Beglaubigung durch Urkundsperson der Betreuungsbehörde; Wirkung im Grundbuchverfahren; konkrete Anhaltspunkte für Tod des Vollmachtgebers
letzte Aktualisierung: 24.3.2025
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.12.2024 – 5 W 41/24
BtOG § 7 Abs. 1; BGB §§ 164 ff.
Beglaubigung durch Urkundsperson der Betreuungsbehörde; Wirkung im Grundbuchverfahren;
konkrete Anhaltspunkte für Tod des Vollmachtgebers
Das Grundbuchamt hat die Frage, ob die Wirkung der Beglaubigung einer ihm vorgelegten
Vollmacht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BtOG geendet hat, nur dann zu prüfen, wenn es konkrete
Anhaltspunkte für den Tod des Vollmachtgebers hat.
Gründe
I.
Im Grundbuch des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundbesitzes sind die
Beteiligten zu 1) und zu 2) als Eigentümer zu je ½ Anteil eingetragen.
Der Beteiligte zu 1) errichtete am 2. Oktober 2023 eine als Vorsorgevollmacht bezeichnete
Vollmachtsurkunde, in der er die Beteiligte zu 2) zu seiner allgemeinen Bevollmächtigten u.a. in
den Bereichen der Gesundheitsfürsorge, der Unterbringung und Wohnungsangelegenheiten, zur
Vertretung vor Gericht sowie der Vermögenssorge und damit auch zur Verfügung über
Vermögensgegenstände jeder Art, einschließlich der Verwaltung, des Erwerbs und der
Veräußerung von Vermögen einsetzte. Die Urkundsperson bei der Betreuungsbehörde des
Landkreises Neunkirchen beglaubigte die Echtheit der Unterschrift des Beteiligten auf der
„Vorsorgevollmacht“ gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG).
Mit notariell beurkundeten Vertrag vom 22. Februar 2024 des Notars Dr. O. (Urk.- Nr. xxx)
übertrug die Beteiligte zu 2), sowohl handelnd für sich selbst als auch als Bevollmächtigte des
Beteiligten zu 1), den Grundbesitz unentgeltlich an den Beteiligten zu 3). Der von den
Beteiligten zu 2) und 3) mit dem Vollzug der Kaufvertragsurkunde beauftragte Notar beantragte
die Eigentumsumschreibung und die Eintragung eines zugunsten der Beteiligten zu 1) und 2)
errichteten Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts.
Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 24. Juni 2024 die Beteiligten unter
Verweis auf die Regelung in § 7 Abs.1 Satz 2 BtOG aufgefordert, binnen einer Frist von sechs
Monaten eine Lebensbescheinigung des Beteiligten zu 1) vorzulegen. Hiergegen richtet sich die
durch den mit dem Vollzug der Übertragungsurkunde beauftragten Notar am 22. Juli 2024
eingelegte Beschwerde. Das Grundbuchamt hat mit Verfügung 29. Juli 2024 die Sache dem
Saarländischen Oberlandesgericht als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die nach
die nach § 18 Abs. 1 GBO ergangene Zwischenverfügung ist in der Sache erfolgreich. Das
Grundbuchamt durfte im vorliegenden Fall die Eintragung des Eigentümerwechsels nicht von
der Vorlage einer Lebensbescheinigung des Beteiligten zu 1) abhängig machen.
1.)
Obwohl der Notar anzugeben hat, für wen er die Beschwerde führt (vgl. BayObLG, Beschluss
vom 02. August 1989 – BReg 2 Z 86/89,
Rn. 20), hat sich der Notar im vorliegenden Fall darauf beschränkt, selbst das Rechtsmittel
einzulegen, ohne die Personen zu bezeichnen, für die er handelt. Fehlt eine solche Angabe, so
sind – sofern sich, wie hier, aus den Umständen nichts anderes ergibt – als Beschwerdeführer
alle Antragsberechtigten anzusehen (BGH, Beschluss vom 24.01.1985 – V ZB 5/84, NJW 1985,
3070; BayObLG, Beschluss vom 24.04.1985 – BReg 3 Z 30/85). Insofern ist zu berücksichtigen,
dass aus
Beschwerdebefugnis (BayObLG, Beschluss vom 02.08.1989 – BReg 2 Z 86/89, a. a. O.; OLG
München Beschluss vom 28. Juni 2017 – 34 Wx 421/16; KG, Beschluss vom 11. Februar 2014
– 1 W 130/13; OLG Nürnberg, Beschluss vom 25. März 2024 – 15 Wx 2176/23, ErbR 2024,
551 (552)).
Auch wenn das Amtsgericht vorliegend keine Abhilfeentscheidung getroffen hat macht der
Senat von seinem Recht Gebrauch sogleich über das Rechtsmittel zu entscheiden.
Anerkanntermaßen sind die unterbliebene Durchführung des Abhilfeverfahrens oder das Fehlen
eines (ordnungsgemäßen) Nichtabhilfebeschlusses keine zwingende Voraussetzung für die
Entscheidung des Beschwerdegerichts über das Rechtsmittel (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni
2010 – V ZB 13/10, juris; Schmidt-Räntsch, in: Meikel, GBO 12. Aufl., § 71 Rn. 7, § 75 Rn. 15).
2.)
Das Grundbuchamt hat die beantragte Eintragung des Eigentumswechsels zu Unrecht unter
Hinweis auf § 7 Abs.1 Satz 2 BtOG von der Vorlage eines Lebendnachweises abhängig
gemacht.
a)
Vor der Eintragung eines Eigentumswechsels hat das Grundbuchamt gem.
prüfen, ob die erforderliche Einigung der Beteiligten erklärt und in der grundbuchmäßigen
Form des
nachgewiesen ist, wie es nach materiellem Recht erforderlich ist, um die Rechtsänderung
herbeizuführen (OLG Köln, Beschluss vom 18. Mai 2020 – 2 Wx 61/20,
m.w.N.). Wird die Erklärung über die Einigung für den Eigentümer des Grundstücks – wie hier
– durch einen Vertreter abgegeben, muss das Grundbuchamt und im Beschwerdeverfahren der
an seine Stelle tretende Senat die Erteilung der Vollmacht und den Umfang der
Vertretungsmacht (
prüfen, ohne an die Auffassung des beurkundenden Notars gebunden zu sein (vgl. nur BGH,
Beschluss vom 21. April 2016 – V ZB 13/15,
OLG Frankfurt, Beschluss vom 15. Oktober 2010 - 20 W 399/10,
2011, 273; OLG München, Beschluss vom 7. November 2018 – 34 Wx 395/17 FamRZ 2019,
868). Ist der Bevollmächtigte im Besitz der Vollmachtsurkunde, so hat das Grundbuchamt
regelmäßig, insbesondere dann, wenn die Voraussetzungen des Rechtsscheintatbestands des
§ 172 BGB vorliegen, von dem Fortbestand der Vollmacht auszugehen (OLG Köln, Beschluss
vom 9. Juli 2001 – 2 Wx 42/01 –, juris; OLG Karlsruhe Beschluss vom 29. August 1991, juris;
OLG Köln, Beschluss vom 14. Dezember 1983 – 2 Wx 33/83 –, juris; Demharter,
Grundbuchordnung, 33. Auflage 2023, § 19 Rn. 80). Sind ihm aber besondere Umstände
bekannt, die auf die Möglichkeit eines Erlöschens hinweisen, so hat es in freier
Beweiswürdigung (OLG Karlsruhe Beschluss vom 29. August 1991, juris; Demharter,
Grundbuchordnung, 33. Auflage 2023, § 19 Rn. 80) zu prüfen, ob die Vollmacht erloschen ist
(KG, Beschluss vom 21. Oktober 2008 - 1 W 246, 247/08
begründeten Zweifeln den Nachweis ihres Fortbestehens zu verlangen (OLG Hamm, Beschluss
vom 11. Mai 2004 - 15 W 163/04,
2005 - 15 W 61/05,
b)
Dieselben Grundsätze haben auch für die Frage, ob die Beglaubigungswirkung einer Vollmacht
nach § 7 Abs.1 Satz 2 BtOG geendet hat, zu gelten. § 7 Abs.1 Satz 2 BtOG sieht vor, dass die
Wirkung der Beglaubigung bei einer Vollmacht mit dem Tod des Vollmachtgebers endet. Allein
dieser Umstand berechtigt vorliegend das Grundbuchamt nicht dazu, die begehrte Eintragung
von der Vorlage einer Lebendbescheinigung abhängig zu machen. Mit Inkrafttreten von § 7
Abs.1 Satz 2 BtOG zum 1. Januar 2023 beabsichtigte der Gesetzgeber, die
Beglaubigungswirkung zeitlich auf das Lebensende des Vollmachtgebers zu begrenzen. Dies
rechtfertige sich dadurch, dass der Zusammenhang zum Betreuungsrecht mit dem Tod des
Vollmachtgebers ende. Nach dem Tod des Vollmachtgebers bezwecke die Vollmacht nur noch
die Nachlassabwicklung, die aber gerade nicht Gegenstand des Betreuungsverfahrens sei (BTDrs.
19/24445, 350). Ob der Vollmachtgeber noch lebt, ist deshalb nur zu prüfen, wenn das
Grundbuchamt konkrete Anhaltspunkte für den Tod des Vollmachtgebers hat (BTDrs.
19/24445, 350; Böhringer,
Das ist hier nicht der Fall. Allein der Umstand, dass der Beteiligte zu 1) schon bei Erteilung der
Vollmacht die durchschnittliche Lebenserwartung für einen Mann erreicht hatte, stellt keinen
konkreten Anhaltspunkt dar, vom Ableben des Vollmachtsgebers auszugehen und Nachweise
für den grundbuchverfahrensrechtlichen Fortbestand der Vollmacht zu fordern (so auch Kraus,
Antragstellung errichtet wurde und Rechte für den Vollmachtgeber eingetragen werden sollen.
3.)
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Saarbrücken
Erscheinungsdatum:04.12.2024
Aktenzeichen:5 W 41/24
Rechtsgebiete:
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Grundbuchrecht
Kostenrecht
BtOG § 7 Abs. 1; BGB §§ 164 ff.