LSG Berlin-Brandenburg 08. Juni 2022
L 28 BA 29/19
SGG §§ 54 Abs. 1, 70 Nr. 1; FamFG § 394 Abs. 1 S. 1; GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 7; SGB X §§ 10 Nr. 1, 12 Abs. 1 Nr. 2, 39 Abs. 2

Keine Beteiligungsfähigkeit einer GmbH bei Löschung wegen Vermögenslosigkeit

letzte Aktualisierung: 31.8.2022
LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 8.6.2022 – L 28 BA 29/19

SGG §§ 54 Abs. 1, 70 Nr. 1; FamFG § 394 Abs. 1 S. 1; GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 7; SGB X §§ 10
Nr. 1, 12 Abs. 1 Nr. 2, 39 Abs. 2
Keine Beteiligungsfähigkeit einer GmbH bei Löschung wegen Vermögenslosigkeit

Eine wegen Vermögenslosigkeit vor Klageerhebung gegen einen Betriebsprüfungsbescheid
gelöschte GmbH ist nach § 70 Nr. 1 SGG nicht mehr beteiligungsfähig. Mit dem Entfallen der
Rechtsfähigkeit der GmbH hat sich der ihr gegenüber zuvor ergangene Betriebsprüfungsbescheid
auf sonstige Weise erledigt.

Gründe

I.
Die Klägerin, eine im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöschte
Kapitalgesellschaft, wendet sich gegen einen Betriebsprüfungsbescheid und die hiermit
festgesetzte Forderung.

Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 24. Januar 2012 als Gesellschaft mit
beschränkter Haftung (GmbH) errichtet mit dem Geschäftszweck der Ausführung von
Hoch- und Tiefbauarbeiten. Sie hatte ihren Sitz in B . Zum Geschäftsführer mit
Einzelvertretungsberechtigung bestellt war ausweislich des Auszugs aus dem
Handelsregister B des Amtsgerichts W (HRB ) der 1969 geborene Herr B (B) sowie in der
Zeit vom 3. April 2012 bis zum 21. März 2013 darüber hinaus Herr S (S).

Nach Ermittlungen durch das Hauptzollamt K, der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens
durch die Staatsanwaltschaft Trier gegen die früheren Geschäftsführer B und S und
erfolgter Unterrichtung der Beklagten führte diese bei der Klägerin eine Betriebsprüfung
durch (Mitteilung mit Schreiben vom 23. Mai 2014). Nach Anhörung stellte sie der Klägerin
gegenüber mit dem Herrn B bekanntgegebenen Bescheid vom 15. Juli 2014 in der Gestalt
des dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin aufgrund der Vollmacht vom 24. Juli 2014
zugestellten Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2015 eine Nachforderung zur
Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 34.834,29 € für die Zeit vom 19. November
2012 bis 25. März 2013 einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 5.032,50 € fest. In
diesem Zeitraum seien Leistungen für verschiedene Auftraggeber in Höhe von insgesamt
104.758,73 € ausgeführt und abgerechnet worden. Beschäftigt worden sei lediglich ein
Arbeitnehmer von November 2012 bis Januar 2013 gegen ein Bruttoentgelt von insgesamt
7.500 €, im Februar 2013 vier Arbeitnehmer gegen ein Bruttoentgelt von insgesamt
4.760,83 € und im März 2013 wieder ein Arbeitnehmer gegen einen Bruttolohn von 2.500 €.
Gemeldet worden seien Entgelte in Höhe von insgesamt 14.760,82 €. Unter
Berücksichtigung des erbrachten Nettoumsatzes von 88.055,24 € sei jedoch von Netto-
Lohnkosten in Höhe von 58.703,45 € auszugehen. Nach höchstrichterlicher
Rechtsprechung könne in lohnintensiven Branchen (Gerüstbau, Baugewerbe,
Reinigungsgewerbe usw. ohne größeren Maschinen- und Materialeinsatz) als Anhaltspunkt
ein Lohnkostenanteil von 2/3 des Nettoumsatzes angenommen werden. Da von der
Klägerin keine vollständigen Aufzeichnungen vorgelegt worden seien, die Aufschluss über
alle Lohnzahlungen geben würden, könne die Ermittlung der Entgelte nur geschätzt
werden. Zu ihren Gunsten würden als Berechnungsgrundlage für die ihr, der Beklagten,
nicht namentlich bekannten Arbeitnehmer nicht die Nettosummen aus den Rechnungen als
Lohnquote angesetzt, sondern lediglich 66,66 v.H. der um die gemeldeten Entgelte
verminderten Nettoumsätze (58.703,45 €). Die von der Klägerin beschäftigten Personen
hätten in den für sie ausgeübten Beschäftigungen der Versicherungspflicht in der
Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Rentenversicherung sowie der Beitragspflicht
nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen. Bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen
gelte ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart. Wegen der Feststellung der beitragspflichtigen
Arbeitsentgelte und Gesamtlohnsummen, der Berechnung der Beiträge sowie der genauen
Zusammensetzung der Forderung und Säumniszuschläge werde auf die dem Bescheid
beigefügten Anlagen verwiesen. Zuständige Einzugsstelle sei vorliegend die AOK .

Die Klägerin wurde wegen Vermögenslosigkeit am 3. August 2015 von Amts wegen aus
dem Handelsregister des Amtsgerichts W gelöscht und das Registerblatt geschlossen (vgl.
HRB ).

Mit der am 4. November 2015 durch ihren Prozessbevollmächtigten (Vollmacht vom
24. Juli 2014) erhobenen Klage hat dieser für die Klägerin geltend gemacht, eine
zivilrechtlich voll beendete Gesellschaft sei so lange als fortbestehend anzusehen, wie sie
noch steuerliche Pflichten zu erfüllen habe oder sie Steuer- bzw. Beitragsbescheide angreife.
Der Beitragsbescheid der Beklagten vom 15. Juli 2014 sei offensichtlich rechtswidrig. Eine
Lohnquote von 16,74 % unter Berücksichtigung der gemeldeten Entgelte sei plausibel. Die
Schätzung der Sozialabgabe sei offensichtlich falsch. Mit Ablauf des 31. Dezember 2017 sei
der Beitragsbescheid verfassungswidrig geworden, da seit dem 1. Januar 2018 alle denkbaren
Haftungsansprüche verjährt seien.

Mit Urteil vom 26. Februar 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei
unzulässig, weil die Klägerin nach Löschung aus dem Handelsregister bei Klageerhebung
nicht mehr existent gewesen sei. Die Löschung einer vermögenslosen GmbH habe zur
Folge, dass die Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit verliere und materiell-rechtlich nicht mehr
existent sei. Die Klägerin habe daher nicht wirksam Klage erheben können. Sie sei nicht
ausnahmsweise trotz der Löschung als rechts- und parteifähig zu behandeln. Dies würde
voraussetzen, dass sie substantiiert behauptet, es sei bei der Gesellschaft noch Vermögen
vorhanden. Solches sei nicht der Fall. Im Übrigen würden mit der Beendigung der
Gesellschaft auch die Verbindlichkeiten erlöschen. Da die Klägerin bereits nicht mehr
parteifähig gewesen sei, komme es nicht darauf an, ob sie noch prozessfähig war, weil die
erteilte Prozessvollmacht noch über die Löschung hinaus fortwirkte.

Mit ihrer Berufung vom 27. März 2019 gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am
27. Februar 2019 zugestellte Urteil macht dieser für die Klägerin geltend, die Löschung im
Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit am 3. August 2015 stehe ihrer
Beteiligtenfähigkeit nicht entgegen. Die zivilrechtlich voll beendete Gesellschaft werde
steuer- und sozialversicherungsrechtlich als fortbestehend angesehen, solange sie steuerliche
oder sozialversicherungsrechtliche Pflichten zu erfüllen habe und sie, wie hier, Steuer- oder
Beitragsbescheide angreife. Daher bestehe auch das Recht, die Festsetzung der
Beitragsschuld anzufechten. Sie sei beteiligten- und prozessfähig, da sie bereits im
Widerspruchsverfahren durch ihren Prozessbevollmächtigten vertreten worden sei und die
Vollmacht den Zeitpunkt der Löschung und den Verlust der gesetzlichen Vertretungsmacht
des Geschäftsführers überdauere. Der Beitragsbescheid sei im Übrigen unwirksam, weil die
Einzugsstelle im Erhebungsverfahren den Schadensersatzanspruch gegen den früheren
Gesellschafter und Geschäftsführer habe verjähren lassen und nicht erkennbar sei, wie der
Beitragsanspruch aus dem Beitragsbescheid sonst verwirklicht werden könne. Der
Beitragsbescheid sei darüber hinaus rechtswidrig. Die Unterstellung, die Branche der
Klägerin sei „lohnintensiv“ und komme „ohne größere Maschinen und Materialeinsatz“ aus,
sei falsch. Die Lohnquote von 16,74 v.H. wegen gemeldeter Arbeitsentgelte in Höhe von
14.760,83 € sei plausibel. Andere als die gemeldeten Mitarbeiter seien nicht beschäftigt
worden. Die Schätzung der Sozialabgaben sei der Höhe nach offenkundig falsch.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Februar 2019 und den Bescheid der Beklagten
vom 15. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2015
aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf das aus ihrer Sicht zutreffende erstinstanzliche Urteil und macht ergänzend
geltend, das zweigeteilte Betriebsprüfungsverfahren sei hinsichtlich des gegenständlichen
Betriebsprüfungsbescheides rechtmäßig durchgeführt worden. Ein etwaiger zivilrechtlicher
Schadensersatzanspruch gegenüber Geschäftsführern der juristischen Person sei gegenüber
der jeweiligen natürlichen Person geltend zu machen, während der originäre öffentlichrechtliche
Beitragsanspruch gegenüber der juristischen Person als Arbeitgeber im Sinne der
Sozialversicherung bestehe. Insoweit richteten sich Beitragsforderung und
Schadensersatzforderung an unterschiedliche Adressaten. Gegenüber dem strafrechtlich
Verantwortlichen könnten die Einzugsstellen, die die Zahlung des
Gesamtsozialversicherungsbeitrags überwachten und die Beitragsansprüche geltend
machten, die nicht rechtzeitig erfüllt wurden, Schadensersatzansprüche allein im Wege des
zivilgerichtlichen Verfahrens bzw. im Adhäsionsverfahren geltend machen. Insofern sei die
(weitere) Existenz einer juristischen Person auch nicht maßgeblich für die zivilrechtliche
Inanspruchnahme der für sie handelnden natürlichen Personen, so dass auch deren
Liquidation nicht abgeschlossen sein müsse, um den Ausfallschaden zu beziffern. Bei von
Amts wegen gelöschten juristischen Personen sei Vermögenslosigkeit Voraussetzung für
deren Löschung, so dass eine Realisierung von Beitragsansprüchen allenfalls über die
Inanspruchnahme der Verantwortlichen erfolgen könne. Die Rechtmäßigkeit der
Beitragsbescheide hänge nicht davon ab, ob die Einzugsstellen ihre Forderungen noch
erfolgreich gegenüber dem Arbeitgeber oder gegen verantwortlich handelnde Personen
vollstrecken könnten. Der Beitragsbescheid sei schließlich nicht aufgrund der
vorgenommenen Schätzung rechtswidrig. Die gezahlten Bruttoarbeitsentgelte in Höhe von
14.760,83 € seien vor der Berechnung der Beiträge vom Nettolohnkostenanteil abgezogen
worden, wie aus der entsprechenden Anlage zum Bescheid (Bl. 182 bis 187 des
Verwaltungsvorgangs) ersichtlich sei. Die Forderungen seien im Rahmen eines
Summenbeitragsbescheides festgestellt worden, weil das Hauptzollamt nicht habe feststellen
können, welche Arbeitnehmer in welchem Zeitraum auf den jeweiligen Baustellen tätig
waren. Bei den festgestellten Personen – – hätten sich keine Zeiträume der Tätigkeit und
Stunden feststellen lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung war.

II.
Der Senat konnte die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach
Anhörung der Beteiligten durch Beschluss zurückweisen, weil das Sozialgericht durch Urteil
entschieden hat, der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche
Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Soweit der Prozessbevollmächtigte mit
Schriftsatz vom 21. April 2021 mitgeteilt hat, eine Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG
komme seiner Auffassung nach nicht in Betracht, bzw. mit Schriftsatz vom 11. Mai 2021
ausgeführt hat, die Voraussetzungen durch Beschluss lägen zumindest nicht aus dem in der
Anhörung dargelegten Grund vor, hindert dies den Senat, wie mit Schreiben vom 10. März
2022 mitgeteilt, nicht durch Urteilsbeschluss nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG zu entscheiden.

Dahinstehen kann, ob die seitens der prozessbevollmächtigten Rechtsanwälte, deren
Bevollmächtigung vor Löschung der Klägerin durch den Geschäftsführer Herrn B erfolgte
(Vollmacht vom 24. Juli 2014) und mithin grundsätzlich bis zum Ende des Rechtsstreits
auch bei Verlust der Prozessfähigkeit vor oder nach Rechtshängigkeit fortwirkt (vgl. § 73
Abs. 6 Satz 7 SGG i.V.m. § 86 ZPO; BGH, Urteil vom 8. Februar 1993 – II ZR 62/92 –
juris), fristgemäß gegen das angefochtene Urteil eingelegte Berufung unzulässig ist, weil die
klägerische GmbH nach Löschung aus dem Handelsregister ihre Rechtsfähigkeit verloren
hat. Selbst wenn wegen des hierauf gestützten abweisenden Prozessurteils des
Sozialgerichts, wogegen sich die Klägerin wendet, ihre Beteiligtenfähigkeit für die vom
Senat festzustellende Zulässigkeit der Berufung wegen der hierin liegenden formellen
Beschwer unterstellt wird, ist ihre Berufung jedenfalls unbegründet. Das Sozialgericht hat zu
Recht entschieden, dass die Klägerin bei Klageerhebung nicht mehr beteiligungsfähig war,
nachdem sie zuvor von Amts wegen gemäß § 394 Abs. 1 Satz 1 FamFG aufgrund von
Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht worden war, mit der die Auflösung
der GmbH verbunden war (§ 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG).

Mit der Eintragung der Auflösung, die hier am 3. August 2015 erfolgt ist, verlieren die
bisherigen gesetzlichen Vertreter ihre Vertretungsbefugnis und die
Gesellschafterversammlung die Befugnis, neue Organe zu bestellen. Durch die Vorschrift
soll das Handelsregister zum Schutz des Rechtsverkehrs von vermögenslosen
Gesellschaften bereinigt werden, weil durch die weiter bestehende Eintragung der
unzutreffende Eindruck erweckt wird, die Gesellschaft verfüge noch über Haftkapital und
könne am Rechtsverkehr teilnehmen. Die Löschung ist vorzunehmen, wenn die
Gesellschaft vermögenslos ist, wenn sie mithin über keine Vermögenswerte mehr verfügt,
die für eine Gläubigerbefriedigung oder für eine Verteilung unter den Gesellschaftern in
Betracht kommen (vgl. zu Vorstehendem Müther in: Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG,
4. Aufl. 2022, § 394 FamFG Rn. 1.2, 2f., 7 m.w.N.).

Gemäß § 70 Nr. 1 SGG sind neben natürlichen auch juristische Personen fähig, am
sozialgerichtlichen Verfahren beteiligt zu sein (Parteifähigkeit), zu denen auch eine GmbH
gehört. Mit der Löschung von Amts wegen aufgrund von Vermögenslosigkeit (mangels
Durchführung eines Insolvenzverfahrens) nach § 394 Abs. 1 Satz 1 FamFG gemäß § 60
Abs. 1 Nr. 7 GmbHG hat die Klägerin indes ihre vormals durch § 13 Abs. 1 GmbH
begründete Rechtsfähigkeit verloren und damit auch ihre Fähigkeit, Partei bzw. Beteiligte
eines Rechtsstreits zu sein (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2010 – II ZR 115/09 – juris
Rn. 22 zu § 50 Abs. 1 ZPO; Scheller in Scholz, GmbHG, 12. Auflage 2021, § 60 Rn. 65).
Dahinstehen kann, ob die von Amts wegen gelöschte GmbH trotz Löschung nicht
vollständig beendet ist, wenn sich nach Löschung herausstellt, dass noch Vermögen
vorhanden ist mit der Folge, dass eine Nachtragsliquidation gemäß § 66 Abs. 5 GmbHG
erforderlich wird. Denn solches war hier bei der Klägerin nicht der Fall. Allein dann, wenn
Anhaltspunkte für noch verwertbares Vermögen vorhanden sind, bleibt die Gesellschaft
trotz der Löschung rechts- und parteifähig. Dafür reicht bei einem Aktivprozess schon die
bloße Tatsache, dass die Gesellschaft einen Vermögensanspruch geltend macht. Bei einem
Passivprozess ist die gelöschte Gesellschaft, wie vom Sozialgericht ausgeführt worden ist,
jedenfalls dann parteifähig, wenn der Kläger substantiiert behauptet, es sei bei der
Gesellschaft noch Vermögen vorhanden (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2010 – II ZR
115/09 – juris Rn. 22 m.w.N.; OLG Köln, Urteil vom 30. November 2017 – 3 U 147/16 –
juris Rn. 100). Solches ist hier sämtlich nicht gegeben. Für die Klägerin bzw. seitens der
Beklagten ist trotz entsprechender Aufforderung im erstinstanzlichen Verfahren mit
Schreiben vom 20. Februar 2018 weder behauptet, geschweige denn plausibilisiert worden,
dass Vermögenswerte oder vermögenswerte Forderungen vorhanden seien. Umstände, die
dafür sprechen könnten, dass der durch Löschung nicht mehr existenten Klägerin die
erhobene Anfechtungsklage einen Vermögensvorteil bringen könnte, sind weder vom
Prozessbevollmächtigten vorgetragen worden noch ersichtlich. Zur Vermeidung von
Wiederholungen verweist der Senat daher entsprechend § 153 Abs. 2 SGG auf die
zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und sieht insofern von
weiteren Ausführungen ab.

Lediglich ergänzend weist der Senat im Hinblick auf die Berufungsbegründung auf
Folgendes hin: Soweit für die Klägerin geltend gemacht wird, der angefochtene
Beitragsbescheid sei während des sozialgerichtlichen Verfahrens unwirksam geworden,
nachdem hinsichtlich sämtlicher Haftungs- und Schadensersatzansprüche die Einrede der
Verjährung erhoben worden sei, kann dies dahinstehen. Denn für die erhobene
Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG fehlte bereits im Zeitpunkt ihrer Erhebung das
erforderliche Rechtsschutzinteresse, nachdem sich der der Klägerin gegenüber ergangene
Beitragsbescheid mit dem Entfallen ihrer Rechtsfähigkeit auf sonstige Weise erledigt hat
(vgl. § 39 Abs. 2 SGB X), weil sie als Beteiligte des Sozialverwaltungsverfahrens i.S.v. §§ 10
Nr. 1, 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB X nicht mehr existent war. Zwar war die Beklagte aufgrund der
zwischenzeitlichen Bevollmächtigung der auch vorliegend prozessbevollmächtigten
Rechtsanwälte verpflichtet, das Widerspruchsverfahren durch Widerspruchsbescheid gemäß
§ 85 Abs. 2 SGG abzuschließen, nachdem die Prozessbevollmächtigten das Vorverfahren
ihrerseits weder für erledigt erklärt noch die Beklagte über die Löschung der klägerischen
GmbH informiert hatten. Bei dieser Sachlage fehlt für die Klage ein sachliches Bedürfnis,
weil die Rechtsverfolgung der – nicht mehr existenten – Klägerin offensichtlich keinerlei
rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss
vom 26. September 2019 – L 9 BA 66/19 WA – juris Rn. 21 f. m.w.N.). Dahinstehen kann
danach, ob sogleich nach Löschung für die Klägern fristungebunden eine
Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG vor dem
Sozialgericht zulässigerweise hätte erhoben werden können, da ein
„Fortsetzungsfeststellungswiderspruch“ gesetzlich nicht geregelt ist (vgl. LSG Berlin-
Brandenburg, Urteil vom 19. September 2018 – L 16 R 576/17 – juris; Keller in Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 131 Rn. 7d m.w.N.). Denn
auch für das Vorliegen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses im Sinne einer
Wiederholungsgefahr, Präjudizialität oder eines Rehabilitationsinteresses fehlen jegliche
Anhaltspunkte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG liegen nicht
vor.

Die Streitwertfestsetzung, die unanfechtbar ist, folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52
Abs. 1 GKG und entspricht dem Wert des mit der Berufung verfolgten Begehrens.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

LSG Berlin-Brandenburg

Erscheinungsdatum:

08.06.2022

Aktenzeichen:

L 28 BA 29/19

Rechtsgebiete:

GmbH
Sozialrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

SGG §§ 54 Abs. 1, 70 Nr. 1; FamFG § 394 Abs. 1 S. 1; GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 7; SGB X §§ 10 Nr. 1, 12 Abs. 1 Nr. 2, 39 Abs. 2