Befreiung eines Notars von der Verschwiegenheitspflicht durch Aufsichtsbehörde
letzte Aktualisierung: 14.3.2022
BGH, Beschl. v. 15.11.2021 – NotZ(Brfg) 3/21
BNotO § 18 Abs. 2
Befreiung eines Notars von der Verschwiegenheitspflicht durch Aufsichtsbehörde
Zur Befreiung eines Notars von der Pflicht zur Verschwiegenheit durch die Aufsichtsbehörde an
Stelle eines verstorbenen Beteiligten gemäß § 18 Abs. 2 Halbs. 2 BNotO.
Gründe:
A.
Die Parteien streiten über die Nichtigkeit einer dem Kläger vom Beklagten
erteilten Befreiung von der Pflicht zur Verschwiegenheit.
Der Kläger ist Notar in Thüringen. Im April 2009 beurkundete er einen
Kaufvertrag über ein Tankstellengrundstück, der eine Vertragsstrafenregelung
enthielt. Eine der Vertragsparteien, die O[…] GmbH, wurde bei der Beurkundung
von ihrem - im Jahr 2015 verstorbenen - Geschäftsführer R. J. vertreten. In der
Folgezeit kam es zwischen den Vertragsparteien zu einem die Vertragsstrafenregelung
betreffenden Rechtsstreit vor dem Landgericht. Im Rahmen dieses
Rechtsstreits soll der Kläger zu den Umständen des Zustandekommens der Vertragsstrafenregelung
als Zeuge vernommen werden. Nachdem er für sich ein
Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch genommen hatte, das sich - so seine
Auffassung - aus seiner Eigenschaft als beurkundender Notar ergebe, entschied
das Landgericht im März 2016 durch Zwischenurteil, dass ihm ein solches Recht
nicht zustehe. Das Oberlandesgericht hob dieses Urteil im Juni 2016 mit der Begründung
auf, der (hiesige) Kläger sei von seiner Pflicht zur Verschwiegenheit
nicht wirksam befreit worden.
Hierauf stellte die Prozessbevollmächtigte der O[…] GmbH im Juni 2017
beim Beklagten den Antrag, den Kläger von der notariellen Verschwiegenheitspflicht
zu befreien, weil der verstorbene R. J. die Befreiung nicht mehr erteilen
könne. Mit Bescheid vom 21. August 2017 befreite der Beklagte den Kläger gemäß
§ 18 Abs. 2 Halbs. 2 BNotO an Stelle des verstorbenen R. J. von der Pflicht
zur Verschwiegenheit hinsichtlich der Umstände über das Zustandekommen der
Vertragsstrafenregelung. Da sich der Kläger weiterhin auf ein ihm seiner Auffassung
nach zustehendes Zeugnisverweigerungsrecht berief, erging im November
2017 im Rechtsstreit vor dem Landgericht ein weiteres, ein Zeugnisverweigerungsrecht
des Klägers verneinendes Zwischenurteil, das vom Oberlandesgericht
auf die Beschwerde des Klägers aber wiederum aufgehoben wurde, weil der
Kläger - so die Begründung des Oberlandesgerichts - am Zwischenstreit nicht als
Partei beteiligt worden und ihm rechtliches Gehör nicht gewährt worden sei. Am
7. Januar 2019 erging daraufhin ein neuerliches Zwischenurteil, das ein Zeugnisverweigerungsrecht
des Klägers verneinte; die vom Kläger hiergegen eingelegte
sofortige Beschwerde wies das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 30. Oktober
2019 zurück.
Mit seiner im Juni 2020 erhobenen Klage wendet sich der Kläger nunmehr
gegen den Bescheid des Beklagten vom 21. August 2017 und beantragt festzustellen,
dass die dort enthaltene Entscheidung des Beklagten nichtig ist. Der Senat
für Notarsachen des Oberlandesgerichts hat die Klage abgewiesen. Die Berufung
hat er nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem
Antrag auf Zulassung der Berufung.
B.
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
I.
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen
ausgeführt, die Klage sei bereits unzulässig. Ihr fehle das gemäß § 43
Abs. 1 VwGO,
Zwar habe ein Notar an der Feststellung der Nichtigkeit eines Bescheides betreffend
die Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht grundsätzlich ein berechtigtes
Interesse, wenn davon seine Pflicht zur Aussage über an sich der Verschwiegenheit
unterliegende Sachverhalte abhänge. Diese Abhängigkeit bestehe im Streitfall
aber gerade nicht, weil aufgrund des rechtskräftigen Zwischenurteils des
Landgerichts vom 7. Januar 2019 feststehe, dass der Kläger sich im genannten
Zivilrechtsstreit nicht auf ein Aussageverweigerungsrecht wegen bestehender
Verschwiegenheitspflicht berufen könne. Dem Anliegen des Klägers, Klarheit
über seine Pflicht zur Aussage zu erhalten, sei damit bereits Genüge getan.
II.
Dem Kläger gelingt es nicht, hiergegen einen durchgreifenden Grund für
die Zulassung der Berufung darzulegen (vgl.
Satz 2 BNotO).
1. In der Sache beruft sich der Kläger (auch) auf den Zulassungsgrund der
ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von
§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO,
voraus, dass der Antragsteller einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine
erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage
stellt, wobei die Zweifel auch die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen müssen
(vgl. nur Senatsbeschluss vom 19. Juli 2021 - NotZ (Brfg) 11/20, juris Rn. 14,
mwN). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
a) Der Kläger ist insoweit zunächst der Auffassung, das Oberlandesgericht
habe, indem es das Feststellungsinteresse im Hinblick auf das rechtskräftige Zwischenurteil
vom 7. Januar 2019 verneint habe, verkannt, dass die Rechtskraft
nichts mit dem Feststellungsinteresse zu tun habe, sondern die fehlende Rechtskraft
eine eigene Prozessvoraussetzung darstelle. Vorliegend könne nicht davon
ausgegangen werden, dass durch das Zwischenurteil über den mit der vorliegenden
Klage erhobenen Anspruch rechtskräftig entschieden worden sei. Denn zum
einen sei der (hiesige) Beklagte am Zwischenrechtsstreit über die Zeugnisverweigerung
im Zivilprozess überhaupt nicht beteiligt gewesen, so dass an den beiden
Prozessen nicht die gleichen Parteien beteiligt gewesen seien. Zum anderen
sei die Frage, ob der streitgegenständliche Bescheid wirksam sei, im Zwischenrechtsstreit
nur eine Vorfrage gewesen; Entscheidungen über Vorfragen erwüchsen
aber nicht in Rechtskraft.
Diese Ausführungen stellen die Argumentation des Oberlandesgerichts
schon im Ausgangspunkt nicht in Frage. Der Kläger verkennt, dass das Oberlandesgericht
die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht daran hat scheitern lassen,
dass über den Streitgegenstand dieses Verfahrens bereits anderweitig,
nämlich durch das Zwischenurteil vom 7. Januar 2019, rechtskräftig entschieden
worden wäre. Entscheidend für das Oberlandesgericht war vielmehr, dass der
Kläger nur dann ein Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit der Befreiung
von der Verschwiegenheitsverpflichtung hätte, wenn eine solche Feststellung
Auswirkungen auf seine Verpflichtung zur Aussage im Zivilverfahren hätte, was
angesichts des rechtskräftigen Zwischenurteils aber nicht (mehr) der Fall sein
könne. Diese, das angefochtene Urteil allein tragende Erwägung stellt der Kläger
schon nicht schlüssig in Frage.
b) Soweit der Kläger auch das - vom Oberlandesgericht in dem Zivilrechtsstreit
durch Beschluss vom 30. Oktober 2019 bestätigte - Zwischenurteil des
Landgerichts für nichtig hält, zeigt er schon nicht schlüssig auf, warum die von
ihm angenommene Fehlerhaftigkeit des Urteils zu dessen Nichtigkeit führen
sollte. Unabhängig davon erschließt sich dem erkennenden Senat auch nicht,
warum der Kläger durch das Zwischenurteil - wie er meint - zu "evident strafbare[
m] Verhalten" gezwungen werden soll. Jedenfalls aufgrund des rechtskräftigen
Zwischenurteils stellt eine Aussage des Klägers keine "unbefugte" Offenbarung
eines Privatgeheimnisses im Sinne des
2. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger weiter auf den Zulassungsgrund der
grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des
2 BNotO.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn es im konkreten
Fall auf eine Tatsachen- oder Rechtsfrage ankommt, die über den von der ersten
Instanz entschiedenen Fall hinausgeht und an deren Klärung daher im Interesse
der Einheit oder der Fortbildung des Rechts auch für vergleichbare Fälle ein Interesse
besteht (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 19. Juli 2021 - NotZ (Brfg) 11/20
juris, Rn. 35; vom 22. März 2021 - NotSt (Brfg) 4/20,
mwN). Auf die vom Kläger vorliegend für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage,
ob "auch der Antrag nach § 18 Absatz 2 BNotO höchstpersönlich gestellt werden"
müsse, kommt es im Streitfall nicht entscheidungserheblich an, weil das Oberlandesgericht
die Klage - wie gezeigt - davon unabhängig mit der Erwägung für
unzulässig gehalten hat, angesichts des im Zivilverfahren ergangenen, inzwischen
rechtskräftigen Zwischenurteils vom 7. Januar 2019 sei die Klage bereits
unzulässig, ohne dass insoweit ein Grund zur Zulassung der Berufung vorläge.
Unabhängig davon kann die dargestellte - soweit ersichtlich bislang von
niemandem sonst als vom Kläger aufgeworfene - Frage ohne Weiteres dahingehend
beantwortet werden, dass der Antrag gegenüber der Aufsichtsbehörde, den
Notar gemäß § 18 Abs. 2 Halbs. 2 BNotO an der Stelle eines verstorbenen Beteiligten
von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit zu befreien, nicht "höchstpersönlich"
gestellt werden muss. Auch wenn man das dahingehende Antragsrecht
nicht jedermann (so aber Frenz/Miermeister/Bremkamp, 5. Aufl., BNotO
§ 18 Rn. 50), sondern nur bestimmten Personen zubilligen will (vgl. Senatsbeschluss
vom 10. März 2003 - NotZ 23/02,
Görk/Sander, 10. Aufl., BNotO § 18 Rn. 152), ist kein Grund ersichtlich, warum
das Antragsrecht von diesen Personen nur höchstpersönlich ausgeübt werden
können soll. Aus dem Umstand, dass die Befreiung des Notars von der Verpflichtung
zur Verschwiegenheit nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats
ein höchstpersönliches Recht des jeweiligen Beteiligten darstellt, so dass
eine Vertretung im Willen hier unzulässig ist (Senatsbeschluss vom 20. April 2009
- NotZ 23/08,
Befreiungserklärung eines verstorbenen Beteiligten kann dieser naturgemäß
nicht selbst abgeben. Sie wird deshalb nach der Regelung des § 18
Abs. 2 Satz 2 BNotO durch die Entscheidung der Aufsichtsbehörde ersetzt, nicht
aber schon durch den darauf gerichteten Antrag einer anderen Person, deren
Persönlichkeitsrechte von der durch die Aufsichtsbehörde anstelle des Verstorbenen
getroffenen Befreiungsentscheidung gerade nicht unmittelbar berührt werden.
3. Soweit der Kläger schließlich rügt, an der angefochtenen Entscheidung
habe Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Dr. S. mitgewirkt, der nach § 41
Nr. 6 ZPO ausgeschlossen gewesen sei, begehrt er in der Sache die Zulassung
der Berufung wegen eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden
Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 6
VwGO,
Das Oberlandesgericht hat das entsprechende Ablehnungsgesuch des Klägers
in der Vorinstanz mit Beschluss vom 9. April 2021 zurückgewiesen. Gemäß § 146
Abs. 2 VwGO,
Damit unterliegt er gemäß
nicht der Beurteilung des Berufungsgerichts. Ein darauf gestützter Antrag auf Zulassung
der Berufung scheidet damit aus (vgl. Kopp/Schenke/W.-R. Schenke,
VwGO, 27. Aufl., § 54 Rn. 22, mwN).
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:15.11.2021
Aktenzeichen:NotZ(Brfg) 3/21
Rechtsgebiete:
Notarielles Berufsrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BNotO § 18 Abs. 2