BGH 02. Oktober 1981
V ZR 126/80
BGB §§ 816, 892

Wiederbestellungsanspruch hinsichtlich eines durch unentgeltlichen Gutglaubenserwerb erloschenen Rechts

der sich aus § 161 BGB für die Veräußerin ergebenden „Verfügungsbeschränkung" und nicht die Eintragung eines daneben vereinbarten rechtsgeschäftlichen Veräußerungsverbots anstreben, was wegen § 137 BGB unstatthaft wäre (Palandt, Anm. 1 zu § 137). Dies ergibt sich insbesondere auch
aus der Beschwerdebegründung, in der die Verfügungsbeschränkung als solche des § 161 BGB ausdrücklich erwähnt ist.
Ob § 161 BGB überhaupt eine Verfügungsbeschrärikung
beinhaltet (Abl. MIR, V 177 zu § 13), und ob es sich dabei gegebenenfalls um eine absolute oder nur um eine relative Verfügungsbeschränkung handelt (dazu Winkler in MittBayNot
1978, 2 m.w. N.), ist für die Entscheidung der aufgeworfenen
Rechtsfrage indes unerheblich. Sowohl im einen wie im anderen Fall wird die Eintragung der sich aus § 161 BGB ergebenden „Verfügungsbeschränkung" im Grundbuch allgemein fürzulässig erachtet, weil dadurch ein gutgläubiger Erwerb nach § 161 Abs. 3 i.V.m. §§ 892 f. ausgeschlossen werden kann (MIR aaO, Winkler aaO, KEH, Einleitung J 16 und
B 27; s.a. RGZ 76, 91 wegen eines befristeten Rechts).
2. Dem gestellten Eintragungsantrag durfte demnach nur
dann nicht stattgegeben werden, wenn vorliegend ein zwischenzeitlicher Gutglaubenserwerb Dritter am betreffenden
Grundbesitz nicht in Betracht kommen kann. Davon ging
das Grundbuchamt im Hinblick auf § 2033 Abs. 2 BGB für
den Fall der anderweitigen Übertragung des Miteigentums
am betreffenden Grundbesitz und im Hinblick auf die (bei
Palandt, Anm. 3 zu § 892 vermerkte) Nichtanwendbarkeit von
§ 892 BGB im Falle der, Gesamtrechtsnachfolge bei einem
möglichen anderweitigen Erbanteilsverkauf (vgl. § 2033
Abs. 1 BGB) durch die Veräußerin auch aus.
Dennoch ist ein Gutglaubenserwerb Dritter hier nicht völlig
ausgeschlossen, wenn auch nicht naheliegend. Er kommt
z.B. bei einem Zweiterwerb in Betracht, wenn ein dritter
Ersterwerber entgegen § 2033 Abs. 2 BGB zwischenzeitlich
versehentlich als Eigentümer im Grundbuch eingetragen
war (s.a. Palandt, Anm. 5 b zu § 892); gleiches gilt bei einer
zwischenzeitlichen Erbanteilsveräußerung, wenn der daraufhin eingetragene Erwerber den Grundbesitz weiter veräußert.
Der Beschwerde der Beteiligten war somit stattzugeben.
4. BGB §§ 816, 892 (Wiederbestellungsanspruch hinsichtlich
eines durch unentgeltlichen Gutglaubenserwerb erloschenen Rechts)
§ 816 Abs. 1 Satz 2 BGB ist auch anzuwenden, wenn bei
unentgeltlichem Erwerb eines Grundstücks vom Eigentümer das Recht eines Dritten an dem Grundstück infolge
des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs (§ 892 BGB)
erlischt.
BGH, Urteil vom 2.10.1981 — V ZR 126/80 — mitgeteilt von
D. Bundschuh, Richter am BGH
Aus dem Tatbestand:
Der Beklagte zu 1 war Eigentümer von vier Grundstücken, die mit
einem Rohrleitungsrecht zugunsten der Klägerin belastet waren.
1959 wurde das Recht irrtümlich im Grundbuch gelöscht. Das größte
der Grundstücke ließ der Beklagte zu 1 zehn Jahre später neu vermessen und in drei Teile aufteilen. Er übereignete je ein Teilstück durch
notariellen Überlassungsvertrag vom 4. November 1969 „schenkweise" seinen Kindern, den Beklagten zu 2 und 3. Die Eigentums.
umschreibung erfolgte im Mai 1971.
Die Klägerin hat verlangt, daß die Beklagten „die Wiedereintragung
des gelöschten Rohrleitungsrechts bewilligen"."
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das
Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Aus den Gründen:
Die Revision der Beklagten bleibt im Endergebnis ohne Erfolg.
Der Anspruch auf Wiederbestellung des infolge der Vorschriften über den öffentlichen Glauben des Grundbuchs erloschenen Rohrleitungsrechts ist nach § 816 Abs. 1 Satz 2
BGB- begründet.
Allerdings hat der Vater. der Beklagten nicht als Nichtberechtigter und nicht über das Rohrleitungsrecht der Klägerin
verfügt. Er hat vielmehr ihm gehörende Grundstücke den Beklagten übereignet. Das diesen nicht bekannte Rohrleitungsrecht der Klägerin ist dabei infolge des öffentlichen
Glaubens des Grundbuchs kraft Gesetzes erloschen (§ 892
BGB). Gleichwohl ist § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB hier anzuwenden, wie schon das Reichsgericht (RGZ 119, 308, 312; 123,
52, 57) angenommen hat.
Entgegen der Ansicht der Revision hat das Reichsgericht in
der Entscheidung RGZ 119, 308 ff den § 816 BGB nicht nur
mit Rücksicht „auf die Aufwertungsproblematik der Zeit"
bei gutgläubig lastenfreiem Erwerb (entsprechend) angewendet, sondern ausdrücklich darauf hingewiesen, daß dies
dem Grundgedanken des § 816 BGB entspreche und durch
die Motive'bestätigt werde, und daß sich das Schrifttum
schon vor dem Inkrafttreten des Aufwertungsgesetzes in
diesem Sinne ausgesprochen habe (RG aaO S. 312). Diese
Auslegung des § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB hat auch im neueren
Schrifttum Zustimmung gefunden (z.B. Soergel/Siebert/
Mühl, BGB 11. Aufl. § 816 Rdnr. 7 und 10 i.V.m. Rdnr. 16;
MünchKomm/Lieb, BGB § 816 Rdnr. 39 i.V.m. Rdnr. 49; wohl
auch Erman/Westermann, BGB 7. Aufl. § 816 Rdnr. 12 und
13; zweifelnd Staudinger/Lorenz, BGB 12. Aufl. § 816
Rdnr. 4). § 816 Abs. 1 BGB dient insbesondere dem Ausgleich von Rechtsverschiebungen, die aufgrund der Vorschriften über den . gutgläubigen Erwerb eintreten
(Staudinger/Lorenz aaO § 816 Rdnr. 1).
Dieser Zweck der Vorschrift gebietet es, die Fälle einzubeziehen, in denen durch eine Verfügung des Berechtigten
über ein Grundstück Rechte eines Dritten daran ohne ein
weiteres Rechtsgeschäft infolge des öffentlichen Glaubens
des Grundbuchs (§ 892 BGB) erlöschen. Dies muß insbesondere für den Anspruch aus § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB gelten,
dem die Erwägung zugrunde liegt, daß die Interessen eines
Beschenkten weniger schutzwürdig sind als die des früheren Berechtigten. Eine Bestimmung, deren Zweck es ist, zu
Lasten des unentgeltlich Erwerbenden die aus dem Gutglaubenserwerb entstehenden Härten auszugleichen
(Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, 15. Aufl. § 255 1 2
S. 900), die also im wirtschaftlichen Endergebnis dem gutgläubig aber unentgeltlich Erwerbenden den Schutz wieder
nimmt (Larenz Schuldrecht, 12. Aufl. § 69 IV b S. 567;
Erman/Westermann aaO § 816 Rdnr. 12), muß, um ihren Sinn
zu erfüllen, alle Fälle des unentgeltlichen Gutglaubenserwerbes erfassen, sei dieser durch, sei er infolge einer Verfügung (Planck/Siebert aaO § 816 Rdnr. 6) eingetreten.
22 MittBayNot 1982 Heft 1


Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

02.10.1981

Aktenzeichen:

V ZR 126/80

Erschienen in:

MittBayNot 1982, 22

Normen in Titel:

BGB §§ 816, 892