OLG München 22. Januar 2010
34 Wx 125/09
BGB § 184; WEG §§ 1 Abs. 5, 10 Abs. 6, 27 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 7

Auflassung von Gemeinschaftseigentum durch Verwalter trotz Ermächtigung durch Mehrheitsbeschluss unwirksam

DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 18.9.2014
OLG München, 22.1.2010 - 34 Wx 125/09

BGB § 184; WEG §§ 1 Abs. 5, 10 Abs. 6, 27 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 7

Auflassung von Gemeinschaftseigentum durch Verwalter trotz Ermächtigung durch
Mehrheitsbeschluss unwirksam
Der Verwalter von Wohnungseigentum kann nicht durch Mehrheitsbeschluss ermächtigt werden,
eine im Gemeinschaftseigentum stehende Fläche an einen Dritten aufzulassen, auch wenn sich
alle Wohnungseigentümer individualvertraglich dazu verpflichtet haben.

Gründe

I.

Das Eigentum an den im Grundbuch eingetragenen aus mehreren Flurstücken bestehenden
Grundstück ist in Miteigentumsanteile, verbunden mit dem Sondereigentum an bestimmten
Räumlichkeiten, aufgeteilt und auf die einzelnen Wohnungseigentümer umgeschrieben. Aus
zwei Flurstücken wurde eine Teilfläche von 100 m² herausgemessen, die im aktuellen
Fortführungsnachweis nun als FlSt. 94/2 bezeichnet ist. Diese soll an die Beteiligte aufgelassen
werden; ferner sollen zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers des neugebildeten Grundstücks
verschiedene Grunddienstbarkeiten eingetragen werden. Messungsanerkennung sowie
Auflassung samt Bewilligungen wurden auf der Grundlage von ursprünglich in den
Kaufverträgen der Wohnungs- und Teileigentümer enthaltenen Vollmachten zu Gunsten des
Veräußerers am 1.9.2008 notariell erklärt. Diese Vollmachten sind infolge Zeitablaufs bereits
vor dem Jahr 2008 unstreitig erloschen. Die Notarin hat nunmehr (u.a.) für die Erwerberin am
1.10.2009 Antrag auf Vollzug der Auflassung und der Dienstbarkeiten gestellt und dazu die
Genehmigung der notariellen Erklärungen vom 1.9.2008 durch den Verwalter der
Wohnungseigentümergemeinschaft vorgelegt. Dieser ist durch Bestellungsbeschluss in öffentlich
beglaubigter Urkunde ausgewiesen. Er stützt sich auf einen Ermächtigungsbeschluss in der
Eigentümerversammlung vom 28.1.2009, deren Protokoll in notariell beglaubigter Form vorliegt.
Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 7.10.2009 unter Hinweis auf frühere
Zwischenverfügungen die (noch immer) fehlende Genehmigung der schwebend unwirksamen
Rechtsgeschäfte beanstandet und Frist zur Beseitigung des Hindernisses gesetzt. Der Verwalter
könne auch nach neuem Recht nicht durch Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft zur
Veräußerung einer zum Wohnungseigentum gehörenden Gemeinschaftsfläche bevollmächtigt
werden. Ein Mehrheitsbeschluss könne auch nicht den Erfordernissen der §§ 20, 29 GBO
genügen.
Der namens der Erwerberin eingelegten Beschwerde hat das Grundbuchamt nicht abgeholfen.
Ergänzend hat es ausgeführt, dass aus den als Beschlüssen bezeichneten Verlautbarungen der
Wohnungseigentümer nicht ohne Weiteres die Zustimmung zu den gegenständlichen
Rechtsgeschäften ersichtlich sei. Die Beschlüsse seien nicht bestimmt genug. Es sei nur von
einem Brunnennutzungsrecht für die Beteiligte, das nicht verhindert werden könne, die Rede.
Zur Veräußerung der Teilfläche sowie zur Bestellung der übrigen Dienstbarkeiten träfen die
maßgeblichen Beschlüsse keine konkreten bzw. gar keine Aussagen.

II.

Auf den nach dem 31.8.2009 gestellten Antrag ist das seit 1.9.2009 maßgebliche Recht (vgl. Art.
112 Abs. 1 FamFG) anzuwenden. Dass bereits zuvor ein Vollzug derselben Auflassung und der
Dienstbarkeiten beantragt worden war, spielt keine Rolle. Denn den früheren Antrag vom
09.03.2009 hat die Urkundsnotarin am 25.5.2009 formwirksam (vgl. § 31 Satz 1 GBO;
Demharter GBO 27. Aufl. § 31 Rn. 7) zurückgenommen, so dass der Antrag erledigt war. Die
Wiederholung ist als neuer Antrag zu behandeln.
1. Die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung ist, solange der Eintragungsantrag noch nicht
zurückgewiesen ist, nach § 71 Abs. 1, § 73 GBO zulässig. Die Beteiligte ist als gewinnender Teil
(vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 GBO) antrags- wie beschwerdeberechtigt.
2. Die Beschwerde ist unbegründet. Das Grundbuchamt beanstandet zu Recht die fehlende
Genehmigung des Rechtsgeschäfts vom 1.9.2008. Es liegt kein den Hausverwalter
ermächtigender Eigentümerbeschluss vor (a). Überdies könnte ein derartiger Beschluss der
Eigentümerversammlung den Verwalter auch nicht zur Vornahme des gegenständlichen
Rechtsgeschäfts wirksam ermächtigen (b).
a) Ein Ermächtigungsbeschluss nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG liegt nicht vor.
Eigentümerbeschlüsse sind wegen ihrer Wirkung gegenüber Sondernachfolgern aus sich heraus,
objektiv und normativ so wie Eintragungen im Grundbuch auszulegen (BGH NJW 1998, 3713).
Maßgebend sind Wortlaut und Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende
Bedeutung der Eintragung ergibt; Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen
werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne
weiteres erkennbar sind (BGH aaO.). Dies gilt auch für die Frage, ob überhaupt ein
Eigentümerbeschluss vorliegt (BayObLG NJW-RR 1993, 85/86; Bärmann/Merle WEG 10. Aufl.
§ 23 Rn. 54 a.E.).
Die maßgebliche Protokollstelle zu Tagesordnungspunkt 4 enthält zunächst zu drei (anderen)
Angelegenheiten sogenannte Beschlussformulierungen, die Darstellung des
Abstimmungsergebnisses und die Feststellung der Annahme des Beschlussantrags. Hieran
anschließend und den Tagesordnungspunkt 4 abschließend ist festgehalten, dass das
Brunnennutzungsrecht zu Gunsten der Beteiligten nach Rücksprache mit einer Rechtsanwältin
und dem Notariat nicht verhindert werden könne; insofern werde auch die Hausverwaltung die
entsprechende Unterschrift beim Notar für die Wohnungseigentümergemeinschaft leisten.
Dass zu dieser Thematik eine Willensbildung in Form eines Beschlusses gefasst worden wäre, ist
der Niederschrift nicht zu entnehmen. Das Protokoll weist vielmehr nur eine
Sachstandsmitteilung an die in der Versammlung anwesenden Wohnungseigentümer aus und
schließt mit einer Absichtserklärung der Hausverwaltung ab. Auf die von der vorlegenden
Notarin angesprochene Bestimmtheit des Beschlussinhalts kommt es bei dieser Sachlage nicht
an.
b) Im Übrigen könnte die Vertretungsmacht des Verwalters auch nicht auf einen
Ermächtigungsbeschluss der Eigentümerversammlung gestützt werden.
(1) § 27 Abs. 1 WEG regelt nicht das Außenverhältnis, sondern allein Rechte und Pflichten im
Innenverhältnis zu den Wohnungseigentümern wie zur Gemeinschaft (Niedenführ in
Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten - NKV - WEG 9. Aufl. § 27 Rn. 9 und 10).
(2) § 27 Abs. 2 WEG regelt bestandsfest (vgl. § 27 Abs. 4 WEG) den gesetzlichen
Mindestvertretungsrahmen des Verwalters für die Wohnungseigentümer. Davon umfasst sind
nicht die gegenständlichen rechtsgeschäftlichen Erklärungen. Eine Erweiterung der
Vertretungsmacht ist zwar zulässig (Niedenführ in NKV § 27 Rn. 59), hat hier jedoch nicht
stattgefunden. Sie erfordert, bezogen auf einzelne Wohnungseigentümer, nämlich eine
individuelle rechtsgeschäftliche Vollmacht (Abramenko in Riecke/Schmid WEG 3. Aufl. § 27
Rn. 36), die nicht erteilt wurde.
14(3) Soweit § 27 Abs. 3 WEG dem Verwalter gesetzliche Vertretungsmacht für den Verband
der Wohnungseigentümer einräumt, hat zwar der Verband eine Kompetenz, den Verwalter zur
Vornahme sonstiger Rechtsgeschäfte durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss zu
ermächtigen. Zu Recht verneint das Amtsgericht jedoch die Zuständigkeit des Verbands, den
Verwalter zur Verfügung über Gemeinschaftseigentum zu ermächtigen (Abramenko in
Riecke/Schmid § 27 Rn. 62; Meikel/Böttcher GBO 10. Aufl. Einl. F Rn. 60). Die
Ermächtigungsnorm bezieht sich auf ein Handeln im Namen der Gemeinschaft. Die
Ermächtigung durch Mehrheitsbeschluss muss mithin Angelegenheiten betreffen, die einen
Gemeinschaftsbezug aufweisen. Daran fehlt es, wenn sie sich auf individuelle Rechte einzelner
oder auch aller Miteigentümer bezieht. Dazu gehören Verfügungen über das
Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümer (vgl. § 1 Abs. 5 WEG), das diesen im
Gegensatz zum Verwaltungsvermögen zwingend persönlich, und zwar in
Bruchteilsgemeinschaft, zusteht (§ 10 Abs. 1 WEG; Schneider in Riecke/Schmid § 1 Rn. 17, 54).
15Es ist umstritten, ob die Ermächtigung nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG auch nach außen
hin begrenzt ist durch die funktionelle Aufgabe des Verwalters, das gemeinschaftliche Eigentum
zu verwalten. Teilweise wird die Eigentümergemeinschaft als uneingeschränkt rechtsfähig
erachtet, also nicht nur beschränkt auf Angelegenheiten, die zur Verwaltung des
gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich sind (Bärmann/ Merle § 27 Rn. 226; Wenzel ZWE
2006, 462/469; Suilmann ZWE 2008, 113/115; vgl. auch OLG Hamm NZM 2009, 914). Die
Streitfrage kann letztlich auf sich beruhen, ebenso wenig bedarf es eines Rückgriffs auf die
Regeln über einen Missbrauch der Vertretungsmacht (dazu Wenzel aaO.). Denn die Verfügung
über Gemeinschaftseigentum liegt im gegenständlichen Fall nicht nur außerhalb der Verwaltung
(Bärmann/Merle WEG 10. Aufl. § 20 Rn. 6; Vandenhouten in NKV § 21 Rn. 5), sondern betrifft
Rechte, die dem Verband weder zustehen noch die er aus eigener Machtvollkommenheit an sich
ziehen kann und die überdies auch dessen Handlungsfähigkeit (vgl. Niedenführ in NKV § 27 Rn.
83) nicht berühren. Insbesondere handelt es sich nicht um Pflichten, die der Verband anstelle der
Wohnungseigentümer ausüben kann, weil sie gemeinschaftlich zu erfüllen wären (§ 10 Abs. 6
Satz 3 Halbs. 2 Alt. 2 WEG). Dabei kann unterstellt werden, dass sämtliche Käufer von
Wohnungseigentum (individual-) vertraglich gegenüber dem Bauträger verpflichtet sind, die
Grundbucherklärungen abzugeben. Dessen ungeachtet verbleibt es dabei, dass es sich um
individuelle Ansprüche im Verhältnis des Bauträgers zu den einzelnen Erwerbern handelt. Auch
wenn der Anwendungsbereich von § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbs. 2 Alt. 2 WEG insoweit ungeklärt
ist (Kümmel in NKV § 10 Rn. 77), erscheint es dem Senat schon aus der grundsätzlichen
Erwägung, dass Wohnungseigentum echtes Eigentum darstellt (BGH NJW 1968, 499; Schneider
in Riecke/Schmid § 1 Rn. 5), ausgeschlossen, die Verfügungsmacht über das Miteigentum durch
Mehrheitsbeschluss dem Verband übertragen zu können. Soweit die Verfügungsmacht des
Verbandes über gemeinschaftliches Eigentum in der Vergangenheit dem Grundsatz nach
gelegentlich bejaht wurde (vgl. OLG Hamm OLGZ 1991, 302; siehe auch BGH NJW 1987,
3177 für Bruchteilsgemeinschaft), dürfte diese Rechtsprechung durch die Neukonzeption der
Eigentümergemeinschaft als selbständiges Rechtsgebilde (vgl. § 10 Abs. 6 WEG) überholt sein.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 4, § 30 Abs. 1, § 19 Abs. 2 KostO. Im
Hinblick auf die mit der Beschaffung der erforderlichen Unterlagen verbundenen
Schwierigkeiten ist ein Abschlag vom Grundstückswert, wie er sich im Kaufpreis niederschlägt,
nicht veranlasst.

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (vgl. § 78 Abs. 2 GBO) liegen
nicht vor, weil bereits die Erwägungen zu II.2.a) die Zurückweisung des Rechtsmittels tragen.

V.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

22.01.2010

Aktenzeichen:

34 Wx 125/09

Rechtsgebiete:

Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
WEG

Normen in Titel:

BGB § 184; WEG §§ 1 Abs. 5, 10 Abs. 6, 27 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 7