OLG Düsseldorf 02. August 2019
3 Wx 120/19
GBO §§ 19, 22, 29, 71 Abs. 1, 72, 73, 75; BGB §§ 875, 892, 893, 1059 S. 1; InsO § 81 Abs. 1 S. 1 S. 2; ZPO § 857 Abs. 3

Erlöschungsvoraussetzungen des Nießbrauchs in der Insolvenz aufgrund gutgläubig lastenfreien Erwerbs

letzte Aktualisierung: 04.03.2020
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.8.2019 – 3 Wx 120/19

GBO §§ 19, 22, 29, 71 Abs. 1, 72, 73, 75; BGB §§ 875, 892, 893, 1059 S. 1; InsO § 81 Abs. 1 S. 1
S. 2; ZPO § 857 Abs. 3
Erlöschungsvoraussetzungen des Nießbrauchs in der Insolvenz aufgrund gutgläubig
lastenfreien Erwerbs

Ein zur Insolvenzmasse gehörendes Nießbrauchsrecht kann durch Aufhebungserklärung des
Schuldners und Löschung im Grundbuch unter den Voraussetzungen der §§ 893, 892 BGB
erlöschen. (Leitsatz der DNotI-Redaktion)

G r ü n d e

I.

Der Beteiligte zu 3 war Eigentümer des im Rubrum genannten Grundbesitzes. Er
veräußerte ihn mit notariellem Übertragungsvertrag vom 28. Okt. 2014 an seinen Sohn,
den Beteiligten zu 1. Als Gegenleistung vereinbarten die Vertragsparteien, dass der
Beteiligte zu 3 sich auf seine Lebensdauer ein unentgeltliches Nießbrauchsrecht
vorbehielt, das nach seinem Tod seiner Ehefrau zustehen sollte. Der Beteiligte zu 3 behielt
sich außerdem für näher bezeichnete Fälle ein höchstpersönliches, nicht vererbliches und
nicht übertragbares Rücktrittsrecht vor. Auch dieses sollte nach seinem Tod seiner Ehefrau
zustehen.

Das Nießbrauchsrecht des Beteiligten zu 3 wurde in Abteilung II Nr. 3 und die Vormerkung
für das Rückübertragungsrecht in Abteilung II Nr. 5 eingetragen.

Mit notarieller Urkunde vom 1. Dez. 2016 bewilligten und beantragten die Beteiligten zu 1
und 3 die Löschung des Nießbrauchsrechts und der Vormerkung, wobei der Beteiligte zu 3
auch in materieller Hinsicht gegenüber dem dies annehmenden Beteiligten zu 1 auf die
Rechte verzichtete. Im Gegenzug wurde als Änderung vereinbart, dass die Rechte der
Ehefrau des Beteiligten zu 3 schon mit diesem Verzicht umfassend wirksam sein sollten,
nicht also erst mit dessen Versterben.

Die entsprechenden Eintragungen erfolgten im Grundbuch am 20. Dez. 2016.

Mit Schreiben vom 30. Aug. 2018 bat der Beteiligte zu 2, der mit Beschluss des
Insolvenzgerichts vom 11. Juli 2016 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des
Beteiligten zu 3 bestellt worden war, um einen Grundbuchauszug, weil er erfahren hatte,
dass der Beteiligte zu 3 Eigentümer des Grundbesitzes (gewesen) sei.

Nach Übersendung beantragte er, im Rahmen einer Grundbuchberichtigung die
vorbezeichneten Löschungen rückgängig zu machen. Der Beteiligte zu 3 sei wegen des
Insolvenzverfahrens nicht befugt gewesen, die Löschungen zu bewilligen und zu
beantragen.

Das Grundbuchamt hat den Antrag mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen.
Zwar seien Verfügungen des Beteiligten zu 3 nach Insolvenzeröffnung unwirksam, jedoch
wirke der Gutglaubensschutz, weil der Insolvenzvermerk nicht im Grundbuch eingetragen
gewesen sei.

Hiergegen wendet der Beteiligte zu 2 mit der Beschwerde ein, dem Beteiligten zu 1 sei als
Sohn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Vaters bekannt
gewesen.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde durch weiteren Beschluss vom 7. Juni 2019 nicht
abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Im
Grundbuchverfahren könne der gute Glaube des Beteiligten zu 1 nicht geprüft werden. Der
Insolvenzvermerk nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 InsO sei nicht eingetragen gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Grundbuchakten Bezug
genommen.

II.

Die gemäß §§ 71 Abs. 1, 72, 73 GBO zulässige Beschwerde ist nach der vom Amtsgericht
erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen, § 75 GBO.

Sie hat in der Sache keinen Erfolg. Das Grundbuchamt hat den Antrag des Beteiligten zu 2
auf Berichtigung des Grundbuches zurecht zurückgewiesen, weil der Nachweis der
Unrichtigkeit des Grundbuches, dass nämlich die vom Grundbuchamt gelöschten Rechte
in Abteilung II Nr. 3 und Nr. 5 tatsächlich nicht erloschen sind, nicht in der gem. § 29 GBO
vorgeschriebenen Form geführt ist.

In Abteilung II Nr. 3 war zugunsten des Beteiligten zu 3 ein Nießbrauchrecht und in
Abteilung II Nr. 5 zu seinen Gunsten eine Rückauflassungsvormerkung eingetragen. Mit
notarieller Urkunde vom 1. Dez. 2016 hat der Beteiligte zu 3 als Berechtigter zusammen
mit dem Beteiligten zu 1 als Grundstückseigentümer die (gänzliche) Löschung beider
Rechte bewilligt und beantragt und zugleich erklärt, auch in materieller Hinsicht gegenüber
seinem dies annehmenden Sohn auf die Rechte zu verzichten. Damit waren die
Voraussetzungen des § 875 BGB für eine wirksame Aufhebung der an dem Grundstück
bestehenden Rechte erfüllt. Zwar ist die verfahrensrechtliche Löschungsbewilligung gem.
§ 19 GBO zu unterscheiden von der
materiell-rechtlichen Aufgabeerklärung. Jedoch hat zum einen der Beteiligte zu 3
ausdrücklich den Verzicht auch in materieller Hinsicht erklärt, zum anderen enthält die
Löschungsbewilligung in aller Regel die Aufgabeerklärung gem. § 875 BGB
(Palandt/Herrler, BGB, 78. Aufl., § 875, 3).

Der Wirksamkeit der Aufgabeerklärung des Beteiligten zu 3 steht nicht entgegen, dass
über sein Vermögen bereits am 11. Juli 2016 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war.

Zwar ist nur der wahre Rechtsinhaber bzw. der für ihn Verfügungsbefugte
erklärungsberechtigt im Sinne von § 875 BGB (Palandt/Herrler, a.a.O.) und ist eine
Verfügung des Insolvenzschuldners über einen Gegenstand der Insolvenzmasse nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam, § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO. Jedoch greift
zugunsten des Beteiligten zu 1 der Gutglaubensschutz, § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO, §§ 893,
892 BGB. Der Nachweis „bösen“ Glaubens des Beteiligten zu 1 ist nicht in der
erforderlichen Form geführt.

Der Nießbrauch ist zwar nach § 1059 Satz 1 BGB nicht übertragbar. Da aber seine
Ausübung einem anderen überlassen werden kann, ist der Nießbrauch nach § 857 Abs. 3
ZPO pfändbar (Palandt/Herrler, a.a.O., § 1059, 5; BGH NJW 2006, 1124). Deshalb hat das
Insolvenzverfahren den Nießbrauch des Beteiligten zu 3 erfasst, § 35 Abs. 1 InsO. Mithin
hätte der Beteiligte zu 3 über ihn nicht verfügen dürfen, § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO.
Im Hinblick auf § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO iVm §§ 893, 892 BGB ist seine Verfügung
dennoch nicht unwirksam.

Hier greift zugunsten des Beteiligten zu 1 der Gutglaubensschutz nach § 893 BGB, weil
zwischen ihm und dem Beteiligten zu 3, für den das Nießbrauchsrecht im Grundbuch
eingetragen war, in Ansehung diese Nießbrauchsrechts ein nicht unter die Vorschrift des §
892 BGB fallendes Rechtsgeschäft vorgenommen worden ist, das eine Verfügung über
das Nießbrauchsrecht enthält. Solche eine Verfügung stellt die hier in Rede stehende
Aufhebung nach § 875 BGB dar (Palandt/Herrler, a.a.O., § 893, 3).

Liegen mithin die Voraussetzungen für einen gutgläubigen Erwerb vor, hätte die
Beschwerde nur dann Erfolg, wenn dem Beteiligten zu 2 – wie nicht – der in der Form des
§ 29 GBO zu führende Nachweis gelungen wäre, dass der Beteiligte zu 1 die Unrichtigkeit
(des Grundbuchs) positiv kannte. Hier kann der Beteiligte zu 2 sich nicht mit Erfolg darauf
berufen, der Beteiligte zu 1 sei als Eigentümer des belasteten Grundstücks Beteiligter des
Insolvenzverfahrens. Der Eröffnungsbeschluss sei gem. § 9 InsO im Internet öffentlich
bekannt gemacht worden und dies müsse der Beteiligte zu 1 gem. § 9 Abs. 3 InsO –
wonach die öffentliche Bekanntmachung zum Nachweis der Zustellung an alle Beteiligten
genüge – gegen sich gelten lassen.

Die in § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO iVm §§ 893, 892 BGB liegende gesetzliche Ausnahme
begünstigt den Gutglaubensschutz gegenüber der Masse; dies ist vertretbar, weil die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. §§ 32, 33 InsO im Grundbuch und den
maßgeblichen Registern einzutragen ist und die Eintragung den gutgläubigen Erwerb
ausschließt (Kayser, in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 9.
Aufl., 2018, § 81 , 39). Der Erwerb eines eingetragenen Rechts durch ein Rechtsgeschäft
mit dem Insolvenzschuldner nach Verfahrenseröffnung ist darum entgegen der Regel des
§ 81 Abs. 1 Satz 1 InsO wirksam, falls die Verfahrenseröffnung weder eingetragen noch
dem Erwerber bekannt ist (Mock, in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl., 2019, § 81, 33). War die
Insolvenzeröffnung zum Zeitpunkt des Erwerbs noch nicht eingetragen, so trägt der
Insolvenzverwalter die Beweislast selbst dann, wenn die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens bekannt gemacht worden ist (Mock, a.a.O.; Windel, in Jaeger, InsO
Großkommentar, 1. Aufl., 2007, § 81, 65). Der andere Teil trägt unter keinen Umständen
die Beweislast für die Nichtkenntnis der (nicht eingetragenen) Verfahrenseröffnung. Es ist
vielmehr Sache des Verwalters, die positive Kenntnis der Verfahrenseröffnung
nachzuweisen. Nicht einmal grob fahrlässige Unkenntnis des Insolvenzverfahrens genügt
(Windel, a.a.O.).

Im Verfahren der Grundbuchberichtigung gem. § 22 GBO ist dieser Nachweis in der Form
des § 29 GBO zu führen. Dass dem Beteiligten zu 2 dies nicht gelungen ist, hindert zwar
einen Erfolg der Grundbuchbeschwerde, davon unberührt bleibt aber ein möglicher
Anspruch des Beteiligten zu 2 nach § 894 BGB.

Nichts anderes gilt hinsichtlich der Rückauflassungsvormerkung. Auch hier sind – was das
dingliche Recht angeht – die Voraussetzungen für den Gutglaubensschutz gleichermaßen
gegeben und zwar unabhängig von der Frage, ob ein Verzicht auf den schuldrechtlichen
Rückforderungsanspruch wirksam war.

Eine Kostenentscheidung durch den Senat ist nicht veranlasst, §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1
GNotKG.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

02.08.2019

Aktenzeichen:

3 Wx 120/19

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Insolvenzrecht
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Erschienen in:

FGPrax 2019, 251-252

Normen in Titel:

GBO §§ 19, 22, 29, 71 Abs. 1, 72, 73, 75; BGB §§ 875, 892, 893, 1059 S. 1; InsO § 81 Abs. 1 S. 1 S. 2; ZPO § 857 Abs. 3