BayObLG 10. Dezember 1979
BReg. 3 Z 59/79
GG Art. 103 Abs. 1; KostO § 14 Abs. 3 und 4; WohnGebBefrG § 3 Abs. 2 Satz 2

Zur Verlängerung der Frist nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 c WohnGebBefrG

lebens insbesondere seine Zahlungsfähigkeit, sind meistens
von grundlegender Bedeutung für die Abschiußbereitschaft
des anderen Partners (BKB Anm. 3, KAL, Rdnr. 6, RohsWedewer, Anm. V, je zu § 42; KG DNotZ 1955, 496/498).
10. Das Doppelte der vollen Gebühr aus einem Geschäftswert
von 1 399 217,60 DM beträgt nach der bis zum 15. 9. 1975 in
Geltung gewesenen Gebührentabelle zu § 32 KostO 4300 DM.
Dazu kommen Auslagen von 210 DM und 19 DM sowie die
Mehrwertsteuer von 5,5% mit 249,10 DM.
11. Daher war in Abänderung der Entscheidung des Landgerichts die Kostenberechnung des Notars auf den Gesamtbetrag von 4778,10 DM herabzusetzen.
22. GG Art. 103 Abs. 1; KostO § 14 Abs. 3 und 4; WohnGebBefrG § 3 Abs. 2 Satz 2 (Zur Verlängerung der Frist nach
§ 3 Abs. 1 Nr. 1 c WohnGebBefrG)
1. Am Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren sind alle als
Kostenschuldner in Betracht kommenden Personen zu beteiligen.
2. Es stellt keinen die Frist für die Vorlage einer Bescheinigung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 c WohnGebBefrG verlängernden
baurechtlichen Hinderungsgrund dar, wenn der vom Erwerber erwartete Bebauungsplan für das im Außenbereich liegende, nicht baureife Grundstück nicht innerhalb der Fünfjahresfrist aufgestellt wird.
mitgeteilt von Dr. Martin Pfeuffer, Richter am BayObLG
Aus dem Tatbestand:
1. Die Kostenschuldnerin erwarb auf Grund mehrerer Kaufverträge
zu Urkunden des Notars Dr. S. in A. verschiedene Grundstücke.
Die Kostenschuldnerin versicherte jeweils, sie werde auf dem erworbenen Grundbesitz zur Weiterveräußerung bestimmte Kaufeigenheime oder Eigentumswohnungen im Rahmen des steuerbegünstigten Wohnungsbaues errichten; sie beantragte deshalb
Befreiung von den Gerichtsgebühren.
Die Grundstücke liegen im Außenbereich; im 1977 genehmigten
Fiächennutzungsplan der Stadt E. sind sie als Bauland ausgewiesen. Ein Bebauungsplan für die Grundstücke besteht noch nicht.
2. Mit weiterer Urkunde des gleichen Notars vom 21. 12. 1971 bestellte die Kostenschuldnerin für die Stadt- und Kreissparkasse E.
auf den unter 1 a bezeichneten Grundstücken eine Grundschuld
von DM 190 000. Sie versicherte, daß dieses Geschäft der Schaffung von steuerbegünstigtem Wohnraum diene und beantragte Befreiung von den Gerichtsgebühren.
3. Antragsgemäß wurden in den Grundbüchern Auffassungsvormerkungen für die Kostenschuldnerin sowie die Grundschuld eingetragen. Am 10. 4. 1972 wurde die Kostenschuldnerin als Eigentümerin
der Grundstücke eingetragen; zugleich wurde die dort eingetragene Auflassungsvormerkung wieder gelöscht.
Für alle diese Eintragungen, die allein Gegenstand des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens sind, wurden zunächst keine
Gerichtsgebühren erhoben.
4. Nachdem die Kostenschuldnerin an den bevorstehenden Ablauf
der Fünfjahresfrist nach § 3 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über Gebührenbefreiungen beim Wohnungsbau vom 30. 5. 1953 - WohnGebBefrG - (BGBl 1 S. 273) hingewiesen und vergeblich zur Vorlage von Bescheinigungen nach § 3 Abs. 1 Buchst. c dieses Gesetzes aufgefordert worden war, erhob der Kostenbeamte des
Grundbuchamtes für die vorgenannten Eintragungen Gebühren
nach § 60 Abs. 1, § 62 Abs.1, § 66 Abs. 1, § 68 KostO.
5. Die Kostenschuldnerin, welche die nachberechneten Gebühren
zunächst bezahlt hatte, legte am 17./18. 10. 1978 Erinnerungen ein.
Sie machte geltend, die Frist für die Vorlage der Bescheinigungen
nach § 3 Abs. 1 Buchst. c WohnGebBefrG sei auf bis zu zehn Jahre
verlängert worden, weil baurechtliche Hinderungsgründe entgegenstünden. Die Bebauungspläne würden zur Zeit aufgestellt; erst
danach - voraussichtlich 1979 oder 1980 - könnten die Grundstücke mit steuerbegünstigten Wohnungen bebaut und die Bescheinigungen vorgelegt werden. I
Die Staatskasse ist den Erinnerungen entgegengetreten. Sie sieht
in dem Fehlen eines Bebauungsplanes keinen baurechtlichen Hinderungsgrund im Sinne von § 3 Abs. 2 WohnGebBefrG.
6. Das Amtsgericht hat die Erinnerungen als unbegründet zurückgewiesen.
Auf die Beschwerden der Kostenschuldnerin hat das Landgericht
die Beschlüsse des Amtsgerichts sowie die Kostenrechnungen aufgehoben; die weitere Beschwerde hat es zugelassen.
7. Hiergegen legte die Staatskasse weitere Beschwerde ein.
Die Kostenschuldnerin ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.
Aus den Gründen:
Die weitere Beschwerde ist auf Grund Zulassung statthaft,
an keine Frist gebunden und von der beschwerdeberechtigten
Staatskasse in rechter Form eingelegt (§ 14 Absätze 3 und 4
KostO). Das somit zulässige Rechtsmittel hat in der Sache
Erfolg.
1. Das Landgericht und vorher schon das Amtsgericht haben
die Verkäufer der Grundstücke, die ebenfalls als Kostenschuldner jedenfalls insoweit in Betracht. kommen, als Eintragungsanträge auch von ihnen gestellt worden sind, weder
im Erinnerungs- noch im Erstbeschwerdeverfahren gehört;
ihnen sind die angefochtenen Entscheidungen auch nicht mitgeteilt worden.
Diese Verfahrensweise erweckt rechtliche Bedenken. Entscheidungen im Erinnerungs- und Rechtsmittelverfahren über
den Kostenansatz nach § 14 KostO wirken ihrer Natur nach
für und gegen alle Beteiligten (herrschende Meinung; vgl.
Rohs-Wedewer, 2. Aufl. § 14 Anm. III h am Ende, III 1 und
IV h; Hartmann, Kostengesetze 19. Aufl. § 14 KostO Anm. 2 B).
Die Entscheidung darüber, ob ein Geschäft gebührenpflichtig
ist und wie hoch die Gebühren sind, kann nur einheitlich
getroffen werden.
Daraus folgt, daß alle als Kostenschuldner in Betracht kommenden Personen am Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren zu beteiligen sind (Rohs-Wedewer, a. a. 0.). Andernfalls
würde eine gerichtliche Entscheidung gegen sie wirken, ohne
daß sie von dem Verfahren überhaupt etwas gewußt hätten.
Das wäre mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch
auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unvereinbar.
Auf dem vorgenannten Verfahrensfehler beruht die angefochtene Entscheidung jedoch nicht. Das rechtliche Gehör
ist den weiteren Beteiligten im Rechtsbeschwerdeverfahren
unter Mitteilung des Verfahrensgegenstandes gewährt worden. Sie hatten Gelegenheit, sich in jeder Richtung zum Verfahrensgegenstand zu äußern, insbesondere zu der Frage,
ob baurechtliche Hinderungsgründe hier zu einer Fristverlängerung führen. Damit ist der Verfahrensfehler der Vorinstanzen im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG geheilt.
2. Das Landgericht hat in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht in der Tatsache, daß die Gemeinde innerhalb der
Fünfjahresfrist noch nicht den von der Kostenschuldnerin erwarteten Bebauungsplan aufgestellt hatte, einen baurechtlichen Hinderungsgrund im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 2
WohnGebBefrG gesehen. Dieser Ansicht kann trotz der gebotenen weiten Auslegung der Bestimmungen des WohnGebBefrG aus den nachfolgenden Erwägungen nicht beigetreten
werden:
a) Die Bauleitplanung (§ 1 Abs. 1 BBauG) gehört zum Baurecht im weiteren Sinne (BayObLGZ 1976, 203/206). Unter
Bauleitplänen versteht das Bundesbaugesetz (§ 1 Abs.2) die
42 MittBayNot 1980 Heft 1


in bestimmter Zeit Wohngebäude errichten zu
Flächennutzungspläne (vorbereitende Bauleitpläne) und die
Grundstücken
Bebauungspläne (verbindliche Bauleitpläne). Die Aufstellung
können. Deshalb kann in der Tatsache, daß innerhalb der
solcher Pläne obliegt den Gemeinden. Die Pläne sind aufzuFünfjahresfrist der erwartete Bebauungsplan nicht aufgestellt
wurde, auch bei Ausweisung der Grundstücke als Wohnbaufläche im Flächennutzungsplan kein baurechtlicher Hindestellen, sobald es für die städtebauliche Entwicklung und
Ordnung erforderlich ist (§ 1 Abs. 3 BBauG). Aus dieser gesetzlichen Regelung folgt aber — entgegen der Meinung des
Landgerichts — noch nicht, daß das Fehlen eines für die Bebaubarkeit des Grundstücks notwendigen Bebauungsplanes
ein baurechtlicher Hinderungsgrund im Sinne von § 3 Abs. 2
Satz 2 WohnGebBefrG wäre. Dieses Gesetz geht vielmehr
von einem an sich möglichen Bauvorhaben aus. Wer aber
rungsgrund im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 2 WohnGebBefrG
gesehen werden (ebenso Korintenberg-Ackermann-Lappe,
KostG 9. Aufl. WohnGebBefrG § 3 Rdnr. 20).
3. Nach allem hat das Amtsgericht zu Recht die Erinnerungen
gegen die im übrigen von der Kostenschuldnerin nicht angegriffenen Kostenrechnungen zurückgewiesen.
ein Grundstück außerhalb zusammenhängend bebauter Ortsteile in einem Bereich erwirbt, für den noch kein Bebauungsplan (§ 30 BBauG) besteht (Außenbereich — § 19 Abs. 2
D.
BBauG), weiß, daß er zur Zeit überhaupt nicht bauen kann.
Steuerrecht
Einem solchen Grundstückserwerb haftet zwangsläufig ein
gewisser spekulativer Charakter an, mag auch im Einzelfall
— wie hier — an der Ernsthaftigkeit des Bauwillens des ErWerbers kein Zweifel bestehen. So ist im Zivilrecht anerkannt,
23. GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 1; WEG § 1 Abs. 2
(Grunderwerbsteuer bei Aufspaltung eines Vertrages in einen
„Kaufvertrag" und einen „Werkvertrag")
daß beim Kauf von Bauerwartungsland in der Regel der
Ein „Kaufvertrag" über Wohnungseigentum und ein „WerkKäufer das Risiko der Bebaubarkeit trägt, weil ein solcher
vertrag", in dem sich der Verkäufer verpflichtet, für den ErKauf typischerweise ein Element der Unsicherheit einschließt
(BGH NJW 1979, 1818/1819).
schaffen, ist ein rechtlich einheitlicher Vertrag, wenn beide
Wird die bloße Erwartung, es werde in Kürze zur Aufstellung des Bebauungsplanes kommen und damit Baureife eintreten, nicht erfüllt, so fällt das nicht mehr unter den Begriff
der baurechtlichen Hinderungsgründe (OLG Stuttgart JurBüro
1979, 755). Auch das OLG Karlsruhe (Rpfleger 1973, 335) hat
lediglich die noch ausstehende Umlegung und Erschließung
des Baugeländes, für das bereits ein verbindlicher Bebauungsplan bestand, als baurechtlichen Hinderungsgrund anwerber die für diesen bestimmte Eigentumswohnung zu
Teilverträge in ihrem rechtlichen Bestand voneinander abhängig sind. Liegt ein rechtlich einheitlicher Vertrag vor, so
ist das Grundstück (hier: der Miteigentumsanteil mit dem
zugehörigen Sondereigentum) in bebautem Zustand Gegenstand des der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerbsvorgangs; das Entgelt für die Schaffung der Wohnung ist
daher Teil der grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung.
BFH, Urteil vom 25. 7.1979 — II R 105/77 — BStBl 80 11 11
gesehen. Der Senat (BayObLGZ 1976, 203/206) hat den
Streit um das „Wie" des Bauens auf einem sonst baureifen
Aus dem Tatbestand:
Grundstück als Hinderungsgrund gewertet. Schließlich hat
1. Die Eheleute D waren Eigentümer eines 1557 m2 großen, in A
gelegenen Grundstücks. Sie beabsichtigten das Grundstück mit
einem Wohnhaus mit Eigentumswohnungen zu bebauen. Mit den
Rohbauarbeiten soll nach Darstellung der Kläger im Februar 1971
begonnen worden sein. Am 29. Juli 1971 und am 10. Dezember 1971
gaben die Eheleute D Teilungserklärungen gern. § 8 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) zur Teilung des Grundstücks in Wohnungseigentum ab.
auch der Bundesfinanzhof für die ähnlichen Zwecken dienende Vorschrift des Art. 4 Abs. 3 a des Bayerischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen
Wohnungsbau zu der damals maßgebenden Fassung der Bekanntmachung vom 16. 7. 1969 — GVBI S. 176 — ausgesprochen, daß der Erwerber eines unerschlossenen Grundstückes
im Außenbereich auf eigene Gefahr handelt und vom Gesetz
nicht geschützt wird, wenn sich seine Hoffnung nicht erfüllt
(NJW 1976, 2184). Es bestehen keine Bedenken, die gleichen
Erwägungen auch der Auslegung des Begriffes baurechtlicher
Hinderungsgründe im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 2 WohnGebBefrG zugrunde zu legen.
b) Unberücksichtigt bleiben muß der Umstand, daß seit 7. 7.
1977 ein von der Regierung genehmigter Flächennutzungsplan vorliegt.
Die Darstellung eines Grundstücks im Flächennutzungsplan
als Wohnbaufläche (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 BBauG) begründet für
sich allein noch keine Baulandqualität des Grundstücks (vgl.
Schlichter-Stich-Tittel, Bundesbaugesetz 2. Aufl. § 5 Rdnr. 8).
Aus dem gewissermaßen provisorischen Charakter des Flächennutzungsplans lassen sich Rechte eines Einzelnen im
allgemeinen nicht herleiten (Heitzer-Oestreicher, Bundesbaugesetz 6. Aufl. §5 Anm. 2 a).
Die Darstellung der Grundstücke im Flächennutzungsplan
bestätigt lediglich, daß die Kostenschuldnerin mit Recht erwarten kann, daß für diese Grundstücke einmal ein Bebauungspian aufgestellt werden wird. Sie gewährt aber weder
ihr noch anderen Personen einen Anspruch, auf diesen zur
Zeit des Erwerbes aus Rechtsgründen nicht bebaubaren
MittBayNot 1980 Heft 1
2. Am 30. Dezember 1971 schlossen die Eheleute D mit den Klägern einen notariell beurkundeten Vertrag, der in fünf Abschnitte
gegliedert ist:
In Abschnitt 1 bekunden die Eheleute D, in dem Vertrag als Veräußerer bezeichnet, ihre Absicht, das Grundstück mit einem Wohnhaus zu bebauen, und die Vertragsparteien erklären, u. a. darüber
einig zu sein,
a) daß die Veräußerer an die als Erwerber bezeichneten Kläger
Miteigentumsanteile, verbunden mit dem Sondereigentum an einer
zu errichtenden Wohnung veräußern (Abschnitt II der Vertragsurkunde) und
b) daß sie sich verpflichten, diese Wohnung für die Erwerber zu
errichten (Abschnitt III der Vertragsurkunde),
c) schließlich, daß die Vereinbarungen gern. Abschnitt II und Abschnitt III der Vertragsurkunde „in einer Weise selbständig sein
sollen (§ 139 BGB), daß die Wirksamkeit und Durchführung der
einen Vereinbarung durch die Wirksamkeit und Durchführung der
anderen Vereinbarung nicht bedingt sein soll, insbesondere der
Verkauf des Miteigentumsanteils an dem Grundstück auch dann
Bestand haben soll, wenn die im Sondereigentum stehende Wohnung ... nicht fertiggestellt werden sollte".
Nach Abschnitt II der Vertragsurkunde („Kaufvertrag und Auflassung") verkauften die Eheleute D den Klägern das Wohnungseigentum an der im zweiten Obergeschoß rechts gelegenen Wohnung
bestehend aus 2051,687/10000 Miteigentumsanteilen und dem
Sondereigentum an der Wohnung zum Preis von 111 806,68 DM.
Mit der Übergabe des Wohnungseigentums, spätestens aber ab
1. Januar 1973, sollten Gefahren, Lasten und Nutzungen auf die
Erwerber übergehen. Die Vertragsparteien erklärten die Auflassung.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BayObLG

Erscheinungsdatum:

10.12.1979

Aktenzeichen:

BReg. 3 Z 59/79

Erschienen in:

MittBayNot 1980, 42-43

Normen in Titel:

GG Art. 103 Abs. 1; KostO § 14 Abs. 3 und 4; WohnGebBefrG § 3 Abs. 2 Satz 2