OLG Hamm 27. Februar 2023
5 W 30/22
BGB § 2314; ZPO § 888

Notarielles Nachlassverzeichnis; Festsetzung von Zwangsgeld gegen den Auskunftsverpflichteten

letzte Aktualisierung: 25.3.2024
OLG Hamm, Beschl. v. 27.2.2023 – 5 W 30/22

BGB § 2314; ZPO § 888
Notarielles Nachlassverzeichnis; Festsetzung von Zwangsgeld gegen den Auskunftsverpflichteten

1. Die Auskunftsverpflichtung nach § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB ist auf eine unvertretbare Handlung
gerichtet, deren Vollstreckung nach § 888 ZPO zu erfolgen hat.
2. Der Auskunftsverpflichtete hat die Handlung des (ihm gegenüber) mitwirkungspflichtigen Dritten
(hier: des Notars) mit der gebotenen Intensität einzufordern, die ihm zustehenden tatsächlichen und
rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen und den Dritten zu einer Mitwirkung zu bewegen. Bloße
Sachstandsanfragen sind hierzu nicht ausreichend. Der Auskunftsverpflichtete muss dem Notar eine
angemessene Fertigstellungsfrist setzen und ihm – für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs – die
Erhebung einer Untätigkeitsbeschwerde nach § 15 Abs. 1 BNotO androhen.

(Leitsätze der DNotI-Redaktion)

Gründe:

I.
Der Gläubiger macht gegen die Schuldnerin Pflichtteilsansprüche nach dem Tod des am
00.00.2018 verstorbenen B. V., der von der Schuldnerin allein beerbt wurde, geltend. Vor
dem Landgericht Bochum hat er Stufenklage erhoben.

Mit Anerkenntnisteilurteil vom 15.09.2021 wurde die Schuldnerin auf der ersten Stufe
verurteilt, Auskunft über den Bestand des realen und fiktiven Nachlasses des Erblassers
zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen
Verzeichnisses, bei dessen Aufnahme der Gläubiger oder ein von ihm Bevollmächtigter
hinzuzuziehen ist. Wegen der Einzelheiten wird auf das genannte – rechtskräftige – Urteil
Bezug genommen (Bl. 104 f.).

Das Urteil ist der Schuldnerin am 20.09.2021 (Bl. 111) zugestellt worden. Mit Schriftsatz
vom 06.10.2021 hat der Gläubiger die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des
Urteils beantragt, welche am 25.10.2021 (Bl. 137) erteilt und ihm am 27.10.2021 zugestellt
worden ist (Bl. 141).

Bereits mit Schreiben vom 01.03.2021 hatte die Schuldnerin den Notar T. I. mit der
Erstellung des notariellen Verzeichnisses beauftragt, nachdem sie durch den Gläubiger
vorgerichtlich am 15.02.2021 zur Erstellung bis zum 01.07.2021 aufgefordert worden war.
Die Schuldnerin übermittelte dem Notar zahlreiche Unterlagen. Ob diese zur Erstellung
des Verzeichnisses vollständig waren, ist zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 15.07.2021, noch vor Zustellung der Klageschrift, fragte die
Schuldnerin beim Notar nach dem Sachstand an und erkundigte sich, ob er noch
ergänzende Unterlagen benötige. Am 09.09.2021 setzte die Schuldnerin den Notar von
der Klageerhebung gegen sie in Kenntnis und bat erneut um Sachstandsmitteilung. In der
darauffolgenden Woche bat der Notar die Schuldnerin um ergänzende Angaben, welche
diese am 04.10.2021 übermittelte. Auf telefonische Nachfrage teilte der Notar dem
Prozessbevollmächtigten des Gläubigers mit, dass er noch auf die Rückantwort örtlicher
Banken über bestehende Konten des Erblassers warte.

Am 04.02.2022 übermittelte der Notar dem Gläubiger den Entwurf eines
Nachlassverzeichnisses (Bl. 278 ff.).

Unter dem 11.10.2021 hat der Gläubiger beim Landgericht Bochum einen Antrag auf
Festsetzung von Zwangsmitteln gemäß § 888 ZPO gestellt (Bl. 128 ff.). Zur Begründung
hat er vorgebracht, die Schuldnerin sei ihrer Verpflichtung zur Auskunft in Form eines
notariellen Nachlassverzeichnisses nicht nachgekommen, obwohl ihr ausreichend Zeit zur
Verfügung gestanden habe. Der Nachlass sei einfach strukturiert; wesentliche Werte seien
nicht vorhanden. Zudem habe die Schuldnerin bereits am 12.09.2019 ein privatschriftliches
Nachlassverzeichnis erstellt, auf welchem der Notar habe aufbauen können. Auch sei er
selbst bislang nicht zur Erstellung des Verzeichnisses hinzugezogen worden.

Der Gläubiger hat beantragt,
die Schuldnerin zur Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses über
den Nachlass des am 00.00.2018 verstorbenen B. V. nach Maßgabe des
Anerkenntnisurteils vom 15.09.2021 durch Zwangsgeld, dessen Höhe einen Betrag von
2.000,00 € nicht unterschreiten sollte, ersatzweise Zwangshaft anzuhalten.

Die Schuldnerin hat beantragt,
den Antrag gemäß § 888 ZPO zurückzuweisen.

Sie hat gemeint, der Antrag sei unbegründet. Denn sie habe alles ihr Mögliche
unternommen, damit das notarielle Nachlassverzeichnis habe erstellt werden können.
Insbesondere habe sie den Notar frühzeitig beauftragt und diesem sämtliche Unterlagen
zeitnah übermittelt. Weitere Einflussmöglichkeiten auf die Arbeit des Notars habe sie nicht
gehabt. Dieser sei in seiner Tätigkeit unabhängig und daher grundsätzlich nicht an
Weisungen gebunden. Im vorliegenden Fall sei der Notar nicht untätig gewesen, sondern
mangels erforderlicher Informationen an der Erstellung des Verzeichnisses gehindert
gewesen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass der Antrag auf Festsetzung des
Zwangsgeldes zu früh gestellt worden sei. Ihr – der Schuldnerin – habe nicht ausreichend
Zeit zur Verfügung gestanden, dass Verzeichnis erstellen zu lassen.

Darüber hinaus stelle sich die zwangsweise Durchsetzung der Erstellung des notariellen
Nachlassverzeichnisses als rechtsmissbräuchlich dar. Voraussichtlich werde der Gläubiger
nämlich selbst bei überschlägiger Berechnung aus dem Nachlass keine Zahlungen mehr
erhalten. Auch Ansprüche des Gläubigers gegen Beschenkte stünden ihm wegen
zwischenzeitlich eingetretener Verjährung nicht zu.

Schließlich mache sie von dem ihr zustehenden Leistungsverweigerungsrecht nach § 2328
BGB Gebrauch.

Mit Beschluss vom 17.03.2022 hat das Landgericht gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld
von 500,00 €, ersatzweise für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit einen Tag Zwangshaft je
100,00 €, festgesetzt (Bl. 331 ff.). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass bislang kein
notarielles Nachlassverzeichnis vorliege. Die Schuldnerin habe nicht dargelegt, dass und
inwieweit sie auf den Notar eingewirkt habe, um eine zeitnahe Erledigung herbeizuführen.
Ferner sei der Gläubiger zur Erstellung noch immer nicht hinzugezogen worden.

Gegen diesen Beschluss hat die Schuldnerin mit Schriftsatz vom 31.03.2022 sofortige
Beschwerde eingelegt (Bl. 355 ff.). Zur Begründung führt sie aus, das Landgericht habe die
Umstände des Einzelfalls nicht berücksichtigt. Dagegen gebe es eine pauschale Frist für
die Erstellung nicht. Eine schnellere Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses sei
im vorliegenden Fall nicht möglich gewesen. Noch am 25.01.2022 habe sie – die
Schuldnerin – beim Notar nach dem Sachstand gefragt. Zudem habe das Landgericht
verkannt, dass dem Gläubiger kein Anspruch auf Erteilung des Verzeichnisses zustehe, da
sie von ihrem Leistungsverweigerungsrecht nach § 2328 BGB Gebrauch mache. Die
Geltendmachung des Anspruchs stelle sich als schikanös dar.

Der Gläubiger beantragt sinngemäß,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 04.04.2022 nicht abgeholfen und
die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Hierzu hat es näher ausgeführt, dass
die vorgebrachten Einwände gegen den angefochtenen Beschluss nicht durchgriffen.
Der Senat hat mit Schreiben vom 05.05.2022 den Parteien Gelegenheit zur
abschließenden Stellungnahme gegeben. Hiervon hat der Gläubiger Gebrauch gemacht
und ausgeführt, die Begründung der sofortigen Beschwerde sei nicht geeignet, eine
anderweitige Entscheidung zu rechtfertigen. Insbesondere könne sich die Schuldnerin im
Vollstreckungsverfahren nicht (mehr) auf ein etwaiges Leistungsverweigerungsrecht
berufen. Auch lägen die Voraussetzungen des § 2328 BGB nicht vor.
Die Schuldnerin hat dargelegt, dass der Notar zwischenzeitlich am 31.05.2022
angekündigt habe, einen Termin zur Aufnahme des Nachlassverzeichnisses zu
bestimmen, da er seine Ermittlungen abgeschlossen habe.

Zu diesem, auf den 22.06.2022 anberaumten Termin erschien die Schuldnerin nicht. Ein
weiterer, auf den 20.09.2022 bestimmter Termin wurde durch den
Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin abgesagt. Auch zum nächsten Termin am
24.01.2023 erschien die Schuldnerin nicht.

II.
Die gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 793, 891, 888 ZPO statthafte und auch im Übrigen
zulässige sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat keinen Erfolg.
Das Landgericht hat zu Recht gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00
€ festgesetzt und für den Fall, dass das Zwangsgeld nicht beigetrieben werden kann für je
100,00 € einen Tag Zwangshaft angeordnet.

1.
Rechtsgrundlage für die von dem Gläubiger unter dem 11.10.2021 beantragte Festsetzung
eines Zwangsgeldes oder Zwangshaft ist § 888 ZPO. Danach ist – sofern der Schuldner
seine Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme ausschließlich von
seinem Willen abhängt und die durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann, nicht
erfüllt – auf Antrag des Gläubigers vom Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu
erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme durch Zwangsgeld anzuhalten sei (§ 888
Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine vorherige Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt (§ 888
Abs. 2 ZPO).

2.
Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung lagen zum Zeitpunkt der
Beschlussfassung (Zöller/Seibel, ZPO, 34. Auflage, 2022, § 888 ZPO, Rn. 5) am
17.03.2022 vor; das Anerkenntnisteilurteil des Landgerichts Bochum vom 15.09.2021
wurde der Schuldnerin zugestellt. Zudem war dem Gläubiger – nämlich im April 2021 –
eine vollstreckbare Ausfertigung übermittelt worden (§§ 724, 750 ZPO).

3.
Die mit dem Anerkenntnisteilurteil titulierte Auskunftsverpflichtung stellt eine unvertretbare
Handlung dar, die eine Vollstreckung nach § 888 ZPO grundsätzlich ermöglicht (Herzog,
in: Staudinger, BGB, 2021, § 2314 BGB, Rn. 373 m. w. N.).

Die Auskunftsverpflichtung nach § 2314 Abs. 1 S. BGB ist auf eine unvertretbare Handlung
gerichtet, deren Vollstreckung nach § 888 ZPO zu erfolgen hat, auch wenn die Mitwirkung
eines Dritten – des Notars – notwendig ist (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.10.2016 – I-7 W
67/16 juris, Rn. 17). Denn vertretbar i. S. d. § 887 ZPO sind nur solche Handlungen, die
selbständig von einem Dritten anstelle des Schuldners vorgenommen werden können,
ohne dass das Erfüllungsinteresse des Gläubigers hiervon berührt wird. Hierbei kommt
dem Umstand, ob ein Gläubiger auf Auskünfte und Angaben des Schuldners angewiesen
ist, Bedeutung zu. Nur dann, wenn bei Verurteilungen, die eine Überprüfung
entsprechender Vorgänge voraussetzen, einem Dritten die Auskunft allein anhand von
schriftlichen Unterlagen möglich ist und die einzige – ggf. über zusätzliche Anordnungen
erzwingbare – „Mitwirkungshandlung" des Schuldners darin besteht, dass er dem Dritten
die Einsichtnahme in die Unterlagen zu ermöglichen hat, bezieht sie sich auf eine
vertretbare Handlung. Wenn demgegenüber derartige Auskunftsverpflichtungen (auch
etwa in notarieller Form) nicht ohne Auskünfte und sonstige persönliche
Mitwirkungshandlungen des Schuldners möglich sind, sind sie unvertretbar i. S. d. § 888
ZPO (OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.08.2009 – 12 W 1364/09, juris, Rn. 14 m. w. N.).
Dies ist vorliegend der Fall, da persönliche Mitwirkungshandlungen der Schuldnerin,
nämlich umfassende Auskunftserteilung gegenüber dem Notar etwa hinsichtlich des
Nachlassbestandes, Schenkungen und Zuwendungen des Erblassers erforderlich sind, die
der Notar nicht allein aus vorhandenen schriftlichen Unterlagen entnehmen kann. Die
Erteilung der Auskunft durch ein notarielles Verzeichnis verändert ihren Charakter als
unvertretbare Handlung grundsätzlich nicht (OLG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 18).

d)
Die Zulässigkeit von Zwangsmaßnahmen nach § 888 ZPO setzt weiter voraus, dass die
vorzunehmende Handlung ausschließlich von dem Willen des Verpflichteten abhängt.
Hieran fehlt es, wenn die Handlung dem Verpflichteten unmöglich ist oder wenn sie von
einem dem Einfluss des Verpflichteten entzogenen Willen abhängt, gleichgültig, ob dies
auf einem Verschulden des Verpflichteten beruht oder nicht. Vorliegend hängt die
vorzunehmende Handlung nicht nur vom Willen der Schuldnerin ab, sondern auch von der
Bereitschaft eines Dritten, nämlich eines Notars. In diesem Fall ist die Schuldnerin im
Vollstreckungsverfahren gemäß § 888 ZPO verpflichtet, die Handlung des (ihr gegenüber)
mitwirkungspflichtigen Dritten mit der gebotenen Intensität einzufordern, die ihr
zustehenden tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen und den Dritten
zu einer Mitwirkung zu bewegen (OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.08.2009 – 12 W 1364/09,
juris, Rn. 17). Die geschuldete Handlung muss noch im Zeitpunkt der Vollstreckung
ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängen (BGH, Beschl. v. 18.12.2008 – I ZB
68/08, juris, Rn. 21). Erst wenn feststeht, dass trotz intensiven Bemühens um die
Mitwirkungshandlung des Dritten diese nicht zu erlangen ist, dann ist die titulierte
unvertretbare Handlung nicht unmittelbar erzwingbar.

Legt die Schuldnerin dar und weist sie nach, dass sie ihrerseits die zur Erbringung der
Mitwirkungshandlung des Notars erforderlichen eigenen Mitwirkungshandlungen erbracht
hat (also ihrerseits dem Notar Auskunft erteilt hat hinsichtlich Nachlassbestand,
Schenkungen und Zuwendungen des Erblassers) sowie, dass sie in der Folge trotz
intensiven Bemühens um die weitere Mitwirkungshandlung des Notars diese nicht
erlangen konnte, kommt in Betracht, dass die titulierte Verpflichtung der Schuldnerin nicht
unmittelbar erzwungen werden kann, eine Zwangsmittelfestsetzung somit zu unterbleiben
hat (OLG Nürnberg, a. a. O., Rn. 19; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.10.2016 – I-7 W 67/16,
juris, Rn. 19).

An diesem Maßstab gemessen ist die Zwangsmittelfestsetzung hier zu Recht erfolgt.
Maßgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde
(Zöller/Seibel, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 888 ZPO, Rn. 17).

Die Schuldnerin hat den Notar bereits mehrere Monate vor Erlass des Anerkenntnisurteils
beauftragt, nachdem sie vom Gläubiger zur Vorlage eines notariellen
Nachlassverzeichnisses aufgefordert worden war. Sie hat ihm nach eigenen Angaben
zudem alle ihr vorliegenden Informationen und Dokumente übermittelt und ihm auch im
Übrigen stets die jeweils nachgeforderten Unterlagen zeitnah zukommen lassen.

Jedoch fehlt es an den erforderlichen Handlungen des intensiven Bemühens um die
weitere Mitwirkungshandlung des Notars. Es ist nicht ausreichend, zunächst einen Notar
ordnungsgemäß zu beauftragen, ohne sich dann im Nachgang um eine fristgemäße
Erstellung und Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses zu bemühen. Denn ein
Schuldner ist verpflichtet, die erforderlichen Mitwirkungshandlungen des Notars mit
Eindringlichkeit einzufordern. Dazu kann es erforderlich sein, eine Untätigkeitsbeschwerde
gemäß § 15 Abs. 2 BNotO zu erheben, wenn der Notar sich entgegen § 15 Abs. 1 BNotO
weigert, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen oder einen anderen Notar zu beauftragen.
Erst wenn feststeht, dass trotz derartigen intensiven Bemühens des
Auskunftsverpflichteten um die Mitwirkungshandlung des Dritten diese nicht zu erlangen
ist, ist die titulierte unvertretbare Handlung nicht unmittelbar erzwingbar, wobei
Voraussetzung für eine solche Feststellung ist, dass seitens des Vollstreckungsschuldners
alles in seiner Macht Stehende getan worden ist, um die Mitwirkung des Dritten zu
erlangen, und dass die darauf gerichteten Bemühungen seitens des
Vollstreckungsschuldners im Einzelnen dargelegt worden sind (Herzog, in: Staudinger
BGB, 2021, § 2341 BGB, Rn. 375 m. w. N.; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 17.04.2018 – 5
W 16/18, juris, Rn. 30).

Im Streitfall hat die Schuldnerin den Notar bereits vor Erlass des Anerkenntnisurteils
beauftragt und ihm zeitnah die jeweils erforderlichen Unterlagen übermittelt. Allerdings
vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Schuldnerin in der Folgezeit hinreichend
nachdrücklich auf eine Fertigstellung des Verzeichnisses hingewirkt hat. Hinsichtlich
solcher Bemühungen nach Erlass des Anerkenntnisurteils hat die Schuldnerin ausgeführt,
dass ihr Prozessbevollmächtigter Anfang Oktober 2021 telefonisch beim Notar nach dem
Bearbeitungsstand gefragt und der Notar ihm mitgeteilt habe, dass er noch auf die
Rückantwort örtlicher Banken über bestehende Konten des Erblassers warte. Zudem
wurde am 04.02.2022 durch den Notar ein Entwurf eines Nachlassverzeichnisses
übersandt. Dass die Schuldnerin bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung
regelmäßig fernmündlich oder schriftlich unter ausdrücklichem Hinweis auf die
Eilbedürftigkeit den Notar zu einer zeitnahen Erstellung des Verzeichnisses unter
Hinzuziehung des Gläubigers angehalten hat, ist dagegen nicht dargetan.
Spätestens im Zusammenhang mit dem Antrag des Gläubigers auf Festsetzung von
Zwangsmitteln gegen sie nach § 888 ZPO konnte sie es bei bloßen Sachstandsanfragen
nicht belassen, sondern wäre gehalten gewesen, dem Notar eine angemessene
Fertigstellungsfrist zu setzen und ihm – für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs – die
Erhebung einer Untätigkeitsbeschwerde nach § 15 Abs. 1 BNotO anzudrohen. Dies ist
nicht erfolgt. Dass eine Fristsetzung im vorliegenden Fall nicht zur zeitnahen Fertigstellung
geführt hätte, weil aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten ein hoher Zeitaufwand
erforderlich war, ist nicht dargetan. Die vorgetragenen Umstände rechtfertigen nicht die
Annahme, dass sich die durch den Notar anzustellenden Ermittlungen als
überdurchschnittlich umfangreich darstellten. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür,
dass bereits die durch die Schuldnerin übermittelten Unterlagen dergestalt umfangreich
gewesen sind, dass ihre Bearbeitung einen erhöhten Zeitaufwand erforderte.

Dass die Schuldnerin in der Zeit zwischen dem Erlass der angefochtenen Entscheidung im
März 2022 und der hier zu treffenden Entscheidung über die sofortige Beschwerde etwa
ein Jahr später überhaupt Bemühungen entfaltet hat, um den Notar zu einer zügigen
Bearbeitung und unmittelbaren Fertigstellung unter Hinzuziehung des Gläubigers zu
bewegen, ist nicht dargetan.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Schuldnerin zu drei (!) bereits anberaumten Terminen
zur Aufnahme des Verzeichnisses nicht erschienen ist. Sie hat also ihr mögliche und
erforderliche Mitwirkungshandlungen nicht vorgenommen. Jeglicher Vortrag dazu, dass ihr
die Teilnahme unverschuldet nicht möglich gewesen ist, fehlt. Dieser Umstand steht der
Annahme, sie habe alles ihr Mögliche getan, um die geschuldete Auskunft zu erteilen,
eklatant entgegen.

4.
Die Einwendungen der Schuldnerin greifen dagegen nicht durch.

a)
Grundsätzlich kann ein Schuldner im Vollstreckungsverfahren mit dem Vortrag gehört
werden, er habe die geschuldete Leistung erbracht (Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, 19.
Auflage, 2022, § 888 ZPO, Rn. 8). Dies ist im vorliegenden Fall jedoch unstreitig nicht der
Fall, da das Verzeichnis bis zum heutigen Tage nicht erstellt worden ist.
Dagegen ist der Einwand, der titulierte Anspruch bestehe nicht, im Vollstreckungsverfahren
nicht behilflich. Denn dieses dient lediglich der Vollstreckung des bereits rechtskräftig
titulierten Anspruchs. Das Zwangsvollstreckungsverfahren dient der Rechtsdurchsetzung,
nicht der Rechtsfindung. Wenngleich das Zwangsmittelverfahren vor dem Prozessgericht
stattfindet, ist es – wie jedes Zwangsvollstreckungsverfahren – lediglich dazu vorgesehen,
das ergangene Urteil zu vollziehen. Materiell-rechtliche Erwägungen, die über die im
Erkenntnisverfahren bereits getroffenen Feststellungen hinausgehen, verbieten sich
deshalb (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.04.2020 – 2 W 9/20, juris, Rn. 19 m. w. N.).

b)
Gleiches gilt im Ergebnis für die Ansicht der Schuldnerin, ihr stehe ein
Leistungsverweigerungsrecht nach § 2328 BGB zu. Auch insoweit handelt es sich um eine
materiell-rechtliche Einwendung, die im Erkenntnisverfahren zu berücksichtigen ist. Etwas
anderes ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht daraus, dass es sich bei dem hier
gegenständlichen Vollstreckungstitel um ein Anerkenntnisurteil handelt, bei dessen Erlass
das Gericht eine materiell-rechtliche Prüfung des Bestehens des Anspruchs nicht prüft.
Denn auch ein Anerkenntnisurteil ist ein vollwertiger Vollstreckungstitel (Gruber, in:
beckOK ZPO, 46. Edition, § 322 ZPO, Rn. 2). mit der Folge, dass materiell-rechtliche
Einwendungen im Vollstreckungsverfahren nicht geltend gemacht werden können.

c)
Schließlich erweist sich die Zwangsvollstreckung aus dem Anerkenntnisurteil nicht als
schikanös im Sinne des § 226 BGB oder treuwidrig im Sinne des § 242 BGB. Soweit die
Schuldnerin behauptet, dass der Gläubiger ohnehin keine weitere Zahlung aus dem
Nachlass werde beanspruchen können, begründet dies nicht die Annahme, die hier
gegenständliche Vollstreckungsmaßnahme sei schikanös oder rechtsmissbräuchlich. Denn
sie übersieht, dass die begehrte Auskunft gerade der Feststellung der Umstände dient,
aus denen sich eine bestehende bzw. nicht bestehende weitergehende Zahlungspflicht
ergibt. Erst nach ordnungsgemäßer und vollständiger Erteilung der Auskunft – die hier
vollstreckt werden soll – ist eine abschließende Prüfung etwaiger Ansprüche des
Gläubigers möglich.

Die hiesige Zwangsvollstreckung dient lediglich der gesetzlich zulässigen Durchsetzung
eines rechtskräftigen Anspruchs des Gläubigers, dessen Erfüllung der Schuldnerin – unter
Mitwirkung eines Notars – möglich ist.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Beschwerdewert war auf 500,00 € festzusetzen, da er sich nach dem Interesse der
Schuldnerin bestimmt, das festgesetzte Zwangsgeld nicht bezahlen zu müssen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

27.02.2023

Aktenzeichen:

5 W 30/22

Rechtsgebiete:

Notarielles Berufsrecht
Allgemeines Schuldrecht
Pflichtteil
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

BGB § 2314; ZPO § 888