Gesellschafterdarlehen im Rahmen des kostenrechtlichen Wertes von GmbHGeschäftsanteilen
letzte Aktualisierung: 19.5.2021
KG, Beschl. v. 11.9.2020 – 9 W 113/19
Gesellschafterdarlehen im Rahmen des kostenrechtlichen Wertes von GmbHGeschäftsanteilen
Gesellschafterdarlehen sind bei der Bestimmung des kostenrechtlichen Wertes von
Geschäftsanteilen einer GmbH gemäß
Gründe
I.
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg.
Die angefochtene Entscheidung ist – jedenfalls im Ergebnis – zutreffend. Der vom
Landgericht ermittelte Gebührenanspruch des Antragsgegners ist der Höhe nach nicht zu
beanstanden. Insbesondere ist die Ermittlung des Geschäftswertes durch das Landgericht
(Seite 4 des Beschlusses) und im Rahmen dessen die allein noch im Streit stehende
Bewertung der zur Gründung der Antragstellerin eingebrachten Geschäftsanteile der C…
GmbH der Höhe nach zutreffend.
1. Zutreffend und von der Beschwerde nicht beanstandet geht das Landgericht davon aus,
dass Gesellschaftsverträge über die Gründung einer Kapitalgesellschaft keine
Austauschverträge, sondern Verträge über die Vereinigung von Leistungen sind und die
Werte von Sacheinlagen nach den allgemeinen Vorschriften, Geschäftsanteile also nach § 54
GNotKG, zu bewerten sind (Tiedtke in: Korintenberg, 21. Auflage 2020, GNotKG § 107,
Rn. 6 f.).
Danach bestimmt sich der Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften (und von
Kommanditbeteiligungen) – wenn keine genügenden Anhaltspunkte für einen höheren
Wert bestehen – nach dem Eigenkapital im Sinne von § 266 Absatz 3 des
Handelsgesetzbuchs, das auf den jeweiligen Anteil oder die Beteiligung entfällt, wobei
Grundstücke, Gebäude, grundstücksgleiche Rechte, Schiffe oder Schiffsbauwerke nach den
Bewertungsvorschriften dieses Unterabschnitts zu berücksichtigen sind.
Zur Geschäftswertbestimmung für die zur Gründung der Antragstellerin eingebrachten
Geschäftsanteile der C… GmbH ist also das Eigenkapital der Gesellschaft im Sinne des §
266 Abs. 3 HGB zu ermitteln (
Gesellschaftsvermögen Grundstücke, Gebäude, grundstücksgleiche Rechte, Schiffe oder
Schiffsbauwerke, ist in einem Schritt 2 (gemäß
Vermögensgegenstände vom Eigenkapital der Gesellschaft abzuziehen und zu dieser
Differenz der kostenrechtliche Wert dieser Vermögensgegenstände zu addieren (OLG
Frankfurt, Beschluss vom 19. Mai 2016 – 20 W 42/15 –, Rn. 18, juris). In einem Schritt 3 ist
sodann noch zu prüfen, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beteiligung einen
höheren Wert als den Eigenkapitalanteil (gemäß Schritt 1) bzw. den Anteil am bereinigten
Eigenkapitalanteil (gemäß Schritt 2) hat (OLG Frankfurt, ebenda).
Außer Streit steht, dass es sich bei der C… GmbH nicht um eine vermögensverwaltende
Gesellschaft im Sinne von
operativ tätige Gesellschaft ist, hat niemand in Zweifel gezogen.
2.
Gemäß
kostenrechtlichen Wertes von Geschäftsanteilen einer GmbH nicht werterhöhend zu
berücksichtigen.
Es kann daher dahingestellt bleiben, ob (was der Antragsgegner offensichtlich lediglich
vermutet und auch nicht gemäß
GmbH ausgewiesenen Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit bis zu einem Jahr in Höhe
von 516.088,41 Euro Gesellschafterdarlehen beinhalten und ob diese
eigenkapitalersetzenden Charakter haben.
a) Eine werterhöhende Berücksichtigung von Verbindlichkeiten aus Gesellschafterdarlehen
verstößt bereits gegen den Wortlaut und den Sinn und Zweck der Regelung des § 54
GNotKG.
Danach bestimmt sich der Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften und von
Kommanditbeteiligungen nach dem Eigenkapital im Sinne von § 266 Absatz 3 des
Handelsgesetzbuchs. Zu berücksichtigen sind mithin allein die dort genannten Positionen:
Gezeichnetes Kapital, Kapitalrücklage, Gewinnrücklagen, Gewinnvortrag/Verlustvortrag,
Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag. Auf Verbindlichkeiten aus Gesellschafterdarlehen
kommt es danach nicht an.
Der Gesetzgeber hat sich mit dieser ausdrücklichen Regelung für eine pauschale, aber
vereinfachte und praktikable Wertermittlung entschieden und hierbei in Kauf genommen,
dass dieser Wert (Eigenkapital) nicht dem für eine notarielle Kostenberechnung an sich
gebotenen Wert entspricht. Der nach
gerade nicht nach dem Verkehrswert als dem Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr
nach der Beschaffenheit der Sache unter Berücksichtigung aller den Preis beeinflussenden
Umstände bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (
Bei der Entscheidung für eine Anknüpfung des Wertes von Anteilen an
Kapitalgesellschaften und von Kommanditbeteiligungen an das jeweilige Eigenkapital im
Sinne von § 266 Absatz 3 HGB war dem Gesetzgeber bewusst, dass die handelsrechtlichen
Bilanzansätze für Sach- und Finanzanlagen regelmäßig (unter anderem wegen
Abschreibungen, die aufgrund des Handels- oder Steuerrechts vorgenommen wurden) nicht
dem für die Kostenberechnung nach dem GNotKG gebotenen, eher am Verkehrswert
orientierten Wert entsprechen (Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drs. 17/11471
(neu) S. 173). Aus diesem Grunde (um eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen
Gegenständen zu vermeiden) hat der Gesetzgeber es für geboten erachtet, in § 54 Satz 2
GNotKG eine Anpassung vorzusehen, wonach für die dort genannten
Vermögensgegenstände (Grundstücke, Gebäude, grundstücksgleiche Rechte, Schiffe oder
Schiffsbauwerke) die nach den Bewertungsvorschriften des GNotKG zu ermittelnden
Werte zu berücksichtigen, was gemäß
entspricht.
Eine solche wertkorrigierende Anpassung an den tatsächlichen Verkehrswert kann
allerdings nur hinsichtlich der in der Vorschrift ausdrücklich genannten
Vermögensgegenstände erfolgen (a.A. Tiedtke in: Korintenberg, GNotKG, 21. Auflage
2020, § 54 Rn. 4b; Diehn in: Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 3. Auflage 2019, §
54 Rn. 21). Eine Analogie ist nicht möglich, da der Gesetzgeber die Abweichungen der
handelsrechtlichen Bilanzansätze gesehen hat, sich aber nur für eine Anpassung bezüglich
der in
Eine von
Verbindlichkeiten aus Gesellschafterdarlehen kann deshalb nicht erfolgen. Auch andere
Berichtigungen (z.B. Rechnungsabgrenzungsposten, nicht durch Eigenkapital gedeckter
Fehlbetrag – s. Tiedtke in: Korintenberg, GNotKG, 21. Auflage 2020, § 54 Rn. 2a und b)
können deshalb nicht vorgenommen werden, wie auch Vermögensveränderungen nach dem
Bilanzstichtag nicht berücksichtigt werden können (so aber Tiedtke in: Korintenberg,
GNotKG, 21. Auflage 2020, § 54 Rn.8 ff).
Der Gesetzgeber hat sich aus der Einfachheit und Klarheit für die Heranziehung des
bilanziellen Eigenkapitalbetrages zur Wertbestimmung bei Anteilen an Kapitalgesellschaften
und von Kommanditbeteiligungen und nicht für eine aufwändige Ermittlung des
tatsächlichen Verkehrswertes entschieden. Einer vorzulegenden Bilanz kann dieser Wert
problemlos entnommen werden. Eine Überprüfung einzelner Bilanzpositionen auf vom
Verkehrswert abweichende Buchwerte oder gar eine Bilanzierung allein zum Zwecke der
Wertfestsetzung ist nicht nur über Gebühr komplex - und weder vom Notar noch von den
Beteiligten ohne weiteres zu leisten, sondern widerspricht auch dem Sinn und Zweck der
Wertvorschriften, die Wertbestimmung an rechtssicher und zugleich ohne großen Aufwand
festzustellende Tatsachen zu knüpfen.
b) Soweit in der Literatur zu
kostenrechtlichen Eigenkapital Gesellschafterdarlehen mit ihrem Nominalbetrag
hinzuzurechnen sind, auch wenn es sich formal um Fremdkapital handelt (Diehn in:
Bormann/Diehn/Sommerfeldt, 3. Auflage 2019,
Notarkosten, 2018, Rn. 882; ders. in: Diehn/Volpert, Praxis des Notarkostenrechts, 2.
Auflage 2018, Rn. 955; Tiedtke in: Korintenberg, GNotKG, 21. Auflage 2020, GNotKG §
54 Rn. 2b; Notarkasse München (Hrsg.), Streifzug durch das GNotKG, 12. Auflage 2017,
Rn. 1256), überzeugt dies - soweit diese Auffassung überhaupt näher begründet wird - nicht.
In dem von der Notarkasse München herausgegebenen „Streifzug durch das GNotKG“
(12. Auflage 2017) wird lediglich in einer Fußnote (Nr. 511) ausgeführt,
Gesellschafterdarlehen seien „Aufgrund ihrer generellen Nachrangigkeit gemäß § 39 Absatz
1 Nr. 5 InsO im Insolvenzverfahren … nicht wie Fremdkapital, sondern wie Eigenkapital
…“ zu behandeln. Tiedtke (in: Korintenberg, GNotKG, 21. Auflage 2020,
Rn. 2b) führt zur Begründung aus, Gesellschafterdarlehen seien „formal Fremdkapital und
gehören damit nicht zum Eigenkapital. Wirken sie jedoch Eigenkapital ersetzend, sind sie
dem wirtschaftlichen Eigenkapital zuzurechnen. Das ist vor allem wegen der bei einer
Gesellschaft in der Krise und einem drohenden Insolvenzverfahren wirkenden
Nachrangigkeit der Fall.“
Diese Überlegungen sind – abgesehen davon, dass sie sich über den Wortlaut und die
Intentionen des Gesetzgebers hinwegsetzen – offenkundig noch von der Rechtslage vor
Reform der Eigenkapitalersatzvorschriften des GmbHG (
a.F.) durch das MoMiG (Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur
Bekämpfung von Missbräuchen vom 23. Oktober 2008) beeinflusst.
Bis zum 1. November 2008 wurden Gesellschafterdarlehen in der Krise der Gesellschaft
wie haftendes Eigenkapital und nicht als rückzahlbares Darlehen behandelt. Aus einer
Analogie zu
Rückerstattungsanspruch bei der Befriedigung solcher Darlehen zugleich eine präventive
Durchsetzungssperre her, weshalb der Geschäftsführer die von einem Gesellschafter
geforderte Rückzahlung eines eigenkapitalersetzenden Darlehens verweigern konnte und
musste (BGH, Urteil vom 14. Februar 2019 – IX ZR 149/16 –, Rn. 69, juris). Ist die
Rückzahlung eines in der Krise der Gesellschaft gegebenen, eigenkapitalersetzenden
Gesellschafterdarlehens danach ausgeschlossen, mag es gerechtfertigt sein, das sich bei der
Wertermittlung aus der Bilanz ergebende Eigenkapital (als Differenz zwischen
Aktivvermögen und Verbindlichkeiten) um den Betrag des Gesellschafterdarlehens zu
erhöhen, weil das Gesellschafterdarlehen das Vermögen der GmbH in dieser Situation nicht
schmälert.
Durch das MoMiG wurden die
Rechtsprechungsregeln durch eine klarstellende Regelung in
aufgehoben. Die Neuregelung erfolgte ausschließlich im Insolvenzrecht, nämlich in § 39
Absatz 1 Nr. 5, Absatz 4 und 5 sowie in
ZR 185/10 –, Rn. 30, juris).
Die Regelung in
Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das
Vermögen der Gesellschaft im Rang nur nach den übrigen Forderungen der
Insolvenzgläubiger geltend gemacht werden können. Ein präventives Auszahlungsverbot
entsprechend
Gesellschafterdarlehen können daher vor Insolvenzeröffnung grundsätzlich erfolgen. Sie
können gemäß
Antragstellung angefochten werden. Damit können sich Gesellschafter ihre Darlehen auch
in der Krise zurückzahlen lassen und sind auch einer Rückerstattungspflicht nicht mehr
ausgesetzt, wenn nach der Rückzahlung ein Jahr vergangen ist. Auf die Frage, ob das
Darlehen in der Krise der Gesellschaft (§ 32 a Absatz 1 GmbHG a.F.: in einem Zeitpunkt,
in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten)
gewährt worden und damit kapitalersetzend gewesen ist, kommt es nicht mehr an.
Nach neuem Recht können Gesellschafterdarlehen deshalb grundsätzlich bis zur
Insolvenzeröffnung vom Gesellschafter bei Fälligkeit zurückgefordert werden. Bis zur
Eröffnung des Insolvenzverfahrens handelt es sich um voll durchsetzbare Ansprüche des
Gesellschafters. Dies führt sogar dazu, dass auch bei der Prüfung der (drohenden)
Zahlungsunfähigkeit im Rahmen der Insolvenzantragspflicht (weil vor der
Insolvenzeröffnung erfolgend), Gesellschafterdarlehen grundsätzlich als Verbindlichkeiten
der Gesellschaft zu berücksichtigen sind (BGH, Beschluss vom 23. September 2010 – IX
ZB 282/09 –, Rn. 10, juris).
Zwar mag der Gesellschafter in der Insolvenz der Gesellschaft den wirtschaftlichen Wert
seiner Rückzahlungsforderung verlieren. Dies folgt aber nicht bereits aus der Tatsache der
Darlehensgewährung. Die Abwertung des Rückzahlungsanspruchs beschränkt sich vielmehr
in tatsächlicher und zeitlicher Hinsicht auf Fälle, in denen das Insolvenzverfahren über das
Vermögen der Gesellschaft eröffnet worden ist. § 39 Absatz 1 Nr. 5 InsO enthält lediglich
eine für den Fall der Insolvenz der Gesellschaft eingreifende Regelung (BGH, Urteil vom
14. Februar 2019 – IX ZR 149/16 –, Rn. 20, juris).
Bis zu diesem Zeitpunkt schmälert ein Gesellschafterdarlehen damit als Verbindlichkeit -
unabhängig davon, ob es in der Krise der Gesellschaft gewährt worden und deshalb
kapitalersetzend ist – das Vermögen der Gesellschaft und es besteht kein Anlass, dieses bei
der kostenrechtlichen Bewertung eines Geschäftsanteils im Rahmen des § 54 Satz 1
GNotKG werterhöhend zu berücksichtigen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus
GNotKG.
Die Rechtsbeschwerde war nach § 130 Absatz 3 Satz 1 GNotKG in Verbindung mit § 70
Absatz 1 und 2 FamFG nicht zuzulassen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:Kammergericht
Erscheinungsdatum:11.09.2020
Aktenzeichen:9 W 113/19
Rechtsgebiete:
Kostenrecht
GmbH
Insolvenzrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
GNotKG § 54