BGH 22. Januar 2008
VIII ZR 246/06
BGB §§ 439 Abs. 1, 280 Abs. 1

Unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen verpflichtet zum Schadensersatz

471MittBayNot 6/2008 Bürgerliches Recht
Rechtsprechung
II. Einfluss des EuGH-Urteils auf Sachverhalte
außerhalb des Regelungsbereichs der
Richtlinie
Schwieriger ist die Rechtslage bei Verträgen, an denen ein
Verbraucher beteiligt ist. Hier gilt die Richtlinie nicht. Es
stellt sich aber die Frage, ob die deutschen Verzugsregeln
nicht dennoch richtlinienorientiert27, also einheitlich auszulegen sind. Andernfalls käme es zu einer sog. „gespaltenen
Auslegung“ im deutschen Recht. Eine gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur einheitlichen Auslegung besteht nicht. Auch
aus dem nationalen Recht ist eine solche Pflicht nur in Ausnahmefällen abzuleiten.28 Letztlich ist dies eine Frage der
jeweiligen materiellrechtlichen Regelung, wobei in der Literatur teilweise für eine Vermutung zur einheitlichen Auslegung plädiert wird.29
Für eine einheitliche Auslegung spricht in vorliegender Konstellation nicht nur die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.
Vielmehr greift teilweise auch der Schutzzweck der Richtlinie
bei Sachverhalten mit Verbraucherbeteiligung (C2C, B2C,
C2B). Eine Abschreckungswirkung und der Schutz vor hohem finanziellem Aufwand zur Beitreibung von Forderungen
sind bei Forderungen von Verbrauchern mindestens genauso
hoch. Die Gefahr der Insolvenz und des Verlusts von Arbeitsplätzen bringt eine verzögerte Zahlung für den Unternehmer
unabhängig davon mit sich, ob der Schuldner Verbraucher ist
oder nicht.
Der Verbraucher wird durch eine einheitliche Auslegung nicht
unangemessen benachteiligt. Denn auch einem Verbraucher
ist grundsätzlich bekannt, dass die Bearbeitung einer Überweisung einige Tage in Anspruch nimmt und er daher rechtzeitig die Überweisung veranlassen sollte. Es darf zudem vermutet werden, dass den meisten Laien, zumal, wenn es sich
um geschäftsunerfahrene Verbraucher handelt, nicht bekannt
war, dass sie bei Fälligkeit lediglich die Überweisung abgegeben haben mussten.30 Insofern dürfte eine einheitliche Auslegung der bisherigen laienhaften Vorstellung sogar entgegenkommen
Im Ergebnis spricht daher Vieles für eine einheitliche Auslegung. Da dies aber zugegebenermaßen nicht zwingend und
schon gar nicht durch eine höchstrichterliche Rechtsprechung
abgesichert ist, empfiehlt es sich vorerst, eine ausdrückliche
Regelung nach obigem Muster in alle Verträge aufzunehmen.
Die Vertragsgestaltung kann somit, unabhängig von der Anwendbarkeit der Verzugs-Richtlinie auf den konkreten Sachverhalt, einen wichtigen Beitrag zur Rechtssicherheit leisten,
indem sie den Unsicherheiten der Rechtsanwendung des
durch Gemeinschaftsrecht beeinflussten deutschen Rechts
durch eine vertragliche Regelung begegnet.
Notarassessor Dr. Torsten Jäger, Pirmasens
2. BGB §§ 439 Abs. 1, 280 Abs. 1 (Unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen verpflichtet zum Schadensersatz)
Ein unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen des
Käufers nach § 439 Abs. 1 BGB stellt eine zum Schadensersatz verpflichtende schuldhafte Vertragsverletzung dar,
wenn der Käufer erkannt oder fahrlässig nicht erkannt
hat, dass ein Mangel der Kaufsache nicht vorliegt, sondern die Ursache für das Symptom, hinter dem er einen
Mangel vermutet, in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt.
BGH, Urteil vom 23.1.2008, VIII ZR 246/06
Die Klägerin verkaufte und lieferte im Februar 2003 an die Beklagte
eine Lichtrufanlage, mit der von Krankenbetten aus Rufsignale an
das Pflegepersonal mittels Leuchtzeichen an der Zimmertür sowie
mittels akustischer Zeichen an einzelne Pflegekräfte gesendet werden
können. Die Anlage wurde von der Beklagten, die ein Elektroinstallationsunternehmen betreibt, in einen Neubautrakt eines Altenheims
eingebaut, wobei auch eine Verbindung zu einer bereits bestehenden
Rufanlage im Altbau herzustellen war. Auf eine Störungsmeldung
des Altenheims hin überprüfte der Mitarbeiter R. der Beklagten die
Installation der Anlage, konnte aber die Störung nicht beseitigen.
Daraufhin forderte die Beklagte die Klägerin auf, den von ihr als
Ursache der Störung vermuteten Mangel an der gelieferten Lichtrufanlage zu beheben. Der Servicetechniker K. der Klägerin, der die Anlage an Ort und Stelle überprüfte, bezeichnete als maßgebliche Ursache der Störung die Unterbrechung einer Kabelverbindung zwischen
der alten und der neuen Rufanlage, die er behob. Für die Überprüfung
der Anlage und die Fehlerbeseitigung benötigte er einschließlich der
Zeit für die Hin- und Rückfahrt, bei der er insgesamt 424 km mit dem
PKW zurücklegte, sechs Arbeitsstunden.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten Ersatz der
ihr zur Beseitigung des vermeintlichen Mangels entstandenen Kosten
nebst Zinsen. Das AG hat der Klage in Höhe eines Teilbetrags von
773,95 € nebst Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist
erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung
der Klage.
Aus den Gründen:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Der Klägerin stehe gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf
Schadensersatz aus § 280 Abs. 1, §§ 249 ff. BGB in Höhe von
773,95 € nebst Zinsen zu. Die Beklagte habe als Käuferin
ihre nachvertragliche Pflicht verletzt, die Klägerin durch ungerechtfertigte Mangelbeseitigungsaufforderungen nicht in
ihrem Vermögen zu schädigen. Ein Mangel der von der Klägerin gelieferten Anlage i. S. v. § 434 BGB habe nicht vorgelegen. Die Beklagte habe die ungerechtfertigte Inanspruchnahme der Klägerin auch zu vertreten. Selbst wenn entgegen
den Feststellungen des AG die Störung ursprünglich nicht auf
das Fehlen einer Kabelverbindung zwischen der alten und der
neuen Rufanlage, sondern – wie die Beklagte geltend mache –
darauf zurückzuführen gewesen sei, dass die Schwestern
des Pflegeheims Veränderungen an der Einstellung der
Anlage vorgenommen hätten, und der Mitarbeiter R. der Beklagten die Verbindung erst bei Überprüfung der Anlage
gelöst sowie danach vergessen habe, den Draht wieder anzuschließen, sei es fahrlässig, dass die Beklagte als Fachfirma
für Elektroanlagenbau sowie für Alarm- und Brandmeldetechnik vor Inanspruchnahme der Klägerin die nahe liegende
Möglichkeit einer Fehlfunktion infolge der Vornahme von
Einstellungen durch das Pflegepersonal nicht überprüft habe.
Die Klägerin habe deshalb Anspruch auf Erstattung der
27 Zur Begrifflichkeit MünchKommBGB/Lorenz, 5. Aufl., vor
§ 474 Rdnr. 5; Jäger, Überschießende Richtlinienumsetzung im
Privatrecht, S. 106 f.; Riehm in Langenbucher (Hrsg.), Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, 2. Aufl. 2008, § 4 C. IV. 2. Rdnr. 52 d.
28 Ausführlich dazu Jäger, Überschießende Richtlinienumsetzung
im Privatrecht, S. 107 ff.; Riehm, GPR 2007, 134.
29 Insbesondere Jäger, Überschießende Richtlinienumsetzung im
Privatrecht, S. 155.
30 Wie Fn. 21.


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entstandenen Kosten in Höhe von 6 Arbeitsstunden à 90 €,
weil die Beklagte ihr die Möglichkeit genommen habe,
den Zeugen zu diesen Stundensätzen anderweitig einzusetzen
(§§ 249, 252 BGB), und auf Ersatz von Fahrtkosten in Höhe
von 0,30 € x 424 km zuzüglich 16 % Umsatzsteuer, insgesamt 773,95 €.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die
Klägerin von der Beklagten Schadensersatz wegen ihrer Aufwendungen für die Beseitigung der Störung der Rufanlage in
Höhe von 773,95 € verlangen kann; denn die Beklagte hat
mit ihrer Aufforderung zur Mangelbeseitigung gegenüber der
Klägerin schuldhaft eine vertragliche Pflicht verletzt (§ 280
Abs. 1 BGB).
1. Der Beklagten stand ein Anspruch auf Nacherfüllung in
Form der Mangelbeseitigung gemäß § 437 Nr. 1, § 439 BGB
gegenüber der Klägerin nicht zu. Nach den rechtsfehlerfrei
getroffenen und in der Revisionsinstanz nicht angegriffenen
Feststellungen des Berufungsgerichts wies die von der Klägerin gelieferte Rufanlage keinen Sachmangel i. S. v. § 434
BGB auf.
2. In der Rechtsprechung des BGH ist, wie die Revision zu
Recht geltend macht, anerkannt, dass allein in der Erhebung
einer Klage oder in der sonstigen Inanspruchnahme eines
staatlichen, gesetzlich geregelten Rechtspflegeverfahrens zur
Durchsetzung vermeintlicher Rechte weder eine unerlaubte
Handlung i. S. d. §§ 823 ff. BGB (BGHZ 74, 9, 16; 95, 10,
18 f.; 118, 201, 206; 154, 269, 271 f.; 164, 1, 6) noch ein Verstoß gegen Treu und Glauben und damit eine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung gesehen werden
kann (BGHZ 20, 169, 172; BGH, WM 1979, 1288 = NJW
1980, 189, unter I 2, insoweit in BGHZ 75, 1 nicht abgedruckt; BGH, NJW-RR 2005, 315 unter II 2). Für die Folgen
einer nur fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage haftet
der ein solches Verfahren Betreibende außerhalb der schon im
Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen grundsätzlich
nicht, weil der Schutz des Prozessgegners regelmäßig durch
das gerichtliche Verfahren nach Maßgabe seiner gesetzlichen
Ausgestaltung gewährleistet wird. Eine andere Beurteilung
würde die freie Zugängigkeit der staatlichen Rechtspflegeverfahren, an der auch ein erhebliches öffentliches Interesse
besteht, in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise einengen.
Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen sich diese
Rechtsprechung auf die außerprozessuale Geltendmachung
vermeintlicher Rechte übertragen lässt, wird jedoch nicht einheitlich beantwortet.
a) Nach der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen vom 15.7.2005 (BGHZ 164, 1, 6) bleibt es beim uneingeschränkten deliktischen Rechtsgüterschutz nach § 823 Abs. 1
BGB und § 826 BGB, wenn es an der Rechtfertigungswirkung eines gerichtlichen Verfahrens fehlt. Im Rahmen einer
(vor-)vertraglichen Beziehung der Parteien kommt nach einem Urteil des BGH vom 12.12.2006 (NJW 2007, 1458, unter II 1 und 2) auch ein Schadensersatzanspruch aus § 280
Abs. 1, § 311 BGB in Betracht, wenn jemand unberechtigt als
angeblicher Schuldner außergerichtlich mit einer Forderung
konfrontiert wird und ihm bei der Abwehr dieser Forderung
Kosten entstehen (ebenso LG Zweibrücken, NJW-RR 1998,
1105; AG Münster, NJW-RR 1994, 1261; Palandt/Heinrichs,
BGB, 67. Aufl., § 280 Rdnr. 27).
b) Dagegen wird teilweise die Auffassung vertreten, die
außergerichtliche Geltendmachung einer nicht bestehenden
Forderung könne nicht anders behandelt werden als die
gerichtliche (KG, Urteil vom 18.8.2005, 8 U 251/04, n. V.;
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen durch BGH, Beschluss vom 7.12.2006, IX ZR
167/05, n. V.; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 746, unter 2;
OLG Braunschweig, OLGR 2001, 196, 198; Grüneberg/Sutschet in Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 241 Rdnr.
54). In bestehenden Schuldverhältnissen gebe es ein Recht, in
subjektiv redlicher Weise – wenn auch unter fahrlässiger Verkennung der Rechtslage – Ansprüche geltend zu machen, die
sich als unberechtigt erwiesen.
c) Nach Ansicht des Senats stellt jedenfalls ein unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen nach § 439 Abs. 1 BGB
eine zum Schadensersatz verpflichtende schuldhafte Vertragsverletzung dar, wenn der Käufer erkannt oder fahrlässig nicht
erkannt hat, dass ein Mangel nicht vorliegt, sondern die Ursache für die von ihm beanstandete Erscheinung in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt (vgl. zum Werkvertragsrecht
LG Hamburg, NJW-RR 1992, 1301; a. A. OLG Düsseldorf,
NJW-RR 1999, 746 und LG Konstanz, NJW-RR 1997, 722,
723). Für den Käufer liegt es auf der Hand, dass von ihm geforderte Mangelbeseitigungsarbeiten auf Seiten des Verkäufers einen nicht unerheblichen Kostenaufwand verursachen
können. Die innerhalb eines bestehenden Schuldverhältnisses
gebotene Rücksichtnahme auf die Interessen der gegnerischen Vertragspartei erfordert deshalb, dass der Käufer vor
Inanspruchnahme des Verkäufers im Rahmen seiner Möglichkeiten sorgfältig prüft, ob die in Betracht kommenden Ursachen für das Symptom, hinter dem er einen Mangel vermutet,
in seiner eigenen Sphäre liegen.
Eine solche Verpflichtung hat entgegen der Auffassung der
Revision nicht zur Folge, dass Käufer ihr Recht, Mangelbeseitigung zu verlangen, so vorsichtig ausüben müssten, dass
ihre Mängelrechte dadurch entwertet würden. Der Käufer
braucht nicht vorab zu klären und festzustellen, ob die von
ihm beanstandete Erscheinung Symptom eines Sachmangels
ist (vgl. Malotki, BauR 1998, 682, 688). Er muss lediglich im
Rahmen seiner Möglichkeiten sorgfältig überprüfen, ob sie
auf eine Ursache zurückzuführen ist, die nicht dem Verantwortungsbereich des Verkäufers zuzuordnen ist. Bleibt dabei
ungewiss, ob tatsächlich ein Mangel vorliegt, darf der Käufer
Mängelrechte geltend machen, ohne Schadensersatzpflichten
wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung befürchten zu
müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt. Da es bei der den Käufer treffenden Prüfungspflicht um den Ausschluss von Ursachen in seinem eigenen Einflussbereich geht, kommt es entgegen der Auffassung der Revision auf besondere, die Kaufsache betreffende
Fachkenntnisse nicht an, über die unter Umständen nur der
Verkäufer verfügt. Die Annahme einer solchen Prüfungspflicht steht auch nicht im Widerspruch zu der Entscheidung
des IX. Zivilsenats vom 7.12.2006 (IX ZR 167/05, n. V.), die
eine andere Sachverhaltsgestaltung (fehlerhafte Einschätzung
der Rechtslage bei einer vorprozessualen Zahlungsaufforderung) betrifft.
3. Das Berufungsgericht hat danach eine schuldhafte Vertragsverletzung der Beklagten zu Recht bejaht. Es hat festgestellt, dass entweder die Beklagte die von der Klägerin gelieferte Anlage von vornherein fehlerhaft eingebaut hat, weil sie
die erforderliche Kabelverbindung zwischen Alt- und Neubau
nicht hergestellt hat, oder dass ihr Mitarbeiter R. bei der Überprüfung der Anlage nicht bemerkt hat, dass das Personal des
Pflegeheims die Fehlfunktion durch eine Änderung der Einstellung verursacht hat, und es zudem nach der Überprüfung
versäumt hat, die Verbindung zwischen Alt- und Neubau wieder anzuklemmen. Jede dieser in Betracht kommenden, im
Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkannt
werden können und deshalb vor Inanspruchnahme der Klägerin berücksichtigt werden müssen.
Anmerkung:
Gerade beim Bauträgervertrag kommt es nicht selten vor, dass
der Vertragspartner die Zahlung der letzten Rate mit dem Verweis auf (angebliche) Baumängel und einen daraus resultierenden Nacherfüllungsanspruch verweigert (§ 635 BGB
i. V. m. § 320 BGB), obwohl das Bauwerk mangelfrei errichtet wurde und demgemäß keine Gewährleistungsansprüche
bestehen. Die vorliegende Entscheidung des BGH, die im
unberechtigten Mangelbeseitigungsverlangen grundsätzlich
eine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung
sieht (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB), schafft für den Leid
geplagten Bauträger Abhilfe. Denn dessen Vertragspartner,
der erkennt oder erkennen muss, dass gar kein Mangel i. S. v.
§ 633 Abs. 2 BGB vorliegt, weil die Ursache der Mangelerscheinung in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt,
und dennoch seinen vermeintlichen Nacherfüllungsanspruch
dem Verlangen nach Zahlung der letzten Rate entgegenhält,
läuft nach Ansicht des BGH Gefahr, nicht nur den Restkaufpreis, sondern darüber hinaus die Kosten der Untersuchung
des Bauwerks auf Mängel und etwaige Kosten für die Beseitigung der Mangelerscheinung1 bezahlen zu müssen. Auf
diese Weise wird der Bauträger wirkungsvoll vor einer offenkundig unberechtigten Zahlungsverweigerung bzw. – nach erfolgter Zahlung – vor einem offenkundig unberechtigten
Mängelbeseitigungsverlangen geschützt. Die Entscheidung
ist zu begrüßen, da sie die missbräuchliche Ausübung einer
vermeintlichen Rechtsposition jedenfalls im Grundsatz angemessen mit einer Schadensersatzpflicht sanktioniert. Allerdings ist – auf der Tatbestandsseite – in weitgehender Übereinstimmung mit dem BGH stets darauf zu achten, dass die
Überprüfungspflicht des Vertragspartners hinsichtlich der
Mangelursache nicht zu weit gefasst wird, um dessen Mängelrechte nicht zu entwerten. Auf der Rechtsfolgenseite geht
die Entscheidung hingegen zu weit, indem sie die Schadensersatzpflicht auch auf die Kosten für die Beseitigung der
Mangelerscheinung ausdehnt. Wenig überzeugend ist zudem
die in einem obiter dictum angedeutete Differenzierung danach, ob die unberechtigte Geltendmachung eines Anspruchs
auf einer fehlerhaften Einschätzung der Tatsachenlage oder
der Rechtslage beruht.2 Im letztgenannten Fall soll regelmäßig schon keine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht aus
§ 241 Abs. 2 BGB vorliegen.3
1.
Bürgerliches Recht
Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen, insbesondere die
Kostentragungspflicht des Unterlegenen nach § 91 ZPO,
grundsätzlich ausreichend und abschließend geschützt. Dies
soll auch für den Fall gelten, dass ihm über die erstattungsfähigen Verfahrenskosten hinausgehende Aufwendungen entstanden sind.4 Anderenfalls würde die verfassungsrechtlich gewährleistete Rechtsweggarantie unangemessen eingeschränkt.5
2.
Unberechtigte außerprozessuale
Geltendmachung eines Anspruchs
Für die unberechtigte außergerichtliche Geltendmachung von
Ansprüchen besteht hingegen kein vergleichbarer Rechtfertigungsgrund, da die Kostentragungsregeln der §§ 91 ff. ZPO
weder direkt noch analog anwendbar sind.6 Ein Schadensersatzanspruch auf (vor-)vertraglicher oder außervertraglicher
Grundlage kommt demnach grundsätzlich in Betracht. Dennoch war die Rechtsprechung bis zur vorliegenden Entscheidung mit der Bejahung einer Schadensersatzpflicht desjenigen, der sich unberechtigter Weise eines Anspruchs berühmt,
sehr zurückhaltend.7 Denn es gehöre zum allgemeinen
Lebensrisiko, mit unberechtigten Ansprüchen konfrontiert zu
werden. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die Voraussetzungen einer speziellen Haftungsnorm vorliegen.8 Mit vorliegendem Urteil hat der BGH nunmehr einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB bei
unberechtigter Geltendmachung eines Nacherfüllungsanspruchs bejaht und gleichzeitig die Anforderungen an eine
Pflichtverletzung i. S. v. § 241 Abs. 2 BGB konkretisiert
sowie die Reichweite der Haftung nach §§ 280 Abs. 1, 241
Abs. 2 BGB festgelegt.
a)
Umfang der Rücksichtnahmepflicht
nach § 241 Abs. 2 BGB
Ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2
BGB setzt eine bestehende vertragliche oder vorvertragliche
(§ 311 Abs. 2 BGB) Sonderverbindung voraus, welche stets
gegeben ist, wenn die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten in Rede steht. Maßgeblich ist somit die Reichweite
der Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB. Zu Recht
weist der BGH darauf hin, dass es für den Käufer ersichtlich
sei, dass durch sein Mangelbeseitigungsverlangen auf Seiten
seines Vertragspartners ein nicht nur unerheblicher Kostenaufwand ausgelöst werden kann. Deshalb müsse er vor Geltendmachung des Nacherfüllungsverlangens sorgfältig prüfen, ob die Ursache der von ihm beanstandeten Abweichung
des Vertragsgegenstands von der geschuldeten Beschaffenheit
in seinem Verantwortungsbereich liegt.9
Entscheidende Bedeutung kommt damit der Frage zu, wie
weit diese Prüfungspflicht reicht. Anders als bei LeistungsRechtfertigungsgrund der prozessualen
Inanspruchnahme
In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass die unberechtigte gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs
– bei subjektiver Redlichkeit – weder eine schadensersatzpflichtige (vor-)vertragliche Pflichtverletzung i. S. d. § 241
Abs. 2 BGB noch eine unerlaubte Handlung i. S. d. §§ 823 ff.
BGB darstellt. Denn der Prozessgegner werde durch die im
1 So ausdrücklich der BGH im hier besprochenen Urteil unter II
(„ … Schadensersatz wegen ihrer Aufwendungen für die Beseitigung
[Hervorhebung durch Verfasser] der Störung …“).
2 BGH im hier besprochenen Urteil unter II 2 c.
3 BGH, Beschluss vom 7.12.2006, IX ZR 167/05 (n. V.) m. w. N.
4 BGH, NJW 2005, 3141, 3142 m. w. N.
5 BGH im hier besprochenen Urteil unter II 2; den Rechtfertigungsgrund der prozessualen Inanspruchnahme mit guten Gründen ablehnend Kaiser in FS Canaris, 2007, S. 531 ff.; dies., NJW 2008, 1709,
1710 f.
6 BGH, NJW 1988, 2032, 2033 f.
7 Vgl. BGH, Beschluss vom 7.12.2006, IX ZR 167/05 (n. V.)
m. w. N. So im Grundsatz auch noch BGH, NJW 2007, 1458. Lediglich im Sonderfall der unberechtigten Verwarnung aus Immaterialgüterrechten hatte der BGH einen Schadensersatzanspruch aus § 823
Abs. 1 BGB wegen Verletzung des eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetriebs angenommen, BGH, NJW 2005, 3141, 3142 ff.
8 BGH, NJW 2007, 1458, 1459; zustimmend Ahrens, NJW 1982,
2477, 2478; Habscheid, NJW 1958, 1000, 1001.
9 BGH im hier besprochenen Urteil unter II 2 c.
Rechtsprechung
MittBayNot 6/2008
Bürgerliches Recht
pflichten steht bei der Rücksichtnahmepflicht nach § 241
Abs 2 BGB der Pflichtenumfang nicht ex ante fest. Vielmehr
ist das Pflichtenprogramm situationsabhängig zu bestimmen,
wobei die berechtigten, schutzwürdigen Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen sind (individuell-typisierender
Maßstab).10 Durch die einzelfallbezogene Konkretisierung
des Pflichtenprogramms kommt der Kategorie des Verschuldens keine eigenständige Bedeutung mehr zu.11 Wird die Verletzung einer Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB
bejaht, hat der Schuldner diese auch zu vertreten (vgl. § 280
Abs. 1 Satz 2 BGB).
aa) Für die Bestimmung der Reichweite der Prüfungspflicht
des Käufers oder Werkbestellers nach § 241 Abs. 2 BGB vor
Geltendmachung eines Mangelbeseitigungsverlangens sind
die folgenden Umstände von Bedeutung: Keinesfalls darf
diese Nebenpflicht so weit gehen, dass der Käufer oder Werkbesteller aufgrund des Haftungsrisikos seinen Nacherfüllungsanspruch nur noch sehr eingeschränkt geltend macht
und dadurch die gesetzlichen Mängelrechte entwertet werden.12 In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass
derjenige Käufer oder Werkbesteller, der aus Vorsicht den
Mangel selbst beseitigt, die dafür aufgewandten Kosten selbst
dann nicht erstattet erhält, wenn sich herausstellt, dass es sich
um einen Sachmangel i. S. d. §§ 434, 633 Abs. 2 BGB handelt.13 Das fehlende Selbstvornahmerecht bzw. die Obliegenheit des Käufers oder Werkbestellers, dem anderen Vertragsteil Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben, um die Gewährleistungsrechte nicht zu verlieren,14 führt aber in Verbindung
mit einer weitreichenden Untersuchungspflicht dazu, dass die
Ungewissheit über die Ursache einer negativen Abweichung
der Ist- von der Soll-Beschaffenheit des Vertragsgegenstandes
einseitig zulasten des Käufers oder Werkbestellers ginge.
Deshalb gilt es, die Anforderungen an die Erforschung der
Mangelursache eng zu begrenzen.15 Während der BGH eine
Haftung bereits dann annehmen möchte, wenn der Käufer
oder Werkbesteller hätte erkennen können (einfache Fahrlässigkeit), dass die Ursache der Mangelerscheinung in seinem
Verantwortungsbereich liegt,16 erscheint es überzeugender,
eine Pflichtverletzung nur dann anzunehmen, wenn sich dem
Käufer oder Werkbesteller dieser Umstand zumindest aufdrängen musste (bloße Evidenzkontrolle). Anzulegen ist hier
ein objektiv-typisierender Maßstab, d. h. ein Unternehmer
(§ 14 BGB) hat höhere Sorgfaltsanforderungen zu erfüllen als
ein Verbraucher (§ 13 BGB).
bb) Angesichts dessen, dass die Überprüfungspflicht nach
§ 241 Abs. 2 BGB auf der „Nähe“ des Käufers oder Werkbestellers zum Vertragsgegenstand basiert und auf diese Weise
der Informationsvorsprung des Käufers ausgeglichen werden
soll, sind die Anforderungen an die Erforschung der Mangelursache andererseits weiter zu fassen, als der BGH dies vorgesehen hat. Entscheidend ist nicht, dass der Käufer oder
Werkbesteller erkennt oder sich ihm aufdrängen muss, dass
Grigoleit in FS Canaris, S. 275, 277 f.
Canaris, JZ 2001, 499, 512; S. Lorenz, NJW 2005, 1889, 1890.
So auch der BGH im hier besprochenen Urteil unter II 2 c.
Kaiser, NJW 2008, 1709, 1710. Zum fehlenden Selbstvornahmerecht des Käufers vgl. BGHZ 162, 219, 224 ff. = NJW 2005, 1348,
1349 ff.; BGH, NJW 2005, 3211, 3212. Für das Werkvertragsrecht
sind die Aufwendungen für eine Selbstvornahme nach § 637 BGB
grundsätzlich nur nach vorherigem Mängelbeseitigungsverlangen erstattungsfähig.
14 BGH, NJW 2006, 1195, 1197.
15 So auch Kaiser, NJW 2008, 1709, 1710.
16 BGH im hier besprochenen Urteil unter II 2 c.
MittBayNot 6/2008
die Mangelursache in seinem eigenen Verantwortungsbereich
liegt. Vielmehr kommt es darauf an, dass sie jedenfalls nicht
seinem Vertragspartner zuzurechnen ist und deshalb aufgrund
fehlenden Mangels i. S. d. §§ 434, 633 Abs. 2 BGB keine
Gewährleistungsansprüche bestehen.17
Nach Auffassung des BGH scheidet eine Schadensersatzpflicht in den Fällen aus, in denen nach pflichtgemäßer Prüfung Unklarheit darüber herrscht, worauf die Mangelerscheinung zurückzuführen ist. Auch diese Aussage bedarf einer
Präzisierung. Sofern der Käufer oder Werkbesteller nach
sorgfältiger Prüfung die Mangelursache nicht erkennen kann,
liegt in der Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs
keine Pflichtverletzung. Ergibt die Untersuchung hingegen,
dass möglicherweise Umstände aus der eigenen Sphäre oder
der Sphäre eines Dritten für die Mangelerscheinung ursächlich sind, müssen diese Zweifel dem Vertragspartner offen gelegt werden.18 Anderenfalls droht trotz der Unklarheit über
die Mangelursache eine Schadensersatzpflicht nach §§ 280
Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.
b)
Sonderbehandlung fehlerhafter rechtlicher
Würdigung?
Im vorliegenden Urteil erörtert der BGH ausschließlich die
Prüfungspflicht des Käufers oder Werkbestellers hinsichtlich
der tatsächlichen Grundlagen eines Nacherfüllungsanspruchs. Unterläuft Letzterem insoweit eine mindestens
(grob) fahrlässige Fehleinschätzung, so haftet er seinem Vertragspartner nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Zur Frage,
ob eine schadensersatzbewehrte Prüfungspflicht nach § 241
Abs. 2 BGB ebenso im Hinblick auf die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs besteht, äußert sich
der BGH nicht ausdrücklich. In einem obiter dictum deutet
der erkennende Senat aber an, dass die von ihm konkretisierten Rücksichtnahmepflichten nicht ohne weiteres auf die fehlerhaften Einschätzung der Rechtslage übertragbar sind19 und
er insoweit nicht von der Rechtsprechung des IX. Senats20 abweichen möchte.
Eine kategoriale Unterscheidung zwischen tatsächlicher und
rechtlicher Fehleinschätzung überzeugt jedoch aus mehreren
Gründen nicht. In beiden Fällen ist für den Anspruchsteller
gleichermaßen erkennbar, dass sein Verlangen auf Seiten seines Vertragspartners nicht nur unerhebliche Kosten auslösen
kann, sei es durch Untersuchung der behaupteten tatsächlichen Umstände, sei es infolge der Überprüfung der Rechtslage durch einen Fachmann. Insoweit unterscheidet sich die
Interessenlage nicht. Zwar wird der Laie regelmäßig eher die
Sach- als die Rechtslage beurteilen können. Dies rechtfertigt
jedoch nicht die völlige Verneinung einer Prüfungspflicht in
rechtlicher Hinsicht, sondern hat lediglich für den anzulegenden Sorgfaltsmaßstab Bedeutung. Auf diese Weise können die
ggf. geringeren individuellen Prüfungsmöglichkeiten berücksichtigt werden.
Schließlich ist die Unterscheidung zwischen tatsächlicher und
rechtlicher Fehleinschätzung wertungsmäßig nicht durchwegs überzeugend. Angenommen, im der Entscheidung des
BGH zugrundeliegenden Sachverhalt hätte das Altenheim die
Lichtrufanlage direkt bei der Klägerin gekauft, die Beklagte
mit der Installation beauftragt und anschließend – nach AufKaiser, NJW 2008, 1709, 1712 f.
Zutreffend Kaiser, NJW 2008, 1709, 1712.
Im hier besprochenen Urteil unter II 2 c.
Zuletzt BGH, Beschluss vom 7.12.2006, IX ZR 167/05 (n. V.);
vgl. BGHZ 118, 201, 206; 74, 9, 14 f.; NJW 1980, 189, 190.
tatsächliche Fehleinschätzung, welche jedenfalls im Grundsatz eine Schadensersatzpflicht nach §§ 280 Abs. 1, 241
Abs. 2 BGB auslösen kann. Hätte das Altenheim als Käufer
hingegen erkannt, dass die Mangelerscheinung auf der mangelhaften Elektroinstallation durch das hierfür zuständige
Unternehmen beruht, wäre jedoch davon ausgegangen, dass
Verkäufer und Installateur für Fehler des jeweils anderen verantwortlich sind (rechtliche Fehleinschätzung), würde nach
den Vorgaben des BGH eine Schadensersatz begründende
Pflichtverletzung von vornherein ausscheiden. Richtigerweise kann es aber keinen Unterschied machen, ob der Anspruchsteller sorgfaltswidrig die tatsächlichen Umstände
falsch einschätzt oder – auf zutreffender Tatsachengrundlage – eine fehlerhafte rechtliche Schlussfolgerung zieht.
Aus den genannten Gründen kommt eine Schadensersatzpflicht auch dann in Betracht, wenn vermeintliche Ansprüche
aufgrund fehlerhafter Beurteilung der Rechtslage geltend gemacht werden. Voraussetzung ist wiederum, dass der Anspruchsteller weiß oder sich ihm aufdrängen muss, dass der
geltend gemachte Anspruch nicht besteht. Bei fehlerhafter
rechtlicher Würdigung ist allerdings darauf zu achten, dass
der Sorgfaltsmaßstab nicht überspannt wird. Ebenso kommt
der Schadensminderungsobliegenheit des Anspruchsgegners
nach § 254 BGB wesentliche Bedeutung zu. Insbesondere bei
einem unberechtigten Zahlungsverlangen kann der Anspruchsgegner gehalten sein, vor Einschaltung eines Rechtsanwalts beim Anspruchsteller nachdrücklich anzufragen, ob
die Rechnungsstellung auf einem Versehen beruht.21
c)
Umfang der Schadensersatzpflicht
Nach Ansicht des BGH kann ein unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen dazu führen, dass der Anspruchsteller die
dadurch entstandenen Mangelbeseitigungskosten zu ersetzen
hat.22 Richtigerweise beschränkt sich der Schadensersatzanspruch auf diejenigen Aufwendungen, die für die Feststellung
der Mangelursache angefallen sind. Stellt der Verkäufer oder
Werkunternehmer nämlich fest, dass die Mangelerscheinung
keinen Mangel i. S. v. §§ 434, 633 Abs. 2 BGB begründet, ist
er nicht nach §§ 434 ff., 634 ff. BGB zu deren Beseitigung
verpflichtet.23 Eine gleichwohl (auf eigene Rechnung) durchgeführte Reparatur unterbricht den Kausalzusammenhang mit
dem sorgfaltswidrigen Mangelbeseitigungsverlangen. Die
hierfür angefallenen Aufwendungen stellen keinen ersatzfähigen Schaden dar.24
3.
Fazit
Nicht nur die unberechtigte Geltendmachung eines Nacherfüllungsverlangens, sondern jegliche unberechtigte außerge21 Eine zu weitreichende Haftung kann im Übrigen durch die Kausalitäts- und Zurechnungsanforderungen (vgl. hierzu Palandt/
Heinrichs, BGB, 67. Aufl. 2008, § 249 Rdnr. 54 ff.) hinsichtlich des
entstandenen Schadens vermieden werden.
22 BGH im hier besprochenen Urteil unter II.
23 Gleiches gilt – außerhalb des Anwendungsbereichs des § 476
BGB – auch dann, wenn die Mangelursache nicht geklärt werden
kann oder wenn der Verkäufer oder Werkunternehmer im Vertrauen
auf die Angaben seines Vertragspartners dem Nacherfüllungsverlangen Folge leistet, Kaiser, NJW 2008, 1709, 1711.
24 Ebenso Kaiser, NJW 2008, 1709, 1711. Unter Umständen besteht
insoweit aber ein Anspruch wegen Geschäftsführung ohne Auftrag
(§§ 677 ff. BGB) oder ein Bereicherungsanspruch (§§ 812 ff. BGB).
Bürgerliches Recht
richtliche Geltendmachung eines Anspruchs kann eine Schadensersatzpflicht des Anspruchstellers nach §§ 280 Abs. 1,
241 Abs. 2 BGB auslösen, wenn dieser die anspruchsbegründende Sachlage entgegen der Auffassung des BGH nicht nur
einfach fahrlässig, sondern zumindest grob fahrlässig falsch
beurteilt hat. Gleiches sollte bei einer fehlerhaften Einschätzung der Rechtslage gelten, wobei insoweit die Sorgfaltspflichten nicht überspannt werden dürfen. Im Falle einer
Schadensersatzpflicht ist erstattungsfähig, was zur Ermittlung
der Mangelursache bzw. zur Klärung der Rechtslage zurechenbar aufgewandt wurde. Auf diese Weise wird jeder
Vertragsteil dazu angehalten, in zumutbarer Weise auf die berechtigten Interessen des jeweils anderen Teils Rücksicht zu
nehmen, ohne ihn in der Geltendmachung seiner Rechte unzumutbar einzuschränken.
Notarassessor Sebastian Herrler, Hof
3. BGB § 311 Abs. 2 (Kein Vergaberecht bei Veräußerung
öffentlicher Grundstücke)
Die auf der Grundlage des Vergaberechts zu den Pflichten
eines Ausschreibenden entwickelten Grundsätze können
auf ein für den Verkauf des Grundstücks von einem Träger der öffentlichen Verwaltung gewähltes „Bieterverfahren“ nicht ohne weiteres übertragen werden.
BGH, Urteil vom 22.2.2008, V ZR 56/07; mitgeteilt von Wolfgang Wellner, Richter am BGH
Der beklagte Bezirk war Eigentümer eines Grundstücks in M. Das
Grundstück war mit Gebäuden bebaut, die zum Betrieb einer Klinik
gedient hatten. Die Klinik war verlagert worden; Grundstück und Gebäude benötigte der Beklagte nicht mehr. Deshalb entschloss er sich
zum Verkauf des Grundstücks mit dem Ziel der Neubebauung. Der
Wert des Grundstücks war in einem Sachverständigengutachten mit
8.900.000 € ermittelt worden. Dieser Betrag sollte aus dem Verkauf
des Grundstücks mindestens erzielt werden.
Im Frühjahr 2003 beauftragte der Beklagte die P. mit dem Nachweis
eines Käufers. P. erstellte ein Exposé. In diesem wurde das Grundstück für 8.900.000 € angeboten. Es sollte etwa Juni 2003 übergeben
werden, die Bebaubarkeit war entsprechend einem Vorbescheid der
Lokalbaukommission mit 57% der Geschossfläche als Wohnzwecken
dienend angegeben. P. versandte das Exposé an 34 Interessenten und
trug diesen ihre Dienste als Maklerin an. Acht der Angeschriebenen
bekundeten Interesse an einem Erwerb, darunter die Klägerin und
die B.
Mit Schreiben vom 14.5.2003 informierte P. die Klägerin davon, dass
die Beräumung des Grundstücks erst am 1.10.2003 möglich sein
werde, und davon, dass das Grundstück nach einer mündlichen Auskunft der Lokalbaukommission auch vollständig zu Wohnzwecken
genutzt werden könne. Zugleich bat P. im Hinblick „auf die anwachsende Zahl der positiven Reaktionen“ bis zum 28.5.2003, 12.00 Uhr
um ein schriftliches Kaufpreisangebot. Spätere Gebote könnten nicht
mehr berücksichtigt werden. Hierauf teilte die Klägerin mit, „den
Wert des baureifen Grundstücks ohne Beeinträchtigung für Wohnen
bei 9 Mio. € zu sehen“.
Am 25.6.2003 stimmte der Bezirksausschuss des Beklagten einem
Verkauf des Grundstücks „an die meistbietende Firma über dem geforderten Mindestkaufpreis von 8.900.000 €“ zu. Gebote unter diesem Preis sollten nicht berücksichtigt werden. Der Beschluss wurde
den Interessenten bekannt gegeben. Weil die abgegebenen Gebote
teilweise unter Vorbehalten standen, forderte P. mit Schreiben vom
10.7.2003 den verbliebenen „kleinen Kreis von Mitbewerbern“ um
das Grundstück auf, bis spätestens 18.7.2003, 12.00 Uhr die bekundete Erwerbsbereitschaft ohne Vorbehalt zu erklären. B. erklärte sich
fristgerecht zum Kauf des Grundstücks für 8.900.000 € bereit. Die
Klägerin erklärte, „aufgrund einer Feinkalkulation … zu einem Kaufpreis von 8.221.083 € zu kommen“ und bat, „trotz unseres jetzt niedrigeren Gebotes in jedem Falle mit uns zu sprechen“.
Rechtsprechung
MittBayNot 6/2008

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

22.01.2008

Aktenzeichen:

VIII ZR 246/06

Rechtsgebiete:

Kaufvertrag
Allgemeines Schuldrecht

Erschienen in:

MittBayNot 2008, 471-475
NJW 2008, 1147-1148

Normen in Titel:

BGB §§ 439 Abs. 1, 280 Abs. 1