OLG Düsseldorf 26. Mai 2010
3 Wx 90/10
BauGB §§ 24 ff.; BGB §§ 463 ff.; GBO § 20

Keine Nachweise betreffend gemeindliches Vorkaufsrecht erforderlich, wenn ersichtlich kein Vorkaufsfall vorliegt

Bestätigung der Wahl des Verwalters einberufen werden,
da für die erste Versammlung nie mehr ein geeignetes
Protokoll erstellt werden könnte, und zwar unabhängig
davon, wie viele andere Personen bei der Versammlung
noch anwesend waren, die diese Ergebnisse mit ihrer
Unterschrift „bezeugen“ könnten.
4. Fazit
Wenn auch der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom
22. 2. 2010 in großen Teilen zugestimmt werden kann, so
muss doch das vom Oberlandesgericht schließlich ausgeurteilte Ergebnis verwundern: Ein Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung ist zwar von einer ausreichenden Anzahl an „Garanten“ unterschrieben, reicht
aber als Nachweis doch nicht, weil eine Wohnungseigentümerin ihrer Unterschrift den – wahren – Zusatz „(Beirat)“ beigefügt hatte. Dies ist nicht praxisnah und auch
allzu spitzfindig, da die „Qualität“ als einfaches Beiratsmitglied für die Unterschriften zum Verwalternachweis
eben völlig ohne jeden Belang ist.15
Folglich reichten die
hier vorhandenen Unterschriften als Verwalternachweis
aus, das OLG hätte also den Rechtspfleger beim Grundbuchamt eigentlich anweisen müssen, von seinen Bedenken Abstand zu nehmen und den Eigentumswechsel
zu vollziehen, wenn keine weiteren Hinderungsgründe in
der Welt gewesen sind. Zumindest aber hätten Grundbuchamt und wohl auch noch das OLG die Beteiligten
darauf aufmerksam machen müssen, dass eine weitere
Unterschrift eines Sondereigentümers jederzeit noch
hätte „nachgeholt“16
werden können. Zumindest ist es
doch sehr wenig verfahrensökonomisch, jetzt den Eintragungsantrag zurückzuweisen, der dann morgen neu
gestellt werden wird, wenn – was bei einer bestimmten
Größe der Gemeinschaft kein Problem sein dürfte – noch
ein weiterer bei der Versammlung anwesend gewesener
Sondereigentümer das Versammlungsprotokoll unterschreibt und seine Unterschrift beglaubigen lässt.17
Rechtsprechung
1. Liegenschaftsrecht – Keine Nachweise betreffend gemeindliches Vorkaufsrecht erforderlich, wenn ersichtlich kein Vorkaufsfall vorliegt
(OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. 5. 2010 – 3 Wx
90/10)
BauGB §§ 24 ff.
BGB §§ 463 ff.
GBO § 20
1. Das Grundbuchamt kann die Vorlage eines Zeugnisses über das Nichtbestehen oder die Nichtausübung
des gemeindlichen Vorkaufsrechts nicht verlangen,
wenn die Überprüfung des zu vollziehenden notariellen Vertrages ergibt, dass ein Vorkaufsfall nicht vorliegt.
2. Eine Grundbesitzübertragung steht einem den Vorkaufsfall auslösenden Kauf nicht gleich, wenn die etwa
vorkaufsberechtigte Gemeinde nicht in der Lage
wäre, in den Vertrag einzutreten, weil sie die für die
Grundstücksübertragung vereinbarte Gegenleistung
(hier: neben Teilkaufpreiszahlung Übertragung eines
anderen Grundstücks) nicht vollständig erbringen
könnte.
Zum Sachverhalt:
I. Mit notariellem „Kauf- und Übertragungsvertrag“ vom
31. 3. 2009 (UR-Nr. . . ./2009 des vertretenden Notars) veräußerte die Bet. zu 1) den in K. belegenen Grundbesitz an den
Bet. zu 2); die Gegenleistung sollte derart erbracht werden, dass
die Bet. zu 3) für Rechnung des Bet. zu 2) – ihres Sohnes – den in
N. belegenen Grundbesitz auf die Bet. zu 1) übertrugen und der
Bet. zu 2) weiterhin einen Barkaufpreis von 85 000,– E entrichtete.
Mit Schrift vom 21. 7. 2009 haben die Bet. beantragt, den
Grundbesitz K. auf den Bet. zu 2) und den Grundbesitz N. auf
die Bet. zu 1) umzuschreiben; hierzu haben sie unter anderem
eine Bescheinigung der Gemeinde U. vorgelegt, wonach in Bezug auf den Grundbesitz K. ein Vorkaufsrecht nach dem Baugesetzbuch nicht bestehe beziehungsweise im Falle seines Bestehens nicht ausgeübt werde.
Mit Zwischenverfügung vom 19. 8. 2009 hat das GBA beanstandet, die Bet. müssten noch ein Zeugnis der zuständigen Gemeinde G., nämlich hinsichtlich des Grundbesitzes N., über das
Nichtbestehen beziehungsweise die Nichtausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechtes gemäß §§ 24 ff BauGB einreichen.
Die hiergegen mit der Begründung, hinsichtlich des Grundbesitzes N. liege kein Kauf-, sondern ein Übertragungsvertrag
vor, von den Bet. eingelegte Beschwerde ist vor dem LG ohne
Erfolg geblieben.
Aus den Gründen:
II. Das gemäß §§ 71 Abs. 1, 78 S. 1, 80 GBO a. F. als
weitere Beschwerde zulässige Rechtsmittel der Bet. hat
auch in der Sache Erfolg. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht auf einer Rechtsverletzung
i. S. d. §§ 78 S. 2 GBO a. F., 546 ZPO.
15 Man stelle sich nur vor, ein Notar hätte – gleichsam privat – als
Wohnungseigentümer unterschreiben sollen, aber gewohnheitsmäßig
seiner Unterschrift den Zusatz „Notar“ gegeben; auch dies müsste
wohl – da kein Namensbestandteil – nach OLG Düsseldorf das Protokoll als Verwalternachweis untauglich machen.
16 Eigentlich ist es ja keine „Nachholung“, da – wie ausgeführt – keine
Ausschlussfrist für die Leistung der Unterschriften unter dem Versammlungsprotokoll nach dem WEG besteht.
17 Eventuell müsste es das OLG Düsseldorf sogar ausreichen lassen,
wenn „Frau A. B.“ nun den Zusatz „(Beirat)“ im Protokoll streicht
und dann ihre Unterschrift erneut notariell beglaubigen lässt, da sie
doch wohl nicht nur als „Beirat“, sondern auch als „Wohnungseigentümerin“ der Versammlung beigewohnt hat, und daher auch in
dieser „Qualität“ (neu) unterschreiben dürfte.
Rechtsprechung RNotZ 2010, Heft 9 457


RNotZ 2010, Heft 9
LG: Das GBA hat selbständig zu prüfen, ob der Gemeinde ein Vorkaufsrecht zusteht, was bei einem Tausch
der Fall sein kann
1. Das LG hat ausgeführt: Das GBA habe selbständig
und eigenverantwortlich zu prüfen, ob der Gemeinde ein
Vorkaufsrecht überhaupt zustehe; es könne die Vorlage
eines Zeugnisses über das Nichtbestehen bzw. die Nichtausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts nach §§ 24
bis 28 BauGB nicht verlangen, wenn sich aus dem zu
vollziehenden notariellen Vertrag ergebe, dass ein Vorkaufsfall nicht gegeben sei. Hier handele es sich bezüglich
des Grundbesitzes N. zwar nicht um einen Kaufvertrag,
sondern um einen Tausch. Auf einen solchen fänden gemäß § 480 BGB jedoch die Vorschriften über den Kauf
entsprechende Anwendung. Im übrigen wäre, wollte man
anders entscheiden, es für einen Verkäufer ein Leichtes,
durch Übertragung von Grundbesitz nicht gegen Geld,
sondern beispielsweise gegen marktgängige Wertpapiere
das gemeindliche Vorkaufsrecht zu unterlaufen.
2. Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden
rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Zwar hat das LG den Prüfungsumfang des GBA nach
zutreffenden rechtlichen Grundsätzen bestimmt und ist
es auch ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass sich
die Übertragung des Grundbesitzes N. als Tausch darstellt. Die vom Beschwerdegericht hieraus gezogenen
rechtlichen Folgerungen sind indes nicht tragfähig.
§§ 463 ff. BGB finden auf das Vorkaufsrecht nach dem
BauGB Anwendung
Die den Vorkauf regelnden §§ 463 bis 474 BGB finden
anerkanntermaßen auch auf die gesetzlichen Vorkaufsrechte, wozu das im Baugesetzbuch geregelte Vorkaufsrecht für Gemeinden zählt, Anwendung (statt aller: Palandt/Weidenkaff, 69. Aufl. 2010, vor § 463 BGB Rn. 2
und 4). § 463 BGB erfordert für den Eintritt des Vorkaufsfalles das Vorliegen eines Kaufvertrages zwischen
dem Vorkaufsverpflichteten und dem Drittkäufer. Es ist
seit jeher anerkannt, dass das Vorkaufsrecht nicht bei
anderen Schuldrechtsverhältnissen zwischen diesen Personen begründet wird, so beispielsweise nicht bei gemischter Schenkung, Einbringung in eine Gesellschaft
oder deren Auseinandersetzung oder bei Tausch (speziell
für das gemeindliche Vorkaufsrecht: Krämer, MittRhNotK 1961, S. 186, 204; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl. 2008, Rn. 4113 a).
Vorliegen eines Vorkaufsfalls nach materiellen Kriterien
zu bestimmen
Allerdings hat die höchstrichterliche Rechtsprechung
nicht verkannt, dass „eine einfallsreiche Kautelarpraxis
. . . seit jeher Versuche unternommen (habe), Vorkaufsrechte zu unterlaufen“ (BGHZ 115, 335 ff. = DNotZ
1992, 414 = MittRhNotK 1992, 20). Dem tritt die Rechtsprechung des BGH dadurch entgegen, dass bei der
Frage, ob ein Vorkaufsfall gegeben sei, rein formale Kriterien zurücktreten müssten gegenüber einer materiellen
Betrachtungsweise und einem interessengerechten Verständnis; es gebe Vertragsgestaltungen, die einem Kauf
im Sinne des Vorkaufsrechts so nahe kämen, dass sie ihm
unter Berücksichtigung der Interessen des Vorkaufsberechtigten und des Vorkaufsverpflichteten gleichgestellt
Rechtsprechung
werden könnten, und in die der Vorkaufsberechtigte zur
Wahrung seines Abwehr- und Erwerbsinteresses „eintreten“ könne, ohne die vom Verpflichteten ausgehandelten Konditionen der Veräußerung zu beeinträchtigen
(BGH a.a.O. sowie BGH NJW 1998, S. 2136 ff. = DNotZ
1998, 892). In der obergerichtlichen Rechtsprechung sind
diese Grundsätze auf das gemeindliche Vorkaufsrecht
nach BauGB übertragen worden (OLG Frankfurt NJW
1996, S. 935 = MittRhNotK 1996, 333, dort für den Fall
der Vereinbarung einer Gegenleistung nicht in Geld,
sondern durch Hingabe von fünf marktgängigen Aktien).
Im Ergebnis besteht ein Vorkaufsrecht damit nicht nur in
Fällen der Gesetzesumgehung – gemäß § 134 BGB – (so
bereits BGH DNotZ 1961, S. 263 f.), sondern auch in
denjenigen einer einem Kauf auf die vorbezeichnete
Weise gleichkommenden Vertragsgestaltung.
Beim Abschluss eines Tauschvertrags mit einem Dritten
liegt ein Vorkaufsfall nur vor, wenn der Vorkaufsberechtigte die Gegenleistung überhaupt erbringen kann
§ 480 BGB führt zu keinem weitergehenden Ergebnis.
Zwar kann der Abschluss eines Tauschvertrages über
eine Sache, die den Gegenstand eines Vorkaufsrechts
bildet, ein Vorkaufsfall sein, aber nur dann, wenn sich der
Vorkaufsverpflichtete eine auch vom Vorkaufsberechtigten erbringbare Gegenleistung ausbedungen hat (vgl.
MünchKomm/Westermann, 5. Aufl. 2008, § BGB 480
Rn. 7, dort aber wohl unter Verwechselung der Bet.).
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall
an, ergibt sich aus dem zu vollziehenden notariellen Vertrag, dass ein Vorkaufsfall nicht gegeben ist, weil in der
hier maßgeblichen Hinsicht kein Kaufvertrag mit einem
Dritten oder eine diesem gleichkommende Vertragskonstruktion vorliegt.
Die Übertragung des Grundbesitzes N. kommt schon
deshalb einem Kauf nicht im vorbezeichneten Sinne
gleich, weil die etwa vorkaufsberechtigte Gemeinde in
den Vertrag nicht „eintreten“ könnte, ohne die von den
etwa vorkaufsverpflichteten Bet. zu 3) ausgehandelten
Konditionen zu beeinträchtigen. Die Gemeinde wäre
gerade nicht in der Lage, die vereinbarte Gegenleistung
zu erbringen, nämlich den Grundbesitz K. ganz oder
teilweise zu übertragen. Erst recht kann keine Rede davon sein, die bezeichnete Gegenleistung sei einer solchen
in Geld funktional gleichwertig.
Dass Gegenleistung für den Erwerb des Grundbesitzes
K. überwiegend in Geld und nur zum restlichen Teil
durch Tausch erbracht werden soll, reicht für sich genommen zur Annahme eines Umgehungsgeschäftes
nicht aus
Dafür, dass die vertragliche Konstruktion insgesamt hier
gewählt wurde, um ein Vorkaufsrecht der Gemeinde in
Bezug auf den Grundbesitz N. zu unterlaufen, gibt es
ebenfalls keine Anhaltspunkte, weder aus dem eingereichten notariellen Vertrag, noch aus dem Inhalt der
Grundakte im übrigen. Der bloße Umstand, dass die
Gegenleistung für den Erwerb des Grundbesitzes K.
überwiegend – zu rund 64 % – in Geld und nur zum restlichen Teil durch tauschweise Übertragung anderen
Grundbesitzes erbracht werden sollte, reicht für sich ge

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

26.05.2010

Aktenzeichen:

3 Wx 90/10

Rechtsgebiete:

Grundbuchrecht
Öffentliches Baurecht
Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf

Erschienen in:

RNotZ 2010, 457-459
FGPrax 2010, 275-276
NJW-RR 2011, 307-308

Normen in Titel:

BauGB §§ 24 ff.; BGB §§ 463 ff.; GBO § 20