Gesellschafterbeschluss im Umlaufverfahren bei einer KG
letzte Aktualisierung: 5.6.2023
OLG München, Endurt. v. 5.4.2023 – 7 U 6538/20
Gesellschafterbeschluss im Umlaufverfahren bei einer KG
Die Stimmabgabe in einer Abstimmung ist eine Willenserklärung i. S. d. § 130 Abs. 1 BGB. Eine
einmal abgegebene und dem Erklärungsempfänger zugegangene Stimme ist deshalb
unwiderruflich, und zwar unabhängig davon, ob ein wichtiger Grund für die Änderung des
Abstimmungsverhaltens vorliegt.
(Leitsatz der DNotI-Redaktion)
Entscheidungsgründe
A.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses über die Veräußerung des Büround
Einkaufszentrums „Bahnhofspassagen P.“.
Die Beklagte ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer P. KG mit mehr als 12.000
Anlegern. Sie war ursprünglich Eigentümerin des Büro- und Verwaltungsgebäudes „Behördenzentrum“,
G.traße 112-138, … Fr./… und hielt Beteiligungen von jeweils 94% an den Objektgesellschaften H.F.S.
Immobilienfonds „Das Schloss“ B. S. GmbH & Co KG sowie H.F.S. Immobilienfonds Bahnhofspassagen P.
GmbH & Co KG, die ihrerseits jeweils Eigentümerinnen des Einkaufszentrums mit Wohngebäuden „Das
Schloss“, S. 33-36 / G.straße 1-3, … B. und des Büro- und Einkaufszentrums „Bahnhofspassagen P.“, F.-E.-
Straße 99-104 / B. Straße 2-22 in … P. waren (vgl. S. 7 des Prospekts laut Anl. A 22 und § 2 Abs. 3 GV). Die
Immobilien in B. und Fr. sind mittlerweile veräußert.
Komplementärin der Beklagten ist die H.F.S. Immobilienfonds Deutschland 10 Komplementär GmbH,
Treuhandkommanditistin die W.C. I. GmbH und geschäftsführende Kommanditistin die W.C. R. E. M. GmbH.
(Mit-)Geschäftsführer der Komplementärin und der geschäftsführenden Kommanditistin war Herr M. S.
Die Klägerin ist Treugeberin der Beklagten.
Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten laut Anl. A 2 (im Folgenden mit GV abgekürzt) lautet auszugsweise
OLG München, Endurteil v. 05.04.2023 – 7 U 6538/20
wie folgt:
„§ 5 Rechtsstellung der Treugeber/der Kommanditisten (…)
(2) (…) Im Innenverhältnis gelten die Treugeber als Kommanditisten. Dies gilt insbesondere (…) für die
Ausübung mitgliedschaftlicher Rechte, insbesondere Stimm(…)rechte. Die Gesellschafter sind ausdrücklich
damit einverstanden, dass die Treugeber an den Gesellschafterversammlungen teilnehmen und Kraft der
ihnen erteilten Vollmacht das auf ihre Beteiligung entfallende Stimmrecht (…) unmittelbar selbst oder durch
Bevollmächtigte ausüben können.
§ 10 Geschäftsführung und Vertretung
(1) Der Komplementär und der geschäftsführende Kommanditist (im Vertrag „die geschäftsführenden
Gesellschafter“ genannt) sind zur Geschäftsführung der Gesellschaft einzeln verpflichtet.
(2) (…) Ihre Geschäftsführung erstreckt sich auf die Vornahme aller Rechtsgeschäfte, die zum üblichen
Betrieb der Gesellschaft gehören. Sie umfasst insbesondere:
(…)
h) die Vorbereitung und Durchführung der Gesellschafterversammmlung
(3) Die geschäftsführenden Gesellschafter können sich auf eigene Kosten zur Erfüllung der von ihnen
übernommenen Aufgaben Dritter bedienen (…).
§ 13 Zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte.
Zu den folgenden Geschäften bedürfen die geschäftsführenden Gesellschafter der Zustimmung der
Gesellschafterversammlung:
(…)
c) Erwerb und Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sowie Verfügungen über
Rechte am Grundbesitz der Gesellschaft, insbesondere Belastung von Grundstücken und
grundstücksgleichen Rechten sowie der Erwerb, die Übertragung, die Kündigung und die Veräußerung von
Beteiligungen an anderen Unternehmen, soweit dies nicht zur Durchführung des Investitionsplans, dem
Cash-Management, der Absicherung des Finanzierungskonzepts oder der Arrondierung der in § 2 genannten
Objekte erfolgt.
§ 16 Gegenstand der Gesellschafterversammlung.
Die Gesellschafterversammlung ist insbesondere für folgende Beschlussfassungen zuständig:
a) zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte gemäß § 13 (…)
j) Änderung des Gesellschaftsvertrages
m) Auflösung der Gesellschaft (…)
n) Beschlussfassung über die Ausübung der Stimmrechte in einer anderen Gesellschaft, sofern in dieser
eine Abstimmung über gemäß § 16 a) bis m) abstimmungs- bzw. zustimmungspflichtige Rechtsgeschäfte
erfolgt;
§ 17 Beschlussfassung
(1) (…) Die Beschlüsse können in Gesellschafterversammlungen oder im Wege der schriftlichen Abstimmung
gefasst werden.
(…)
(3) Beschlüsse der Gesellschafterversammlung bedürfen grundsätzlich der einfachen Mehrheit der
abgegebenen Stimmen, soweit nicht in diesem Vertrag oder durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
Stimmenthaltungen gelten als nicht abgegebene Stimmen (…)
4) Beschlüsse zu § 16 h), j) bis m) und o) sowie nach § 16 a) in Verbindung mit § 13 b) und c) bedürfen einer
Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen sowie der Zustimmung eines der geschäftsführenden
Gesellschafter, die nur aus wichtigem Grund verweigert werden kann. Gleiches gilt für Beschlüsse nach § 16
n), soweit auf Ebene einer Objektgesellschaft eine Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen erforderlich
ist (…).
(…)
(8) (…) Die Stimmabgabe muss innerhalb der festgelegten Abstimmungsfrist von mindestens vier Wochen
nach Absendung der Abstimmungsaufforderung bei der Gesellschaft eingehen (…) Die Auszählung erfolgt
durch die Gesellschaft (…). Sofern nichts anderes bestimmt ist, wird ein im schriftlichen Verfahren gefasster
Beschluss am Beginn des ersten Tages wirksam, der auf den Ablauf der Abstimmungsfrist folgt.“
Im übrigen wird hinsichtlich des Inhalts des Gesellschaftsvertrages auf Anlage A 2 Bezug genommen.
§ 2 des Gesellschaftsvertrages der Objektgesellschaft H.F.S. Immobilienfonds Bahnhofspassagen P. GmbH
& Co KG lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 2 GESELLSCHAFTSZWECK (…)
(2) Die Gesellschaft verfügt über Grundbesitz zu Eigentum bzw. im Wege des Erbbaurechtes in 14473 P., F.-
E.-Straße 99-104, B. Straße 2-22.
(…)“
Im übrigen wird hinsichtlich des Inhalts des Gesellschaftsvertrages der Objektgesellschaft auf Anlage A 5
Bezug genommen.
Mit Schreiben der W.C. Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH vom 14.11.2019 laut Anl. A 7 wurde den
Anlegern mitgeteilt, dass nach Veräußerung der Fondsimmobilien in B. und Fr. nunmehr vorbehaltlich der
Anlegerzustimmung ein Kaufvertrag auch über die letzte Fondsimmobilie in P. habe abgeschlossen werden
können und entsprechend zur Abstimmung im schriftlichen Umlaufverfahren eingeladen werde. TOP 9 der
beiliegenden Tagesordnung lautete:
„Zustimmung zum Verkauf der von der Objektgesellschaft H.F.S. Immobilienfonds Bahnhofspassagen P.
GmbH & Co KG gehaltenen Immobilie „Bahnhofspassagen P.“
Nach § 16 n) i.V.m. § 16 a) und § 13 c) des Gesellschaftsvertrages ist die Gesellschafterversammlung für
den Beschluss zum Verkauf des Büro- und Einkaufszentrum [sic] „Bahnhofspassagen P.“ im Rahmen der
Ausübung der Stimmrechte an der Objektgesellschaft zuständig.
Die Fondsgeschäftsführung schlägt den Verkauf der Fondsimmobilie in der B. Straße 16 in … P. an die BPP
P. I GmbH & Co KG, BBP P. II GmbH & Co KG, BBP P. III GmbH & Co KG und BBP Potsdam IIII GmbH & Co
KG zu einem Gesamtpreis in Höhe von 168.700.000 EUR vor. Der Kaufvertrag wurde am 31. Oktober 2019
unter Vorbehalt der Anlegerzustimmung beurkundet.
Bitte beachten Sie, dass dieser Tagesordnungspunkt gemäß § 17 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages einer
Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen sowie der Zustimmung eines der geschäftsführenden
Gesellschafter bedarf.“
Dem Schreiben vom 14.11.2019 lag des Weiteren ein Stimmzettel laut Anl. A 6 bei, der bis 12.12.2019 an die
W.C. Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH zurückgeschickt werden müsse.
In der Zeit vom 14.11.2019 bis 12.12.2019 fand die Abstimmung der Gesellschafter im schriftlichen
Umlaufverfahren statt. Versammlungsleiter war Herr M. S.
Während des Laufes der schriftlichen Abstimmung wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 18.11.2019
laut Anl. A 8 an die Anleger der Beklagten und unterbreitete ihnen ein Angebot, das u.a. vorsah, die Anteile
der Anleger zum Preis von 34% der Nominalbeteiligung (verglichen mit einer von der Beklagten in Aussicht
gestellten Ausschüttung in Höhe von 32,74%) anzukaufen und die Anleger von einer Nachhaftung
freizustellen. Dieses Angebot der Klägerin war befristet und stand unter der Bedingung, dass die Anleger die
Veräußerung der Immobilie in Potsdam ablehnen, also zu TOP 9 mit Nein stimmten.
Die Treugeberin W., die über 25 Stimmen verfügte, stimmte hinsichtlich des TOP 9 unter dem 15.11.2019
zunächst mit Ja (Eingang des Stimmzettels bei der W.C. Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH am
15.11.2019), übersandte aber am 20.11.2019 einen auf Nein korrigierten Stimmzettel laut Anl. A 14, der am
20.11.2019 bei der W.C. Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH einging.
Der Treugeber K. widerrief mit Fax vom 26.11.2019 laut Anl. A 15 seine zunächst unter dem 15.11.2019 mit
Telefax vom gleichen Tag erteilte Zustimmung zum Verkauf und stimmte nunmehr mit Nein.
Der Treugeber N. korrigierte mit Schreiben vom 09.12.2019 laut Anl. A 16 seine zunächst erteilte
Zustimmung zum Verkauf und stimmte nunmehr mit Nein.
Die Treugeber G. und L., die zusammen eine Beteiligung halten, widerriefen mit Fax vom 09.12.2019 laut
Anl. A 17 ihre zunächst erteilte Zustimmung und stimmten nunmehr mit Nein.
Insgesamt wurden 191.956 Stimmen abgegeben.
Im „Protokoll der Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren für das Geschäftsjahr 2018“ laut Anl. A
13 vom 19.12.2019 wurde festgestellt, dass zu TOP 9 75,01% der abgegebenen Stimmen (= 143.978
Stimmen) mit Ja, 24,99% der abgegebenen Stimmen (= 47.978 Stimmen) mit Nein gestimmt und sich 3.923
Stimmen enthalten hätten.
Die Klägerin behauptete, der Beschluss zu TOP 9 sei nichtig, da die Gesellschafterversammlung der
Beklagten nicht über die Veräußerung der nicht im Eigentum der Beklagten, sondern der Objektgesellschaft
stehenden Immobilie habe entscheiden dürfen. Vielmehr hätte die Gesellschafterversammlung der Beklagten
nur darüber entscheiden dürfen, wie das der Beklagten in der Gesellschafterversammlung der
Objektgesellschaft zustehende Stimmrecht auszuüben sei.
Darüber hinaus sei der Beschluss zu TOP 9 auch deshalb nichtig, weil bei der Abstimmung weder eine 75-
prozentige noch eine einfache Mehrheit erreicht worden sei. Denn zum einen hätte die Komplementärin
aufgrund ihrer Treuepflicht sich entgegen § 5 Abs. 3 S. 3 GV nicht der Stimme enthalten dürfen, da das
Alternativkonzept der Klägerin für die Treugeber und Kommanditisten im Vergleich zu einem Verkauf der
Fondsimmobilie wirtschaftlich deutlich vorteilhafter gewesen sei. Zum anderen sei das Abstimmungsergebnis
auch falsch ermittelt worden, da die abgegebenen Ja-Stimmen aufgrund der durch die Zustimmung zum
Beschlussvorschlag zu TOP 9 von den Gesellschaftern verletzten Treuepflicht als Nein-Stimmen hätten
gewertet werden müssen.
Schließlich sei die gemäß § 13 lit c, 16, 17 GV erforderliche Dreiviertelmehrheit auch deswegen nicht erreicht
worden, weil vier Anleger vor Ablauf der Abstimmungsfrist am 12.12.2019 ihre ursprüngliche Stimmabgabe
korrigiert hätten und nunmehr mit Nein gestimmt hätten. In einem schriftlichen Abstimmungsverfahren
könnten die Gesellschafter ihre Stimmabgabe bis zum Ende der Abstimmungsfrist nämlich frei widerrufen.
Die Klägerin beantragte daher:
Es wird festgestellt, dass der im schriftlichen Umlaufverfahren für das Geschäftsjahr 2018 vom 14.11.2019
bis 12.12.2019 zu TOP 9 mit folgendem Wortlaut:
„Dem Verkauf der von der Objektgesellschaft H.F.S. Immobilienfonds Bahnhofspassagen P. GmbH & Co KG
gehaltenen Immobilie „Bahnhofspassagen P.“ zum Verkaufspreis von EUR 168,7 Mio. wird zugestimmt“
gefasste Beschluss nichtig ist.
Die Beklagte beantragte,
Die Klage wird abgewiesen.
Sie erwiderte, dass die Gesellschafter, die hinsichtlich TOP 9 mit Ja gestimmt hätten, ihre Treuepflicht nicht
verletzt hätten. Denn das Alternativkonzept der Klägerin sei wirtschaftlich allenfalls minimal vorteilhafter,
allerdings für die Gesellschafter risikobehafteter, da die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass sie den
Kauf der Gesellschafteranteile überhaupt finanzieren könne. Im Übrigen sei die Treuepflicht durch eine
Abstimmung auch nur dann verletzt, wenn die Abstimmung in einem bestimmten Sinne aufgrund des
Gesellschaftszwecks und des Interesses der Gesellschaft zwingend geboten sei. Dies sei vorliegend jedoch
nicht der Fall.
Im Übrigen sei ein Stimmwiderruf nicht zulässig. Selbst wenn man – wie nicht – einen Widerruf aus
wichtigem Grund zulassen sollte, läge ein solcher nicht vor, da das Alternativkonzept der Klägerin
ausschließlich die private Vermögensdisposition der Gesellschafter betreffe und ein solcher Umstand aus der
Privatsphäre des Gesellschafters schon aus Gründen der fehlenden Überprüfbarkeit einen Widerruf nicht
rechtfertigen könne.
Schließlich sei § 13 lit c GV, der eine Dreiviertelmehrheit erfordere, entsprechend § 305c Abs. 2 BGB wegen
Mehrdeutigkeit unwirksam und reiche deshalb für die Beschlussfassung zu TOP 9 die einfache Mehrheit aus,
die ohne weiteres erreicht sei.
Mit Endurteil vom 06.11.2020, Az. 3 HK O 122/20, wies das Landgericht München I die Klage ab.
Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Landgericht aus, dass der streitgegenständliche
Gesellschafterbeschluss nicht schon deshalb fehlerhaft sei, weil die Gesellschafter unmittelbar über den
Verkauf der Immobilie entschieden und nicht die Geschäftsführung der Beklagten zur Ausübung der
Stimmrechte in der Objektgesellschaft der Objektgesellschaft angewiesen hätten. Denn für einen
verständigen Gesellschafter sei aufgrund der Ausführungen zu TOP 9 in der Tagesordnung offensichtlich,
dass die Beschlussfassung die Ausübung der Stimmrechte in der Objektgesellschaft mit dem Ziel der
Veräußerung der Immobilie zu den genannten Bedingungen betreffe und damit die Weisung an die
Geschäftsführung der Beklagten verbunden sei, in der Objektgesellschaft die Stimmrechte gemäß dem
Ergebnis der Abstimmung in der Gesellschafterversammlung auszuüben (LGU S. 6 und 7).
Entgegen der Ansicht der Klägerin sei der streitgegenständliche Beschluss auch mit einer Mehrheit von 75%
gefasst worden. Die Stimmen von vier Treugebern, die zunächst für den Beschlussvorschlag gestimmt
hätten, zu einem späteren Zeitpunkt ihr Stimmverhalten jedoch geändert hätten, seien zu Recht als Ja-
Stimmen gewertet worden. Denn eine Änderung der Stimmabgabe nach Zugang der Stimmerklärung sei
analog § 130 Abs. 1 S. 2 BGB nicht möglich. Eine freie Widerruflichkeit nach Zugang der Stimmerklärung
bestehe nicht. Selbst bei Vorliegen eines wichtigen Grundes könne die Stimmerklärung nicht widerrufen
werden. Jedenfalls lägen solche wichtigen Gründe auch nicht vor (LGU S. 7 und 8).
Die abgegebene Ja-Stimmen hätten auch nicht im Hinblick auf die gesellschafterliche Treuepflicht als Nein-
Stimmen gewertet werden müssen. Denn die Treuepflicht könne die Stimmrechtsausübungsfreiheit eines
Gesellschafters nur ausnahmsweise dahingehend beschränken, dass er einer Maßnahme zustimmen muss,
wenn sie zur Erhaltung wesentlicher Werte der Gesellschaft oder zur Vermeidung erheblicher Verluste
objektiv unabweisbar erforderlich sei und den Gesellschaftern zumutbar sei, wenn also das
Gesellschaftsinteresse gerade diese Maßnahme zwingend gebiete und der Gesellschafter seine Zustimmung
ohne vertretbaren Grund verweigere. Dies sei vorliegend offensichtlich nicht gegeben. Das Alternativkonzept
enthalte nämlich im Hinblick auf die Finanzierung ungeklärte Unwägbarkeiten (LGU S. 8 – 10).
Es könne daher offenbleiben, ob auch eine einfache Mehrheit für die Zustimmung zur Veräußerung der
Immobilie genügt hätte.
Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils wird gemäß § 540 Abs. 1
ZPO Bezug genommen.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihr erstinstanzliches Klageziel weiter.
Sie rügt, dass das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die Stimmabgabe im schriftlichen
Abstimmungsverfahren nur bis zum Zugang der Abstimmungserklärung hätte widerrufen werden können.
Richtigerweise sei aber ein Gesellschafter im Rahmen einer Beschlussfassung im schriftlichen, zeitlich
gestreckten Abstimmungsverfahren jederzeit berechtigt, seine Stimmabgabe bis zum Ablauf der
Abstimmungsfrist zu korrigieren. Vor Ablauf der Abstimmungsfrist entstehe keine Bindung an die einmal
abgegeben Stimme (Schriftsatz des Klägervertreters vom 05.02.2021, S. 13 f., Bl. 167 f. d.A.). Insoweit
bestehe kein Unterschied zur Erteilung einer Einwilligung, die nach
Rechtsgeschäfts widerruflich sei.
Ferner spreche die Rechtsnatur des Gesellschafterbeschlusses als mehrseitiger Willensakt dafür, die
Korrektur einer einmal abgegebenen Stimme bis zum Ende der Abstimmungsfrist zuzulassen, da der
Gesellschafterbeschluss erst mit der Stimmauszählung und Verkündung des Beschlussergebnisses zur
Entstehung gelange. Bis dahin befände sich der Beschluss noch in der Phase seiner rechtsgeschäftlichen
Entstehung, sodass schutzwürdige Interessen anderer Gesellschafter oder der Gesellschaft einer
Stimmänderung nicht entgegenstünden.
Um eine Gleichwertigkeit einer Abstimmung im Umlaufverfahren mit einer Abstimmung im Rahmen einer
Präsenzveranstaltung zu gewährleisten, müssten die Gesellschafter schließlich in die Lage versetzt werden,
auf nach Abstimmungsbeginn auftretende neue Umstände reagieren zu können und ihre Stimmabgabe zu
korrigieren (Schriftsatz des Klägervertreters vom 05.02.2021, S. 14 ff., Bl. 167 ff. d.A.). Durch eine frühzeitige
Abgabe seiner Stimmerklärung würde ein Gesellschafter auch nicht auf die ihm zustehende Möglichkeit der
Korrektur seiner Stimmabgabe verzichten (Schriftsatz des Klägervertreters vom 05.02.2021, S. 18, Bl. 172
d.A.)
Im Übrigen seien die ursprünglichen Stimmerklärungen der vier Treugeber vor ihrer Änderung dem
Erklärungsempfänger noch gar nicht zugegangen gewesen, sodass sie nach § 130 Abs. 1 BGB noch gar
nicht wirksam geworden seien. Die Stimmerklärungen der vier Treugeber seien nämlich nicht an die
Gesellschaft, d.h. die Beklagte, gerichtet gewesen, sondern an die Treuhandkommanditistin. Die
Stimmerklärungen der Treugeber seien der Beklagten daher erst in dem Moment zugegangen, als die
Beklagte die Stimmzettel erhalten und mit der Auszählung der Stimmzettel begonnen habe. Zu diesem
Zeitpunkt hätten die vier Treugeber jedoch bereits seit langem ihre geänderte Stimmerklärung an die
Treuhandkommanditistin gerichtet gehabt (Schriftsatz des Klägervertreters vom 05.02.2021, S. 10, Bl. 164
d.A.).
Nachdem demnach weniger als 75% der abgegebenen Stimmen mit Ja gestimmt hätten, sei die nach der
Satzung erforderliche 3/4-Mehrheit verfehlt worden. Zwar sei damit immer noch eine einfache Mehrheit
erreicht worden, diese reiche jedoch für die Beschlussfassung nicht aus. Die Regelung des § 13 lit c GV sei
nicht mehrdeutig und könne daher schon deshalb Geltung beanspruchen. Selbst wenn sie aber mehrdeutig
sein sollte, so wäre für eine entsprechende Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB dennoch kein Raum, da die
Parteien die Klausel übereinstimmend dahingehend verstanden hätten, dass für die streitgegenständliche
Beschlussfassung eine 3/4-Mehrheit erforderlich sei. Selbst bei einer Unwirksamkeit von § 13 lit. c GV
würden die gesetzlichen Regeln gelten, sodass entsprechend § 179a AktG eine 75-prozentige Mehrheit
erforderlich wäre (Schriftsatz des Klägervertreters vom 05.02.2021, S. 4 und 5, Bl. 158 und 159 d.A.).
Die Klägerin beantragt daher:
Unter Abänderung des am 06.11.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts München I, Az. 3 HK O 122/20,
ist festzustellen, dass der im schriftlichen Umlaufverfahren für das Geschäftsjahr 2018 vom 14.11.2019 bis
12.12.2019 zu TOP 9 mit folgendem Wortlaut:
„Dem Verkauf der von der Objektgesellschaft H.F.S. Immobilienfonds Bahnhofspassagen P. GmbH & Co KG
gehaltenen Immobilie „Bahnhofspassagen P.“ zum Verkaufspreis von EUR 168,7 Mio. wird zugestimmt“
gefasste Beschluss nichtig ist.
Die Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und führt unter teilweiser Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vortrags aus, dass es auf die Frage der Stimmänderungen der vier Treugeber
entscheidungserheblich nicht ankomme, da aufgrund der Mehrdeutigkeit des § 13 lit c GV iSd. § 305c Abs. 2
BGB bereits die einfache Mehrheit für die Beschlussfassung ausgereicht habe. Die Regelung des § 13 lit c
GV komme auch entgegen der Behauptung der Klägerin nicht unbeschadet ihrer Mehrdeutigkeit aufgrund
eines von der Klägerin erstmals in der Berufungsinstanz behaupteten übereinstimmenden Verständnisses
der Parteien zum Tragen. Denn die Klägerin könne nur zu ihrem eigenen Vertragsverständnis vortragen. Sie
habe jedoch keine Kenntnis vom Vertragsverständnis der übrigen 12.000 Anleger. Ein derartiges
übereinstimmendes Vertragsverhältnis bestreite die Beklagte, sodass der diesbezügliche Vortrag der
Klägerin nach § 531 ZPO zurückzuweisen sei. Eine analoge Anwendung von § 179a AktG auf eine P. KG sei
nicht möglich (Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 05.05.2021, S. 5, Bl. 189 d.A.).
Auch wenn – wie nicht – die Notwendigkeit einer 3/4-Mehrheit zur Beschlussfassung bejaht werden sollte, so
sei diese erreicht worden, da die Stimmänderungen der vier Treugeber nicht zu berücksichtigen gewesen
seien. Eine Stimmabgabe sei nicht frei widerruflich. Folge man der teilweise in der Literatur vertretenen
Ansicht, eine Widerrufsmöglichkeit bestehe bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, so läge ein solcher
jedenfalls nicht vor.
Zum Ablauf der Abstimmung trug die Beklagte im Berufungsverfahren auf den Hinweis des Senats vom
06.10.2021 erstmals vor, die bei der W.C. Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH eingehenden Briefe mit den
Stimmzetteln seien unmittelbar nach deren Eingang – also täglich – geöffnet worden. Die W.C.
Kapitalverwaltungsgesellschaft, die von den geschäftsführenden Gesellschaftern mit der Durchführung der
Abstimmung beauftragt worden sei, habe die Stimmzettel sodann ausgewertet und die Stimmabgabe der
einzelnen Anleger an Bankarbeitstagen in M. taggenau in einer elektronisch geführten Abstimmungsliste
(teilweise mehrfach täglich) erfasst. Die Abstimmungsliste sei in einer Datenbank, der sogenannten
Sharepoint-Datenbank hinterlegt gewesen (Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 17.11.2021, S. 5 Mitte,
Bl. 221 d.A.), für die u.a. der Zeuge S. eine Leseberechtigung gehabt habe (Schriftsatz des
Beklagtenvertreters vom 17.11.2021, S. 6 letzter Absatz, Bl. 222 d.A.). Darüber hinaus seien die Stimmzettel
papierhaft im Fachbereich Investorenservices verwahrt, wobei der Zeuge S. jederzeit die Möglichkeit hatte,
die physisch eingegangenen Stimmzettel einzusehen (Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 17.11.2021,
S. 6 Mitte, Bl. 222 d.A.). Schließlich hätten die geschäftsführenden Gesellschafter sich ständig über den
aktuellen Stand der Auszählung auf dem Laufenden halten lassen, da die zu veräußernde Immobilie
„Bahnhofspassagen P.“ einen Wert im dreistelligen Millionenbereich habe und im Übrigen die Klägerin gegen
die Veräußerungsempfehlung der Beklagten Stimmung gemacht habe. Das Abstimmungsverfahren sei
deshalb sehr eng und täglich überwacht worden (Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 17.11.2021, S. 7,
Bl. 223 d.A.). Der Zeuge L. habe deshalb regelmäßig Emails, in denen der aktuelle Stand der Auszählung
mitgeteilt worden sei, u.a. an den Zeugen S. versandt. Insgesamt seien zwischen dem 15.11.2019 und dem
12.12.2019 insgesamt fünf solche Emails verschickt worden (Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom
17.11.2021, S. 8 zweiter Absatz, Bl. 224 d.A.). Darüber hinaus sei der Zeuge L. u.a. mit dem Zeugen S.
während des Abstimmungszeitraums regelmäßig in Kontakt gestanden und habe sich mit diesem über den
Verlauf der Abstimmung und den aktuellen Abstimmungsstand ausgetauscht, sodass der Zeuge S. jederzeit
über die eingegangenen Stimmen unterrichtet gewesen sei (Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom
17.11.2021, S. 8, Bl. 224 d.A.).
Die Klägerin hielt dem entgegen, dass dem Versammlungsleiter S. die Stimmerklärungen der vier
widerrufenden Treugeber erst zugegangen seien, als dieser die Stimmen zur Ermittlung des
Abstimmungsergebnisses zur Kenntnis genommen habe. Dies sei erst am 16.12.2019 um 09:45 Uhr und
damit nach Ende der Abstimmungsfrist der Fall gewesen (Schriftsatz des Klägervertreters vom 11.01.2022,
S. 5, Bl. 237 d.A.).
Der Senat hat am 06.10.2021 sowie am 26.10.2022 mündlich verhandelt. Er hat in der mündlichen
Verhandlung vom 06.10.2021 sowie mit Verfügung vom 21.11.2022 (Bl. 300/301 d.A.) einen Hinweis erteilt.
Er hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen S., K., L. und O. Auf die Protokolle der
mündlichen Verhandlungen vom 06.10.2021 (Bl. 204/207 d.A.) und 26.10.2022 (Bl. 272/282 d.A.), die
zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt wird Bezug
genommen.
Beide Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt (Beklagte mit Schriftsatz des
Beklagtenvertreters vom 22.12.2022, Bl. 309/310 d.A., Klägerin mit Schriftsatz des Klägervertreters vom
09.01.2023, Bl. 311/312 d.A.).
B.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet, da das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen
hat. Denn der Beschluss zu TOP 9 ist wirksam.
Er wurde mit der notwendigen Dreiviertelmehrheit (I.) der abgegebenen Stimmen gefasst, weil die
Treugeberin W., die zunächst mit JA gestimmt hatte, ihre Stimmabgabe nicht mehr nachträglich ändern
konnte (II. 1.), die Komplementärin sich hinsichtlich der Stimmen derjenigen Treugeber, die ihr Stimmrecht
weder selbst noch durch einen Bevollmächtigten ausübten und auch der Treuhandkommanditistin keine
Weisung über dessen Ausübung erteilten, enthalten durfte und die abgegebenen JA-Stimmen auch nicht
wegen einer Verletzung der Treuepflicht als Nein-Stimmen hätten gewertet werden müssen (II. 2.).
Schließlich ist der Beschluss auch nicht deshalb nichtig, weil die Gesellschafterversammlung der Beklagten
gar nicht über eine Veräußerung der Immobilie hätte entscheiden dürfen (III.).
I.
Für die Beschlussfassung zu TOP 9 der streitgegenständlichen Tagesordnung war gemäß § 17 Abs. 4 S. 2,
16 lit n GV eine Dreiviertelmehrheit erforderlich. Denn der Beschluss zu TOP 9, mit dem der Verkauf der die
„Bahnhofspassagen P.“ bildenden Grundstücke (im Folgenden als „Immobilie“ bezeichnet) erreicht werden
soll, betrifft die Ausübung des Stimmrechts in der Objektgesellschaft H.F.S. Immobilienfonds
Bahnhofspassagen P. GmbH & Co KG (im Folgenden als Objektgesellschaft bezeichnet) und damit in einer
anderen Gesellschaft iSd. § 16 lit n GV. Die Beklagte ist nämlich nicht unmittelbar Eigentümerin der zu
verkaufenden Immobilie. Grundstückseigentümerin ist vielmehr (allein) die Objektgesellschaft, an der die
Beklagte die Mehrheitsanteile hält. Die Abstimmung in der Objektgesellschaft hat auch – wie von § 16 lit n
GV gefordert – ein gemäß § 16 lit a – m GV abstimmungs- bzwzustimmungspflichtiges Rechtsgeschäft zum
Gegenstand, da damit über den Verkauf der einzigen Immobilie der Objektgesellschaft beschlossen werden
soll. Der Senat hat nämlich bereits in einer früheren Entscheidung (Urteil vom 18.07.2018 – 7 U 4225/17,
Rdnrn 46 ff.) unter Bezugnahme auf das Urteil des BGH vom 09.01.1995 – II ZR 24/94 (dort Rdnr. 7)
ausgeführt, dass, wenn ein Unternehmen sein gesamtes Vermögen veräußert, dies die Einstellung des
Geschäftsbetriebes bedeuten und die Gesellschaft damit ihre Eigenschaft als werbendes Unternehmen
verlieren kann. So liegt der Fall vorliegend hinsichtlich der Objektgesellschaft. Denn deren Zweck liegt in der
Verwaltung des in § 2 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages der Objektgesellschaft laut Anl. A 5 bezeichneten
Grundbesitzes und damit der Immobilie. Wird diese veräußert, hat die Objektgesellschaft kein operatives
Geschäft mehr, was wiederum zum Wechsel von einer werbenden Tätigkeit zur Abwicklung und damit zu
einer faktischen Satzungsänderung dahingehend führt, dass nunmehr Zweck der Objektgesellschaft allein
ihre Liquidation ist. Dies bedeutet – wie sich aus
Auflösung der Gesellschaft. Damit ergibt sich auf der Ebene der Objektgesellschaft eine Abstimmungs- und
Zustimmungspflicht sowohl aus § 16 lit j GV (Änderung des Gesellschaftsvertrages) als auch aus § 16 lit m
GV (Auflösung der Gesellschaft).
Auf die von den Parteien unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Senats im Verfahren der einstweiligen
Verfügung betreffend einen anderen Fonds (7 W 467/19, Anl. B 7), der darüber hinaus abweichend vom
vorliegenden Fall unmittelbarer Eigentümer der Fondsimmobilie war, ventilierte Frage, ob § 13 lit c des
dortigen Gesellschaftsvertrages, der im wesentlichen wortgleich mit § 13 lit c des hier streitgegenständlichen
Gesellschaftsvertrages war, mehrdeutig iSd. § 305 c Abs. 2 BGB und deshalb unwirksam sei, sodass daraus
die Notwendigkeit einer Dreiviertelmehrheit für die Veräußerung der Immobilie nicht hergeleitet werden
könne, kommt es daher nicht an. Denn die Notwendigkeit einer 75prozentigen Mehrheit ergibt sich nach den
obigen Ausführungen bereits aus § 17 Abs. 4 S. 2 i.V.m. § 16 lit. j und m GV.
II.
Der Beschlussvorschlag zu TOP 9 wurde auch mit mehr als Dreivierteln der abgegebenen Stimmen
angenommen. Denn von den abgegeben 191.956 Stimmen entfielen zumindest 143.975 und damit 75,004%
auf Ja und höchstens 47.981 Stimmen und damit 24,996% auf Nein. Die 3.923 Stimmenthaltungen waren
nicht zu berücksichtigen, da sie gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 GV als nicht abgegeben gelten.
1. Die 25 Stimmen der Treugeberin W. waren als JA-Stimmen zu werten. Denn der Widerruf der ursprünglich
abgegebenen JA-Stimmen und die spätere Abstimmung mit Nein durch diese Treugeberin ist unbeachtlich.
Auf die insgesamt drei Stimmen der Treugeber K. (eine Stimme), N. (eine Stimme) sowie G. und L.
(zusammen eine Stimme) kommt es damit entscheidungserheblich nicht mehr an, da bereits mit den 25 JAStimmen
der Treugeberin W. die erforderliche 75 prozentige Mehrheit erreicht ist (143.975 JA-Stimmen,
47.981 NEIN-Stimmen bei insgesamt abgegebenen 191.956 Stimmen).
a. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Stimmabgabe in einer Abstimmung eine Willenserklärung iSd.
§ 130 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 29.05.1967 – II ZR 105/66, Rdnr. 34 und Beschluss vom 18.09.1975
– II ZB 6/74, Rdnr. 11). Zwar ist streitig, ob bei einer – wie hier – Beschlussfassung im Umlaufverfahren für
das Wirksamwerden der Abstimmungserklärung grundsätzlich der Zugang bei allen anderen Adressaten (so
bspw. Klimke in BeckOK HGB, 33. Edition, Stand: 15.04.2021, Rdnr. 61 zu § 119 HGB), bei allen
Mitstimmenden (so bspw. Roth in Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 40. Auflage, München 2021, Rdnr.
26 zu § 119 HGB) oder bei allen berechtigt an der Abstimmung Teilnehmenden (so bspw. Freitag in
Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, 4. Auflage, München 2020, Rdnr. 49 zu § 119 HGB)
erforderlich ist oder ob bereits der Zugang der Abstimmungserklärung bei einem Mitabstimmenden ausreicht
(so bspw. Schäfer in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage, München 2020, Rdnr. 74 zu § 709 BGB,
ders in Staub, HGB, 5. Auflage, Köln 2009, Rdnr. 24 zu § 119 HGB). Jedoch kann dies im
streitgegenständlichen Fall offenbleiben, da in § 17 Abs. 8 S. 4 GV stipuliert ist, dass „die Stimmabgabe (…)
bei der Gesellschaft eingehen muss“ und diese grundsätzlich auch die Auszählung vornimmt (§ 17 Abs. 8 S.
5 GV), sodass die Abstimmungserklärung gemäß § 130 Abs. 1 BGB mit Zugang bei der Gesellschaft
wirksam wird und daher ein Zugang der Abstimmungserklärung bei anderen Gesellschaftern nicht
erforderlich ist.
b. Da nach § 17 Abs. 8 S. 6 GV ein im schriftlichen Verfahren von den Gesellschaftern gefasster Beschluss
am Beginn des ersten Tages wirksam wird, der auf den Ablauf der Abstimmungsfrist folgt, die
„Widerrufserklärung“ der Treugeberin W. (und der anderen Widerrufenden) jedoch vor Ablauf der
Abstimmungsfrist und damit vor Wirksamwerden des Beschlusses eingingen, kommt es darauf an, ob einmal
abgegebene und dem Erklärungsempfänger (hier also nach § 17 Abs. 8 S. 5 GV der Beklagten)
zugegangene Stimmen abgeändert werden konnten. Diese Frage ist streitig.
aa. Nach einer Ansicht, die sich insoweit auf eine Entscheidung des Reichsgerichts stützt (RG, Urteil vom
04.03.1930 – II 207, 29,
sollen Gesellschafterbeschlüsse, die nicht in einem einzigen Akt gefasst werden, nur unter der
Voraussetzung wirksam werden, dass bei Zustimmung des letzten Gesellschafters die anderen noch an der
Stimmabgabe festhalten. Begründet wird dies u.a. damit, dass die Regelung des § 130 Abs. 1 BGB nicht für
die Teilnahme an einer kollektiven Willensbildung konzipiert sei, die Teilnehmer an einer Abstimmung im
Umlaufverfahren nicht schlechter gestellt werden sollten als die Teilnehmer einer Präsenzveranstaltung, wo
der Wiedereinsteig in die Debatte auch nach Beginn des Abstimmungsvorgangs häufig vorkomme, und die
Mitgesellschafter auch nicht schutzbedürftig seien (vgl. Freitag in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn,
Handelsgesetzbuch, 4. Auflage, München 2020, Rdnr. 53 zu § 119 HGB und Roth in Baumbach/Hopt, HGB,
39. Auflage, München 2020, Rdnr. 26 zu § 119 HGB). Teilweise wird auch angenommen, dass bei einer
Beschlussfassung die Regelung des § 130 Abs. 1 BGB zwar zur Wirksamkeit der Willenserklärung mit
Zugang führe, dies jedoch noch nicht notwendigerweise eine Bindung des Abstimmenden bereits zu diesem
Zeitpunkt bedeute, wie sich aus der Regelung des
08.06.2006 – 4 W 82/06, Rdnr. 10 f. zu einer Beschlussfassung nach
bb. Die wohl überwiegende Ansicht lehnt dagegen unter Berufung auf die Rechtsnatur der Stimmabgabe als
Willenserklärung iSd. § 130 Abs. 1 BGB eine freie Widerrufbarkeit einer einmal abgegebenen Stimme ab,
wobei unter den Vertretern dieser Meinung streitig ist, ob eine Widerrufbarkeit in jedem Fall ausgeschlossen
sein oder aber eine Änderung des Stimmverhaltens bei Vorliegen eines wichtigen Grundes im Hinblick auf
die Treuepflichten sowohl des änderungswilligen Gesellschafters als auch der übrigen Gesellschafter
zulässig sein soll (für einen Ausschluss des Widerrufs nach Zugang bei einer GmbH bspw. Liebscher in
Münchener Kommentar GmbHG, 3. Auflage, München 2019, Rdnr. 168 zu § 48 GmbHG, Ganzer in
Rowedder/Pentz, GmbH-Gesetz, 7. Auflage, München 2022, Rdnr. 23 zu § 48 GmbHG und Drescher in
Münchener Kommentar GmbHG, 3. Auflage, München 2019, Rdnr. 36 zu § 47 GmbHG; für eine
Widerrufbarkeit bei Vorliegen eines wichtigen Grundes bspw. Lieder in Oetker, Handelsgesetzbuch, 7.
Auflage, München 2021, Rdnr. 14 zu § 119 HGB, Kindler in Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, 9. Auflage,
München 2019, Rdnr. 13 zu § 119 HGB, Schäfer in: Staub, HGB, 5. Auflage, Köln 2009, Rdnr. 27 zu § 119
HGB, Enzinger in Münchener Kommentar zum HGB, 5. Auflage, München 2022, Rdnr. 15 zu § 119 HGB;
wohl ebenso für eine Abstimmung bei einer GmbH OLG Jena, Beschluss vom 09.01.2006 – 6 U 569/05,
Rdnr. 7).
cc. Der BGH hat in seinem Urteil vom 19.02.1990 (II ZR 42/89) ausdrücklich offengelassen, ob er der Ansicht
des Reichsgerichts zur freien Widerrufbarkeit einer Stimmerklärung folgt, da es in dem von ihm
entschiedenen Fall darauf nicht ankam. Denn der BGH bejahte dort aufgrund der besonderen Umstände des
Einzelfalles einen Bindungswillen der Gesellschafter an die einmal abgegebene Stimme (BGH, Urteil vom
19.02.1990 – II ZR 42/89, Rdnr. 20).
In einer späteren Entscheidung zu einer Präsenzabstimmung in einer Wohnungseigentümerversammlung hat
der BGH dagegen entschieden, dass eine Stimmabgabe nach ihrem Zugang beim Versammlungsleiter nicht
mehr widerrufen werden könne. Hierfür spreche die Regelung des § 130 Abs. 1 BGB, die auf die
Stimmabgabe als unter Anwesenden abgegebene empfangsbedürftige Willenserklärung sinngemäß
Anwendung finde. Demnach werde eine Willenserklärung mit ihrem Zugang wirksam und binde den
Erklärenden, weshalb ein Widerruf der Erklärung nach
ausscheide (BGH, Urteil vom 13.07.2012 – V ZR 254/11, Rdnr. 8).
dd. Der Senat folgt diesen Ausführungen des BGH in dessen Urteil vom 13.07.2012 und verneint deshalb
eine freie Widerrufbarkeit einer einmal abgegebenen und dem Erklärungsempfänger zugegangenen Stimme,
unabhängig davon ob ein wichtiger Grund für die Änderung des Abstimmungsverhaltens vorliegt, da es sich
bei der Stimmabgabe um eine Willenserklärung iSd. § 130 Abs. 1 BGB handelt und deren Widerruf nach
Zugang beim Erklärungsempfänger gemäß § 130 Abs. 1 S. 2 BGB grundsätzlich nicht möglich ist. Dass die
Abstimmung im Fall des BGH V ZR 254/11 in Präsenz der Wohnungseigentümer erfolgte und nicht – wie
streitgegenständlich – im Umlaufverfahren, macht nur insoweit einen Unterschied, als die Regelung des §
130 Abs. 1 BGB nun nicht mehr – wie im Fall des BGH – nur entsprechend, sondern, da die Willenserklärung
gegenüber Abwesenden abgegeben wurde, unmittelbar Anwendung findet. Auch dass der BGH nicht zur
Abstimmung in einer Gesellschafterversammlung, sondern in einer Wohnungseigentümerversammlung i.S.d.
streitgegenständlichen Gesellschafterbeschluss nichts. Denn die inmitten stehende Frage der Anwendbarkeit
des § 130 Abs. 1 BGB auf eine Stimmabgabe ist, da es diesbezüglich keine Spezialregelungen im WEG
und/oder im Gesellschaftsrecht gibt, unabhängig davon, ob die Stimme in einer
Wohnungseigentümerversammlung oder in einer Gesellschafterversammlung abgegeben wird.
Demnach ist auch die von der Klägerin in Bezug genommene abweichende Entscheidung des OLG Celle
vom 08.06.2006 – 4 W 82/06 durch die BGH-Rechtsprechung überholt.
Der Senat sieht auch keine Notwendigkeit für eine Widerrufbarkeit der Stimmabgabe nach Zugang bei
Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Stimmänderung. Den Interessen der einzelnen Gesellschafter ist
durch die Möglichkeit der Anfechtbarkeit ihrer Stimme unter den Voraussetzungen der §§ 116 ff. BGB
hinreichend Genüge getan. Sollte sich die Tatsachengrundlage nach Abgabe der Stimme geändert haben,
bleibt es den Gesellschaftern unbenommen, den gefassten Beschluss abzuändern (vgl. insoweit Drescher in
Münchener Kommentar GmbHG, 3. Auflage, München 2019, Rdnr. 36 zu § 47 GmbHG)
Entgegen der Ansicht der Klägerin kann auch aus dem Urteil des BGH vom 06.07.2018 – V ZR 221/17 nicht
abgeleitet werden, dass der BGH für eine Abstimmung im Umlaufverfahren nicht mehr an den von ihm im
Urteil vom 13.07.2012 entwickelten Grundsätzen zur Anwendbarkeit des § 130 Abs. 1 BGB auf
Stimmerklärungen festhalten wolle. Denn in dem Urteil wird ausdrücklich ausgeführt, dass die Frage, ob und
gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Stimmverhalten eines Abstimmenden geändert werden
könne, keiner Entscheidung bedürfe (BGH, Urteil vom 06.07.2018 – V ZR 221/17, Rdnr. 15).
Entgegen der Ansicht der Klägerin folgt auch nicht aus den Vorschriften der
im streitgegenständlichen Fall die sich aus § 130 Abs. 1 BGB ergebende Bindungswirkung einmal
abgegebener Stimmen nach deren Zugang beim Empfänger ausnahmsweise nicht gelten solle. Zwar war
Gegenstand der Beschlussfassung und damit der abgegebenen Willenserklärungen der Gesellschafter die
Zustimmung zum Verkauf der von der Objektgesellschaft gehaltenen Immobilie „Bahnhofspassagen P.“ und
damit zumindest wirtschaftlich betrachtet ein Grundstücksgeschäft. Die Willenserklärungen beinhalteten aber
nicht – wie von
Einigung zur Übertragung des Eigentums an dem Grundstück, auf dem sich die „Bahnhofspassagen P.“
befinden, auf den Erwerber. Vielmehr war durch den Gesellschafterbeschluss nur darüber zu entscheiden,
wie die Beklagte ihre Stimmrechte in der Objektgesellschaft hinsichtlich der dort zu treffenden Entscheidung
über die Veräußerung der „Bahnhofspassagen P.“ auszuüben hat. Da es sich bei
um eine Ausnahmeregelung zu § 130 Abs. 1 BGB handelt, ist diese eng auszulegen und ist ihr
Anwendungsbereich nicht auf andere Rechtsgeschäfte auszudehnen. Sie gilt auch nur für das dingliche
Vollzugsgeschäft, nicht aber für die zu Grunde liegende schuldrechtliche Verpflichtung (vgl. Herrler in
Grüneberg, BGB, 82. Auflage, München 2023, Rdnr. 15 zu § 873 BGB und BGH, Urteil vom 12.10.1979 – V
ZR 6 /78, Rdnr. 12 zu § 875 Abs. 2 BGB), wobei es streitgegenständlich auch noch nicht einmal unmittelbar
um den Abschluss des Kaufvertrags und damit des Verpflichtungsgeschäfts ging.
Entscheidend ist daher nach alledem, ob die ursprünglich abgegebenen Ja-Stimmen der Beklagten als
Erklärungsempfängerin bereits zugegangen waren, als die in Nein geänderten Stimmen der Beklagten
zugingen.
c. Der Zugang einer Abstimmungserklärung bei der Beklagten iSd. § 17 Abs. 8 S. 4 GV ist erfolgt, wenn die
Stimmerklärung dem Versammlungsleiter zugeht, der die Gesellschaft in der Gesellschafterversammlung
vertritt (vgl. insoweit zur GmbH Drescher in Münchener Kommentar GmbHG, 3. Auflage, München 2019,
Rdnr. 35 zu § 47 GmbHG). Auf die Frage, ob, wann und unter welchen Voraussetzungen die
geschäftsführenden Gesellschafter der Beklagten, d.h. die H.F.S. Immobilienfonds Deutschland 10
Komplementär GmbH und die W.C. R. E. M. GmbH, bzw. deren Organmitglieder die Möglichkeit zur
Kenntnisnahme der Stimmerklärungen hatten, kommt es daher für den Zugang bei der Beklagten ebenso
wenig an, wie auf die Kenntnismöglichkeit der Organmitglieder der W.C. Kapitalverwaltungsgesellschaft
mbH.
Da nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien Versammlungsleiter i.S.d. § 18 Abs. 1 GV der Zeuge
M. S. war (vgl. im Übrigen insoweit auch die Feststellung in Abschnitt B Nr. 2 S. 2 der „Niederschrift im
Rahmen eines schriftlichen Abstimmungsverfahrens der H.F.S. I. D. 10 GmbH & Co KG“ des Notars Dr. G.
laut Anl. BB 5), ist allein darauf abzustellen, wann die Abstimmungserklärungen dem Zeugen S. zugingen.
Zugegangen ist eine Willenserklärung, die – wie vorliegend – unter Abwesenden abgegeben wird, in dem
Moment, in dem sie so in den Bereich des Empfängers, das heißt des Zeugen S., gelangt ist, dass dieser
unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (st. Rspr.,
vgl. statt aller BGH, Beschluss vom 21.06.2011 – II ZB 15/10, Rdnr. 15). Entgegen der Ansicht der Klägerin
(vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 11.02.2022, S. 5, Bl. 237 d.A.) reicht damit für einen Zugang beim
Zeugen S. auch bereits die bloße Möglichkeit zur Kenntnisnahme aus, eine tatsächliche Kenntnisnahme ist
nicht erforderlich. Insoweit kann sich die Klägerin auch nicht auf die Entscheidung des BGH vom 13.07.2012
(V ZR 254/11) berufen. Denn dieser hatte nur bei einer Stimmabgabe unter Anwesenden ohne Verwendung
von Stimmzetteln auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Versammlungsleiter abgestellt. Im Falle
einer in Form von Stimmzetteln verkörperten Willenserklärung unter Anwesenden nahm der BGH dagegen
einen Zugang i.S.d. § 130 BGB an, nachdem die Stimmzettel durch Übergabe in den Herrschaftsbereich des
Versammlungsleiters als Empfänger gelangt waren. Auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den
Versammlungsleiter (in Form des Verlesens der Stimmzettel und der Eintragung des Stimmergebnisses in
eine Excel-Tabelle) sollte es dabei gerade nicht ankommen (BGH, Urteil vom 13.07.2012 – V ZR 254/11,
Rdnr. 5).
In die tatsächliche Verfügungsgewalt (vgl. BGH, Urteil vom 27.01.1965 – VIII ZR 11/63, Rdnr. 16) des
Erklärungsempfängers und damit in seinen Bereich gelangt eine Willenserklärung in dem Moment, in dem
sie die Empfangseinrichtung des Erklärungsempfängers erreicht. Empfangseinrichtung des Zeugen S. als
Empfänger der Stimmerklärungen war dabei – je nachdem, ob die Stimmerklärung des Treugebers per Brief
oder Fax abgegeben wurde – der Briefkasten oder das Faxgerät der W.C. Kapitalverwaltungsgesellschaft
mbH, da – wie sich aus der Rücksendeadresse auf den Stimmzetteln laut Anl. A 7 ergibt – die von den
Treugebern ausgefüllten Stimmzettel an die W.C. Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH per Brief oder Fax
zurückgesandt werden mussten. Ob und in welcher Form die W.C. Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH von
der Beklagten oder deren geschäftsführenden Gesellschaftern oder vom Zeugen S. im Innenverhältnis mit
der Durchführung der Abstimmung beauftragt war (vgl. das diesbezügliche Bestreiten im Schriftsatz des
Klägervertreters vom 11.01.2022, S. 7, Bl. 239 d.A.), ist insoweit unerheblich. Damit gelangten die
Stimmerklärungen in den Bereich des Zeugen S. als Versammlungsleiter in dem Moment, in dem sie den
Briefkasten oder das Faxgerät der W.C. Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH erreichten.
Dass die Stimmerklärungen mit dem Eingang bei der W.C. Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH auch in den
Bereich des Zeugen S. gelangten, ergibt sich im Übrigen auch aus den Feststellungen des Notars Dr. G.,
wonach „sich sämtliche Stimmzettel ab dem Zeitpunkt des Eingangs bei der KVG zugleich im Zugriffs- und
Herrschaftsbereich der geschäftsführenden Kommanditistin“ befanden (vgl. Abschnitt B Nr. 5 der
„Niederschrift im Rahmen eines schriftlichen Abstimmungsverfahrens der H.F.S. I. D. 10 GmbH & Co KG“
des Notars Dr. G. laut Anl. BB 5). Denn geschäftsführende Kommanditistin i.S.d. Feststellungen ist die W.C.
R.E. M. GmbH, deren Geschäftsführer im Abstimmungszeitraum wiederum der Zeuge S. war. Aus dieser
Geschäftsführerstellung ergibt sich die tatsächliche Verfügungsgewalt des Zeugen S. über die
eingegangenen Stimmzettel, auch soweit er im Rahmen des streitgegenständlichen Abstimmungsverfahrens
als Versammlungsleiter tätig wurde.
d. Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass unter normalen
Verhältnissen, das heißt nach dem üblichen Gang der Dinge, der Zeuge S. als Versammlungsleiter
frühestens am Tag des Eingangs, spätestens aber drei (Bank) Arbeitstage nach Eingang der
Stimmerklärungen bei der W.C. Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH die Möglichkeit hatte, vom Inhalt dieser
Stimmerklärungen Kenntnis zu nehmen. Hinsichtlich von Erklärungen, mit denen bereits abgegebene
Stimmerklärungen widerrufen werden sollten, geht der Senat nach Durchführung der Beweiserhebung davon
aus, dass der Zugang beim Versammlungsleiter durch die Beklagte treuwidrig vereitelt wurde.
aa. Aufgrund der Aussagen der Zeugen L. (vgl. S. 6 drittletzter und vorletzter Absatz des Protokolls der
mündlichen Verhandlung vom 26.10.2022, Bl. 277 d.A.) und O. (vgl. S. 8 Mitte des Protokolls der mündlichen
Verhandlung vom 26.10.2022, Bl. 279 d.A.) sowie aufgrund der Feststellungen des Notars Dr. G. in seiner
Niederschrift über das Abstimmungsverfahren (dort Abschnitt B Nr. 4) laut Anl. BB 5 steht zur Überzeugung
des Senats fest, dass die bei der W.C. Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH eingegangenen
Stimmerklärungen von den Mitarbeitern des Zeugen O. an Bankarbeitstagen taggenau, zum Teil auch
mehrmals täglich erfasst, ausgewertet und in eine Excel-Datei eingepflegt wurden und der Zeuge S. einen
Lesezugriff auf diese Excel-Datei hatte. Gleichzeitig steht aufgrund der Aussage dieser Zeugen sowie der
Feststellungen des Notars Dr. G. in dessen Niederschrift laut Anl. BB 5 fest, dass die bei der W.C.
Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH eingegangenen Stimmerklärungen (sei es per Post oder per Fax)
papierhaft in Ordnern abgeheftet wurden, in die der Zeuge S. jederzeit hätte Einsicht nehmen können (vgl.
die Aussage des Zeugen L., S. 6 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2022, Bl. 277 d.A.).
Schließlich hat die Beweisaufnahme ergeben, dass der Zeuge L. den Zeugen S. jeden zweiten oder
zumindest dritten (Bank) Arbeitstag telefonisch oder im direkten Gespräch über den jeweiligen Stand des
Abstimmungsverfahrens informierte und während des laufenden Abstimmungsverfahrens fünf bis sieben
Emails mit dem jeweiligen Abstimmungsstand an ihn sandte (vgl. die Aussage des Zeugen L., S. 6 letzter
Absatz und S. 7 zweiter und dritter Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2022, Bl.
277 und 278 d.A. sowie des Zeugen S., S. 3 vorletzter Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung
vom 26.10.2022, Bl. 274).
Aufgrund der Aussage des Zeugen O. steht darüber hinaus zur Überzeugung des Senats fest, dass, sollte
ein Anleger bereits seine Stimmerklärung abgegeben haben und er zu einem späteren Zeitpunkt diese
widerrufen, dieser Widerruf in der Excel-Datei nicht erfasst wurde (vgl. S. 8 letzter Absatz und 9 erster
Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2022, Bl. 279 und 280 d.A.).
An der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugen L., O. und S. hat der Senat keine Zweifel, da deren
Aussagen widerspruchsfrei und in sich schlüssig waren und sich insbesondere mit den Feststellungen des
Notars Dr. G. laut Anl. BB 5 deckten, dessen Unabhängigkeit außer Zweifel steht. Auch die Glaubwürdigkeit
der Zeugen steht außer Frage. Allein die Tatsache, dass die Zeugen L. und O. Angestellte der W.C.
Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH sind und deshalb aus dem Lager der Beklagten stammen, ändert an
ihrer Glaubwürdigkeit nichts. Denn es gibt keinen Erfahrungssatz, dass Arbeitnehmer grundsätzlich zu
Gunsten ihres Arbeitgebers aussagen und dabei gegebenenfalls auch lügen würden. Auch der von beiden
Zeugen angegebene telefonische Kontakt mit dem Beklagtenvertreter vor ihrer Vernehmung als Zeugen vor
dem Senat beeinträchtigt ihre Glaubwürdigkeit nicht. Denn ein solches Telefonat ist rechtlich zulässig. In
Bezug auf den telefonischen Kontakt mit dem Zeugen L. sollte dieser nach der Erklärung des
Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2022 dazu dienen festzustellen, ob die
Zeugen überhaupt im streitgegenständlichen Fall relevante Wahrnehmungen gemacht haben und deshalb
sinnvollerweise von der Beklagten als Zeugen benannt werden sollen. Hinsichtlich des Zeugen O., der von
der Klägerseite angeboten wurde, hat der Zeuge O. ausgesagt, dass über den Aussageinhalt nicht
gesprochen worden sei, sondern der Beklagtenvertreter den Zeugen O. vielmehr nur über den Ablauf einer
Zeugenvernehmung informierte. Der Zeuge S., der nicht mehr für die W.C.-Gruppe arbeitet und in
niemandes Lager steht, hat auch Erinnerungslücken freimütig eingeräumt. Letztendlich hat auch die
Klägerseite weder die Glaubhaftigkeit der Aussagen noch die Glaubwürdigkeit der Zeugen in Zweifel
gezogen (vgl. den Schriftsatz des Klägervertreters vom 11.11.2022, Bl. 288/299, mit dem zum Ergebnis der
Beweisaufnahme Stellung genommen wurde).
bb. Die demnach erfolgte taggenaue Erfassung der bei der W.C. Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH
eingegangenen Stimmerklärungen und deren Erfassung in einer dem Zeugen S. als Versammlungsleiter
jederzeit zugänglichen Excel-Datei reicht nicht aus, damit unter normalen Verhältnisses der Zeuge S. auch
am Ende eines jeden (Bank) Arbeitstages die Möglichkeit hatte, von den bis dahin eingegangene
Stimmerklärungen Kenntnis zu nehmen. Denn der Zeuge S. konnte sich bei seiner Vernehmung durch den
Senat nicht daran erinnern, dass er die ihm eröffnete Möglichkeit des jederzeitigen Zugriffs auf die Excel-
Datei auch genutzt hätte (vgl. S. 3 letzter Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom
26.10.2022, Bl. 274 d.A.).
Auch die für den Zeugen S. bestehende Möglichkeit der jederzeitigen Einsichtnahme in die durch die
Mitarbeiter des Zeugen O. papierhaft abgehefteten Stimmerklärungen führt nicht dazu, dass der Zeuge S.
am Ende eines jeden Bankarbeitstages unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit gehabt hätte, von den
eingegangenen Stimmerklärungen Kenntnis zu nehmen. Nach der glaubhaften Aussage des glaubwürdigen
Zeugen S. hat er sich nämlich überhaupt keine Stimmzettel angeschaut (vgl. S. 4, vorletzter Absatz des
Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2022, Bl. 275 d.A.). Wenn der Zeuge S. aber während
des Abstimmungsverfahrens weder die Excel-Datei nutzte noch Einsicht in die papierhaften Unterlagen
nahm, bestand nach den normalen Verhältnissen, auf die im Rahmen des Zugangs nach der
Rechtsprechung des BGH ausschließlich abzustellen ist und unter denen eine Kenntnisnahme des Zeugen
S. mittels Zugriff auf die Excel-Datei oder Einsicht in die papierhaften Unterlagen gerade nicht erfolgte, keine
Möglichkeit für den Zeugen S., am Ende eines jeden (Bank) Arbeitstages Kenntnis von den eingegangenen
Stimmerklärungen Kenntnis zu nehmen.
Unter normalen Verhältnissen bestand allerdings die Möglichkeit der Kenntnisnahme der bis dahin jeweils
abgegebenen Stimmerklärungen durch den Zeugen S. alle zwei bis drei (Bank) Arbeitstage, da der Zeuge L.
den Zeugen S. alle zwei bis drei (Bank) Arbeitstage telefonisch oder im direkten Gespräch über den Stand
der Abstimmung informierte. Damit erfolgte, je nachdem, wann vor dem Eingang der jeweiligen
Stimmerklärung die letzte mündliche Unterrichtung des Zeugen S. durch den Zeugen L. über den
Abstimmungsstand stattfand, der Zugang der Stimmerklärungen beim Zeugen S. frühestens am
Eingangstag, spätestens aber am dritten (Bank) Arbeitstag nach dem Eingang der Stimmerklärungen bei der
W.C. Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH und nicht – wie von der Klägerin behauptet (vgl. Schriftsatz des
Klägervertreters vom 11.01.2022, S. 10, Bl. 242 d.A.) – erst am 12.12.2019 (Ende der Abstimmungsfrist)
oder gar erst am 16.12.2019.
cc. Erklärungen von Treugebern, mit denen eine bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgegebene und in der
Datei erfasste Stimmerklärung widerrufen werden soll, wurden überhaupt nicht in der Excel-Datei erfasst
(vgl. S. 8 letzter Absatz und S. 9 erster Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2022,
Bl. 279 und 280 d.A.), sodass nach dem normalen Lauf der Dinge der Zeuge S. auch keine Möglichkeit hatte,
von der Widerrufserklärung der Treugeberin W. Kenntnis zu erlangen.
Da diese Nichtbeachtung von Widerrufserklärungen eine grundlose Verhinderung des Zugangs beim
Versammlungsleiter S. darstellt, muss sich die Beklagte nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als
wäre die Widerrufserklärung zugegangen (vgl. BGH, Urteil vom 11.07.2007 – XII ZR 164/03, Rdnrn 21 f), d.h.
ordnungsgemäß erfasst und im weiteren Geschäftsgang wie eine Stimmerklärung behandelt worden. Für die
Frage, wann unter normalen Verhältnissen der Zeuge S. als Versammlungsleiter die Möglichkeit der
Kenntnisnahme einer Widerrufserklärung hatte, sind daher die gleichen Grundsätze anzuwenden wie bei
erstmaligen Stimmerklärungen.
e. Da die Klägerin sich auf die Mangelhaftigkeit des Gesellschafterbeschlusses und darüber hinaus auf eine
Widerrufserklärung beruft, trägt sie die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Widerrufserklärung der
Treugeberin W. vom 20.11.2019 bei der Stimmauszählung als NEIN-Stimme hätte berücksichtigt werden
müssen. Da dies nach der vom Senat vertretenen Rechtsansicht gemäß § 130 Abs. 1 BGB nur dann der Fall
ist, wenn die Widerrufserklärung vom 20.11.2019 vor oder gleichzeitig mit der ursprünglichen Stimmerklärung
vom 15.11.2019 dem Zeugen S. zuging, muss die Klägerin darlegen und beweisen, dass dem so war. Da der
Zeuge L. nur einen Zeitrahmen für die mündlichen Unterrichtungen des Zeugen S. angab (alle zwei bis drei
(Bank) Arbeitstage), erachtet der Senat nur die jeweils für die Klägerin am ungünstigsten sich auswirkende
Konstellation als erwiesen und legt diese seiner Entscheidung zu Grunde.
f. Demnach konnte die Klägerin (nur) beweisen, dass die Stimmerklärung der Treugeberin W. dem Zeugen S.
am 15.11.2019 (aa.) und die Widerrufserklärung der Treugeberin W. am 22.11.2019 zuging (bb.).
aa. Die ursprünglich „unter dem 15.11.2019“ abgegebene Stimmerklärung der Treugeberin W. laut Anl. A 14
ging bei der W.C. Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH unstreitig am 15.11.2019 ein, sodass, je nachdem,
wann die letzte mündliche Unterrichtung des Zeugen S. durch den Zeugen L. über den Abstimmungsstand
erfolgte, die Stimmerklärung dem Zeugen S. im Zeitraum vom 15. bis 20.11.2019 zuging. Erfolgte nämlich die
mündliche Unterrichtung des Zeugen S. durch den Zeugen L. am 15.11.2019 nach Erfassung aller am
15.11.2019 eingegangenen Stimmerklärungen, so ging die Stimmerklärung der Treugeberin W. dem Zeugen
S. mit der mündlichen Unterrichtung noch am 15.11.2019 (Freitag) zu. Fand die letzte mündliche
Unterrichtung des Zeugen S. dagegen am 15.11.2019 noch vor Erfassung der Stimmerklärung der
Treugeberin W. statt, so stand die nächste Unterrichtung erst zwei bis drei Bankarbeitstage später und damit
erst am 19. oder 20.11.2019 an.
Der aus Beweislastgründen (dazu vgl. oben unter e) maßgebende Zeitpunkt für den Zugang der
Stimmerklärung vom 15.11.2019 beim Zeugen S. ist damit der 15.11.2019.
bb. Die Widerrufserklärung der Anlegerin W. vom 20.11.2019 laut Anl. A 14 ging bei der W.C.
Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH unstreitig noch am selben Tag ein. Aufgrund der Zugangsvereitelung
durch die Beklagte (vgl. oben unter d cc) ist nach Treu und Glaube von einem fiktiven Zugangszeitpunkt
auszugehen, der sich danach bemisst, wann die Widerrufserklärung – wäre sie ordnungsgemäß erfasst und
in den Geschäftsgang gegeben worden – dem Versammlungsleiter zugegangen wäre. Damit bestimmt sich
der Zugangszeitpunkt nach den gleichen Grundsätzen wie bei erstmaligen Stimmerklärungen. Dies bedeutet,
dass je nachdem, wann die letzte mündliche Unterrichtung des Zeugen S. durch den Zeugen L. über den
Abstimmungsstand erfolgte, die Widerrufserklärung dem Zeugen S. im Zeitraum vom 20. bis 25.11.2019
zugegangen wäre. Erfolgte nämlich die mündliche Unterrichtung des Zeugen S. durch den Zeugen L. am
20.11.2019 nach Erfassung aller am 20.11.2019 eingegangenen Stimm- und (unterstellt)
Widerrufserklärungen, so wäre die Widerrufserklärung der Treugeberin W. dem Zeugen S. mit der
mündlichen Unterrichtung noch am 20.11.2019 (Mittwoch) zugegangen. Fand die letzte mündliche
Unterrichtung des Zeugen S. dagegen am 20.11.2019 noch vor Erfassung der Widerrufserklärung der
Treugeberin W. statt, so stand die nächste Unterrichtung erst zwei bis drei Bankarbeitstage später und damit
nicht vor dem 22.11.2019 (Freitag), möglicherweise auch erst am 25.11.2019 (Montag) an.
Da der Zeuge L. den Zeugen S. aber unabhängig von mündlichen Unterrichtungen am 22.11.2019, 14:03 Uhr
per Email (Anl. BB 7) über den Zwischenstand informierte, war spätester (fiktiver) Zugangszeitpunkt der
Widerrufserklärung der 22.11.2019.
Der aus Beweislastgründen (dazu vgl. oben unter e) zu Grunde zu legende späteste Zeitpunkt des Zugangs
der Widerrufserklärung beim Zeugen S. (dazu s. o.) war damit der 22.11.2019. Letztendlich kommt es
bezüglich der Widerrufserklärung der Treugeberin W. aber auf den genauen Zugangszeitpunkt beim Zeugen
S. gar nicht an. Denn selbst wenn von einem Zugang der Widerrufserklärung unmittelbar nach dem Eingang
der Widerrufserklärung bei der Beklagten am 20.11.2019 ausgegangen werden sollte, wäre dies immer noch
nach dem zu unterstellenden Zugang der Stimmerklärung vom 15.11.2019 beim Zeugen S. und damit nicht
mehr rechtzeitig iSd. § 130 Abs. 1 S. 2 BGB.
Da nach alledem die Widerrufserklärung der Treugeberin W. dem Zeugen S. erst mehrere Tage nach dem
Zugang der Stimmerklärung am 15.11.2019 zuging, konnte die Treugeberin W. ihre Stimmerklärung nicht
mehr wirksam widerrufen und waren die Stimmen der Treugeberin W. als JA-Stimmen zu werten.
g. Der von der Klägerin zum Beweis ihrer Behauptungen, „die Übernahme des Versammlungsleiters
beschränk(e) sich im wesentlichen auf die Leistung von Unterschriften in hierfür von spezialiserten
Fachabteilungen vorbereiteten Schriftmappen“ und „(d) ie Vorbereitung der Unterlagen erfolg(e) regelmäßig
in Fachabteilungen, die räumlich auch über Stockwerke getrennt untergebracht“ seien (vgl. Schriftsatz des
Klägervertreters vom 11.01.2022, S. 4 zweiter Absatz, Bl. 236 d.A.), benannte Zeuge K. war nicht zu
vernehmen, da es nicht darauf ankommt, wie in der Vergangenheit Abstimmung- und Auszählungsvorgänge
bei der W.C.-Gruppe abliefen, sondern nur darauf, wie die streitgegenständliche Abstimmung durchgeführt
wurde, und der diesbezügliche Sachvortrag deshalb als wahr unterstellt werden kann.
Da die Beklagte auf die Vernehmung des von ihr benannten Zeugen K. verzichtete (vgl. S. 10 des Protokolls
der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2022, Bl. 281 d.A.), war auch dieser nicht zu vernehmen. Schließlich
war auch der Zeuge S. nicht nochmals zu vernehmen (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 20.12.2022,
Bl. 303 d.A.).
Auf die insgesamt drei Stimmen der drei übrigen widerrufenden Treugeber K., N. und G./L. kommt es nicht
mehr an, da ihr Stimmverhalten keinen Einfluss auf das Erreichen oder Verfehlen der Dreiviertelmehrheit hat,
da diese bereits mit den 25 Ja-Stimmen der Treugeberin W. erreicht war.
2. Wie das Landgericht richtig ausgeführt hat (LGU S. 8 – 10), gebot es auch die den Gesellschaftern
obliegende Treuepflicht nicht, hinsichtlich TOP 9 mit Nein zu stimmen, sodass die abgegebenen JA-Stimmen
als solche zu werten waren. Da die eingehenden Ausführungen des Landgerichts zur Treuepflicht der
Gesellschafter und dazu, warum diese Pflicht durch eine Zustimmung zu TOP 9 nicht verletzt ist, in jeder
Hinsicht zutreffend sind und die Klägerin in ihrer Berufung die diesbezüglichen Feststellungen des
Landgerichts auch gar nicht mehr angreift, kann insoweit vollumfänglich auf das landgerichtliche Urteil Bezug
genommen werden.
Mangels einer Verletzung der Treuepflicht war die Komplementärin auch nicht gemäß § 5 Abs. 3 S. 3 2. Hs
GV verpflichtet, mit den Stimmen derjenigen Treugeber, die ihr Stimmrecht weder selbst noch durch einen
Bevollmächtigten ausübten und auch der Treuhandkommanditistin keine Weisung über dessen Ausübung
erteilten, zu TOP 9 mit NEIN zu stimmen, sondern konnte sich mit den Stimmen dieser Treugeber enthalten.
III.
In jeder Hinsicht richtig ist auch die Annahme des Landgerichts, dass der Beschluss zu TOP 9 nicht deshalb
anfechtbar oder gar nichtig ist, weil nach dem Wortlaut des Beschlusses über die Zustimmung zum Verkauf
der Immobilie „Bahnhofspassagen Potsdam“ entschieden wurde und nicht ausdrücklich lediglich über das
Stimmverhalten der Vertreter der Beklagten in der Gesellschafterversammlung der Objektgesellschaft (LGU
S. 6 und 7). Auch diesbezüglich kann deshalb vollumfänglich auf die Ausführungen des Landgerichts im
angegriffenen Urteil verwiesen werden, zumal auch insoweit die Berufung keine Rüge erhebt.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, da der Beschluss der
Gesellschafterversammlung zu TOP 9 weder anfechtbar noch nichtig ist.
C.
I.
Der Ausspruch zu den Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, da die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel zur Gänze
unterlag.
II.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf
III.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Revisionsgründe nicht vorliegen. Die Entscheidungen des
Reichsgerichts vom 04.03.1930 – II 207, 29,
385, 392 f. sind durch die Entscheidung des BGH vom 13.07.2012 – V ZR 254/11 überholt. Gleiches gilt für
die Entscheidung des OLG Celle vom 08.06.2006 – 4 W 82/06. Aufgrund der Entscheidung des OLG Celle
wäre aber unabhängig davon schon allein deshalb die Revision nicht zuzulassen gewesen, da es sich bei
den Ausführungen des OLG Celle zur Widerrufbarkeit einer abgegebenen Stimme nur um eine
Hilfserwägung handelt, auf die der Beschluss nicht tragend gestützt wird (vgl. OLG, aaO, Rdnr. 7).
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG München
Erscheinungsdatum:05.04.2023
Aktenzeichen:7 U 6538/20
Rechtsgebiete:
Unternehmenskauf
Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Kommanditgesellschaft (KG)
Sachenrecht allgemein
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
OHG
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
AGB, Verbraucherschutz
Aktiengesellschaft (AG)
GmbH
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BGB § 130 Abs. 1; HGB § 161