OLG München 05. November 2010
34 Wx 117/10
BGB § 185; FamFG § 467 Abs. 2

Führung des Aufgebotsverfahrens durch (früheren) Eigentümer auch nach Inkrafttreten des FamFG

OLG München
Führung des Aufgebotsverfahrens durch (früheren) Eigentümer auch nach Inkrafttreten des FamFG
1.Auch in dem nun der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zugeordneten Aufgebotsverfahren kann der Grundstückseigentümer in gewillkürter Verfahrensstandschaft das Aufgebotsverfahren betreiben, wenn ihm der Grundschuldgläubiger die grundbuchtaugliche Löschungsbewilligung überlassen hat.
2. Wenn der frühere Eigentümer dem Erwerber gegenüber zur Lastenfreistellung verpflichtet ist, kann der frühere Eigentümer weiter zur Führung des Aufgebotsverfahrens bezüglich des verlorengegangenen Grundschuldbriefes berechtigt bleiben. (amtliche Leitsätze)
OLG München, Beschl. v. 5.11.2010 – 34 Wx 117/10
BGB § 185; FamFG § 467 Abs. 2
Entscheidung:
Mit notariellem Vertrag veräußerte der Antragsteller ein Grundstück, wobei er sich zur lastenfreien Eigentumsübertragung verpflichtete. Der Grundbesitz war mit einer Briefgrundschuld belastet. Die Grundschuldgläubigerin hatte Löschungsbewilligung erteilt; der Grundschuldbrief war jedoch abhanden gekommen. Der Antragsteller beantragte daher den Erlass eines Aufgebotes zur Kraftloserklärung sowie eines Ausschließungsbeschlusses. Das AG München lehnte den Antrag mit der Begründung ab, solange das Aufgebotsverfahren in der ZPO geregelt gewesen sei, habe die Antragsberechtigung des Eigentümers über die Grundsätze der Prozessstandschaft hergeleitet werden können. Dies sei nach Übernahme des Aufgebotsverfahrens in das FamFG nicht mehr möglich, da eine gewillkürte Verfahrensstandschaft in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nur für echte Streitsachen anerkannt sei.
Dem hat das OLG München1 widersprochen und klargestellt: Ungeachtet der Regelung des Aufgebotsverfahrens im FamFG hat sich nichts an der auch nach alter Rechtslage anerkannten Möglichkeit geändert, dass der Eigentümer dem vom Gläubiger die Löschungsbewilligung überlassen wurde, das Aufgebotsverfahren betreiben kann.2 Nach dem OLG München erklärt sich die Befugnis, im eigenen Namen ein fremdes Recht geltend zu machen, mit § 185 BGB. Insoweit handele es sich um ein nicht nur von der ZPO verfahrensrechtlich gebilligtes Institut. Voraussetzung der gewillkürten Verfahrensstandschaft ist daher auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine wirksame Ermächtigung des tatsächlichen Rechtsinhabers sowie ein eigenes rechtliches Interesse des Antragstellers.
Anmerkung:
Mit seiner ablehnenden Entscheidung eröffnete das AG München dem OLG München die Möglichkeit einer obergerichtlichen Bestätigung zu der mit der Ubernahme des Aufgebotsverfahrens aus den Vorschriften des Zivilprozesses in die Regelungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit aufgeworfenen Frage, ob auch im Antrags-verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Verfahrensstandschaft nach dem Muster der ZPO zulässig ist.
Während im Rahmen zivilprozessualer Verfahren eine gewillkürte Prozessstandschaft zweifelsfrei anerkannt ist, wurde eine solche im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit vor Inkrafttreten des FamFG lediglich für streitige Verfahren ausdrücklich bejaht.3 Das OLG München hat die Gelegenheit genutzt, klarzustellen, dass richtigerweise auch in nichtstreitigen Antrags-verfahren, wie hier dem Aufgebotsverfahren nach dem FamFG, eine gewillkürte Verfahrensstandschaft unter den allgemein anerkannten Voraussetzungen möglich ist.4 Damit können unter bestimmten Voraussetzungen auch andere Personen als der eingetragene Gläubiger eines Grundpfandrechtes das Aufgebots-verfahren für den Pfandrechtsbrief einleiten und betreiben.
Die Vorraussetzung einer gewillkürten Verfahrensstandschaft in den Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechen denen für echte Streitverfahren. Erforderlich ist damit zum einen eine Ermächtigung durch den Rechtsinhaber zur Durchführung des Verfahrens, welche beim Aufgebotsverfahren nach § 467 FamFG typischerweise in der Uberlassung der Löschungsbewilligung liegt und zum anderen ein eigenes rechtliches Interesse des Antragstellers. Ein rechtliches Interesse an der Durchführung des Aufgebotsverfahrens ist beim eingetragenen Eigentümer unzweifelhaft gegeben. Daneben hat aber auch der frühere Eigentümer ein eigenes rechtliches Interesse, wenn und soweit er ungeachtet der Eigentumsumschreibung gegenüber dem Erwerber zur Lastenfreistellung verpflichtet ist.
Bezüglich der Aufgebotsverfahren zum Ausschluss unbekannter Gläubiger nach §§ 1170, 1171 BGB war nach altem Recht auch die Anwendung des § 265 ZPO unstreitig, so dass ein Eigentumswechsel während des vom früheren Eigentümer eingeleiteten Verfahrens keinen neuen Antrag erforderte, sondern der frühere Eigentümer das Verfahren ungeachtet der Umschreibung im Grundbuch weiter betreiben konnte.5 Nach Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes6 haben sich auch insoweit durch die Neuregelung im FamFG keine Änderungen ergeben.
Dr. Yvonne Abicht

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

05.11.2010

Aktenzeichen:

34 Wx 117/10

Rechtsgebiete:

Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

notar 2011, 55-56

Normen in Titel:

BGB § 185; FamFG § 467 Abs. 2