OLG Köln 22. Mai 2013
2 Wx 9497/13
BGB § 891 Abs. 1, § 892; GBO §§ 13, 19, 39, 71

Vermutung der Richtigkeit des Grundbuchs gilt auch für das Grundbuchamt

5. BGB § 891 Abs. 1, § 892; GBO §§ 13, 19, 39, 71 (Vermutung der Richtigkeit des Grundbuchs gilt auch für das Grundbuchamt)
1.    Die Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB, dass demjenigen, für den im Grundbuch ein Recht eingetragen ist, das Recht auch zusteht, gilt auch für das Grundbuchamt. Ein eingetragenes Recht ist deshalb als bestehend und der eingetragene Berechtigte als der verfügungsberechtigte Inhaber des Rechts anzusehen, solange diese Vermutung nicht durch den vollen Beweis ihres Gegenteils widerlegt ist.
2.    Ein Eintragungsantrag kann nur dann mit der Begründung abgelehnt werden, das Grundbuchamt dürfe nicht sehenden Auges an einem gutgläubigen Rechtserwerb mitwirken, wenn die Vermutung des § 891 BGB widerlegt ist und feststeht, dass das Grundbuch unrichtig ist. Auch die erwiesene Grundbuchunrichtigkeit steht der Eintragung aber nicht entgegen, wenn ein gutgläubiger Erwerb wegen eines eingetragenen Widerspruchs gemäß § 892 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ausgeschlossen ist.
3.    Der gute Glaube des Erwerbers im Sinne des § 892 Abs. 1 BGB muss grundsätzlich noch bei Vollendung des Rechtserwerbs vorliegen. Die Eintragung eines Widerspruchs hindert einen gutgläubigen Erwerb nach § 892 Abs. 1 BGB deshalb auch dann, wenn sie zwar nach Eingang des Eintragungsantrages, aber noch vor Eintragung der Rechtsänderung erfolgt; § 892 Abs. 2 BGB ist insoweit nicht entsprechend anwendbar.
OLG Köln, Beschluss vom 22.5.2013, 2 Wx 9497/13; mitgeteilt von Werner Sternal, Vorsitzender Richter am OLG Köln
Im Grundbuch des AG BergischG von G war als Eigentümerin des im Rubrum näher bezeichneten Grundbesitzes seit dem Jahre 1974 Frau P R, geb. M, eingetragen. Nach dem Tod der bisherigen Eigentümerin wurde am 23.1.2012 im Wege der Berichtigung ihr am ... 1944 geborener Erbe (und Vater des Beteiligten zu 2), Herr H W R, als Eigentümer eingetragen. Über das Vermögen des Herrn H W R war bereits durch Beschluss des AG Flensburg vom 1.11.2001 (56 IN 161/01) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beteiligte zu 1 zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Eine Eintragung dieser Verfügungsbeschränkung in das Grundbuch erfolgte nicht.
Mit notariellem Vertrag vom 20.7.2012 (URNr. .../2012 M des Notars Dr. Mö in B G) übertrug Herr H W R das Eigentum an dem vorbezeichneten Grundbesitz auf den Beteiligten zu 2. Der Eigentumsübergang wurde am 5.9.2012 in das Grundbuch eingetragen.
Mit Schriftsatz vom 29.10.2012 beantragte die NordOstseeSparkasse in Flensburg, gemäß § 899 BGB einen Widerspruch gegen die Eintragung des Beteiligten zu 2 als Eigentümer einzutragen sowie das Grundbuch dahingehend zu berichtigen, dass Herr H W R wieder als Eigentümer eingetragen wird. Dieser sei nämlich infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen nicht befugt gewesen, das Eigentum auf den Beteiligten zu 2 zu übertragen. Das Grundbuchamt hat diesen Antrag durch Beschluss des Grundbuchamts vom 31.10.2012 zurückgewiesen, da die gesetzlichen Voraussetzungen für die beantragten Eintragungen nicht vorlägen.
Mit Vertrag vom 29.11.2012 (URNr. 1812/2012 M des Notars Dr. Mö in B G) verkaufte der Beteiligte zu 2 den oben näher bezeichneten Grundbesitz zu jeweils ½Anteil an die Beteiligten zu 3 und 4 und bewilligte zur Sicherung des Eigentumsübertragungsanspruchs die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zu deren Gunsten. Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten Dr. Mö vom 30.11.2012 beantragten die Beteiligten zu 24 die Eintragung der Auflassungsvormerkung im Grundbuch.
Im Rahmen der Kaufpreisfinanzierung durch die Beteiligten zu 3 und 4 bewilligte der Beteiligte zu 2 mit notariellen Urkunden jeweils vom 29.11.2012 (URNr. 1813/2012 M, 1814/2012 M und 1815/2012 M des Notars Dr. Mö in B G) die Eintragung zweier Briefgrundschulden über 154.000 € nebst Zinsen und 28.000 € für die Beteiligte zu 6 sowie einer Buchgrundschuld über 72.000 € nebst Zinsen für die Beteiligte zu 5. Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten Dr. Mö vom 3.12.2012 beantragten die Beteiligten zu 26 die Eintragung der Grundschulden in das Grundbuch.
Das AG – Grundbuchamt – B G hat die vorbezeichneten Eintragungsanträge mit Beschluss vom 10.1.2013 zurückgewiesen. Der damalige Veräußerer H W R sei bei der Veräußerung des Grundstücks an den Beteiligten zu 2 nicht mehr verfügungsberechtigt gewesen (§ 80 InsO); dementsprechend habe der Beteiligte zu 2, der im Zeitpunkt der Übertragung auch Kenntnis von dem Insolvenzverfahren über das Vermögen seines Vaters gehabt habe, kein Eigentum an den Grundstücken erwerben können. Bei einer Vollziehung der nunmehr vorliegenden Anträge würden die möglicherweise redlichen Beteiligten zu 3 bis 6 gutgläubig die beantragten Rechte erwerben. Zu einem derartigen gutgläubigen Erwerb dürfe das Grundbuchamt den Beteiligten zu 3 bis 6 jedoch nicht verhelfen.
Ebenfalls am 10.1.2013 hat das Grundbuchamt auf der Grundlage einer vom Beteiligten zu 1 gegen den Beteiligten zu 2 erwirkten einstweiligen Verfügung (Beschluss des LG Köln vom 20.12.2012, 22 O 595/12) zugunsten des Beteiligten zu 1 einen Widerspruch gegen das Eigentum des Beteiligten zu 2 im Grundbuch eingetragen. Die zuvor durch den Beteiligten zu 1 mit Schriftsatz vom 21.11.2012 beantragte Eintragung eines Amtswiderspruchs hat das Grundbuchamt mit Beschluss vom 9.1.2013, erlassen am 10.1.2013, zurückgewiesen.
Mit Schriftsatz seines weiteren Verfahrensbevollmächtigten Dr. K vom 15.2.2013 hat der Beteiligte zu 2 gegen die Zurückweisung der Eintragungsanträge vom 30.11.2012 und 3.12.2012 gemäß Beschluss vom 10.1.2013 Beschwerde eingelegt. Dieser Beschwerde hat das Grundbuchamt mit Beschluss vom 21.2.2013, erlassen am 27.2.2013, nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Schriftsatz ihrer weiteren Verfahrensbevollmächtigten vom 14.3.2013 haben auch die Beteiligten zu 3 und 4 Beschwerde gegen den Beschluss des Grundbuchamts vom 10.1.2013 eingelegt, mit der sie nach eigenem Bekunden das Ziel verfolgen, „dass das Grundbuch auf sie umgeschrieben wird“.
Aus den Gründen:
II.
1. Die Beschwerden des Beteiligten zu 2 vom 15.2.2013 sowie der Beteiligten zu 3 und 4 vom 14.3.2013 sind als Grundbuchbeschwerden im Sinne des § 71 Abs. 1 GBO statthaft und auch im Übrigen in zulässiger Weise eingelegt.
Dabei ist die Beschwerde des Beteiligten zu 2, der sich gegen die Zurückweisung „der am 30.11.2012 und 3.12.2012 gestellten Grundbuchanträge“ wendet, dahingehend auszulegen, dass sowohl der Antrag auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten der Beteiligten zu 3 und 4 als auch der Antrag auf Eintragung von insgesamt drei Grundschulden zugunsten der Beteiligten zu 5 und 6 weiter verfolgt wird.
Soweit die Beteiligten zu 3 und 4 mit ihrer Beschwerde das Ziel verfolgen, „dass das Grundbuch auf sie umgeschrieben wird“, ist dies bei verständiger Würdigung als Beschwerde – nur – gegen die Zurückweisung des auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung gerichteten Antrags vom 30.11.2012 auszulegen. Denn ein Antrag auf Eigentumsumschreibung ist bisher weder gestellt noch vom Grundbuchamt zurückgewiesen worden; die Zurückweisung der Anträge auf Eintragung der Grundschulden gemäß Schriftsatz vom 3.12.2013 haben die Beteiligten zu 3 und 4 nicht zum Gegenstand ihrer Beschwerde gemacht.
2. Die so verstandenen Beschwerden haben auch in der Sache selbst Erfolg. Die Zurückweisung der mit Schriftsätzen vom 30.11.2012 und 3.12.2012 gestellten Eintragungseinträge stellt sich jedenfalls nach dem in der Beschwerdeinstanz maßgeblichen Sachstand als verfahrensfehlerhaft dar.
a) Gemäß § 19 GBO setzt eine Eintragung in das Grundbuch neben dem Eintragungsantrag (§ 13 Abs. 1 GBO) und der Voreintragung des Betroffenen (§ 39 Abs. 1 GBO) dessen verfahrensrechtliche Bewilligung voraus. In diesem Rahmen ist auch die Verfügungsbefugnis als Grundlage der formellen Bewilligungsbefugnis von Amts wegen zu prüfen. Dabei ist grundsätzlich auch für das Grundbuchamt der Inhalt des Grundbuchs maßgeblich; die Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB, dass demjenigen, für den im Grundbuch ein Recht eingetragen ist, das Recht auch zusteht, gilt auch für das Grundbuchamt. Das eingetragene Recht ist deshalb als bestehend und der eingetragene Berechtigte als der verfügungsberechtigte Inhaber des Rechts anzusehen. Diese Vermutung ist nicht schon durch ihre Erschütterung, sondern erst durch den vollen Beweis ihres Gegenteils widerlegt. Das Grundbuchamt muss in diesem Fall Tatsachen kennen, welche ihm die sichere Überzeugung vermitteln, dass die gesetzliche Vermutung der Wahrheit widerspricht (st. Rspr., vgl. etwa Senat, MittRhNotK 1983, 52 f.; BayObLG, NJWRR 1989, 718 ; OLG Frankfurt
a. M., NJWRR 2012, 784; OLG München, DNotZ 2012, 298; ebenso Demharter, GBO, 28. Aufl. 2012, § 19 Rdnr. 59; Palandt/Bassenge, 72. Aufl. 2013, § 891 Rdnr. 10).
Allerdings darf das Grundbuchamt nach herrschender Meinung nicht daran mitwirken, durch seine Eintragungstätigkeit einen Rechtserwerb herbeizuführen, der nur kraft guten Glaubens stattfindet. Denn es ist nicht Aufgabe des Grundbuchamtes, an einem gutgläubigen Erwerb mitzuwirken und auf diese Weise sehenden Auges den Rechtsverlust des bisherigen Berechtigten zu bewirken. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann der Eintragungsantrag aber nur abgelehnt werden, wenn feststeht, dass allein ein Erwerb kraft guten Glaubens in Betracht kommt, mithin die Vermutung des § 891 BGB im oben dargelegten Sinne widerlegt und deshalb das Grundbuch unrichtig ist (OLG Karlsruhe, NJWRR 1998, 445; OLG München, a. a. O.; OLG Frankfurt a. M., a. a. O.; BayObLG, Rpfleger 1994, 453; Demharter,
a. a. O., § 13 Rdnr. 12 m. w. N.).
In Übereinstimmung mit der Rechtsansicht der Beteiligten zu 26 wird allerdings im rechtswissenschaftlichen Schrifttum zunehmend die Gegenauffassung vertreten, wonach das Grundbuchamt eine Eintragung auch dann nicht soll ablehnen dürfen, wenn es weiß, dass sich die Rechtsänderung nur kraft guten Glaubens vollziehen kann. Dies wird vor allem mit dem Normzweck des § 892 BGB begründet; der Erwerber müsse gegen die Zufälligkeiten der Dauer des Eintragungsverfahrens geschützt werden (vgl. etwa MünchKommBGB/Kohler,
6. Aufl. 2013, § 892 Rdnr. 66 ff.; Lennebach, NJW 1999, 923 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rdnr. 352; jeweils m. w. N.)
b) Der Senat kann die Berechtigung dieser Bedenken im Ergebnis offenlassen, weil die in der obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze den vorliegend beantragten Eintragungen im Ergebnis ohnehin nicht im Wege stehen.
aa) Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass nach den oben dargelegten Grundsätzen auch für das Grundbuchamt die Vorschrift des § 891 Abs. 1 BGB gilt und die im Grundbuch befindlichen Eintragungen maßgeblich bleiben, solange ihre Unrichtigkeit nicht positiv feststeht. Zum Nachweis der Unrichtigkeit in diesem Sinne gehört auch, dass ein gutgläubiger Erwerb durch den im Grundbuch als berechtigten Eingetragenen ausgeschlossen werden kann (vgl. KG, NJW 1973, 56, 58 m. w. N.; Palandt/Bassenge, § 891 Rdnr. 10). Dementsprechend stellt sich die geschilderte Problematik von vornherein nur dann, wenn positiv feststeht, dass der Beteiligte zu 2 nicht seinerseits nach Maßgabe des § 892 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO von seinem Vater Eigentum an dem Grundbesitz erworben hat.
Die den Vater des Beteiligten zu 2 treffende Verfügungsbeschränkung des § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO war nicht im Grundbuch eingetragen. Das Grundbuchamt hat einen gutgläubigen Erwerb des Beteiligten zu 2 gleichwohl für ausgeschlossen erachtet, weil ihm aufgrund eines ihm vorliegenden Beschlusses des AG Flensburg vom 27.11.2008 (50 K 39/07) bekannt gewesen sei, dass über das Vermögen seines Vaters ein Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Demgegenüber hat sich der Beteiligte zu 2 darauf berufen, ihm sei zwar die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahre 2001 bekannt gewesen; er sei allerdings aufgrund des zwischenzeitlichen Zeitablaufs davon ausgegangen, dass das Insolvenzverfahren beendet gewesen sei, als sein Vater ihm das Grundstück übertrug. Auch wenn aus Sicht des Senats – nicht zuletzt im Hinblick auf den vom AG in Bezug genommenen Beschluss des AG Flensburg aus dem Jahre 2008 – Vieles dafür spricht, dass dem Beteiligten zu 2 die Fortdauer des Insolvenzverfahrens auch noch im Jahre 2012 bekannt gewesen ist, kann von einer sicheren Kenntnis, die geeignet wäre, die Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB zu widerlegen, nicht ausgegangen werden. Zwischen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.11.2001 und der Eintragung des Beteiligten zu 2 als Eigentümer am 5.9.2012 liegt ein Zeitraum von mehr als zehn Jahren, innerhalb dessen ein Insolvenzverfahren vielfach zum Abschluss gebracht sein wird; auch zwischen dem Erlass des vorbezeichneten Beschlusses vom 27.11.2008 und der Eintragung des Beteiligten zu 2 als Eigentümer war wieder ein Zeitraum von nahezu vier Jahren verstrichen. Zudem hatte der Vater des Beteiligten zu 2 nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die frühere Eigentümerin P R beerbt; hierdurch hätte er möglicherweise Vermögen erwerben können, mit dessen Hilfe er das Insolvenzverfahrens zum Abschluss hätte bringen können. Vor diesem Hintergrund hält es der Senat zwar für möglich, keineswegs aber für hinreichend bewiesen, dass der Beteiligte zu 2 im Zeitpunkt seiner Eintragung als Eigentümer bösgläubig war und deshalb – entgegen dem Inhalt des Grundbuchs – nicht Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes geworden ist.
bb) Unabhängig hiervon hindern die unter a) dargelegten Grundsätze die beantragten Eintragungen im vorliegenden Fall aber auch deshalb nicht, weil ein gutgläubiger Erwerb der Auflassungsvormerkung durch die Beteiligten zu 3 und 4 ebenso wie ein gutgläubiger Erwerb der Grundpfandrechte durch die Beteiligten zu 5 und 6 nicht mehr in Betracht kommt, nachdem das Grundbuchamt am 10.1.2013 einen Widerspruch gegen die Eigentümerstellung des Beteiligten zu 2 in das Grundbuch eingetragen hat.
Der gute Glaube des Erwerbers im Sinne des § 892 Abs. 1 BGB muss grundsätzlich noch bei Vollendung des Rechtserwerbs vorliegen (BGH, NJW 2001, 359 m. w. N.). Hiervon macht § 892 Abs. 2 BGB – nur – insoweit eine Ausnahme, als es für die Kenntnis des Erwerbers von der Grundbuchunrichtigkeit auf den Zeitpunkt der Antragstellung ankommt. Soweit hingegen der gutgläubige Erwerb durch einen eingetragenen Widerspruch verhindert wird (§ 892 Abs. 1 Satz 1, 1. Var. BGB), verbleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz, dass es auf die Vollendung des Rechterwerbs ankommt. Die Eintragung eines Widerspruchs hindert einen gutgläubigen Erwerb nach § 892 Abs. 1 BGB deshalb auch dann, wenn sie zwar nach Eingang des Eintragungsantrages, aber noch vor Eintragung der Rechtsänderung erfolgt; die Vorschrift des § 892 Abs. 2 BGB ist insoweit nicht entsprechend anwendbar (OLG Düsseldorf, DNotZ 1976, 168, 170; Palandt/Bassenge, § 892 Rdnr. 23; MünchKommBGB/Kohler, 6. Aufl. 2013, § 892 Rdnr. 42 m. w. N.). Vor diesem Hintergrund können nach Eintragung des Widerspruchs am 10.1.2013 weder die Beteiligten zu 3 und 4 die vom Beteiligten zu 2 bewilligte Auflassungsvormerkung noch die Beteiligten zu 5 und 6 die für sie bewilligten Grundpfandrechte gutgläubig erwerben. Ein Rechtserwerb kommt vielmehr nur noch dann in Betracht, wenn der Beteiligte zu 2 auf der Grundlage des Übertragungsvertrages vom 20.7.2012 von seinem Vater gutgläubig gemäß § 892 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO Eigentum erworben hat. Bei einem sich daran möglicherweise anschließenden Rechtserwerb der Beteiligten zu 36 handelte es sich dann jedoch nicht mehr um einen gutgläubigen Erwerb im Sinne des § 892 Abs. 1 BGB, sondern um einen Erwerb vom berechtigten Eigentümer. Ein Rechtsverlust des Vaters des Beteiligten zu 2 (und damit eine Beeinträchtigung der Interessen der Insolvenzgläubiger) ist durch die beantragten Eintragungen deshalb nicht mehr zu befürchten.
III.
Eine Kostenentscheidung nach den §§ 81, 84 FamFG ist nicht veranlasst.
Abschließend hält der Senat es für sachdienlich darauf hinzuweisen, dass der beurkundende Notar entgegen der Fassung des Rubrums des angefochtenen Beschlusses nicht selbst Verfahrensbeteiligter, sondern Verfahrensbevollmächtigter der Beteiligten ist (vgl. § 15 GBO).
anmerkung:
1. Hintergrund
Nach allgemeiner Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung ist das Grundbuchamt nicht berechtigt, eine Eintragung zu vollziehen, die zu einem gutgläubigen Erwerb führt, wenn es Kenntnis von der Unrichtigkeit des Grundbuchs hat; das Grundbuchamt dürfe nicht „sehenden Auges“ einen Rechtserwerb herbeiführen, der „nur“ kraft guten Glaubens entstehe.1 Obwohl die Regelung des § 892 Abs. 2 BGB den Erwerber vor einer späteren eigenen Kenntnis schützt, muss er dennoch befürchten, dass das Grundbuchamt Kenntnis von einer fehlenden Berechtigung des Bucheigentümers erlangt und daher die Eintragung ablehnt. Seine Gegenleistung kann er damit nicht schon mit Stellung des Antrags auf Eintragung (etwa der Eigentumsumschreibung oder Grundschuldeintragung), sondern erst mit Vollzug der Eintragung abgesichert erbringen. Auch die Bewilligung einer Vormerkung führt zu keiner Beschleunigung, da der Erwerber auch in diesem Fall nicht schon mit Antragstellung, sondern erst ab ihrer Eintragung abgesichert ist.
Falls bei längeren Vollzugszeiten der Grundbuchämter die Eintragung in manchen Fällen nicht abgewartet werden kann, wird gelegentlich auf sog. Notarbestätigungen oder Rangbescheinigungen zurückgegriffen. Dabei handelt es sich um gutachtliche Stellungnahmen, in welchen der Notar, nach Stellung des Antrags, Einsicht in die unerledigten Eintragungsanträge (sog. Markentabelle) bzw. Grundakten und ggf. nach Rücksprache mit dem Grundbuchbeamten bescheinigt,2 dass einer rangrichtigen Eintragung keine Hindernisse entgegenstehen. Deren Aussagekraft ist allerdings – neben weiteren Gründen – dadurch relativiert, dass sie unter dem Vorbehalt steht, dass das Grundbuchamt nicht vor Eintragung Kenntnis von einer fehlenden Berechtigung erlangt.
Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zu dem ausweislich der Gesetzesmaterialien3 intendierten Schutzzweck von § 892 Abs. 2 BGB. Im jüngeren Schrifttum4 wird daher mit Recht gefordert, die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers aus dem materiellen Recht auch im Verfahrensrecht zu berücksichtigen, wonach dem gutgläubigen Erwerber und damit dem Verkehrsschutz bereits ab Stellung des Eintragungsantrags Vorrang vor dem Schutz des wahren Berechtigten zukommt.
2. sachverhalt
Der vom OLG Köln entschiedene Sachverhalt zeigt deutlich, welche Risiken von Veräußererseite drohen können und wie wichtig eine Absicherung für den Erwerber ist.
Über das Vermögen des Eigentümers eines Grundstücks war bereits vor elf Jahren das Insolvenzverfahren eröffnet worden, ohne dass ein Insolvenzvermerk nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 InsO eingetragen wurde. Trotz der bestehenden Verfügungsbeschränkung gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO veräußerte der Eigentümer den Grundbesitz an seinen Sohn, der auch als
Eigentümer eingetragen wurde, weil das Grundbuchamt zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis von dem Insolvenzverfahren hatte. Der Sohn konnte nach seinem Vortrag den Grundbesitz auch nach § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO i. V. m. § 892 Abs. 1 BGB gutgläubig erwerben, da er davon ausgegangen sei, dass das Verfahren zwischenzeitlich beendet wurde. Der Sohn verkaufte den Grundbesitz an zwei Erwerber weiter, wobei die Eintragung einer Vormerkung und von Finanzierungsgrundschulden bewilligt und beantragt wurde. Die Eintragung dieser Rechte lehnte das Grundbuchamt nunmehr mit der Begründung ab, es dürfe an einem gutgläubigen Erwerb dieser Positionen von dem Sohn als nicht berechtigtem Bucheigentümer nicht mitwirken. Die Beschwerden von Veräußerer und Erwerber hatten Erfolg, das Grundbuchamt wurde vom OLG angewiesen, die beantragten Eintragungen vorzunehmen.
Der Erfolg der Beschwerden hat den Erwerbern dennoch wenig genutzt. Denn nach Zurückweisung der Eintragungsanträge und noch vor der Entscheidung des OLG wurde vom Insolvenzverwalter aufgrund einstweiliger Verfügung ein Widerspruch gegen die Eigentümerstellung des Sohnes erwirkt und eingetragen. Eine einstweilige Sicherung der Erwerber (durch Vormerkung nach § 76 Abs. 1 GBO) ist im Beschwerdeverfahren – soweit ersichtlich – nicht erfolgt. Der Widerspruch ging daher den (nunmehr aufgrund des Beschlusses an nächstoffener Rangstelle einzutragenden) Rechten der Erwerber im Range vor.
3. Rechtliche aussagen
Auch wenn das OLG Köln vorliegend zu der eingangs zitierten Frage nicht Stellung nehmen musste, hat es die Voraussetzungen, unter denen eine solche Eintragung abgelehnt werden darf, präzisiert und eingeschränkt.
Zutreffend und im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung5 führt das Gericht aus, dass die Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB auch für das Grundbuchamt gelte und dieses eine Eintragung nur dann ablehnen dürfe, wenn es positive Kenntnis von der fehlenden Berechtigung des Bewilligenden habe. Vorliegend konnte nach der Aktenlage aber nicht sicher festgestellt werden, dass der Sohn beim Erwerb vom Vater bösgläubig gewesen war.6 Das Grundbuchamt musste es daher bei der Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB belassen und den Sohn als Berechtigten ansehen. Aus diesem Grund musste das Gericht über die eingangs zitierte Streitfrage nicht entscheiden.
Nicht überzeugen kann jedoch die Auffassung des Gerichts, eine Ablehnung der Eintragung sei zudem immer dann entbehrlich, wenn zwischenzeitlich ein Widerspruch eingetragen wird. Zwar scheidet ein gutgläubiger Erwerb tatsächlich aus, wenn (nach Antragstellung) aber noch vor Eintragung ein Widerspruch gegen die Berechtigung eingetragen wird – § 892 Abs. 2 BGB stellt nur hinsichtlich der Kenntnis auf den Zeitpunkt des Antrags ab, nicht für die übrigen Voraussetzungen. Hat das Grundbuchamt aber – wie dies die Rechtsprechung annimmt – stets auch aus eigener Kenntnis die Berechtigung zu prüfen, kann die Eintragung eines Widerspruchs an dieser Prüfungkompetenz und Prüfungspflicht nichts ändern. Die Aufgabe einer Prüfungspflicht bei Eintragung des Widerspruchs wäre inkonsequent, da der Widerspruch eine andere Funktion hat als eine Prüfungspflicht. Dass die Ablehnung der Eintragung einem Widerspruch auch im Ergebnis nicht gleichsteht, zeigt sich bereits daran, dass dieser jederzeit erlöschen kann (etwa aufgrund einer Löschungsbewilligung des Berechtigten, einer Anfechtung oder aufgrund einer Aufhebung der zugrundeliegenden gerichtlichen Entscheidung) und dann lediglich die unrichtige Eintragung bestehen bleibt. Da die Löschung eines Widerspruchs nach herrschender Meinung sogar in manchen Fällen Rückwirkung entfaltet,7 könnte so sogar ein gutgläubiger Erwerb nachträglich ermöglicht werden.
4. ausblick
Die vorstehenden Erwägungen zur Funktion des Widerspruchs sollen allerdings nicht dahin zu verstehen sein, dass das Grundbuchamt einen gutgläubigen Erwerb trotz Eintragung eines Widerspruchs stets verhindern müsse. Vielmehr zeigen sie, dass gerade der Widerspruch das materiellrechtlich und verfahrensrechtlich zutreffende, vom Gesetzgeber vorgesehene Mittel zum Schutz der Rechte des wahren Berechtigten ist. Nachteil des Widerspruchs ist, dass er (anders als der Amtswiderspruch nach § 53 GBO) der Eintragungsreihenfolge des § 17 GBO unterliegt. Doch gerade hieran zeigt sich, dass der Schutz des (angeblich) wahren Berechtigten ebenfalls nur im Rahmen des formalisierten Grundbuchverfahrens zu verwirklichen ist. Der Gesetzgeber wollte mit den Regelungen der § 892 Abs. 2 und § 878 BGB und § 17 GBO den Verkehrsschutz bereits ab Antragstellung weitgehend gewährleisten, so dass der Erwerber sich ab der Antragstellung auf den Rechtserwerb verlassen kann; ihm war bewusst, dass die Rechte des wahren Berechtigten insofern zurücktreten müssen.8 Die in jüngerer Zeit ergangenen Entscheidungen9 zeigen die nachhaltige Brisanz der Frage auf und lassen hoffen, dass sie in nächster Zeit vom BGH im Rahmen einer Rechtsbeschwerde entschieden wird.
Notarassessor Dr. Lovro Tomasic, Königsbrunn/Schwabmünchen

1 Vgl. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung BayObLG, Beschluss vom 24.3.1994, 2Z BR 20/94, BayObLGZ 1994, 66, 71 ff. = MittBayNot 1994, 324, 325; OLG München, Beschluss vom 7.11.2011, 34 Wx 400/11, DNotZ 2012, 298; OLG Schleswig, Beschluss vom 27.11.2003, 2 W 173/03, FGPrax 2004, 264, 265; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 2.9.1997, 11 Wx 60–97, NJWRR 1998, 445, 446; zust. aus der Literatur DNotIReport 2011, 141, 142; Palandt/Bassenge, 72. Aufl. 2013, § 892 Rdnr. 1; Bauer/v. Oefele/ Kössinger, 3. Aufl. 2013, § 19 GBO Rdnr. 235 ff.; offengelassen bei BGH, Urteil vom 21.2.1986, V ZR 38/84, NJW 1986, 1687, 1688.
2 Vgl. hierzu das Muster der BNotK in DNotZ 1999, 369 ff; eingehend zu den Einzelheiten vgl. Keilich/Schönig, NJW 2012, 1841 ff.
3 Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 1899, Band III (Sachenrecht), S. 545 (Protokolle) und
S. 123 (Motive); vgl. hierzu Kesseler, ZNotP 2004, 338, 341 ff. 4 Vgl. nur Ertl, MittBayNot 1975, 204; Eickmann, Rpfleger 1972,
77; Bauer/v. Oefele/Wilke, § 13 Rdnr. 97; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rdnr. 352; Meikel/Böttcher, GBO,
10. Aufl. 2009, Einl. H Rdnr. 72 ff.; Staudinger/Gursky, 2008, § 892 Rdnr. 218 m. w. N.; Reul, MittBayNot 2013, 16, 20 f.; offen jüngst auch DNotIReport 2013, 145, 148.

5 OLG München, Beschluss vom 7.11.2011, 34 Wx 400/11, DNotZ 2012, 298, 299; OLG Frankfurt, Beschluss vom 5.1.2012, 20 W 242/11, NJWRR 2012, 784 f.; Demharter, GBO, 28. Aufl. 2011, § 19 Rdnr. 59; Palandt/Bassenge, § 891 Rdnr. 10.
6 Auch handelte es sich bei der Veräußerung um ein Verkehrsgeschäft. Zwar wird die Anwendbarkeit des Gutglaubensschutzes in Fällen vorweggenommener Erbfolge von der Rechtsprechung des RG abgelehnt, RGZ 123, 52, 56; BayObLG, Beschluss vom 17.4.1986, BReg. 2 Z 79/85, MittBayNot 1986, 129; offen gelassen vom BGH (vgl. BGH, Urteil vom 2.10.1981, V ZR 126/80, NJW 1982, 761). Allerdings führt diese Rechtsprechung zu Unsicherheiten in der Rechtsanwendung und ist deshalb abzulehnen, vgl. MünchKommBGB/ Kohler, 6. Aufl. 2012, § 892 Rdnr. 31; Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, 1990, S. 147 ff.; überdies waren im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für eine Übertragung zur Vorwegnahme der Erbfolge ersichtlich; bei Schenkungen findet der Gutglaubensschutz nach § 892 BGB nach dem BGH aber ohne Weiteres Anwendung, vgl. BGH, NJW 1982, 761, 762 = BGHZ 82, 395.

7 Vgl. Staudinger/Gursky, 2008, § 899 Rdnr. 95 ff.; Palandt/
Bassenge, § 899 Rdnr. 6; Bauer/v. Oefele/Kohler, AT III Rdnr. 239 ff. 8 Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 1899, Band III (Sachenrecht), S. 545.
9 Vgl. etwa OLG München, Beschluss vom 7.11.2011, 34 Wx 400/11, DNotZ 2012, 298, 299; OLG Köln, Beschluss vom 15.9.2010, 2 Wx 54/10, RNotZ 2011, 41 m. Anm. Kesseler, RNotZ 2011, 470.


Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Köln

Erscheinungsdatum:

22.05.2013

Aktenzeichen:

2 Wx 9497/13

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht

Erschienen in:

MittBayNot 2014, 50-53
RNotZ 2013, 431-434

Normen in Titel:

BGB § 891 Abs. 1, § 892; GBO §§ 13, 19, 39, 71