OLG Frankfurt a. Main 02. Mai 2019
22 U 61/17
AktG §§ 20 Abs. 7, 90, 108, 241 Abs. 1 Nr. 1, 246; ZPO §§ 256, 708 Nr. 10, 711; BGB § 127

Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern unter Verletzung von Mitteilungsplichten

letzte Aktualisierung: 15.11.2019
OLG Frankfurt, Urt. v. 2.5.2019 – 22 U 61/17

AktG §§ 20 Abs. 7, 90, 108, 241 Abs. 1 Nr. 1, 246; ZPO §§ 256, 708 Nr. 10, 711; BGB § 127
Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern unter Verletzung von Mitteilungsplichten

1. Ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht gem. § 20 AktG macht den Beschluss nach § 243 Abs. 1
AktG anfechtbar und führt nicht zu dessen Nichtigkeit.

2. Im Falle einer Schließung eines Produktionswerks genügt zur Wahrung der Mitteilungspflicht,
dass der Vorstand die für seine Planung maßgeblichen Erwägungen erläutert. (Leitsätze der DNotIRedaktion)

Gründe

I.
Der Kläger war bis 2015 von der Arbeitnehmerseite bestelltes Mitglied des Aufsichtsrats
der von 2010 bis 2017 als AG geführten Beklagten. Er begehrt im vorliegenden Verfahren
primär die Feststellung, dass der in der Aufsichtsratssitzung vom 17.04.2013 zu Tagesordnungspunkt
5 „Status Musterstadt (Name geändert - die Red.) & Plan der nächsten
Schritte“ gefasste Beschluss nicht gefasst, sondern die Beschlussvorlage abgelehnt
worden sei, und hilfsweise die Feststellung, dass dieser Beschluss nichtig sei.

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, die Herren B und A seien
nicht wirksam zu Aufsichtsratsmitgliedern bestellt worden, so dass ihre Stimmen am
17.04.2013 nicht als Ja-Stimmen hätten gezählt werden dürfen. Der Verzicht auf Formund
Fristvorschriften sei mangels Mitteilungen nach §§ 20 f AktG unwirksam und die Bestellungsbeschlüsse
daher nach § 241 Nr. 1 AktG schon wegen dieser Vorfrage nichtig
und im Übrigen anfechtbar; es liege hier ein Doppelmangel vor. Weiterhin hätten die
nicht anwesenden Aufsichtsratsmitglieder am 17.04.2013 entgegen aktienrechtlichen
Vorschriften nicht schriftlich und damit nicht wirksam zugestimmt. Die per E-Mail eingegangene
Zustimmung des Herrn B weiche zudem von der Beschlussvorlage ab. Der Kläger
war und ist weiterhin der Ansicht, wegen unzureichender Information der Aufsichtsratsmitglieder
durch den Vorstand, die teilweise nicht in Textform vorgenommen worden
sei, sei der Beschluss über das unstreitig zustimmungspflichtige weitere Vorgehen im
Zusammenhang mit dem Werk in Musterstadt nichtig; am 17.04.2013 sei faktisch schon
das „Go“ für die Schließung des Werkes Musterstadt erfolgt, nicht nur der Beschluss zur
Erarbeitung eines Plans.

Die Beklagte hat das Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Klage in Abrede gestellt
und darauf hingewiesen, dass der am 26.03.2014 gefasste Beschluss des Aufsichtsrats,
das Werk Musterstadt zu schließen, nicht angefochten worden sei.
Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß den Beweisbeschlüssen vom 27.05.2014
(Bl. 204 d.A.) und 12.12.2014 (Bl. 261 d.A.) durch Vernehmung der Zeugen C, D und
E. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Terminsprotokolle vom
30.09.2014 (Bl. 218 ff d.A.), 24.02.3015 (Bl. 297 ff d.A.) und 29.11.2016 (Bl. 450 ff d.A.)
Bezug genommen.

Nach der Beweisaufnahme hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung
hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Aufsichtsratsmitglieder auf Anteilseignerseite
wirksam bestellt worden seien. Die Bestellungsbeschlüsse seien allenfalls anfechtbar
nach § 243 I AktG gewesen, aber nicht angefochten worden. Eventuelle Beurkundungsmängel
seien durch Eintragung ins Handelsregister gemäß § 242 I AktG geheilt.

Das Aufsichtsratsmitglied B habe wirksam schriftlich entsprechend der Beschlussvorlage
abgestimmt. Die telefonische Stimmabgabe der Aufsichtsratsmitglieder F und G sei nach
§ 108 IV AktG zulässig gewesen. Informationsrechte des Klägers seien nicht verletzt. Am
17.04.2013 sei zwar eine Weichenstellung erfolgt, aber nicht bereits endgültig die Schließung
des Werks Musterstadt beschlossen worden. Die vom Kläger verlangten Informationen
sollten das Ergebnis der Prüfung sein, die am 17.04.2013 angeordnet wurde, und
mussten daher erst 2014 vorliegen. Die Gründe, warum Musterstadt für die Prüfung einer
Werksschließung ausgewählt wurde, hätten dem Kläger vor dem 17.04.2013 - und
zwar seit der Aufsichtsratssitzung vom 28.06.2012 - vorgelegen und seien ihm auf seine
Frage hin von dem Vorstandsmitglied H nochmals erläutert worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des angefochtenen Urteils und des
erstinstanzlichen Vortrags der Parteien sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge
wird auf den ausführlichen Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihm am 07.03.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.04.2017 Berufung
eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum
08.06.2017 mit am 07.06.2017 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine Rechtsansichten weiter und ergänzt und vertieft
sein erstinstanzliches Vorbringen. Er vertritt die Meinung, neben den Aufsichtsratsmitgliedern
B und A seien auch die Aufsichtsratsmitglieder G, F, I und J nicht wirksam bestellt
worden. Dies folge schon aus § 20 VII AktG. Die Nichtigkeit ihrer Bestellung könne
zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden. Eine Heilung der Bestellungsmängel durch
eine Handelsregistereintragung sei nicht eingetreten, weil Aufsichtsratsmitglieder nicht
namentlich ins Handelsregister eingetragen werden.

Die schriftliche Stimmabgabe des Herrn B am 17.04.2013 sei per E-Mail erfolgt, was
nicht ausreiche. Auch die Vorlage einer PDF-Datei, wie sie die Zeugin D bekundet habe,
reiche nicht aus. Telefonische Stimmabgabe, wie sie seitens der Vorstandsmitglieder G
und F erfolgt sei, sehe die Satzung überhaupt nicht vor.

Weiterhin ist der Kläger der Ansicht, der Aufsichtsrat sei vor der Beschlussfassung am
17.04.2013 nicht ausreichend informiert gewesen; das Landgericht sei aufgrund eines
Missverständnisses davon ausgegangen, dass die notwendigen Informationen vorgelegen
hätten. Der Kläger, dessen Rechtsschutzbedürfnis aus dem Aufsichtsratsamt herrühre,
sei in der Ausübung seiner Teilnahme- und Mitwirkungsbefugnis behindert worden,
was zur Nichtigkeit des Beschlusses vom 17.04.2013 führe.

Der Kläger beantragt,
das landgerichtliche Urteil abzuändern und
festzustellen, dass der Aufsichtsrat der Beklagten in seiner Sitzung vom 17. April
2013 folgenden Beschluss

„Der Aufsichtsrat ermächtigt den Vorstand nach Durchsicht, Prüfung und Diskussion
der durch den Vorstand vorgelegten Unterlagen und gezeigten Präsentationen,
an der Ausarbeitung und Verhandlung eines Vorschlags im Hinblick auf das
Produktionsende in Musterstadt zu arbeiten, insbesondere unter Berücksichtigung
der folgenden Punkte:

1) Wiederaufnahme der Schlichtungsstelle zum Auslaufen der Getriebefertigung
F 13 - im Dezember 2013;
2) Aufnahme von Gesprächen mit dem Musterstadter Betriebsrat über die Abschaffung
der dritten Schicht (ggf. Schlichtungsstelle) - aufgrund geringerem
Produktionsbedarf;
3) Aufnahme von Gesprächen mit dem Musterstadter Betriebsrat über das Auslaufen
der Fahrzeugproduktion im Dezember 2014 (ggf. Schlichtungsstelle);
4) Fortsetzung des verbleibenden Projektteils „Musterstadt Perspektive 2022“;
5) Start der Vorbereitungen zur Produktionsverlagerung des Typ1 zum 1. Januar
2015.

Der Vorstand berichtet dem Aufsichtsrat darüber mit
a) einem umfassenden Kostenüberblick zu den Ergebnissen und Absprachen betreffend
die Punkte 1) - 4) zur endgültigen Genehmigung der Entscheidung durch
den Aufsichtsrat und
b) einer Investitionsplanung zur Produktionsverlagerung des Typ1 gemäß Punkt
5) zur Genehmigung durch den Aufsichtsrat für den Fall, dass die notwendigen
Schwellenwerte gemäß § 6 Nr. 3 der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats erreicht
werden.“

nicht gefasst hat, sondern dieser Beschlussvorschlag abgelehnt worden ist;
hilfsweise:

festzustellen, dass der Beschluss des Aufsichtsrats der Beklagten vom 17. April
2013

„Der Aufsichtsrat ermächtigt den Vorstand nach Durchsicht, Prüfung und Diskussion
der durch den Vorstand vorgelegten Unterlagen und gezeigten Präsentationen,
an der Ausarbeitung und Verhandlung eines Vorschlags im Hinblick auf das
Produktionsende in Musterstadt zu arbeiten, insbesondere unter Berücksichtigung
der folgenden Punkte:

1) Wiederaufnahme der Schlichtungsstelle zum Auslaufen der Getriebefertigung
F 13 - im Dezember 2013;

2) Aufnahme von Gesprächen mit dem Musterstadter Betriebsrat über die Abschaffung
der dritten Schicht (ggf. Schlichtungsstelle) - aufgrund geringerem
Produktionsbedarf;
3) Aufnahme von Gesprächen mi dem Musterstadter Betriebsrat über das Auslaufen
der Fahrzeugproduktion im Dezember 2014 (ggf. Schlichtungssstelle);
4) Fortsetzung des verbleibenden Projektteils „Musterstadt Perspektive 2022“;
5) Start der Vorbereitungen zur Produktionsverlagerung des Typ1 zum 1. Januar
2015.

Der Vorstand berichtet dem Aufsichtsrat darüber mit
a) einem umfassenden Kostenüberblick zu den Ergebnissen und Absprachen betreffend
die Punkte 1) - 4) zur endgültigen Genehmigung der Entscheidung durch
den Aufsichtsrat und
b) einer Investitionsplanung zur Produktionsverlagerung des Typ1 gemäß Punkt
5) zur Genehmigung durch den Aufsichtsrat für den Fall, dass die notwendigen
Schwellenwerte gemäß § 6 Nr. 3 der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats erreicht
werden.“

nichtig ist.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie verneint das Rechtsschutzbedürfnis
für die Klage, weil spätestens seit dem 31.12.2018 wegen Verjährung keinerlei Schadensersatzansprüche,
die gegen den Kläger gerichtet werden könnten, möglich seien.
Die Klage sei deshalb auch rechtsmissbräuchlich. Die Wirkungen des vorbereitenden
Beschlusses vom 17.04.2013 seien spätestens mit der Umsetzung des Stilllegungsbeschlusses
vom 26.03.2014 entfallen.

Die Rüge der nicht wirksamen Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder sei erst im Laufe
des Verfahrens erhoben worden. Tatsächlich habe der Kläger jahrelang mit den Aufsichtsratsmitgliedern,
auch in Ausschüssen, zusammengearbeitet und im Gründungsbericht
2010 die Rechtmäßigkeit der Umwandlung in eine AG bestätigt. Der Kläger habe
zudem auf Nachfrage des Landgerichts ausdrücklich gesagt, er habe nur noch Zweifel in
Bezug auf die Bestellung der Herren B und A. Diese Zweifel seien nach der Vernehmung
des Zeugen E beseitigt; jetzt könnten in der Berufungsinstanz nicht erneut Zweifel an
der rechtmäßigen Bestellung anderer Aufsichtsratsmitglieder geltend gemacht werden.

Auch wenn eventuell ein Verstoß gegen § 20 AktG vorgelegen habe, führe dies (nur) zur
Anfechtbarkeit. Innerhalb der Monatsfrist des § 246 AktG sei aber nichts gerügt worden;
später vorgebrachte Argumente seien unbeachtlich.

Mangels Widerspruchs eines Aufsichtsratsmitglieds sei die telefonische Stimmabgabe
der Vorstandsmitglieder F und G zulässig und wirksam gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird
auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

1. Die Klage ist zulässig. Es besteht nach wie vor das für das Rechtsschutzbedürfnis des
Klägers erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO. Zweifel hieran könnten
sich zwar aus der Existenz des Aufsichtsratsbeschlusses vom 26.03.2014 und der tatsächlich
erfolgten Schließung des Werks Musterstadt ergeben. Das Feststellungsinteresse
des Klägers folgt jedoch nicht nur aus § 116 AktG, sondern aus dem Aufsichtsratsamt
(vgl. hierzu BGH II ZB 1/11, Zwischenurteil vom 29.01.2013, Rdn. 13; II ZR 55/11,
Urteil vom 17.07.2012, Rdn. 12, und II ZR 175/95, Urteil vom 21.04.1997, LS 1 und Rdn.
11, alle zitiert nach juris). Dem Wunsch nach einer Kontrolle gefasster Beschlüsse fehlt
auch nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Aufsichtsrat der Beklagten nicht das
Rechtsschutzbedürfnis (vgl. hierzu MK/Habersack § 108 AktG, Rdn. 85, zitiert nach beckonline).

Dass die endgültige Entscheidung zur Schließung des Werks Musterstadt vom
26.03.2014 rechtmäßig und nicht angefochten ist, lässt das Rechtsschutzbedürfnis des
Klägers für eine Kontrolle des Beschlusses vom 17.04.2013 nicht entfallen. Es geht nämlich
nicht nur um eine Haftung des Klägers nach § 116 AktG, bei der auf diese Norm gestützte
Ansprüche inzwischen verjährt sein dürften. Es geht vielmehr um die „Organstellung
der Aufsichtsratsmitglieder“ und die sich daraus ergebende gemeinsame Verantwortung
für die Rechtmäßigkeit der vom Aufsichtsrat gefassten Beschlüsse. Jedes Mitglied
des Aufsichtsrats hat das Recht, darauf hinzuwirken, dass das Organ, dem es angehört,
seine Entscheidungen nicht in Widerspruch zu Gesetzes- und Satzungsrecht trifft.

Es verfolgt damit auch allgemeine Interessen an der Wahrung gesetzmäßigen Verhaltens
(vgl. BGH II ZR 206/88, Urteil vom 22.05.1989, Rdn. 24 ff, 29, zitiert nach juris). So
sieht dies auch der Kläger, der ausdrücklich ausführt, er wolle sich nicht auf die Einrede
der Verjährung berufen, sondern schon dem Grunde nach nicht haften (Schriftsatz vom
08.01.2019, dort S. 6, Bl. 797 d.A.). Das Rechtsschutzbedürfnis als Zulässigkeitsvoraussetzung
ist daher gegeben.

2. Der zur Bejahung des Rechtsschutzinteresses führende Kontrollzweck schließt die
Annahme eines individuellen Rechtsmissbrauchs nicht grundsätzlich aus. Individuellen
Rechtsmissbrauch hat der BGH (II ZR 206/88, Urteil vom 22.05.1989, Rdn. 30, zitiert
nach juris) angenommen, wenn eine Anfechtungsklage mit dem Ziel erhoben wird, die
verklagte Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf
die der Kläger keinen Anspruch hat und billigerweise auch nicht erheben kann. Im vom
BGH entschiedenen Fall hatten die dortigen Kläger versucht, sich hohe Beträge dafür
zahlen zu lassen, dass sie erhobene Anfechtungsklagen zurücknahmen. Sie nannten das
„Interessenausgleich“ (a.a.O., Rdn. 33,34). Ein vergleichbares Verhalten kann dem Kläger
nicht angelastet werden.

Die von der Berufungserwiderung zur Frage des Rechtsmissbrauchs zitierten Entscheidungen
(BGH II ZR 225/08, Urteil vom 27.09.2011, OLG Hamm 8 U 73/15, Urteil vom
28.10.2015 und BAG 2 ABR 22/01, Beschluss vom 27.06.2001, alle zitiert nach juris)
betreffen Fälle, in denen ein angefochtener Beschluss aufgehoben wurde, weil der Beschlussinhalt
„gänzlich ins Leere geht oder … überholt ist“ oder das streitgegenständliche
Arbeitsverhältnis beendet war. Da der Kläger mit nachvollziehbarer Argumentation
die Ansicht vertritt, der Beschluss vom 17.04.2013 sei derjenige, mit dem über die
Schließung des Werks Musterstadt dem Grunde nach entschieden worden sei, kann - zumindest
aus der subjektiven Sicht des Klägers, die bei der Feststellung eines Rechtsmissbrauchs
eine entscheidende Rolle spielt - nicht von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten
des Klägers ausgegangen werden.

3. Die Aufsichtsratsmitglieder B und A waren im Zeitpunkt der Aufsichtsratssitzung vom
17.04.2013 ordentlich bestellte Aufsichtsratsmitglieder, so dass ihre Stimmen gezählt
werden durften. Sie sind in den vom Zeugen E durchgeführten Hauptversammlungen am
11.11.2011 und 18.11.2011 nämlich wirksam bestellt worden.

a) Die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder ist nicht wegen Verstoßes gegen §§ 20 ff
AktG nichtig. Zwar stellt der Kläger zutreffend fest, dass § 20 AktG auch bei einer Umwandlung
anwendbar ist (so für die Gründungsaktionäre BGH II ZR 30/05, Urteil vom
24.04.2006, Rdn. 13, zitiert nach juris). Auch hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass
sie vor den Bestellungen der Aufsichtsratsmitglieder B und A im November 2011 die
nach § 20 AktG erforderlichen Mitteilungen gemacht hätte. Daher bestanden nach § 20
VII AktG für die fragliche Zeit keine Aktionärsrechte, insbesondere nicht das Recht, auf
Hauptversammlungen Beschlüsse zu fassen.

Der Senat vermag sich der Ansicht des Klägers, die Aktionäre hätten deshalb nicht wirksam
auf „sämtliche Form- und Fristenvorschriften“ verzichtet können, wie es in den
Protokollen der Hauptversammlungen vom 11.11.2011 und 18.11.2011 (Anlagen zum
Schriftsatz der Beklagten vom 15.10.2015, Bl. 352 und Bl. 357 d.A.) festgehalten ist,
und die Hauptversammlungen seien deshalb nicht wirksam einberufen, was nach § 241 I
Nr. 1 AktG zur Nichtigkeit der später gefassten Beschlüsse führe, nicht anzuschließen. Es
liegt kein Verstoß gegen § 121 II, III1, IV AktG vor, der nach § 241 I AktG zur Nichtigkeit
führen würde. Vielmehr sieht der Senat schon in der Einberufung der Hauptversammlung
(§ 121 II AktG) und in dem Verzicht auf sämtliche Form- und Fristenvorschriften zur
Einberufung, wie er in den genannten Protokollen (Bl. 352 und 357 d.A.) erklärt ist, einen
„Beschluss“ der Aktionäre, Gesellschafter und Vorstände. Bei diesem waren alle Aktionäre,
d.h. alle Gesellschafter, vertreten, wie aus den Aussagen der Zeugen C und E
und den vorgelegten Protokollen mit anhängenden Vollmachten der Gesellschafter und
Vorstände hervorgeht. Dieser Beschluss war - ebenso wie der danach gefasste und ausdrücklich
als solcher bezeichnete Beschluss, die Herren B und A zu Aufsichtsratsmitgliedern
zu bestellen - nicht nichtig, sondern nur anfechtbar (vgl. BGH II ZR 30/05, Urteil
vom 24.04.2006, zitiert nach juris), auch wenn alle Aktionäre wegen § 20 VII AktG nicht
stimmberechtigt waren, also der Extremfall eines „stimmlos gefassten Beschlusses“ vorlag
(vgl. hierzu BGH a.a.O., LS Nr. 4 und Rdn. 26).

Die Anfechtung dieser Beschlüsse hätte nach § 246 AktG binnen eines Monats nach Beschlussfassung
erfolgen müssen. Es muss im vorliegenden Falle nicht taggenau festgestellt
werden, wann die Anfechtungsfrist für den Kläger, der bei den vom Zeugen E allein
gehaltenen Hauptversammlungen ja nicht anwesend war und von den Daten dieser
Hauptversammlungen auch nicht wusste, zu laufen begann. Denn jedenfalls wusste
der Kläger, dass Aufsichtsratsmitglieder bestellt worden waren. Daraus musste er schließen,
dass es Hauptversammlungen gegeben haben musste, in denen dies geschehen
war. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, der Kläger habe regelmäßig Listen
der Aufsichtsratsmitglieder erhalten (Schriftsatz vom 20.40.2015, Bl. 329 ff d.A.), und sei
über die Person der Aufsichtsratsmitglieder immer informiert gewesen. Den Kläger traf
dann eine Erkundigungspflicht (vgl. hierzu OLG Hamm 8 U 67/15, Urteil vom 21.12.2015,
Rdn. 81 f, zitiert nach juris), der er binnen einer Erkundigungsfrist, die der Senat entsprechend
dem Urteil des OLG Hamm (dort LS 2) mit zwei Wochen annimmt, nachkommen
musste.

Das ist hier zweifellos nicht geschehen. Die Anfechtung der Hauptversammlungsbeschlüsse
vom 11. und 18.11.2011 wurde noch nicht einmal in der Klageschrift angeführt,
sondern erst in einem späteren Schriftsatz in den Prozess eingeführt.

Nach § 130 V AktG wird eine Abschrift der Niederschrift über die Hauptversammlung
beim Registergericht eingereicht. Das bedeutet aber nicht, dass alles, was dort eingereicht
wird, auch ins Handelsregister eingetragen wird. Nach § 106 AktG ist nach jeder
Änderung in der Zusammensetzung des Aufsichtsrats eine neue Liste beim Handelsregister
einzureichen, die dort auch abgerufen werden kann. Eine Eintragung der Aufsichtsratsmitglieder
ins Handelsregister selbst findet aber nicht statt, so dass § 242 I AktG
nicht einschlägig ist. Da eine Anfechtung der Hauptversammlungsbeschlüsse jedoch -
wie gezeigt - nicht fristgerecht erfolgte, ist die Frage, ob eine Eintragung ins Handelsregister
Mängel der Bestellung geheilt hat, nicht von entscheidender Bedeutung.

b) Entgegen der Ansicht des Klägers sind die Beschlüsse der Hauptversammlungen vom
11. und 18.11.2011 nicht wegen Verstoßes gegen § 130 I 1, 3 AktG nach § 241 I Nr. 2
AktG nichtig, weil sie weder notariell beurkundet noch vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats
unterschrieben sind. Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten (Anlage 1 zu B22, Sonderband
I) bestimmt nämlich in § 15.1, dass die Hauptversammlung vom Versammlungsleiter
geleitet wird. Hier war der Aufsichtsratsvorsitzende bei den vom Zeugen E abgehaltenen
Hauptversammlungen nicht anwesend, sondern der Zeuge E war allein und damit
auch Versammlungsleiter. § 130 I 3 AktG geht davon aus, dass der Aufsichtsratsvor-
sitzende als Versammlungsleiter in der Hauptversammlung anwesend ist. Der Gesellschaftsvertrag
der Beklagten bestimmt hier jedoch -rechtlich wirksam - etwas anderes
und auch die Praxis bei der Beklagten war eine andere. Deshalb ist § 130 I 3 AktG für
diese Fälle so zu verstehen, dass der Versammlungsleiter unterzeichnet, auch wenn er
nicht der Aufsichtsratsvorsitzende ist (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, 7 U 33/13, Urteil vom
09.10.2013, LS Nr. 3 und Rdn. 53, zitiert nach juris; Koch in Hüffer/Koch, Aktiengesetz,
13. Auflage 2018, § 130 Rdn. 14 e m.w.N., zitiert nach beck-online).

c) Entgegen der Ansicht des Klägers liegt auch kein Verstoß gegen § 130 I, II AktG vor,
der nach § 241 Nr. 2 AktG zur Nichtigkeit führen könnte, weil die „Art der Abstimmung“
nicht angegeben ist. Die vom Kläger zu diesem Punkt zitierte Entscheidung des BGH (II
ZR 114/93, Urteil vom 04.07.1994, zitiert nach juris) betrifft den Fall, dass in der „Niederschrift
statt des Ergebnisses der Abstimmung nach Stimmen lediglich angegeben
wird, welche Kapitalbeträge für und gegen einen bestimmten Wahlvorschlag gestimmt
haben“ (LS und Rdn. 5,8). Hier liegt der Fall jedoch anders: die Beschlüsse wurden einstimmig
von beiden Gesellschaftern gefasst, also mit 100 % der Kapitalanteile. Es wurden
also alle Stimmen für den Wahlvorschlag abgegeben, was auch so beurkundet ist.

Das erfüllt die Anforderungen des § 130 II AktG. „Einstimmig“ ist als Beurkundung der
„Art der Abstimmung“ ausreichend.

d) Die Unterschrift auf den Hauptversammlungsprotokollen ist diejenige des Zeugen E,
wie nach der Erklärung des Beklagtenvertreters auf anwaltliche Pflichten im Termin zur
mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 23.02.2016 feststeht.

4. Die wirksame Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder G, F, I und J kann der Kläger in
der Berufungsinstanz nicht mehr angreifen. Einem solchen Angriff steht § 314 ZPO entgegen:
Im Tatbestand des angefochtenen Urteils ist auf S. 9 (Bl. 503 d.A) und nochmals
in den Entscheidungsgründen auf S. 14 (Bl. 508 d.A.) eindeutig festgehalten, dass der
Kläger sich jetzt „nur noch“ gegen die wirksame Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder B
und A wendet. Der vom Landgericht zurückgewiesene Tatbestandsberichtigungsantrag
des Klägers befasste sich nicht mit dieser Feststellung des Landgerichts. In der mündlichen
Verhandlung vom 24.02.2015 (dort S. 4, Bl. 300 d.A.) gab das Landgericht dem Kläger
auf, zu den Bestellungen der Aufsichtsratsmitglieder vorzutragen. Hierauf erfolgten
die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 14.03.2015 (dort S. 4 f., Bl. 308/309
d.A.), die sich ausschließlich auf die Herren B und A bezogen. Das Landgericht hat daher
zutreffend im Urteil ausgeführt, nur die Wirksamkeit der Bestellung dieser beiden Aufsichtsratsmitglieder
werde von Kläger angezweifelt.

5. Die - allesamt wirksam bestellten - Mitglieder des Aufsichtsrats haben in der Aufsichtsratssitzung
vom 17.04.2013 ihre Stimmen wirksam abgegeben.

a) Die schriftliche Stimmabgabe durch Herrn B war wirksam. Die schriftliche Beschlussvorlage
zu TOP 5 (B1, Sonderband I) wurde den Aufsichtsratsmitgliedern zwar erst am
17.04.2013 in der Sitzung unterbreitet; jedoch war in den zur Vorbereitung der Sitzung
übersandten Unterlagen, die der Einladung vom 02.04.2013 (B6, Sonderband I) beigefügt
waren, schon unter TOP 5, S. 28 sinngemäß und fast wortgleich die Beschlussvorlage
unter der Überschrift „nächste Schritte für vorläufige Genehmigung vorgelegt“ eingefügt.
Herr B konnte auf der Grundlage dieser Unterlagen seine schriftliche Stimmabgabe
ohne weiteres vorbereiten und vornehmen und hat dies auch getan.

Soweit der Kläger auf Formulierungsunterschiede zwischen der Beschlussvorlage (B1)
und der schriftlichen Stimmabgabe des Herrn B (B5 in englischer Sprache, entsprechend
in beglaubigter Übersetzung in Bl. 209) abstellt und meint, die Stimmabgabe des Herrn
B decke sich nicht mit der Beschlussvorlage, schließt sich der Senat der Wertung des
Landgerichts an, das die kleinen Unterschiede in der Formulierung zurecht als nicht
„signifikant“ und damit als unerheblich angesehen hat. Aus dem Gesamtkontext der
Stimmabgabe (Bl. 209) ergibt sich ohne Weiteres, dass Herr B der Beschlussvorlage in
vollem Umfang zustimmt.

b) Die schriftliche Stimmabgabe des Herrn B war nach der Aussage der Zeugin D bei ihr
am 16.04.2013 per E-Mail eingegangen und lag dem Aufsichtsratsvorsitzenden K während
der Sitzung als pdf mit Unterschrift des Herrn B auf Papier vor.

Ob diese Stimmabgabe zulässig nach § 108 III AktG war, kann dahingestellt bleiben. Sie
war es jedenfalls nach § 108 IV AktG, wo es um die gewillkürte, d.h. rechtsgeschäftliche
Schriftform geht, die den Anforderungen des § 127 BGB genügen muss. Nach § 108 IV
AktG sind neben schriftlichen und fernmündlichen Beschlussfassungen auch solche zulässig,
die „andere vergleichbare Formen“ aufweisen. Zu diesen gehört auch die „normale“
E-Mail, die keine qualifizierte Signatur enthält (vgl. Koch in Hüffer/Koch, Aktiengesetz,
13. Auflage 2018, Rdn. 21, zitiert nach beck-online). Auch nach § 127 II, III BGB sind telekommunikative
Übermittlung und Übermittlung auf elektronischem Wege ausreichend,
solange sie den Anforderungen des § 126 b BGB genügen, also auf einem „dauerhaften
Datenträger“ sich befinden. Papier ist ein solcher dauerhafter Datenträger. Hier ging aus
der pdf zudem die Unterschrift des Herrn B hervor.

Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten (a.a.O.), der die Satzung der Beklagten im Sinne
des § 23 AktG ist, steht der Formwirksamkeit der Stimmabgabe des Herrn B ebenfalls
nicht entgegen. Nach § 11.2 des Gesellschaftsvertrags kann das abwesende Aufsichtsratsmitglied
„ein anderes Aufsichtsratsmitglied ermächtigen, seine schriftliche Stimmabgabe
zu erreichen“ (soll wohl heißen: einzureichen). Das wollte Herr B mit der Übersendung
seiner Stimmabgabe per E-Mail an Herrn K tun und Herr K hat das auch so verstanden
und in die Aufsichtsratssitzung entsprechend eingeführt.

Die weitere Voraussetzung des § 108 IV AktG, dass kein Mitglied des Aufsichtsrats dem
gewählten Verfahren widersprochen haben darf, ist erfüllt. Ein Widerspruch hätte bei der
Beschlussfassung erfolgen müssen, was nicht erfolgt ist.

Weitere Bedenken gegen die Wirksamkeit der schriftlichen Stimmabgabe des Herrn B
bestehen nicht.

c) Auch die telefonischen Stimmabgaben der Damen G und F waren wirksam.
Nach § 108 IV AktG sind fernmündliche Stimmabgaben grundsätzlich zulässig und nach
dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten gängige Übung bei ihr. Es hat
deshalb auch kein Mitglied des Aufsichtsrats während der Sitzung bei der Beschlussfassung
widersprochen.

Allerdings ist fraglich, ob § 11.2 des Gesellschaftsvertrags, der nach § 108 IV AktG der
gesetzlichen Regelung vorgeht, die telefonische Abstimmung von Abwesenden zulässt.
Die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats (K2) bezieht sich bei der Regelung der Stimmab-
gabe in § 3 der GO auf § 11 des Gesellschaftsvertrags, bringt also nicht Neues zur Frage,
in welcher Form Stimmabgaben abwesender Mitglieder möglich sind.

Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass die Damen G und F nicht als „verhindert“ im
Sinne des § 11.2 des Gesellschaftsvertrags anzusehen sind, sondern als teilnehmende
Aufsichtsratsmitglieder behandelt werden müssen. Dafür spricht schon, dass sie im Protokoll
der Aufsichtsratssitzung vom 17.04.2013 (B1, Sonderband I) nicht wie Herr B als
„entschuldigt“ aufgeführt sind, sondern als „Anwesend: …(per Telefon)“. Die beiden Vorstandsmitglieder
haben an der Aufsichtsratssitzung teilgenommen, indem sie während
der Sitzungszeit durchgängig per Telefon die Vorgänge in Stadt1 verfolgen konnten. Dies
ist bei den heute gegebenen technischen Möglichkeiten ohne weiteres machbar. Anders
wäre es zu beurteilen, wenn die Damen ihre Stimmabgabe außerhalb der Sitzung telefonisch
- beispielsweise an die Zeugin D - übermittelt hätten, was dann in der Sitzung berichtet
worden wäre. In dem hier gegebenen Falle, wo sie die Diskussion verfolgen und
bei entsprechendem Wunsch auch selbst Beiträge per Telefon liefern konnten, ist es interessengerecht
und angemessen, sie als Anwesende zu betrachten, wie es auch das
Protokoll ausweist.

6. Der Beschluss vom 17.04.2013 ist nicht wegen Verletzung der Informationsrechte
des Klägers unwirksam. Der Kläger rügt eine unzureichende Unterlagenvorlage vor dem
Termin und meint, dadurch sei es zu einem Verstoß gegen § 90 III, IV AktG gekommen.
Er meint, selbst wenn am 17.04.2013 nur ein vorbereitender Beschluss gefasst worden
wäre, wären seine vorab gestellten Fragen (zusammengefasst in der E-Mail vom
12.04.2013, K5, zitiert in der Klageschrift, dort S. 15 f., Bl. 16 f d.A.) vor der Beschlussfassung
nicht hinreichend beantwortet worden.

Der Beschluss vom 17.04.2013 war entgegen der Ansicht des Klägers ein vorbereitender
Beschluss. Mit ihm wurde noch nicht endgültig über die Schließung des Werks Musterstadt
entschieden. Zwar spricht zunächst einiges für die Ansicht des Klägers, hier sei
das „Go“ für die Schließung des Werks Musterstadt gegeben worden: Die Ausführungen
in X (Anlagen K33, 34 zum Schriftsatz des Klägers vom 23.11.2015, Bl. 380, 381 d.A.)
deuten auf einen bereits gefassten Beschluss, das Werk Musterstadt zu schließen, hin.
Der den Artikel in K33 verfassende Werksleiter des Musterstadter Marke1-Werks L hatte
allerdings persönlich nicht an der Aufsichtsratssitzung vom 17.04.2013 teilgenommen,
musste also von anderen über den Inhalt der Sitzung - mit den dadurch möglichen Missverständnissen
und Ungenauigkeiten - informiert worden sein; in dem vom Vorstandsmitglied
H verfassten Artikel K 34 ist die Schließung des Werks Musterstadt nicht explizit
angesprochen. Die Interpretation des Klägers, das „Ob“ sei bereits am 17.04.2013 beschlossen
gewesen, es sei anschließend nur noch um das „Wie“ gegangen, ist trotz einiger
in diese Richtung deutender Indizien nicht zwingend. Es konnte sich auch um eine
Ermächtigung und Beauftragung des Vorstands zur Vorbereitung einer entsprechenden
Planung handeln.

Der Senat schließt sich den insgesamt überzeugenden Ausführungen des Landgerichts
im angefochtenen Urteil an: Der Beschluss vom 17.04.2013 war zwar sicher von großer
Bedeutung und stellte eine Weichenstellung dar; er war aber noch nicht der endgültige
Beschluss über die Schließung des Werks Musterstadt. Der Wortlaut des Beschlusses
vom 17.04.2013 (Ermächtigung, „an der Ausarbeitung und Verhandlung eines Vorschlages
im Hinblick auf das Produktionsende in Musterstadt zu arbeiten“, die im Protokoll
vom 17.04.2013 (B1) festgehaltenen Diskussionsbeiträge - auch des Klägers - und
die Tatsache, dass der Aufsichtsrat am 26.03.2014 (Protokoll in B19, Sonderband I) einen
weiteren Beschluss für notwendig hielt und fasste, sprechen gegen das Vorliegen einer
endgültigen Entscheidung am 17.04.2013.

Da der Beschluss vom 17.04.2013 - unabhängig davon, ob man ihn nun als endgültig
oder vorbereitend ansieht - in jedem Falle erhebliche Bedeutung hatte, bestanden
vor dieser Beschlussfassung Informationspflichten nach § 90 III, IV AktG. Diese sind
nach Auffassung des Senats erfüllt worden. Wie das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt
hat, war der Kläger ausreichend informiert durch die Anlagen zur Einladung
vom 02.04.2013 (B6, Sonderband I), die 12 Seiten zu TOP 5 mit Informationen enthielten.

Die Fragen des Klägers, auch diejenigen in den E-Mails vom 04.04.2013 (K 3) und
12.04.2013 (K 5), waren erst zu beantworten, wenn die Arbeiten, zu denen der Vorstand
in der Beschlussvorlage zu TOP 5 ermächtigt wurde, ausgeführt waren. Außerdem hatte
der Aufsichtsratsvorsitzende in seiner E-Mail vom 11.04.2013 (K4) den Kläger auf die mit
der Einladung vorgelegten Informationen und auf die Möglichkeit zu Fragen in der Aufsichtsratssitzung
verwiesen.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit
beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Dem in der Berufungsverhandlung vom
17.01.2019 gestellten Schutzantrag des Klägers nach § 712 ZPO konnte nicht entsprochen
werden, da nicht entsprechend § 714 II ZPO glaubhaft gemacht ist, dass die Vollstreckung
dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.

8. Die Revision war nach § 543 II Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil in diesem Verfahren Fragen
von grundsätzlicher Bedeutung wie die Frage der ordnungsgemäßen Einberufung von
Hauptversammlungen bei nach § 20 VII AktG zeitweise nicht bestehenden Aktionärsrechten
und die Frage der Anwesenheit von Aufsichtsratsmitgliedern, die per Telefon teilnehmen,
entscheidungserheblich waren.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Frankfurt a. Main

Erscheinungsdatum:

02.05.2019

Aktenzeichen:

22 U 61/17

Rechtsgebiete:

Aktiengesellschaft (AG)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Erschienen in:

NJW-RR 2019, 1182-1185

Normen in Titel:

AktG §§ 20 Abs. 7, 90, 108, 241 Abs. 1 Nr. 1, 246; ZPO §§ 256, 708 Nr. 10, 711; BGB § 127