Unwirksamkeit von Abnahmeklauseln für Nachzügler-Erwerber in Bauträgerverträgen
BGB §§ 242, 307, 309 Nr. 8 lit. b sublit. ff, 633 Abs. 1, 634 Nr. 2, 637 Abs. 1 u. 3, 640 Abs. 1; WEG §§ 10 Abs. 2, 21 Abs. 5 Nr. 2
Unwirksamkeit von Abnahmeklauseln für Nachzügler-Erwerber in Bauträgerverträgen
1. Ansprüche der Erwerber wegen Mängeln an neu errichteten Häusern oder Eigentumswohnungen richten sich bei nach dem Inkrafttreten des Schuld-rechtsmodernisierungsgesetzes geschlossenen Bau-trägerverträgen weiterhin grundsätzlich nach Werkvertragsrecht, mag auch das Bauwerk bei Vertragsschluss bereits fertiggestellt sein (Fortführung von BGH, Urteil vom 21. Februar 1985 – VII ZR 72/84,
2. Ergeht in der ersten Eigentümerversammlung im Jahr 2002 ein Beschluss gemäß einer Bestimmung in der Teilungserklärung dahingehend, dass die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch ein Ingenieurbüro auf Kosten des Bauträgers in Vertretung der einzelnen Wohnungseigentümer durchgeführt werden soll, und erklärt das dementsprechend beauftragte Ingenieurbüro die Abnahme des Gemeinschaftseigentums auch im Namen von Nachzügler-Erwerbern, die zu diesem Zeitpunkt weder Wohnungseigentümer noch werdende Wohnungseigentümer waren, so entfaltet diese Abnahme des Gemeinschaftseigentums eine Abnahmewirkung zu Lasten der Nachzügler-Erwerber weder aufgrund der genannten Bestimmung in der Teilungserklärung noch aufgrund des genannten Beschlusses in der ersten Eigentümerversammlung.
3a. Die von einem Bauträger in einem Erwerbsvertrag gegenüber Nachzügler-Erwerbern gestellten Formular-klauseln
„Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist durch das Ingenieurbüro K. … am 25.11.2002 erfolgt. Die Verjährungsfrist für Ansprüche und Rechte wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum läuft für den Käufer zum selben Termin ab wie für diejenigen Käufer, welche die gemeinschaftliche Abnahme durchgeführt haben“
sind unwirksam.
3b. Dem Bauträger ist es als Verwender dieser von ihm gestellten, unwirksamen Formularklauseln nach Treu und Glauben verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag noch im Erfüllungsstadium befinde und deshalb ein Anspruch aus
BGH, Urt. v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15
Problem
Die Entscheidung behandelt Grundsatzfragen zum Nachzügler-Erwerber beim Bauträgerkaufvertrag im Hinblick auf die Rechtsnatur des Vertrags und die Ab-nahme und im Hinblick auf Klauseln zur Anpassung der Verjährungsfristen. In weiteren Entscheidungen hat der Senat jüngst bereits zur zeitlichen Grenze für die Anwendung von Kaufrecht (BGH, Urt. v. 25.2.2016 – VII ZR 156/13,
Als Nachzügler wird derjenige verstanden, der nach der Fertigstellung des Gemeinschaftseigentums und dessen Abnahme erwirbt (vgl. nur Basty, Der Bauträgervertrag, 8. Aufl. 2014, Rn. 1035 m. w. N.). Von zentraler Bedeutung ist zunächst die rechtliche Einordnung als Kauf- oder Werkvertrag. Sofern Werkvertragsrecht einschlägig ist, schuldet der Besteller nach
Vorliegend war über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Der Beklagte – ein Bauträger – errichtete im Jahr 2002 eine Wohnanlage mit mehreren Wohnungseigentumseinheiten. Die (Teil-)Abnahme des Gemeinschaftseigentums erfolgte im Herbst 2002 durch einen Sachverständigen. Kaufverträge, die bis zu diesem Zeitpunkt geschlossen worden waren, enthielten folgende Klausel:
„(5) Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist noch nicht erfolgt. Gemäß § 19 der Teilungserklärung haben die Wohnungseigentümer in der 1. Eigentümerversammlung das Ingenieurbüro K. mit der Abnahme beauftragt. Die Abnahme wird auf Kosten der Verkäuferin in Vertretung der einzelnen Wohnungseigentümer für diese durchgeführt. Das Ingenieurbüro soll auch die Behebung der festgestellten Mängel bestätigen.“
In einem (Nachzügler-)Vertrag aus dem Jahr 2003 war dagegen geregelt:
„(3) Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist durch das Ingenieurbüro K. ... am 25.11.2002 erfolgt. Die Verjährungsfrist für Ansprüche und Rechte wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum läuft für den Käufer zum selben Termin ab wie für diejenigen Käufer, welche die gemeinschaftliche Abnahme durchgeführt haben.“
Die Klägerin – die Eigentümergemeinschaft – behauptet Mängel am Gemeinschaftseigentum und verlangt Zahlung eines Vorschusses zu deren Beseitigung; die Beklagte beruft sich auf Verjährung. Die ersten beiden Instanzen haben der Klage dem Grunde nach stattgegeben.
Entscheidung
Der VII. Zivilsenat bestätigt im Ergebnis die Entscheidung der Vorinstanz.
Zunächst unterstellt der Senat den Nachzüglervertrag in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht dem werkvertraglichen Gewährleistungsregime. Für diese Einordnung sei die Vertragsbezeichnung ohne Bedeutung. Unbeschadet der Annäherung kauf- und werkvertraglicher Gewährleistungsfristen sei es nach Inkrafttreten der Schuldrechtsreform weiterhin sach- und interessengerecht, dass sich die Gewährleistungsansprüche nach dem Werkvertragsrecht richteten, selbst wenn das Bauwerk bei Vertragsschluss bereits fertiggestellt sei. Abgesehen davon, dass das Wahlrecht des Käufers zwischen Nachbesserung und -lieferung für Bauwerke nicht passe, bestünde für den Käufer anders als für den Besteller keine Möglichkeit, einen Vorschuss für die Selbstbeseitigung des Mangels zu verlangen. Außerdem würde dem Verkäufer das Verschulden Dritter für Bauwerksmängel in geringerem Umfang zugerechnet als dem Bauunternehmer.
Im nächsten Schritt verneint das Gericht, dass aufgrund der in Bezug genommenen Bestimmung der Teilungserklärung und des Beschlusses der ersten Eigentümerversammlung eine Abnahme zulasten des Nachzügler-Erwerbers gegeben sei (selbst wenn der Sachverständige die Abnahme auch im Namen der Nachzügler-Erwerber erklärt habe). Die vom teilenden Eigentümer einseitig vorgegebenen Bestimmungen unterlägen einer Inhaltskontrolle nach den
Im Folgenden unterzieht der Senat die oben zitierte Klausel des Nachzüglervertrags einer AGB-Kontrolle. Da die Klausel nach der – auch im Individualprozess – gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung dahingehend zu verstehen sei, dass den Nachzügler-Erwerbern die Möglichkeit entzogen werde, bzgl. der Abnahme des Gemeinschaftseigentums selbst oder durch Vertrauenspersonen zu entscheiden, und dass die Abnahme von 2002 als verbindlich festgeschrieben werde, sei sie zum einen nach
Sodann geht der Senat der Frage nach, ob die Nachzügler-Erwerber im vorliegenden Fall die Abnahme individuell (konkludent) erklärt haben: Zwar könne in der Ingebrauchnahme und anschließenden Nutzung eines Bauwerks durch den Besteller einzelfallabhängig eine konkludente Abnahme liegen (BGH
Am Ende der Entscheidung urteilt das Gericht, dass es dem Beklagten – in Übereinstimmung mit der o. a. Entscheidung vom 25.2.2016 (BGH
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:12.05.2016
Aktenzeichen:VII ZR 171/15
Rechtsgebiete:
Allgemeines Schuldrecht
AGB, Verbraucherschutz
WEG
Bauträgervertrag und Werkvertrag
DNotI-Report 2016, 113-115
MittBayNot 2017, 35-42
RNotZ 2016, 448-454
notar 2017, 73-74
BGB §§ 242, 307, 309 Nr. 8 lit. b sublit. ff, 633 Abs. 1, 634 Nr. 2, 637 Abs. 1 u. 3, 640 Abs. 1; WEG §§ 10 Abs. 2, 21 Abs. 5 Nr. 2