhalb der Ausschlagungsfrist nachgereicht werden muss. An einem solchen fristgerechten
Nachweis fehlt es hier. Das Amtsgericht hat daher in dem angefochtenen Beschluss zu Recht die
Tatsachen zur Erteilung des von der Beteiligten zu 1. beantragten gemeinschaftlichen Erbscheins
für festgestellt erachtet. Im Einzelnen gilt folgendes:
1.
Die Form der Ausschlagung ist in § 1945 Abs. 1 BGB geregelt. Diesen Erfordernissen ist von
der Betreuerin Genüge getan. Der ihr u. a. übertragene Aufgabenkreis der Vermögenssorge
erfasst auch die Ausschlagung der Erbschaft vom Vater des von ihr betreuten Beteiligten zu 2.
2.
Die Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB ist jedoch vom Beteiligten zu 2. bzw. seiner Betreuerin
nicht gewahrt worden.
a)
Die Frist beträgt sechs Wochen und beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem
Anfall und dem Grund seiner Berufung Kenntnis erlangt. Das war hier am 2.5.2013, da bei einer
bestehenden Betreuung für den Fristbeginn die Kenntnis des Betreuers maßgebend ist (vgl.
hierzu Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 1944, Rn. 6).
Am 30.5.2013 ist die Ausschlagungserklärung von der Betreuerin zur Niederschrift der
Geschäftsstelle des Amtsgerichts Neukölln abgegeben worden. Allerdings war diese Erklärung
wegen der noch ausstehenden betreuungsrechtlichen Genehmigung gemäß §§ 1822 Nr. 2, 1831
Satz 1, 1908 i Abs. 1 BGB unwirksam. Die Unwirksamkeit wurde auch nicht dadurch geheilt,
dass die unter dem 4.9.2013 erteilte - seit dem 26.9.2013 rechtskräftige - betreuungsrechtliche
Genehmigung innerhalb der regulären Ausschlagungsfrist entsprechend § 1945 Abs. 3 Satz 2
BGB beim Nachlassgericht eingereicht worden wäre (vgl. hierzu Palandt/ Weidlich, a.a.O., §
1945, Rn. 6; BayObLG, Rechtspfleger 1983, 482). Denn sie ist dort erst nach Ablauf der
sechswöchigen Ausschlagungsfrist (am 21.10.2013) am 24.10.2013 eingegangen. Die
Ausschlagungserklärung des Beteiligen zu 1. ist damit verfristet.
Der Senat teilt zunächst die Auffassung der Rechtspflegerin zur Frage der Hemmung der
Erbausschlagungsfrist. § 1944 Abs. 2 Satz 3 BGB verweist auf § 206 BGB. Danach ist die
Verjährung gehemmt, solange eine Rechtsverfolgung an höherer Gewalt scheitert. Höhere
Gewalt im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die Verhinderung auf Ereignissen beruht, die
durch äußerste, billigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden konnten (vgl. hierzu
BayObLG, FamRZ 1998, 642). Das ist bei einer genehmigungsbedürftigen Ausschlagung der
Fall, wenn die Genehmigung - wie hier mit dem am 3.6.2013 beim Amtsgericht eingegangenen
Schreiben vom 27.5.2013 - rechtzeitig beantragt wurde, sich ihre Erteilung indes verzögert (vgl.
hierzu Palandt/Weidlich, a.a.O., § 1945, Rn. 6). Denn die Beschleunigung des
Genehmigungsverfahrens liegt nicht in der Hand des Antragstellers. Die Zeit, die seit Einleitung
des Genehmigungsverfahrens bzw. der Erklärung der Erbausschlagung am 30.5.2013 bis zum
Zugang der rechtskräftigen betreuungsgerichtlichen Genehmigung am 4.10.2013 verstrichen ist,
bleibt gemäß § 209 BGB bei der Berechnung der sechswöchigen Ausschlagungsfrist des § 1944
Abs. 1 BGB außer Betracht (vgl. hierzu Saarländisches OLG, Rpfleger 2011, 607). Auch der
Tag, in dessen Verlauf der Hemmungsgrund entsteht - hier der 30.5.2013 - gehört bereits zur
Hemmungszeit (vgl. hierzu BGH, NJW 1998, 1058). Die Frist läuft nach dem Ende der
Hemmung vom Beginn des nächsten Tages (0:00 Uhr) weiter (vgl. hierzu BGHZ 1986, 103).
Die hier am 3.5.2013 in Gang gesetzte (§§ 1944 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB) und vom 30.5. bis
zum 4.10.2013 gehemmte Sechswochen-Frist lief also am 5.10.2013 weiter. Sie endete gemäß §
193 BGB nicht am 19.10.2013, sondern erst am Montag, den 21.10.2013. Hiervon ausgehend
war die Ausschlagungsfrist im Zeitpunkt des Eingangs der betreuungsrechtlichen Genehmigung
beim Nachlassgericht am 24.10.2013 bereits abgelaufen.
b)
Entgegen der Auffassung der Betreuerin des Beteiligten zu 2. ist für die Entscheidung über die
Wirksamkeit einer zur Zeit ihrer Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht noch nicht
betreuungsrechtlich genehmigten Erbausschlagungserklärung nicht entscheidend darauf
abzustellen, dass die Genehmigung innerhalb der Ausschlagungsfrist erteilt bzw. gemäß
§§ 1828, 1908 i Abs. 1 BGB gegenüber dem Betreuer erklärt wird. Vielmehr ist zu verlangen,
dass die betreuungsrechtliche Genehmigung und deren Bekanntmachung gegenüber dem
Betreuer dem Nachlassgericht noch vor Ablauf der Ausschlagungsfrist des § 1944 Abs. 1 BGB
nachgewiesen wird (vgl. für die Erbausschlagung durch einen gesetzlichen Vertreter RGZ 118,
145 ff.). Nur so wird entsprechend dem gesetzgeberischen Zweck der Fristbestimmung für die
Ausschlagung der Erbschaft der bis dahin bestehenden Ungewissheit innerhalb der bestimmten
Zeit ein Ende bereitet. Das Nachlassgericht wird (erst) durch diesen Nachweis in den Stand
versetzt, die Erbschaftsausschlagung gemäß § 1953 Abs. 3 BGB demjenigen mitzuteilen, dem
die Erbschaft infolge der Ausschlagung nach Abs. 2 angefallen ist und damit die
Ausschlagungsfrist gemäß § 1944 Abs. 2 BGB ihm gegenüber in Gang zu setzen.
Ob es gegebenenfalls ausreicht, wenn der Betreuer innerhalb der Ausschlagungsfrist gegenüber
dem Nachlassgericht anzeigt, das Amtsgericht habe ihm durch einen nach Datum und
Aktenzeichen angeführten, ihm am angegebenen Tag bekannt gemachten Beschluss die
betreuungsrechtliche Genehmigung erteilt, kann dahinstehen. Denn auch dies ist hier bis zum
Ablauf der Frist am 21.10.2013 nicht geschehen.
c)
Der Beteiligte zu 2. kann sich auch nicht mit Erfolg auf einen Urlaub seiner Betreuerin bei
Zugang der betreuungsrechtlichen Genehmigung am 4.10.2013 berufen.
Hierzu fehlt es in zeitlicher Hinsicht bereits an detaillierten Angaben. Vor allem aber war die
Betreuerin des Beteiligten zu 2. als Mitarbeiterin des C…-Betreuungsvereins verpflichtet, durch
geeignete Vorkehrungen dafür Sorge zu tragen, dass unaufschiebbare bzw. fristgebundene
Handlungen während ihrer Urlaubszeit von einem Vertreter vorgenommen wurden. Dazu zählte
auch die Weiterleitung der bei Urlaubsantritt noch ausstehenden betreuungsgerichtlichen
Genehmigung der Erbausschlagungserklärung vom 30.5.2013 an das Nachlassgericht. Der
Beteiligte zu 2. muss sich die vorwerfbaren Versäumnisse seiner Betreuerin zurechnen lassen.
Im Ergebnis scheitert die Ausschlagung der Erbschaft durch die Betreuerin des Beteiligten zu 2.
daran, dass innerhalb der Ausschlagungsfrist nicht die erforderliche betreuungsrechtliche
Genehmigung seiner Erbausschlagungserklärung beim Nachlassgericht nachgereicht wurde.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 84 FamFG, 131 KostO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Brandenburg

Erscheinungsdatum:

22.04.2014

Aktenzeichen:

3 W 13/14

Rechtsgebiete:

Annahme und Ausschlagung der Erbschaft

Erschienen in:

MittBayNot 2015, 328-330

Normen in Titel:

BGB §§ 1944, 1945