BGH 03. April 2019
XII ZB 359/17
FamFG § 41 Abs. 3; BGB §§ 1629 Abs. 1, 1643 Abs. 1, 1795, 1796, 1822 Nr. 5

Bestellung eines Ergänzungspflegers im Verfahren über die familiengerichtliche Genehmigung eines Vertrags grundsätzlich nicht erforderlich

letzte Aktualisierung: 27.6.2019
BGH, Beschl. v. 3.4.2019 – XII ZB 359/17

FamFG § 41 Abs. 3; BGB §§ 1629 Abs. 1, 1643 Abs. 1, 1795, 1796, 1822 Nr. 5
Bestellung eines Ergänzungspflegers im Verfahren über die familiengerichtliche Genehmigung eines Vertrags grundsätzlich nicht erforderlich

a) Im Verfahren über die familiengerichtliche Genehmigung eines von Eltern als gesetzlichen
Vertretern ihres minderjährigen Kindes abzuschließenden Vertrages bedarf es zur Vertretung des
nicht verfahrensfähigen Kindes im Verfahren und für die Bekanntgabe der die Genehmigung
aussprechenden Entscheidung keines Ergänzungspflegers (Fortführung von Senatsbeschluss vom
12. Februar 2014 – XII ZB 592/12 – FamRZ 2014, 640).

b) Etwas anderes gilt nur, wenn und soweit die Eltern nach § 1795 BGB kraft Gesetzes von der
Vertretung ausgeschlossen sind oder ihnen die Vertretung wegen einer bestehenden
Interessenkollision nach § 1796 BGB durch gerichtliche Entscheidung entzogen worden ist (im
Anschluss an Senatsbeschlüsse BGHZ 191, 48 = FamRZ 2011, 1788 und vom 27. Juni 2018 –
XII ZB 46/18 – FamRZ 2018, 1512).

Gründe:

I.
Die Beteiligten streiten über die Bestellung eines Ergänzungspflegers für
die betroffenen Kinder.

Die betroffenen Kinder wurden 2007 und 2011 geboren. Ihr Vater war
Landwirt. Er verstarb 2016. Die allein sorgeberechtigte Mutter (Beteiligte zu 2)
will landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, die ihr und den Kindern als Miterben
nach dem Vater gehören, langfristig verpachten und hat in einem gesonderten
Verfahren hierfür die Genehmigung des Familiengerichts beantragt. Das
Amtsgericht hat im von Amts wegen eingeleiteten vorliegenden Verfahren den
Kindern – ohne vorherige Anhörung der Mutter – für die Vertretung bei der Eingehung
des Pachtvertrags die Beteiligte zu 1, eine Rechtsanwältin, als Ergänzungspflegerin
bestellt.

Die von der Mutter hiergegen eingelegte Beschwerde ist vom Oberlandesgericht
zurückgewiesen worden. Dagegen wendet sich die zugelassene
Rechtsbeschwerde der Mutter.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist bei der Genehmigung eines
nicht nur einseitigen Rechtsgeschäfts, hier von langfristigen Pachtverträgen
nach §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 5 BGB, einem unter 14 Jahre alten Beteiligten
zur Wahrung seines rechtlichen Gehörs stets ein Ergänzungspfleger zu bestellen,
ohne dass es auf einen festzustellenden Interessengegensatz nach § 1796
BGB ankomme. Das beruhe auf der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Danach könne das rechtliche Gehör nicht durch denjenigen vermittelt
werden, dessen Handeln im Genehmigungsverfahren überprüft werden solle.

Der Gesetzgeber habe unter ausdrücklichem Hinweis darauf die Regelung des
§ 41 Abs. 3 FamFG geschaffen. Zwar habe der Bundesgerichtshof für den Fall
der Erbausschlagung durch einen Vormund verlangt, dass zur Bestellung eines
Ergänzungspflegers für die Entgegennahme des Genehmigungsbeschlusses
die Voraussetzungen des § 1796 BGB vorliegen müssten. Dies sei aber ausdrücklich
nur für ein einseitiges Rechtsgeschäft entschieden worden und nicht
für eine vertragliche Gestaltung. Außerdem ergebe sich ein gesetzlicher Aus-
schluss der gesetzlichen Vertretung aus verfahrensrechtlichen Gründen. Die
Vorschrift des § 41 Abs. 3 FamFG und der dahinter stehende Wille des Gesetzgebers
liefen andernfalls bei unter 14jährigen Beteiligten weitgehend ins Leere.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Gemäß § 41 Abs. 3 FamFG ist ein Beschluss, der die Genehmigung
eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat, auch demjenigen bekanntzugeben,
für den das Rechtsgeschäft genehmigt wird. Nach der Rechtsprechung
des Senats folgt daraus nicht, dass das Vertretungsrecht des Vormunds gemäß
§ 1793 Abs. 1 Satz 1 BGB über die in § 1796 BGB bezeichneten Fälle hinaus
zu entziehen ist. Nach § 1796 Abs. 2 BGB soll die eine Ergänzungspflegschaft
auslösende Entziehung des Vertretungsrechts nur erfolgen, wenn das Interesse
des Mündels zu dem Interesse des Vormunds in erheblichem Gegensatz steht.
Ein Ausschluss des Vertretungsrechts aus verfahrensrechtlichen Gründen jenseits
des hier nicht einschlägigen § 1795 BGB oder des § 1796 BGB kommt
nicht in Betracht (Senatsbeschluss vom 12. Februar 2014 – XII ZB 592/12 –
FamRZ 2014, 640 Rn. 13). Diese für das Vertretungsrecht des Vormunds angeführten
Gründe gelten erst recht auch für die gesetzliche Vertretung durch die
Eltern.

aa) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts begründet der Abschluss
von Verträgen keine entscheidende Besonderheit gegenüber der vom
Senat bereits entschiedenen Fallkonstellation einer Erbausschlagung (vgl. auch
Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2015 – XII ZB 283/15 – FamRZ 2016, 296
Rn. 20; zutreffend Weber DNotZ 2015, 498, 502 ff. mwN auch zur aA; Münch-
KommFamFG/Ulrici 3. Aufl. § 41 Rn. 14 ff.; Staudinger/Veit BGB [2014] § 1796
Rn. 14). Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht dem auch
in der vorliegenden Fallgestaltung nicht entgegen. Denn diese bezieht sich auf
einen am Genehmigungsverfahren nicht beteiligten, selbst verfahrensfähigen
Vertretenen und verlangt, dass diesem der Genehmigungsbeschluss bekanntgegeben
werden muss. Daraus und aus der daran orientierten Gesetzesfassung
in § 41 Abs. 3 FamFG folgt aber noch nicht, dass das nicht verfahrensfähige
Kind für die Bekanntgabe – und ebenfalls hinsichtlich der Vertretung im
Genehmigungsverfahren – einen Ergänzungspfleger benötigt. Vielmehr ist im
Unterschied zur Stellung des Nachlasspflegers, um den es in dem vom Bundesverfassungsgericht
entschiedenen Fall ging, die verfassungsrechtlich garantierte
elterliche Sorge vom Gesetz nur insoweit eingeschränkt, als die Eltern
hinsichtlich bestimmter Verträge nicht unbeschränkt für das Kind handeln können,
sondern hierfür einer gerichtlichen Genehmigung bedürfen. Da es an einer
ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage fehlt, verbietet sich ein über die bestehenden
Ermächtigungen hinausgehender Eingriff in das Elternrecht. Der Senat
hat dementsprechend bereits in anderem Zusammenhang hervorgehoben, dass
die gesetzliche Vertretung des Kindes im Kindschaftsverfahren durch die Eltern
als Bestandteil des Elternrechts eine wohlabgewogene Entscheidung des Gesetzgebers
darstellt (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 191, 48 = FamRZ 2011,
1788 Rn. 18 ff. und vom 27. Juni 2018 – XII ZB 46/18 – FamRZ 2018, 1512 Rn.
11 ff.).

bb) Der gesetzliche Vertreter wird in Fällen der vorliegenden Art schließlich
bereits durch das Gericht kontrolliert. Ein Bedürfnis dafür, das der Kontrolle
dienende Verfahren sowie das kontrollierende Gericht seinerseits einer generellen
weiteren Kontrolle durch einen anderen Vertreter des Rechtsinhabers zu
unterstellen, besteht – jedenfalls soweit kein Interessenwiderstreit festgestellt
wird – nicht (Senatsbeschluss vom 12. Februar 2014 – XII ZB 592/12 – FamRZ
2014, 640 Rn. 15 mwN).

b) Die vom Amtsgericht beschlossene und vom Oberlandesgericht gebilligte
Pflegerbestellung entspricht den genannten Maßstäben nicht. Sie ist schon
deswegen rechtswidrig, weil das Amtsgericht dem Ergänzungspfleger die Vertretung
bei der Eingehung eines Pachtvertrags übertragen hat, was deutlich
über die Bekanntgabe nach § 41 Abs. 3 FamFG und auch über die Vertretung
der Kinder im Genehmigungsverfahren hinausgeht. Aus welchem Grund die
sorgeberechtigte Mutter nicht dazu in der Lage sein sollte, die Kinder beim Abschluss
des Pachtvertrags zu vertreten, geht weder aus dem angefochtenen
Beschluss noch aus dem Beschluss des Amtsgerichts hervor. Diese befassen
sich vielmehr allein mit der Bekanntgabe des Genehmigungsbeschlusses.

Für eine Entziehung der Vertretung nach § 1796 BGB bestehen im vorliegenden
Fall keine Anhaltspunkte. Insbesondere besteht keine Interessenkollision
zwischen der sorgeberechtigten Mutter und den Kindern. Mutter und Kinder
befinden sich als Verpächter vielmehr in der gleichen Vertragsstellung und
haben mithin im Zweifel gleichlaufende Interessen. Die Überprüfung, ob die
Verpachtung in der konkret vereinbarten Form dem Kindeswohl entspricht, ist
dem dafür vorgesehenen gesonderten Verfahren vorbehalten.

3. Der angefochtene Beschluss ist mithin aufzuheben. Der Senat kann in
der Sache abschließend entscheiden. Auf die Beschwerde der sorgeberechtigten
Mutter ist die vom Amtsgericht angeordnete Ergänzungspflegerbestellung
ersatzlos aufzuheben.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

03.04.2019

Aktenzeichen:

XII ZB 359/17

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)

Erschienen in:

ZEV 2019, 428-429

Normen in Titel:

FamFG § 41 Abs. 3; BGB §§ 1629 Abs. 1, 1643 Abs. 1, 1795, 1796, 1822 Nr. 5