BGH 13. Oktober 2016
V ZB 98/15
BGB §§ 428, 464, 472, 875, 1094

Löschung eines Vorkaufsrechts im Grundbuch; Unzulässigkeit eines Vorkaufsrechts für Gesamtberechtigte i. S. v. § 428 BGB

DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 30.3.2017
BGH, Beschl. v. 13.10.2016 - V ZB 98/15

BGB §§ 428, 464, 472, 875, 1094
Löschung eines Vorkaufsrechts im Grundbuch; Unzulässigkeit eines Vorkaufsrechts für
Gesamtberechtigte i. S. v. § 428 BGB

1. Zur Aufhebung eines dinglichen Rechts, für das eine Gesamtberechtigung im Sinne des § 428
BGB besteht, ist, sofern sich aus dem zugrundeliegenden Schuldverhältnis nicht etwas anderes
ergibt, die Aufgabeerklärung aller Gesamtgläubiger erforderlich.
2. Ein dingliches Vorkaufsrecht kann nicht für mehrere Berechtigte als Gesamtgläubiger im
Sinne von § 428 BGB bestellt werden.
3. Ist ein dingliches Vorkaufsrecht mit einer solchen Gesamtberechtigung im Grundbuch
eingetragen, ist in der Regel davon auszugehen, dass das Recht in dem zulässigen Umfang
gewollt war und damit entstanden ist.
4. Wurde ein dingliches Vorkaufsrecht mit einer Ge-samtberechtigung gemäß § 428 BGB in das
Grundbuch eingetragen, ist nur der das Gemeinschaftsverhältnis bezeichnende Teil der
Eintragung inhaltlich unzulässig.

Gründe:

I.
In dem im Beschlusseingang bezeichneten Grundbuch ist in der Abteilung
II ein Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall für die Beteiligte sowie
für eine aus ihr und weiteren Miterben bestehende ungeteilte Erbengemeinschaft
als Gesamtberechtigte gemäß § 428 BGB eingetragen. Die Beteiligte
bewilligte mit öffentlich beglaubigter Urkunde für alle Gesamtberechtigten die
Löschung des Vorkaufsrechts im Grundbuch und bevollmächtigte den Notar mit
dem Vollzug der Urkunde im Grundbuchverfahren.
Auf den von dem Notar im Namen der Beteiligten gestellten Löschungsantrag
hat das Grundbuchamt eine Zwischenverfügung erlassen und aufgegeben,
binnen drei Monaten die Löschungsbewilligungen der weiteren Vorkaufsberechtigten
zur Akte zu reichen. Der Beschwerde gegen die Zwischenverfügung
hat das Grundbuchamt nicht abgeholfen. Das Oberlandesgericht hat die
Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen; mit dieser
verfolgt die Beteiligte ihren Löschungsantrag weiter.

II.
Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung u.a. in FGPrax 2015,
196 ff. veröffentlicht ist, meint, zur Löschung des eingetragenen Vorkaufsrechts
seien die Bewilligungen auch der anderen Gesamtgläubiger erforderlich. Ein
Gesamtgläubiger sei allein nicht berechtigt, die Löschung eines dinglichen
Rechts, für das eine Gesamtberechtigung nach § 428 BGB bestehe, zu bewilligen.
Aus der in § 429 Abs. 3 Satz 1 BGB angeordneten entsprechenden Anwendung
des § 423 BGB auf die Gesamtgläubigerschaft folge nicht, dass ein
Gesamtgläubiger mit Wirkung für die übrigen Gläubiger einen Erlassvertrag mit
dem Schuldner schließen könne. Ein Gesamtgläubiger sei daher nicht befugt,
das auch anderen Gesamtgläubigern zustehende Recht allein aufzugeben.

III.
1. Die nach § 78 Abs. 1 GBO statthafte und auch im Übrigen gemäß § 78
Abs. 3 GBO i.V.m. § 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde hat allein deshalb
Erfolg, weil das Grundbuchamt eine Zwischenverfügung mit einem nach § 18
GBO nicht zulässigen Inhalt erlassen hat.
a) Durch den Erlass einer Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 Satz 1
GBO sollen dem Antragsteller der Rang und die sonstigen Rechtswirkungen
erhalten bleiben, die sich nach dem Eingang des Antrags richten und durch
dessen sofortige Zurückweisung verloren gingen (Senat, Beschluss vom
26. September 2013 - V ZB 152/12, NJW 2014, 1002 Rn. 6). Die Vorschrift bezieht
sich auf die Beseitigung eines der Eintragung entgegenstehenden Hindernisses
und ist nicht anwendbar, wenn der Mangel des Antrags nicht mit rückwirkender
Kraft geheilt werden kann (Senat, Beschluss vom
23. Mai 1958 V ZB 12/58, BGHZ 27, 310, 313; Beschluss vom 26. September
2013 V ZB 152/12, aaO; Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 1/12,
FGPrax 2014, 192 Rn. 6).
Mit einer Zwischenverfügung kann dem Antragsteller deshalb nicht aufgegeben
werden, eine erst noch zu erklärende Eintragungs- oder Löschungsbewilligung
des von der Eintragung unmittelbar Betroffenen beizubringen (vgl.
Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 1/12, aaO; BayObLG, MittBayNot
1989, 312 und NJW-RR 2004, 1533, 1534; OLG Hamm, MittBayNot 2003, 386;
OLG Düsseldorf, NJW-RR 2016, 141 Rn. 11; OLG Zweibrücken, OLGZ 1991,
153, 154; BeckOK-GBO/Zeiser, 27. Edition, § 18 Rn. 17; KEHE/Volmer, Grundbuchrecht,
7. Aufl., § 18 Rn. 25). Der Antrag ist dann zurückzuweisen. So verhält
es sich auch, wenn mehrere Personen Inhaber des von der Eintragung
bzw. Löschung betroffenen Rechts sind, aber nur einige von ihnen die Bewilligung
erklärt haben (vgl. BayObLGZ 1988, 229, 231 und MittBayNot 1995, 296,
297; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2013, 1174).
b) Danach liegt hier eine unzulässige Zwischenverfügung des Grundbuchamts
vor. Es hat der Beteiligten aufgegeben, die Löschungsbewilligungen
der weiteren Vorkaufsberechtigten vorzulegen, weil es einen von mehreren
Vorkaufsberechtigten auch dann nicht für befugt hält, allein die Löschung des
Vorkaufsrechts zu bewilligen, wenn eine Gesamtberechtigung nach § 428 BGB
im Grundbuch eingetragen ist. Von seinem Standpunkt aus hätte das Grundbuchamt
keine Zwischenverfügung erlassen dürfen, sondern hätte eine Verbesserung
des Antrags anregen oder - bei Vorliegen nachfolgender Eintragungsanträge
- den Löschungsantrag der Beteiligten zurückweisen müssen.
2. Hat das Beschwerdegericht, wie hier, die Beschwerde gegen eine unzulässige
Zwischenverfügung zurückgewiesen, sind auf die Rechtsbeschwerde
sein Beschluss und die Zwischenverfügung des Grundbuchamts aufzuheben.
Eine Entscheidung in der Sache ist dem Rechtsbeschwerdegericht nicht möglich,
weil Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens nur die Zwischenverfügung
und nicht der Eintragungsantrag ist (Senat, Beschluss vom
26. September 2013 - V ZB 152/12, NJW 2014, 1002 Rn. 10, 11; Beschluss
vom 26. Juni 2014 - V ZB 1/12, FGPrax 2014, 192 Rn. 10).

IV.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts, wonach einem Gesamtgläubiger
grundsätzlich nicht das Recht zusteht, über die Forderung zu Lasten
der anderen Gesamtgläubiger zu verfügen, steht mit der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs in Einklang (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1986
VI ZR 234/84, NJW 1986, 1861, 1862; Urteil vom 5. Mai 2009 VI
ZR 208/08,
NJW-RR 2009, 1534 Rn. 23; ebenso Staudinger/Looschelders, BGB [2012],
§ 429 Rn. 19; MüKoBGB/Bydlinski, BGB, 7. Aufl., § 429 Rn. 5;
Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 429 Rn. 1; BeckOK-BGB/Gehrlein,
39. Edition, § 429 Rn. 2; PWW/Müller, BGB, 11. Aufl., § 429 Rn. 4; Selb, Mehrheiten
von Gläubigern und Schuldnern, S. 257; aA Erman/L. Böttcher, BGB,
14. Aufl., § 429 Rn. 5; jurisPK-BGB/Rüßmann, 7. Aufl., § 429 Rn. 12).
Für dingliche Rechte gilt nichts anderes. Zur Aufhebung eines dinglichen
Rechts, für das eine Gesamtberechtigung im Sinne des § 428 BGB besteht, ist,
sofern sich aus dem zugrundeliegenden Schuldverhältnis nicht etwas anderes
ergibt, die Aufgabeerklärung (§ 875 Abs. 1 BGB) aller Gesamtgläubiger erforderlich
(ebenso BayObLGZ 1975, 191, 195; Staudinger/Gursky, BGB [2012],
§ 875 Rn. 36; MüKoBGB/Kohler, 7. Aufl., § 875 Rn. 14; Palandt/Herrler, BGB,
76. Aufl., § 875 Rn. 5; aA BayObLGZ 1962, 205, 209; OLG Hamburg,
OLGR 2003, 496; OLG Bremen, OLGZ 1987, 29, 30; OLG Zweibrücken,
FGPrax 2014, 59, 60; KG, JW 1937, 3158, offen gelassen dagegen in
OLGZ 1965, 92, 95). Demgemäß genügt die Bewilligung (§ 19 GBO) nur eines
Gesamtgläubigers nicht, um das gesamte Recht zur Löschung zu bringen (vgl.
Demharter, GBO, 30. Aufl., § 19 GBO Rn. 44; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht,
15. Aufl. Rn. 2734; aA Meikel/R. Böttcher, GBO, 11. Aufl., § 19 GBO
Rn. 58, wohl auch KEHE/Munzig, Grundbuchrecht, 7. Aufl., § 19 GBO Rn. 47).
2. Bei einem dinglichen Vorkaufsrecht (§ 1094 BGB), um dessen Löschung
es hier geht, ist diese Rechtsfrage allerdings ohne Relevanz. Denn ein
solches Recht kann nicht wirksam für mehrere Berechtigte als Gesamtgläubiger
im Sinne von § 428 BGB bestellt werden.
a) Das ist allerdings streitig.
aa) Nach Auffassung einiger Instanzgerichte (OLG Frankfurt, DNotZ
1986, 239; OLG Stuttgart, NJW-RR 2009, 952; LG Köln, MittRhNotK 1977, 192)
und einer im Schrifttum verbreiteten Ansicht soll es zulässig sein, ein dingliches
Vorkaufsrecht mit einer Gesamtberechtigung gemäß § 428 BGB zu bestellen
(so Erman/L. Böttcher, BGB, 14. Aufl., § 428 Rn. 15; Hertel in
Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, 2. Aufl., Teil 2
Rn. 505; Demharter, MittBayNot 1998, 16, 17; MüKoBGB/Westermann, 7. Aufl.,
§ 1094 Rn. 8; Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl., § 1094 Rn. 3; Reetz in Hügel,
GBO, 3. Aufl., § 47 Rn. 6 und in NK-BGB, 4. Aufl., § 1094 Rn. 29; Schöner/
Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 1406; Staudinger/Looschelders, BGB
[2012], § 428 Rn. 119; Wegmann in Bauer/v. Oefele, GBO, 3. Aufl., § 47
Rn. 108 und in BeckOK-BGB, 39. Edition, § 1094 Rn. 11). Die Rechtsfolgen
eines Vorkaufsrechts „jedes Berechtigten für sich“ (MüKoBGB/Westermann,
aaO) sollen darin bestehen, dass mit dessen Ausübung nur ein Kaufverhältnis
(§ 1098 Abs. 1 Satz 1, § 464 Abs. 2 BGB) zwischen dem Vorkaufsverpflichteten
und einem der Gesamtberechtigten entsteht (Wegmann in Bauer/v. Oefele,
GBO, aaO). Werde das Vorkaufsrecht mehrfach durch die Berechtigten - jeweils
für sich - ausgeübt, soll der durch die Ausübung des Vorkaufsrechts begründete
Kaufvertrag allein zwischen dem zuerst das Vorkaufsrecht ausübenden
Berechtigten und dem Vorkaufsverpflichteten zustande kommen (OLG
Stuttgart, NJW-RR 2009, 952, 953 unter Bezugnahme auf Soergel/Huber, BGB,
12. Aufl., § 513 Rn. 4; ebenso Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern,
S. 253). Teilweise wird demgegenüber angenommen, aus der mehrfachen
Vorkaufsrechtsausübung entstünden mehrere Auflassungsansprüche; erst
die Erfüllung eines dieser Ansprüche gegenüber einem der Gesamtberechtigten
wirke für den Vorkaufsverpflichteten schuldbefreiend (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht,
aaO).
bb) Nach anderer Auffassung ist die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts
für mehrere Berechtigte mit einer Gesamtberechtigung gemäß
§ 428 BGB nicht zulässig (R. Böttcher, RpflStud 2011, 208, 210; ders. in
Lemke, Immobilienrecht, 2. Aufl., § 47 Rn. 19; Haegele, BWNotZ 1969, 117,
130; KEHE/Keller, Grundbuchrecht, 7. Aufl., § 47 GBO Rn. 12, 13; RGRKBGB/
Rothe, 12. Aufl., § 1094 Rn. 9). Begründet wird das u.a. damit, dass mit
dem Vorkaufsrecht für mehrere Berechtigte in § 472 Satz 1 BGB ein einheitliches
Recht gemeint sei, das die Berechtigten - wie das Recht zur Forderung
einer unteilbaren Leistung im Sinne des § 432 Abs. 1 Satz 1 BGB - nur gemeinschaftlich
ausüben könnten, was sich mit einer Berechtigung im Sinne des
§ 428 BGB nicht vertrage. Wenn mehrere Personen unabhängig voneinander
zum Vorkauf berechtigt sein sollten, läge kein Fall des § 472 BGB vor. Sollten
mehrere selbständige Vorkaufsrechte nebeneinander bestehen, müssten diese
auch so bestellt und getrennt voneinander eingetragen werden (vgl. KG, DNotZ
1929, 736; Planck/Strecker, BGB, 5. Aufl., § 1098 Anm. 2k; RGRK-BGB/Rothe,
12. Aufl., aaO; Weber, DNotZ 1953, 264, 265; KEHE/Keller, aaO; zu den
Voraussetzungen für eine Bestellung selbständiger, ranggleicher Vorkaufsrechte:
Senat, Urteil vom 11. Juli 2014 - V ZR 18/13, BGHZ 202, 77 Rn. 22 mwN).
Teilweise wird darauf abgestellt, dass es mit § 472 BGB nicht vereinbar sei,
wenn der Grundstückseigentümer als Vorkaufsverpflichteter nach § 428 BGB
auswählen könne, an welchen der Vorkaufsberechtigten er leiste (R. Böttcher,
RpflStud 2011, 208, 210; ders. in Lemke, Immobilienrecht, 2. Aufl., § 47
Rn. 19).
b) Die besseren Gründe sprechen für die letztgenannte Auffassung. Ein
dingliches Vorkaufsrecht kann nicht für mehrere Berechtigte als Gesamtgläubiger
im Sinne von § 428 BGB bestellt werden.
aa) Das dingliche Vorkaufsrecht nach § 1094 BGB ist ein eigenständiges
Sachenrecht und von einem durch eine Vormerkung gesicherten schuldrechtlichen
Vorkaufsrecht zu unterscheiden (Senat, Urteil vom 22. Mai 1970
V ZR 80/69, WM 1970, 1024, 1025; Urteil vom 22. November 2013
V ZR 161/12, NJW 2014, 622 Rn. 10). Sein Inhalt bestimmt sich aufgrund der
Verweisung in § 1098 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den Vorschriften des schuldrechtlichen
Vorkaufsrechts (§§ 463 bis 473 BGB). Diese sind bei dem dinglichen
Vorkaufsrecht grundsätzlich zwingend (vgl. Senat, Urteil vom
23. April 1954 - V ZR 145/52, BGHZ 13, 133, 139; Urteil vom 28. Juni 1968
V ZR 129/67, WM 1968, 1087, 1088; Staudinger/Schermaier, BGB [2017],
§ 1098 Rn. 5; MüKoBGB/Westermann, 7. Aufl., § 1098 Rn. 1; Erman/Grziwotz,
BGB, 14. Aufl., § 1098 Rn. 1).
bb) Eine Gesamtberechtigung mehrerer Vorkaufsberechtigter nach § 428
BGB stellt eine unzulässige Abweichung von § 472 BGB dar. Nach dieser Vorschrift
haben die Vorkaufsberechtigten das Vorkaufsrecht nicht nur im Ganzen,
sondern auch gemeinschaftlich auszuüben. Zwischen mehreren Vorkaufsberechtigten
besteht eine besondere, durch § 472 Satz 2 BGB näher ausgestaltete
gesamthandartige Berechtigung. Nur wenn das Recht der anderen Berechtigten
erloschen ist oder nicht ausgeübt wird, ist der verbleibende Berechtigte berechtigt,
das Vorkaufsrecht allein auszuüben; ansonsten hat die Ausübung gemeinschaftlich
zu erfolgen (vgl. Senat, Beschluss vom 11. September 1997
V ZB 11/97, BGHZ 136, 327, 330 [zu § 513 BGB aF]; Urteil vom
13. März 2009 - V ZR 157/08, NJW-RR 2009, 1172 Rn. 22; Soergel/
Wertenbruch, BGB, 13. Aufl., § 472 Rn. 1). Bei einer Berechtigung im Sinne
des § 428 BGB könnte dagegen jeder Vorkaufsberechtigte ohne Rücksicht auf
die Berechtigung des anderen das Vorkaufsrecht im Ganzen für sich allein ausüben.
Das widerspricht der in § 472 BGB bestimmten gemeinschaftlichen Be-
rechtigung und ist daher unwirksam (Senat, Urteil vom 13. März 2009
V ZR 157/08, aaO; Erman/Grunewald, BGB, 14. Aufl., § 472 Rn. 1).
cc) Gegen die Zulässigkeit einer Gesamtberechtigung nach § 428 BGB
spricht zudem, dass bei mehrfacher Ausübung des Vorkaufsrechts durch einzelne
Berechtigte mehrere Kaufverträge entstünden. Denn durch jede Erklärung
käme nach § 464 Abs. 2 BGB ein Kauf zwischen dem das Vorkaufsrecht ausübenden
Berechtigen und dem Verpflichteten zustande. Erfüllen könnte der
Verpflichtete aber nur einen der Verträge.
Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die erste Ausübung des Vorkaufsrechts
durch einen der Berechtigten die anderen Vorkaufsrechte zum Erlöschen
bringe (so aber Bauer/v. Oefele/Wegmann, GBO, 3. Aufl., § 47
Rn. 108; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, S. 252; Staudinger/
Looschelders, BGB [2012], § 428 Rn. 119). Das Prioritätsprinzip gilt bei einer
Gesamtgläubigerschaft nach § 428 BGB gerade nicht. Sie ist vielmehr
dadurch gekennzeichnet, dass jedem Gesamtgläubiger ein eigener Anspruch
auf die ganze Leistung zusteht (vgl. Senat, Urteil vom 4. März 1959
V ZR 181/57, BGHZ 29, 363, 364 f.; Beschluss vom 21. Dezember
1966 V ZB 24/66, BGHZ 46, 253, 257; Beschluss vom
3. Mai 2012 V
ZB 112/11, FamRZ 2012, 1213 Rn. 13), der Schuldner jedoch
nach seinem Belieben ohne Rücksicht auf das Verhältnis der Gesamtgläubiger
untereinander an einen jeden von ihnen mit schuldbefreiender Wirkung leisten
kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1972 - III ZR 107/69, BGHZ 59, 187, 191;
Urteil vom 11. Juli 1979 VIII
ZR 215/78, NJW 1979, 2038, 2039). Davon abgesehen,
erwiese sich das Prioritätsprinzip, etwa bei einem Zugang der Ausübungserklärungen
am selben Tage mit gleicher Post, häufig als nicht durchführbar.
3. Das Vorkaufsrecht ist nicht deshalb zu löschen, weil es nicht mit einer
Gesamtberechtigung nach § 428 BGB hätte eingetragen werden dürfen.
a) Die Voraussetzungen für eine Löschung wegen inhaltlicher Unzulässigkeit
gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO liegen nicht vor.
Wurde ein dingliches Vorkaufsrecht mit einer Gesamtberechtigung gemäß
§ 428 BGB in das Grundbuch eingetragen, ist nur der das Gemeinschaftsverhältnis
bezeichnende Teil der Eintragung inhaltlich unzulässig. Durch die
inhaltliche Unzulässigkeit eines Teiles der Grundbucheintragung wird die Zulässigkeit
und Wirksamkeit der restlichen Eintragung nicht berührt, wenn diese für
sich den wesentlichen Erfordernissen genügt (Senat, Urteil vom
20. Mai 1966 V ZR 182/63, NJW 1966, 1656, 1657; Urteil vom 28. Juni 1968
V ZR 129/67, WM 1968, 1087, 1088; Demharter, GBO, 30. Aufl., § 53 Rn. 58;
Meikel/Schneider, GBO, 11. Aufl., § 53 Rn. 352). Das ist hier der Fall, weil sich
der Inhalt des dinglichen Vorkaufsrechts auf Grund der Verweisung in § 1098
Abs. 1 Satz 1 BGB unmittelbar aus § 472 BGB ergibt und es daher keiner Eintragung
der gemeinschaftlichen Berechtigung nach § 47 Abs. 1 GBO bedarf
(BayObLGZ 1958, 196, 203; KG, DNotZ 1929, 736, 737).
b) Auch eine Löschung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO wegen nachgewiesener
Unrichtigkeit des Grundbuchs scheidet aus.
Allerdings liegt eine Divergenz zwischen dem bewilligten Vorkaufsrecht
mit einer Gesamtberechtigung nach § 428 BGB und dem vor, was zulässigerweise
in das Grundbuch eingetragen werden und entstehen konnte. Ein Vorkaufsrecht
mit einer (nur) gemeinschaftliche Berechtigung im Sinne des § 472
BGB bleibt in Bezug auf die Berechtigung zu seiner Ausübung hinter dem Ge-
wollten zurück. Liegt eine solche partielle Inkongruenz zwischen der Einigung
und der Eintragung vor, ist anhand von § 139 BGB zu ermitteln, ob die Rechtsänderung,
auch so wie sie eingetragen ist, von der Einigung gedeckt ist. In der
Regel ist allerdings davon auszugehen, dass sich die Einigung auch auf die
hinter ihr zurückbleibende Eintragung erstreckt (vgl. Senat, Beschluss vom
6. November 2014 - V ZB 131/13, NJW-RR 2015, 208 Rn. 26 mwN).
So verhält es sich auch hier. Ist ein dingliches Vorkaufsrecht mit einer
Gesamtberechtigung nach § 428 BGB im Grundbuch eingetragen, ist in der
Regel davon auszugehen, dass das Recht mit dem zulässigen Inhalt gewollt
war und damit entstanden ist. Denn ein Vorkaufsrecht mit einer gemeinschaftlichen
Berechtigung im Sinne des § 472 BGB bleibt in seinen Wirkungen nicht
wesentlich hinter dem bewilligten zurück. Der Kern des Rechts besteht in der
Möglichkeit, das Grundstück zu erwerben, wenn es an einen Dritten verkauft
wird; er wird nicht dadurch verändert, dass die Vorkaufsberechtigten es grundsätzlich
gemeinschaftlich ausüben müssen.

V.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Festsetzung des Geschäftswerts
ist gemäß § 60 Abs. 1 i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 2 GNotKG mit der
Hälfte des Werts des Grundstücks in Ansatz zu bringen, auf das sich das Vorkaufsrecht
bezieht; der Senat geht mangels anderer Anhaltspunkte davon aus,
dass der von dem Beschwerdegericht festgesetzte Wert dem entspricht.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

13.10.2016

Aktenzeichen:

V ZB 98/15

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf

Normen in Titel:

BGB §§ 428, 464, 472, 875, 1094