BGH 09. Januar 2024
II ZR 65/23
GmbHG §§ 21, 24 S. 1

Anspruch der Gesellschaft auf Einlageleistung; Kaduzierungsverfahren; Ausschluss der Säumnis des Gesellschafters auch ohne Erhebung der Verjährungseinrede

letzte Aktualisierung: 15.4.2024
BGH, Urt. v. 9.1.2024 – II ZR 65/23

GmbHG §§ 21, 24 S. 1
Anspruch der Gesellschaft auf Einlageleistung; Kaduzierungsverfahren; Ausschluss der Säumnis
des Gesellschafters auch ohne Erhebung der Verjährungseinrede

a) Die Verjährung des Anspruchs der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen vor Beginn des
Kaduzierungsverfahrens schließt die Säumnis des Gesellschafters im Sinn des § 21 GmbHG aus,
ohne dass dieser die Verjährungseinrede erheben muss.
b) Eine Einlageforderung, auf die das Kaduzierungsverfahren nicht gestützt werden kann, weil sie
bereits vor Einleitung des Kaduzierungsverfahrens verjährt war, wird von der Ausfallhaftung nach
§ 24 Satz 1 GmbHG nicht erfasst.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für
das Revisionsverfahren von Bedeutung, ausgeführt:

Es könne offenbleiben, ob die E. Holding ihren Geschäftsanteil nicht voll
eingezahlt habe, weil, wie der Kläger behaupte, die Einlageleistung aufgrund
einer Vorabsprache durch Hin- und Herzahlen zurückgeflossen sei. Jedenfalls
sei der Anspruch der Schuldnerin gegen die E. Holding auf Zahlung der ersten
Hälfte ihrer Einlageverpflichtung mit Ablauf des 13. Juli 2017 und damit vor Einleitung
des Kaduzierungsverfahrens verjährt gewesen. Die zehnjährige Verjährungsfrist
des § 19 Abs. 6 Satz 1 GmbHG beginne mit Fälligkeit des Einlageanspruchs
zu laufen, hier am 14. Juli 2007 nach Gründung der Schuldnerin und der
E. Holding am 13. Juli 2007. Denn gemäß § 5 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags
der Schuldnerin sei die Einlage in bar und zur Hälfte sofort zu erbringen gewesen.
Die Zahlungen der E. Holding vom August und September 2007 hätten die
Verjährungsfrist nicht gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB neu in Gang gesetzt. Auch
beim Hin- und Herzahlen richte sich die Verjährung nach der ursprünglichen Fälligkeit.
Die Einleitung des Kaduzierungsverfahrens hemme die Verjährung nicht,
so dass es nicht darauf ankomme, dass das Amtsgericht den Nachtragsliquidator
erst fünf Monate nach Antragstellung durch den Kläger bestellt habe. Das Kaduzierungsverfahren
selbst habe erst nach Eintritt der Verjährung begonnen.

Zwar habe sich der Nachtragsliquidator für die E. Holding nicht auf die
Verjährungseinrede berufen. Im Ausfallhaftungsprozess könne aber der Gesellschafter
analog § 768 BGB wie ein Bürge die Verjährung des gegen den kaduzierten
Mitgesellschafter geltend gemachten Anspruchs seiner Inanspruchnahme
entgegenhalten. Die Erhebung der Verjährungseinrede durch die Beklagte sei
nicht gemäß § 242 BGB ausgeschlossen.

II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat zu
Recht auf die Berufung der Beklagten die Klage auf Zahlung der hälftigen Einlage
gemäß § 24 Satz 1 GmbHG abgewiesen.

1. Revisionsrechtlich ist zugunsten des Klägers zu unterstellen, dass die
E. Holding ihre Einlageverpflichtung nicht erfüllt hat. Das Berufungsgericht hat
offengelassen, ob die Zahlungen über jeweils 11.250
2007 wegen eines Hin- und Herzahlens mangels Einhaltung der Voraussetzungen
des § 19 Abs. 5 GmbHG, § 3 Abs. 4 Satz 1 EGGmbHG nicht schuldbefreiend
wirkten.

2. Die Voraussetzungen einer Ausfallhaftung der Beklagten liegen nicht
vor. Zwar haftet die Beklagte grundsätzlich gemäß § 24 Satz 1 GmbHG, weil sie
bei Eintritt der Fälligkeit der hälftigen Einlageforderung gegen die E. Holding
Gesellschafterin der Schuldnerin war (BGH, Urteil vom 13. Mai 1996
- II ZR 275/94, BGHZ 132, 390, 394; Urteil vom 18. September 2018
- II ZR 312/16, BGHZ 219, 327 Rn. 13 f.). Bei Einleitung des Kaduzierungsverfahrens
war der Anspruch der Schuldnerin gegen die E. Holding auf die hälftige
Einlageforderung jedoch bereits verjährt. Die Verjährung des Anspruchs der
Gesellschaft auf Leistung der Einlagen vor Beginn des Kaduzierungsverfahrens
schließt die Säumnis des Gesellschafters im Sinn des § 21 GmbHG aus, ohne
dass dieser die Verjährungseinrede erheben muss. Eine Einlageforderung, auf
die das Kaduzierungsverfahren nicht gestützt werden kann, weil sie bereits vor
Einleitung des Kaduzierungsverfahrens verjährt war, wird von der Ausfallhaftung
nach § 24 Satz 1 GmbHG nicht erfasst. Ob die weiteren Voraussetzungen einer
subsidiären Ausfallhaftung nach § 24 Satz 1 GmbHG vorliegen (vgl. BGH, Urteil
vom 18. September 2018 - II ZR 312/16, BGHZ 219, 327 Rn. 43), kann daher
dahinstehen. Im Einzelnen:

a) Die zehnjährige Verjährungsfrist des § 19 Abs. 6 Satz 1 GmbHG hinsichtlich
des klageweise geltend gemachten hälftigen Teils der Einlage begann
am 14. Juli 2007 zu laufen.

aa) Der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung der Einlage verjährt gemäß
§ 19 Abs. 6 Satz 1 GmbHG in zehn Jahren von seiner Entstehung an. Ein
Anspruch ist entstanden, sobald er erstmals vom Gläubiger geltend gemacht und
mit einer Klage durchgesetzt werden kann. Das setzt grundsätzlich die Fälligkeit
des Anspruchs voraus (BGH, Urteil vom 18. September 2018 - II ZR 312/16,
BGHZ 219, 327 Rn. 66). Bestimmt die Satzung den Leistungstermin für die Einlage,
bedarf es zur Herbeiführung der Fälligkeit weder eines Einforderungsbeschlusses
noch der Anforderung durch den Geschäftsführer (BGH, Urteil vom
29. Juni 1961 - II ZR 39/60, WM 1961, 855; Urteil vom 15. April 1991
- II ZR 209/90, ZIP 1991, 724, 726).

Ausgehend von diesen Grundsätzen und dem übereinstimmenden Parteivortrag
folgend hat das Berufungsgericht zutreffend festgestellt, dass der Anspruch
auf die Einlagerate, deretwegen die Beklagte im Wege der Ausfallhaftung
in Anspruch genommen wird, mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags der
Schuldnerin am 13. Juli 2007 entstanden und zugleich fällig geworden ist. Denn
nach § 5 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags war die Einlage in hälftiger Höhe sofort
einzuzahlen. Die Verjährung begann mit dem auf den Fälligkeitszeitpunkt folgenden
Tag (§ 187 Abs. 1 BGB), mithin am 14. Juli 2007.

bb) Entgegen der Auffassung der Revision begann die Verjährung des Anspruchs
auf Einlageleistung nicht erst mit der unterstellten Rückzahlung der hälftigen
Einlage an die E. Holding am 22. Oktober 2007.

Im Einklang mit dem Klägervortrag ist zu unterstellen, dass die Schuldnerin
und die E. Holding ein Hin- und Herzahlen vorab vereinbart haben, ohne
dabei die Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 GmbHG zu beachten. Wenn ein Hinund
Herzahlen vorliegt, nämlich eine Einlageleistung vereinbart wird, die wirtschaftlich
der Rückzahlung der Einlage entspricht und die nicht als verdeckte
Sacheinlage nach § 19 Abs. 4 GmbHG zu beurteilen ist, wird der Inferent grundsätzlich
nicht von seiner Einlageverpflichtung frei (§ 19 Abs. 5 Satz 1 GmbHG).
Die erfolgte Leistung hat keine Erfüllungswirkung und die Bareinlagepflicht besteht
in vollem Umfang weiter (BGH, Urteil vom 20. Juli 2009 - II ZR 273/07,
BGHZ 182, 103 Rn. 14 - Cash-Pool II). Fehlt es damit an einer Leistungsbefreiung
der E. Holding, beginnt auch die Verjährung konsequenterweise bereits
mit der Fälligkeit des Anspruchs (vgl. Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., § 19
Rn. 156; Saenger in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl., § 19 Rn. 132).

b) Der Anspruch auf die hälftige Einlage verjährte gemäß § 19 Abs. 6
Satz 1 GmbHG, § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 13. Juli 2017. Weder hat die
Verjährung erneut begonnen noch ist sie gehemmt worden.

aa) Die Verjährung hat mit den Zahlungen der E. Holding an die Schuldnerin
aus August und September 2007 nicht neu begonnen, wie das Berufungsgericht
zutreffend ausführt.

Der Zahlung der E. Holding kam mangels Beachtung der Voraussetzungen
des § 19 Abs. 5 GmbHG nicht nur keine schuldbefreiende Wirkung zu, darin
lag auch entgegen der Auffassung der Revision kein Schuldanerkenntnis gemäß
§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB, das die Verjährung neu in Gang gesetzt hätte. Für ein
Anerkenntnis genügt zwar jedes, auch ein rein tatsächliches, Verhalten des
Schuldners oder auch seines Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Gläubiger,
aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs, wenigstens
dem Grunde nach, unzweideutig ergibt und das deswegen das Vertrauen des
Gläubigers begründet, dass sich der Schuldner nicht nach Ablauf der Verjährungsfrist
alsbald auf Verjährung berufen werde (BGH, Urteil vom 24. Januar
2019 - IX ZR 233/17, MDR 2019, 355 Rn. 15 mwN). Ein Hin- und Herzahlen setzt
aber eine Absprache mit dem Gläubiger, hier der Schuldnerin, voraus (vgl. BGH,
Urteil vom 10. Dezember 2007 - II ZR 180/06, BGHZ 174, 370 Rn. 7 mwN), so
dass die Bildung von Vertrauen von vornherein ausgeschlossen ist.

bb) Die Verjährung war nicht im Zeitraum zwischen den Zahlungen vom
27. August und 28. September 2007 an die Schuldnerin und vom 22. Oktober
2007 an die E. Holding gemäß § 205 BGB gehemmt. Die E. Holding war
nicht, auch nicht nur vorübergehend, zur Verweigerung der Leistung berechtigt,
da ihre Zahlung, wie bereits ausgeführt, nicht schuldbefreiend gewirkt hat.

cc) Dass der Kläger den Antrag auf Bestellung eines Nachtragsliquidators
gegen die bereits im Handelsregister gelöschte E. Holding in unverjährter Zeit
am 17. Februar 2017 gestellt hat, erfüllt ebenso wenig einen Hemmungstatbestand;
insbesondere scheidet eine Hemmung der Verjährung wegen höherer Gewalt
gemäß § 206 BGB aus (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1970 - II ZR 161/68,
WM 1971, 350, 351 zu § 203 Abs. 2 BGB aF und zu § 206 BGB aF).

c) Bereits der Eintritt der Verjährung hinderte die Säumnis der
E. Holding im Sinn des § 21 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, ohne dass es auf die Erhebung
der Verjährungseinrede durch den Nachtragsliquidator ankommt.
Zwar hat der Eintritt der Verjährung für sich genommen weder Auswirkungen
auf das Bestehen noch auf die Durchsetzbarkeit einer Forderung (vgl. BGH,
Urteil vom 27. Januar 2010 - VIII ZR 58/09, BGHZ 184, 128 Rn. 27 mwN). Zudem
muss sich der Schuldner im Rechtsstreit auf die Verjährungseinrede berufen, um
seine Verurteilung zur Leistung zu verhindern (vgl. nur BGH, Urteil vom
27. Januar 2010 - VIII ZR 58/09, BGHZ 184, 128 Rn. 27 mwN; Grüneberg/
Ellenberger, BGB, 83. Aufl., § 214 Rn. 2, 4 mwN; a.A. BeckOGK BGB/Bach,
Stand: 1.12.2023, § 214 Rn. 8 ff.). Ungeachtet dessen kann aber bereits die Vollendung
der Verjährung als solche Rechtswirkung entfalten (vgl. für den Schuldnerverzug
BGH, Urteil vom 24. Januar 1961 - VIII ZR 98/59, BGHZ 34, 191, 197;
Urteil vom 12. Juli 1967 - VIII ZR 180/65, BGHZ 48, 249, 250; aber offen gelassen
im Urteil vom 16. März 1988 - VIII ZR 184/87, BGHZ 104, 6, 11 f. und im Urteil
vom 18. Januar 1991 - V ZR 11/90, BGHZ 113, 232, 236; Grüneberg/Grüneberg,
BGB, 83. Aufl., § 286 Rn. 10; MünchKommBGB/Ernst, 9. Aufl., § 286 Rn. 32
mwN; a.A. BeckOGK BGB/Dornis, Stand: 1.10.2022, § 286 Rn. 117 ff.). So liegt
es hier. Ist der Anspruch auf Leistung der Einlage verjährt, steht dem Schuldner
ein dauerhaftes Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 214 Abs. 1 BGB zu. Die
für eine Kaduzierung erforderliche Säumnis fehlt, weil die Nichtleistung auf die
verjährte Einlageforderung nicht mehr rechtswidrig ist (vgl. Altmeppen, DB 2002,
514, 516 Fn. 19; Scholz/Emmerich, GmbHG, 13. Aufl., § 21 Rn. 11, 18;
Lutterbeck in Ensthaler/Füller, GmbHG, 3. Aufl., § 21 Rn. 6;
MünchHdbGesR III/Gummert, 6. Aufl., § 50 Rn. 185; BeckOK GmbHG/Jaeger,
Stand: 1.8.2023, § 21 Rn. 8, 12; Thiessen, ZHR 168 (2004), 503, 522).

d) Eine Einlageforderung, auf die das Kaduzierungsverfahren nicht gestützt
werden kann, weil sie bereits vor Einleitung des Kaduzierungsverfahrens
verjährt war, wird von der Ausfallhaftung nach § 24 Satz 1 GmbHG nicht erfasst
(vgl. Ebbing in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 24
Rn. 10). Die nur subsidiäre Haftung des Ausfallschuldners erfasst ausschließlich
die Einlagepflichten, für die eine Kaduzierung in Betracht kommt (vgl. Leuschner
in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 24 Rn. 15).

e) Entgegen der Auffassung der Revision ist es der Beklagten auch nicht
gemäß § 242 BGB nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Verjährung zu
berufen. Zwar muss der Bürge einen im Verhalten des Hauptschuldners gegenüber
dem Gläubiger begründeten Arglisteinwand gegen sich gelten lassen (BGH,
Urteil vom 12. März 1980 - VIII ZR 115/79, BGHZ 76, 222, 231). Ob dies auf die
Ausfallhaftung gemäß § 24 GmbHG zu übertragen ist, muss nicht entschieden
werden. Dass die E. Holding den Kläger treuwidrig von einer Klageerhebung
abgehalten hat und deswegen der hälftige Einlageanspruch verjährt ist, zeigt die
Revision nicht auf. Die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen
hat der Senat geprüft und erachtet sie nicht für durchgreifend (§ 564 Satz 1 ZPO).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

09.01.2024

Aktenzeichen:

II ZR 65/23

Rechtsgebiete:

Bürgschaft u.a. Personalsicherheiten
Allgemeines Schuldrecht
GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

GmbHG §§ 21, 24 S. 1