LG München 18. Juni 2002
6 T 2621/02
BGB § 1090; GBO §§ 15, 53 Abs. 1

Zulässiger Inhalt einer Austragshaus-Dienstbarkeit

Rechtsänderung für die Berechtigten unschädlich ist. Aber
schon § 35 AGBGB, wonach ein Teil eines Grundstücks lastenfrei abgeschrieben werden kann, wenn das Amtsgericht,
von welchem das Grundbuch für das Grundstück geführt
wird, auf Antrag des Eigentümers oder Erwerbers durch Beschluss feststellt, dass die Rechtsänderung für die eingetragenen Berechtigten unschädlich ist, dehnt den Anwendungsbereich für die Erteilung eines Unschädlichkeitszeugnisses
aus, indem hier an die Stelle des Tatbestandsmerkmals Veräußerung eines „Grundstücksteils“ die Möglichkeit lastenfreier Abschreibung eines Teils des Grundstückes anlässlich
jeder Rechtsänderung tritt. Mit dieser Regelung soll erreicht
werden, dass Rechtsänderungen bezüglich eines Grundstücksteils, die für die Grundpfandrechte an dem Gesamtgrundstück
unschädlich sind, möglichst einfach grundbuchrechtlich abgewickelt werden können, vor allem nicht von der grundsätzlich nach §§ 873, 877 BGB erforderlichen Zustimmung aller
Grundpfandgläubiger abhängig sind. Denn in diesem Fall
besteht – worauf die Beteiligten zutreffend hinweisen –, die
Gefahr, dass eine an sich wünschenswerte Rechtsänderung an
der – aus welchen Gründen auch immer – verweigerten Zustimmung nur eines Grundpfandgläubigers scheitert. Die Befreiung davon, dass grundsätzlich alle Grundpfandgläubiger
allen Rechtsänderungen an einem Grundstückteil zustimmen
müssen, auch wenn sie hiervon ersichtlich nicht betroffen
werden, ist bei rechtlichen Veränderungen innerhalb einer
Wohnungseigentümergemeinschaft in noch viel stärkerem
Maße geboten als bei einfachem Grundeigentum. Während
beim letzteren die Zahl der Grundpfandgläubiger, deren Zustimmung nach § 873 BGB an dem Grundstück oder Grundstücksteil erforderlich wären, im Regelfall überschaubar sein
dürfte, wäre bei betroffenem Wohnungseigentum die Zahl der
beteiligten Grundpfandgläubiger in jedem Fall erheblich
größer. Zur Demonstration ist der vorliegende Fall besonders
gut geeignet. Dem unproblematischen Tausch zweier nahezu
identischer Kellerräume, wovon einer im Gemeinschaftseigentum steht und der andere zum Sondereigentum eines Wohnungseigentümers gehört, müssten nach §§ 873, 877 BGB
sämtliche Grundpfandgläubiger sämtlicher Wohnungseigentümer zusammen, weil die Übertragung des bisher im Gemeinschaftseigentum stehenden Kellerraums das Miteigentum und
damit auch das Sondereigentum eines jeden Wohnungseigentümers (§ 6 WEG) betrifft, was bei sehr großen Wohnungseigentumsanlagen zur Mitwirkung von hundert oder mehr Grundpfandgläubigern führen kann, wenn auch einige Grundpfandgläubiger Rechte an mehreren Eigentumswohnungen haben
können. Insofern spricht – anders als das Landgericht in der
angefochtenen Entscheidung meint – die im Regelfall größere
Zahl der beteiligten Grundpfandgläubiger nicht gegen, sondern
für eine im Grundsatz mögliche analoge Anwendung von § 35
AGBGB, sodass der Senat allein aus diesem Grunde im Einklang mit der Rechtsprechung des BayObLG zu den entsprechenden Regelungen des bayerischen Landesrechts (BayObLG,
Wohnungswirtschaft und Mietrecht 93, 689, BayObLG, MittBayNot 1988, 75) die analoge Anwendung der die Ausstellung eines Unschädlichkeitszeugnisses ermöglichenden §§ 35
ABGBG ff. sowohl hinsichtlich der Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum (Kellertausch) als
auch hinsichtlich der Einräumung von Sondernutzungsflächen (Terrassen) im Grundsatz für gerechtfertigt hält.
Die vom Landgericht befürchteten „unlösbaren Abgrenzungsschwierigkeiten“ können (und müssen) bei der analogen Anwendung von §§ 35 AGSGB ff. durch ein restriktives Verständnis des Tatbestandsmerkmals „Unschädlichkeit“ vermieden werden. Auch hier ist der vorliegende Fall beispielhaft.
Hinsichtlich des erforderlich gewordenen Kellertausches lässt
400 MittBayNot 5/2002Bürgerliches Recht
sich eine Beeinträchtigung der Grundpfandgläubiger mit
Sicherheit ausschließen. Auch hinsichtlich der Einräumung
der Sondernutzungsrechte weisen die Beteiligten überzeugend darauf hin, dass durch die Bestellung der Sondernutzungsrechte eine Wertminderung der übrigen Eigentumswohnungen nicht eingetreten ist, da z. B. Sachverständige in
Grundstücksangelegenheiten bei der Bewertung von Eigentumswohnungen keine Wertabschläge vornehmen, weil zu
Gunsten einer Erdgeschosswohnung ein Sondernutzungsrecht
an einer Terrassenfläche begründet wurde.
Dadurch, dass der Wohnungseigentümergemeinschaft oder
einzelnen Wohnungseigentümern die Möglichkeit eingeräumt
wird, in geeigneten Fällen zur Vermeidung der Einholung
überflüssiger und kostenträchtiger Zustimmungserklärungen
der Grundpfandgläubiger in analoger Anwendung von § 35
AGBGB ein Unschädlichkeitszeugnis zu erhalten, sind die
Rechte der Grundpfandgläubiger nicht beeinträchtigt. Nach
§ 39 Abs. 1 AGBGB ist der Beschluss, der die Unschädlichkeit feststellt, unter anderem auch dem eingetragenen Berechtigten von Amts wegen zuzustellen. Gegen diesen Beschluss
steht dem Grundpfandgläubiger das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu (§ 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB). Dieser Beschluss wird erst mit Rechtskraft wirksam (§ 40 Abs. 2
EGBGB).
(…)
12. BGB § 1090; GBO §§ 15, 53 Abs. 1 (Zulässiger Inhalt
einer Austragshaus-Dienstbarkeit)
Ein Wohnungsbesetzungs- oder Wohnungsbelegungsrecht
ist als beschränkte persönliche Dienstbarkeit eintragungsfähig. Dies gilt auch dann, wenn in der Bestellungsurkunde
eine Zustimmungsfiktion vorgesehen ist für bestimmte
Personen sowie für den Fall der Vermietung, wenn diese
Personen den Wohnraum auf Dauer nicht benötigen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG München II, Beschluss vom 18.6.2002 – 6 T 2621/02,
mitgeteilt von Notar Dr. Ulrich Bracker, Weilheim
Zum Sachverhalt:
Die Beteiligten zu 1) sind als Eigentümer in Gütergemeinschaft von
umfangreichem, landwirtschaftlichen Grundbesitz eingetragen. Sie
bestellten mit notariell beglaubigter Erklärung vom 12.4.2001 unter
anderem unter Ziffer II b eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit
für den Freistaat Bayern mit folgendem Inhalt:
„1. Der Wohnraum, der in dem Austragshaus zur Verfügung
steht, das auf Flst.Nr. 1461 errichtet wurde, darf nur von Personen genutzt werden, die durch den jeweiligen Eigentümer
des Grundstücks Flst.Nr. 1461 (herrschendes Grundstück)
mit Zustimmung des Freistaates Bayern (Inhaber der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit) bestimmt werden.
Diese Zustimmung durch den Freistaat Bayern gilt als erteilt
für Personen, die entweder ehemalige Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes sind, oder hauptberuflich im landwirtschaftlichen Betrieb des Bestimmungsberechtigten tätig sind
oder zu dessen noch nicht selbstständigen und wirtschaftlich
von ihm abhängigen Familienangehörigen gehören. Weiter
gilt diese Zustimmung erteilt zur Vermietung des Wohnraums im Austragshaus für den Fall, dass vorgenannte Personen den Wohnraum auf Dauer nicht benötigen.
2. Wenn das Austragshaus nicht mehr im Außenbereich liegt
(…), abgebrochen wird oder untergeht, erlischt die beschränkte persönliche Dienstbarkeit.
Die Beteiligten zu 1) bewilligten und beantragten die Eintragung der
vorgenannten beschränkten persönlichen Dienstbarkeit. Den vom
Notar mit Schreiben vom 12.4.2001 gemäß § 15 GBO eingereichten
Rechtsprechung


Vollzugsantrag, der mit weiterem Schreiben vom 29.11.2001 auf die
Eintragung der oben wiedergegebenen beschränkten persönlichen
Dienstbarkeit beschränkt worden ist, wies die Rechtspflegerin des
Grundbuchamtes mit Beschluss vom 9.4.2002 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, das bestellte Recht könne nicht Inhalt einer
beschränkten persönlichen Dienstbarkeit sein. Der zulässige Inhalt
einer Austragshaus-Dienstbarkeit, wie er in der Entscheidung des
BayObLG vom 30.3.1989 – 2 Z 75/88 – wiedergegeben sei, sei überschritten.
Hiergegen richtet sich die von den Beteiligten zu 1) eingelegte Beschwerde.
Der Beschwerde hat die Rechtspflegerin des Grundbuchamtes mit
Beschluss vom 30.4.2002 nicht abgeholfen.
Aus den Gründen:
Gegen die Zurückweisung des Eintragungsantrages findet
gemäß § 71 Abs. 1 GBO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG die unbeschränkte Beschwerde statt, die sich auch im Übrigen als
zulässig erweist.
In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg.
Dem Antrag auf Eintragung einer beschränkten persönlichen
Dienstbarkeit ist vorliegend zu entsprechen, weil die Eintragung von den Betroffenen (den Beteiligten zu 1) bewilligt ist
(§ 19 GBO) und ein Eintragungshindernis nicht besteht. Ein
Eintragungshindernis liegt vor, wenn die Eintragung ihrem
Inhalt nach unzulässig wäre (§ 53 Abs. 1 Satz 2 GBO) oder
wenn die Eintragung das Grundbuch unrichtig machen würde
und dieses Eintragungshindernis sicher feststünde.
Vorliegend ist die beantragte Eintragung einer beschränkten
persönlichen Dienstbarkeit entgegen der Ansicht des Erstgerichtes nicht unzulässig. Der Inhalt der bewilligten beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ist nicht zu beanstanden. In Übereinstimmung mit der nun herrschenden Meinung
in Rechtsprechung und Schrifttum ist auch die Kammer der
Ansicht, dass die Eintragungsfähigkeit eines Wohnungsbesetzungs- oder Wohnungsbelegungsrechtes als einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zu bejahen ist. Nach § 1090
Abs. 1 BGB kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt,
berechtigt ist, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu
nutzen, oder dass ihm eine sonstige Befugnis zusteht, die
Inhalt einer Grunddienstbarkeit bilden kann. Danach ist eine
Belastung eines Grundstücks auch in der Weise zulässig, dass
der Inhaber des Rechtes das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf, oder dass auf dem Grundstück gewisse
Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen oder dass die
Ausübung eines Rechtes ausgeschlossen ist, das sich aus dem
Eigentum an dem belasteten Grundstück dem anderen Grundstück gegenüber ergibt (§ 1018 BGB).
Mit der Einräumung eines Wohnungsbesetzungsrechtes wird
dem jeweiligen Eigentümer des dienenden Grundstücks eine
von mehreren verschiedenen tatsächlichen Benutzungsmöglichkeiten des Eigentums genommen, nämlich die Möglichkeit, die Wohnung im Austragshaus auf dem dienenden
Grundstück von anderen Personen nutzen zu lassen als denjenigen, die durch den jeweiligen Eigentümer des dienenden
Grundstücks mit Zustimmung des Dienstbarkeitsberechtigten
bestimmt wurden. Dass diese Beschränkung der aus dem
Eigentum fließenden Rechte (§ 903 BGB) zwar auch, aber
nicht ausschließlich eine Beschränkung in der rechtlichen
Verfügungsmacht bewirkt und deshalb als beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Unterlassungsdienstbarkeit) eintragungsfähig ist, ist bereits mehrfach entschieden worden (vgl.
BayObLG, FGPrax 00, 134; BayObLG, MittBayNot 1990,
34; BayObLG, MittBayNot 1989, 212; BayObLG, MittBayBürgerliches Recht
Not 1982, 122; BayObLG, RPfleger 82, 273; LG Ravensburg,
RPfleger 92, 192).
Die Zustimmung des Dienstbarkeitsberechtigten, die nach
dem Inhalt der Bewilligungserklärung für bestimmte Fälle als
vorweg erteilt gelten soll, ändert grundsätzlich nichts daran,
dass dem Eigentümer des belasteten Grundstücks die Nutzung zu Wohnzwecken generell genommen ist und dies als
Inhalt einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit somit
trotz vereinbarter Zustimmungsfiktion eintragungsfähig ist
(vgl. BayObLG, MittBayNot 1989, 212/214). Aus dieser Entscheidung des BayObLG vom 30.3.1989 lässt sich nicht im
Umkehrschluss entnehmen, dass das Wohnungsbesetzungsrecht ausschließlich mit dem Inhalt, der der dortigen Entscheidung zugrunde lag, zulässig wäre, insbesondere nur bei Begrenzung der Zustimmungsfiktionstatbestände auf die dort
aufgezählten Sachverhalte. Eine abschließende Aufzählung der
zulässigen Fiktionstatbestände enthält die Entscheidung nicht.
Dass die Parteien vorliegend einen weiteren Fiktionstatbestand vereinbart haben, steht der Eintragung der Dienstbarkeit
nicht entgegen. Die Dienstbarkeit schränkt das Bestimmungsrecht des Eigentümers des belasteten Grundstücks vielmehr
umfassend ein. Der Eigentümer des belasteten Grundstücks
bedarf nach zutreffender Auslegung der Bewilligungserklärung in jedem Falle der Zustimmung des Dienstbarkeitsberechtigten, wenn das auf dem belasteten Grundstück befindliche Austragshaus zu Wohnzwecken genutzt werden soll.
Der Inhalt der aus der Dienstbarkeit fließenden Berechtigung
des Begünstigten und umgekehrt der Inhalt der Belastung des
dienenden Grundstückes ist daher zweifelsfrei bestimmt und
inhaltlich nicht zu beanstanden.
Unschädlich ist der Umstand, dass die Tatbestände, bei denen
die erforderliche Zustimmung des Dienstbarkeitsberechtigten
als vorweg erteilt gilt, nicht eindeutig beschrieben sind. Wann
der Wohnraum im Austragshaus auf Dauer“ von den zu„
nächst in der Bewilligungserklärulig aufgezählten Personen
nicht benötigt wird, wird im Einzelfall zu prüfen sein, und ist
möglicherweise nicht immer eindeutig zu klären, zumal
nähere Angaben dazu, anhand welcher Kriterien die vorausschauende Beurteilung der Frage, ob die genannten Personen
künftig auf Dauer den Wohnraum nicht benötigen werden, zu
erfolgen hat, fehlen. Einer Eintragung der Dienstbarkeit steht
dies aber nicht entgegen. Das aus der Dienstbarkeit fließende
Recht und dazu korrespondierend die auf dem dienenden
Grundstück lastende Unterlassungspflicht ist umfassend bestellt und damit klar. Die Unklarheit bei der Beurteilung der
Fälle, in denen die erforderliche Zustimmung als bereits vorweg erteilt gilt, erstreckt sich nicht auf den Inhalt der Dienstbarkeit selbst. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende
Fall von dem vom BayObLG in MittBayNot 1990, 34 entschiedenen Fall. Die Zustimmungsfiktion ist nicht als Beschränkung des Zustimmungsrechtes selbst zu verstehen,
weshalb Unklarheiten im Bereich der Zustimmungsfiktion die
Eintragung des – umfassend bestellten – Zustimmungsrechtes
als beschränkter persönlicher Dienstbarkeit nicht unzulässig
machen. Etwaige Streitfragen darüber, ob die auf Grund der
bestellten Dienstbarkeit erforderliche Zustimmung zu einer
konkreten Nutzung erteilt ist oder die konkrete Nutzung auf
Grund der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit wegen
fehlender Zustimmung untersagt werden kann, werden die
Prozessgerichte zu entscheiden haben.
Da das einzutragende Recht seinem Inhalt nach somit zulässig ist und das Grundbuch durch die Eintragung auch nicht
unrichtig würde, war wie tenoriert zu entscheiden.
Rechtsprechung
MittBayNot 5/2002

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

LG München

Erscheinungsdatum:

18.06.2002

Aktenzeichen:

6 T 2621/02

Rechtsgebiete:

Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Grundbuchrecht

Erschienen in:

MittBayNot 2002, 400-401

Normen in Titel:

BGB § 1090; GBO §§ 15, 53 Abs. 1