BGH 12. Mai 2016
VII ZR 171/15
BGB §§ 242, 307, 309 Nr. 8 lit. b sublit. ff, 633 Abs. 1, 634 Nr. 2, 637 Abs. 1 u. 3, 640 Abs. 1; WEG §§ 10 Abs. 2, 21 Abs. 5 Nr. 2

Unwirksamkeit von Abnahmeklauseln für Nachzügler-Erwerber in Bauträgerverträgen

BGB §§ 242, 307, 309 Nr. 8 lit. b sublit. ff, 633 Abs. 1, 634 Nr. 2, 637 Abs. 1 u. 3, 640 Abs. 1; WEG §§ 10 Abs. 2, 21 Abs. 5 Nr. 2
Unwirksamkeit von Abnahmeklauseln für Nachzügler-Erwerber in Bauträgerverträgen

1. Ansprüche der Erwerber wegen Mängeln an neu errichteten Häusern oder Eigentumswohnungen richten sich bei nach dem Inkrafttreten des Schuld-rechtsmodernisierungsgesetzes geschlossenen Bau-trägerverträgen weiterhin grundsätzlich nach Werkvertragsrecht, mag auch das Bauwerk bei Vertragsschluss bereits fertiggestellt sein (Fortführung von BGH, Urteil vom 21. Februar 1985 – VII ZR 72/84, BauR 1985, 314, 315).

2. Ergeht in der ersten Eigentümerversammlung im Jahr 2002 ein Beschluss gemäß einer Bestimmung in der Teilungserklärung dahingehend, dass die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch ein Ingenieurbüro auf Kosten des Bauträgers in Vertretung der einzelnen Wohnungseigentümer durchgeführt werden soll, und erklärt das dementsprechend beauftragte Ingenieurbüro die Abnahme des Gemeinschaftseigentums auch im Namen von Nachzügler-Erwerbern, die zu diesem Zeitpunkt weder Wohnungseigentümer noch werdende Wohnungseigentümer waren, so entfaltet diese Abnahme des Gemeinschaftseigentums eine Abnahmewirkung zu Lasten der Nachzügler-Erwerber weder aufgrund der genannten Bestimmung in der Teilungserklärung noch aufgrund des genannten Beschlusses in der ersten Eigentümerversammlung.

3a. Die von einem Bauträger in einem Erwerbsvertrag gegenüber Nachzügler-Erwerbern gestellten Formular-klauseln

„Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist durch das Ingenieurbüro K. … am 25.11.2002 erfolgt. Die Verjährungsfrist für Ansprüche und Rechte wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum läuft für den Käufer zum selben Termin ab wie für diejenigen Käufer, welche die gemeinschaftliche Abnahme durchgeführt haben“

sind unwirksam.

3b. Dem Bauträger ist es als Verwender dieser von ihm gestellten, unwirksamen Formularklauseln nach Treu und Glauben verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag noch im Erfüllungsstadium befinde und deshalb ein Anspruch aus § 637 Abs. 3 BGB nicht bestehe (Anschluss an BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 – VII ZR 49/15, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

BGH, Urt. v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15

Problem
Die Entscheidung behandelt Grundsatzfragen zum Nachzügler-Erwerber beim Bauträgerkaufvertrag im Hinblick auf die Rechtsnatur des Vertrags und die Ab-nahme und im Hinblick auf Klauseln zur Anpassung der Verjährungsfristen. In weiteren Entscheidungen hat der Senat jüngst bereits zur zeitlichen Grenze für die Anwendung von Kaufrecht (BGH, Urt. v. 25.2.2016 – VII ZR 156/13, NJW 2016, 1575) und zur Wirksamkeit von formularmäßigen Abnahmeklauseln Stellung genommen, wobei er eine Präferenz für die Anwendung von Werkvertragsrecht auf Nachzüglerverträge geäußert hat (BGH, Urt. v. 25.2.2016 – VII ZR 49/15, NJW 2016, 1572 = DNotI-Report 2016, 53).

Als Nachzügler wird derjenige verstanden, der nach der Fertigstellung des Gemeinschaftseigentums und dessen Abnahme erwirbt (vgl. nur Basty, Der Bauträgervertrag, 8. Aufl. 2014, Rn. 1035 m. w. N.). Von zentraler Bedeutung ist zunächst die rechtliche Einordnung als Kauf- oder Werkvertrag. Sofern Werkvertragsrecht einschlägig ist, schuldet der Besteller nach § 640 BGB (als Hauptpflicht) die Abnahme im Sinne der körperlichen Hinnahme des Werkes durch den Auftraggeber, verbunden mit der Billigung des Werkes als im Wesentlichen vertragsgerechte Leistung (BGH NJW 1996, 1749). Erst die wirksame Abnahme setzt die fünfjährige Gewährleistungsfrist des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB in Gang. Daraus würde folgen, dass der Nachzügler nach der gesetzlichen Regelung auf die Dauer von fünf Jahren ab der eigenen Abnahme Gewährleistungsansprüche auch hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums geltend machen könnte, unabhängig davon, ob die Ansprüche früherer Erwerber verjährt sind (Basty, Rn. 1035). Dem Bauträger droht damit eine erhebliche Verlängerung der Gewährleistungsfristen für das Gemeinschaftseigentum, zumal die Eigentümergemeinschaft solche Ansprüche an sich ziehen und prozessual durchsetzen kann (BGH NJW 2010, 933).

Vorliegend war über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Der Beklagte – ein Bauträger – errichtete im Jahr 2002 eine Wohnanlage mit mehreren Wohnungseigentumseinheiten. Die (Teil-)Abnahme des Gemeinschaftseigentums erfolgte im Herbst 2002 durch einen Sachverständigen. Kaufverträge, die bis zu diesem Zeitpunkt geschlossen worden waren, enthielten folgende Klausel:

„(5) Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist noch nicht erfolgt. Gemäß § 19 der Teilungserklärung haben die Wohnungseigentümer in der 1. Eigentümerversammlung das Ingenieurbüro K. mit der Abnahme beauftragt. Die Abnahme wird auf Kosten der Verkäuferin in Vertretung der einzelnen Wohnungseigentümer für diese durchgeführt. Das Ingenieurbüro soll auch die Behebung der festgestellten Mängel bestätigen.“

In einem (Nachzügler-)Vertrag aus dem Jahr 2003 war dagegen geregelt:

„(3) Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist durch das Ingenieurbüro K. ... am 25.11.2002 erfolgt. Die Verjährungsfrist für Ansprüche und Rechte wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum läuft für den Käufer zum selben Termin ab wie für diejenigen Käufer, welche die gemeinschaftliche Abnahme durchgeführt haben.“

Die Klägerin – die Eigentümergemeinschaft – behauptet Mängel am Gemeinschaftseigentum und verlangt Zahlung eines Vorschusses zu deren Beseitigung; die Beklagte beruft sich auf Verjährung. Die ersten beiden Instanzen haben der Klage dem Grunde nach stattgegeben.

Entscheidung
Der VII. Zivilsenat bestätigt im Ergebnis die Entscheidung der Vorinstanz.

Zunächst unterstellt der Senat den Nachzüglervertrag in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht dem werkvertraglichen Gewährleistungsregime. Für diese Einordnung sei die Vertragsbezeichnung ohne Bedeutung. Unbeschadet der Annäherung kauf- und werkvertraglicher Gewährleistungsfristen sei es nach Inkrafttreten der Schuldrechtsreform weiterhin sach- und interessengerecht, dass sich die Gewährleistungsansprüche nach dem Werkvertragsrecht richteten, selbst wenn das Bauwerk bei Vertragsschluss bereits fertiggestellt sei. Abgesehen davon, dass das Wahlrecht des Käufers zwischen Nachbesserung und -lieferung für Bauwerke nicht passe, bestünde für den Käufer anders als für den Besteller keine Möglichkeit, einen Vorschuss für die Selbstbeseitigung des Mangels zu verlangen. Außerdem würde dem Verkäufer das Verschulden Dritter für Bauwerksmängel in geringerem Umfang zugerechnet als dem Bauunternehmer.

Im nächsten Schritt verneint das Gericht, dass aufgrund der in Bezug genommenen Bestimmung der Teilungserklärung und des Beschlusses der ersten Eigentümerversammlung eine Abnahme zulasten des Nachzügler-Erwerbers gegeben sei (selbst wenn der Sachverständige die Abnahme auch im Namen der Nachzügler-Erwerber erklärt habe). Die vom teilenden Eigentümer einseitig vorgegebenen Bestimmungen unterlägen einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB. Daran gemessen sei die Bestimmung der Teilungserklärung zumindest insoweit nichtig, als die Wirkung der Abnahme auf Nachzügler-Erwerber erstreckt werde. Der Senat begründet dies damit, dass Gegenstand einer Vereinbarung nach § 10 Abs. 2 WEG a. F. (vor der Gesetzesnovelle 2007, BGBl. I, S. 360) nur eine Regelung sein könne, die das Verhältnis der Eigentümer untereinander betreffe. Bei Regelungen zur Abnahme sei jedoch allein das Verhältnis Bauträger-Erwerber betroffen, da jedem Erwerber ein individueller Anspruch auf mangelfreie Werkleistung auch in Bezug auf das gesamte Gemeinschaftseigentum zustehe. Anders als die Geltendmachung und Durchsetzung von Mängelansprüchen, die der Verwaltungskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft gem. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG unterfielen (vgl. BGH NJW 2007, 1952, 1954 Tz. 19 f.), betreffe die Abnahme eine Verpflichtung aus dem Erwerbsvertrag ohne unmittelbaren Bezug zu einer Aufgabe der gemeinschaftlichen Verwaltung; sie entfalte Wirkung insbesondere im Hinblick auf Fälligkeit und Verzinsung der Vergütung, bzgl. des Gefahrübergangs und des Vorbehalts eines Vertragsstrafenanspruchs (BGH NJW 1989, 1602, 1603). Aus diesem Grund sei auch der Beschluss der ersten Eigentümerversammlung jedenfalls insoweit nichtig, als er die Wirkung der Abnahme auf Nachzügler-Erwerber habe erstrecken wollen (BGH NJW 2012, 1724 Tz. 10 f.).

Im Folgenden unterzieht der Senat die oben zitierte Klausel des Nachzüglervertrags einer AGB-Kontrolle. Da die Klausel nach der – auch im Individualprozess – gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung dahingehend zu verstehen sei, dass den Nachzügler-Erwerbern die Möglichkeit entzogen werde, bzgl. der Abnahme des Gemeinschaftseigentums selbst oder durch Vertrauenspersonen zu entscheiden, und dass die Abnahme von 2002 als verbindlich festgeschrieben werde, sei sie zum einen nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, denn sie sei mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in § 640 Abs. 1 BGB, von der abgewichen werde, nicht zu vereinbaren. Das Recht zur individuellen Abnahme sei nämlich das Gegenstück zur Abnahmepflicht, die jeden Erwerber treffe. Zum anderen sei die Klausel mit § 309 Nr. 8 lit. b sublit. ff BGB unvereinbar, weil eine unzulässige Erleichterung der Verjährung bereits in der mittelbaren Fristverkürzung durch Vorverlegung des Fristbeginns liege (BGH NJW 2016, 1572, 1574 Tz. 37) und weil die konkrete Klausel den Beginn der Verjährung auf den Herbst 2002 und damit auf einen Zeitpunkt vor Vertragsschluss und Übergabe an die Nachzügler vorverlege.

Sodann geht der Senat der Frage nach, ob die Nachzügler-Erwerber im vorliegenden Fall die Abnahme individuell (konkludent) erklärt haben: Zwar könne in der Ingebrauchnahme und anschließenden Nutzung eines Bauwerks durch den Besteller einzelfallabhängig eine konkludente Abnahme liegen (BGH BauR 1985, 200, 201 f. = NJW 1985, 731; BauR 2014, 1023 = ZNotP 2014, 139). Nach Auffassung des Senats wurde mit den vertraglichen Regelungen bei den Nachzügler-Erwerbern jedoch der Eindruck erweckt, einer Abnahme des Gemeinschaftseigentums von ihrer Seite bedürfe es nicht mehr. Auf dieser Grundlage sei die Ingebrauchnahme und anschließende Nutzung des Gemeinschaftseigentums nicht dazu geeignet, den Abnahmewillen der Nachzügler gegenüber der Beklagten eindeutig zum Ausdruck zu bringen.

Am Ende der Entscheidung urteilt das Gericht, dass es dem Beklagten – in Übereinstimmung mit der o. a. Entscheidung vom 25.2.2016 (BGH NJW 2015, 1572) – nach § 242 BGB verwehrt sei, sich auf die Unwirksamkeit der von ihm gestellten Klausel zu berufen, und damit darauf, dass das Erfüllungsstadium mangels Abnahme noch nicht beendet sei. Folglich sei es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht einen Vorschussanspruch nach § 637 Abs. 3 BGB bejaht habe.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

12.05.2016

Aktenzeichen:

VII ZR 171/15

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht
AGB, Verbraucherschutz
WEG
Bauträgervertrag und Werkvertrag

Erschienen in:

DNotI-Report 2016, 113-115
MittBayNot 2017, 35-42
RNotZ 2016, 448-454
notar 2017, 73-74

Normen in Titel:

BGB §§ 242, 307, 309 Nr. 8 lit. b sublit. ff, 633 Abs. 1, 634 Nr. 2, 637 Abs. 1 u. 3, 640 Abs. 1; WEG §§ 10 Abs. 2, 21 Abs. 5 Nr. 2