Morgengabe nach islamischem Eherecht
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Deutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 768
letzte Aktualisierung: 18. Dezember 1998
beurteilenden - Vereinbarung über die Leistung einer Morgengabe
T a t b e s t a n d :
Die Parteien waren seit dem 31. August 1976 miteinander verheiratet und wurden auf Antrag der Klägerin
durch Urteil vom 14. März 1995 - rechtskräftig - geschieden. Die Klägerin ist seit dem 16. Juni 1995 wieder
verheiratet. Sie ist deutsche Staatsangehörige. Der Beklagte war bei der Eheschließung syrischer
Staatsangehöriger; im Zeitpunkt der Ehescheidung besaß er die deutsche Staatsangehörigkeit.
Am 4. August 1976 schlossen die Parteien im Hinblick auf ihre bevorstehende Eheschließung einen
notariellen Ehevertrag, in dem sie unter anderem folgende Vereinbarung trafen:
Ich, Herr A. T., verpflichte mich, meiner zukünftigen Ehefrau, Fräulein B., eine Morgengabe von 20.000 DM
(i.W.: zwanzigtausend Deutsche Mark) zu zahlen.
10.000 DM dieser Morgengabe werden fällig nach Eheschließung, weitere 10.000 DM werden fällig, wenn
ich, der Erschienene zu 1, der Erschienenen zu 2 Gründe gebe, die sie berechtigen, die endgültige
Verstoßung auszusprechen.
Ich, der Erschienene zu 1, bevollmächtige meine zukünftige Ehefrau, die Erschienene zu 2, unwiderruflich in
meinem Namen gegen sich selbst die endgültige Verstoßung auszusprechen, wenn
a) ich die Ehe mit einer anderen Frau eingehe;
b) ich meine ehelichen Verpflichtungen verletze, insbesondere ehewidrige Beziehungen zu einer anderen
Frau aufnehme, meinen Unterhaltspflichten nicht nachkomme, meiner Frau das ihr zustehende
Bestimmungsrecht über die Kinder beeinträchtige oder wenn sonstige Gründe vorliegen, die meiner
zukünftigen Frau nach dem dann gültigen Deutschen Ehegesetz das Recht geben, von mir die Scheidung zu
verlangen.
Mit Anwaltsschreiben vom 29. August 1995 forderte die Klägerin den Beklagten auf, die ihr in dem
Ehevertrag zugesagte Morgengabe in Höhe von 20.000 DM an sie zu zahlen. Da der Beklagte die Zahlung
ablehnte, macht die Klägerin den Anspruch im vorliegenden Rechtsstreit geltend.
Das Amtsgericht wies die Klage hinsichtlich der nach der Eheschließung fällig gewesenen ersten Hälfte der
Morgengabe wegen Verwirkung des Anspruchs ab und verurteilte den Beklagten, die nach Auflösung der
Ehe geschuldete zweite Hälfte der Morgengabe in Höhe von 10.000 DM an die Klägerin zu zahlen. Die
Berufung des Beklagten gegen die Verurteilung blieb ohne Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt er
sein Klageabweisungsbegehren weiter.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
1. Das Oberlandesgericht hat den Anspruch auf die zweite Hälfte der Morgengabe in Höhe von 10.000 DM
auf der Grundlage der notariellen Vereinbarung vom 4. August 1976 für begründet gehalten, weil der als
Schuldversprechen im Sinne des
fällig sei. Im einzelnen hat das Gericht dazu ausgeführt:
Der Klageanspruch sei nach deutschem Recht zu beurteilen, obwohl dieses das islamisch-rechtliche Institut
der Morgengabe oder ein vergleichbares Rechtsinstitut nicht kenne. Das ergebe sich aus
wenn man mit der überwiegend vertretenen Meinung von der unterhaltsrechtlichen Natur der Morgengabe
ausgehe. Sehe man hingegen in der Verpflichtung zur Leistung der Morgengabe eine güterrechtliche
Wirkung der Ehe, so führe Art. 15 Abs. 1 i.V.m.
deutschen Rechts. Die in diesem Fall geltende Formvorschrift des
erbrechtliche Bedeutung zu, sei gleichfalls deutsches Rechts anzuwenden.
Nach dem das deutsche Recht beherrschenden Grundsatz der Vertragsfreiheit könne in Ermangelung einer
gesetzlichen Regelung der Morgengabe nur der notarielle Vertrag vom 4. August 1976 als
Anspruchsgrundlage herangezogen werden. Gegen dessen Wirksamkeit bestünden keine Bedenken. Nach
dem Vertrag werde die zweite Hälfte der Morgengabe erst fällig, wenn der Beklagte der Klägerin Gründe
gebe, die sie berechtigten, die endgültige Verstoßung auszusprechen. Diesem dem islamischen Recht
entnommenen Terminus stehe aber gleich, daß Gründe vorlägen, die die Klägerin "nach dem dann gültigen
Deutschen Ehegesetz" berechtigten, die Scheidung zu verlangen. Diese Voraussetzung sei. erfüllt, zumal
die Ehe der Parteien inzwischen nach deutschem Recht rechtskräftig geschieden worden sei.
2. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Allerdings hat das Berufungsgericht rechtlich zutreffend dargelegt, daß im vorliegenden Fall nach allen in
Betracht kommenden Kollisionsnormen deutsches Sachrecht berufen ist, nachdem beide Parteien im
Zeitpunkt der Ehescheidung deutsche Staatsangehörige waren, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in
Deutschland hatten und ihre Ehe zudem nach deutschem Recht geschieden wurde (vgl. dazu etwa Heldrich
in IPrax 1983, 64 f.; Firsching/von Hoffmann, Internationales Privatrecht 5. Aufl. § 6 Rdn. 9; von Bar,
Internationales Privatrecht 2. Bd. Rdn. 192; Kotzur, Kollisionsrechtliche Probleme christlich-islamischer Ehen
S. 108 ff.; Krüger in
Januar 1998 - IVb ZR 10/86 =
gemachte Anspruch nach deutschem Recht zu beurteilen ist.
b) Bei der Anwendung des mithin maßgeblichen deutschen Sachrechts kann dem Oberlandesgericht
jedoch, wie die Revision zu Recht rügt, nicht darin gefolgt werden, daß die Vereinbarung vom 4. August
1976, auf die die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf die (zweite Hälfte der) Morgengabe stützt,
als selbständiges Schuldversprechen i.S. von
Ein abstraktes Schuldversprechen i.S. dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn die mit ihm übernommene
Verpflichtung von ihrem Rechtsgrund, d.h. von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen
gelöst und allein auf den im Versprechen zum Ausdruck gekommenen Leistungswillen des Schuldners
gestellt werden soll. Über diese selbständige Natur des Versprechens müssen sich die Vertragspartner einig
geworden sein (vgl. BGH Urteil vom 18. Mai 1995 - VII ZR 11/94 = NJW RR 1995, 1391, 1392 m.w.N.). Ob
dies der Fall ist, ist durch Auslegung der getroffenen Vereinbarung anhand der schriftlichen Erklärung zu
ermitteln. Eine Vermutung für ein abstraktes Leistungsversprechen besteht dabei nicht. Allerdings stellt es
ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Verpflichtung dar, wenn der Schuldgrund in der Urkunde nicht
oder nur in allgemeiner Form erwähnt wird. Hingegen ist ein selbständiger Verpflichtungswille im Zweifel
nicht anzunehmen, wenn in der schriftlichen Erklärung ein bestimmter Schuldgrund angegeben ist (vgl.
BGB-RGRK/Steffen 12. Aufl. § 780 Rdn. 10 m.w.N.; auch BGH Urteil vom 1. Oktober 1987 - III ZR 134/86 =
BGHR BGB § 780 Abstraktheit 1).
So liegt der Fall hier. Denn in der Vereinbarung vom 4. August 1976 ist der der Klägerin zugesagte Betrag
nicht nur ausdrücklich als "Morgengabe" bezeichnet, sondern es sind darüber hinaus auch bestimmte - dem
islamischen Recht entlehnte - Voraussetzungen aufgeführt, an die die Verpflichtung des Beklagten zur
Leistung der Morgengabe geknüpft wurde. Damit ist der Schuld- bzw. Verpflichtungsgrund für das
Zahlungsversprechen des Beklagten in dem Vertrag in derart präziser, "konkreter" Form angegeben, daß die
Wertung der Vereinbarung als "abstraktes" Schuldversprechen schon aus diesem Grund fernliegt. Auch
sonst sind keine Anhaltspunkte festgestellt oder ersichtlich, welche die Annahme rechtfertigen, die Parteien
hätten trotz der vorgenommenen differenzierten Regelung über die Zahlung einer "Morgengabe" gleichwohl
vereinbaren wollen.
Damit kann die angefochtene Entscheidung mit der gegebenen Begründung nicht bestehenbleiben.
3. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar.
Da das Berufungsgericht den Vertrag - wie dargelegt rechtsfehlerhaft - als abstraktes Schuldversprechen
angesehen hat, hat es sich mit dieser Beurteilung den Blick verstellt für die Auslegung der in dem Vertrag
getroffenen Vereinbarung der Morgengabe und für die Ermittlung der hiermit verbundenen Vorstellungen der
Parteien über die Zahlungspflicht des Beklagten. Diese Auslegung hätte das Berufungsgericht vornehmen
müssen, um feststellen zu können, ob die Voraussetzungen für die Zahlung der (zweiten Hälfte der)
Morgengabe nach den am 4. August 1976 von den Parteien getroffenen Abmachungen unter
Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklung erfüllt waren.
Bei der gebotenen Auslegung war davon auszugehen, daß die Parteien eine Verpflichtung des Beklagten der zum damaligen Zeitpunkt syrischer Staatsangehöriger war und zu dem die Klägerin bereits seit Jahren
Beziehungen unterhalten hatte - zur Zahlung einer "Morgengabe" vereinbart und damit ein aus dem
islamischen Recht stammendes Rechtsinstitut in den Ehevertrag aufgenommen hatten. Das könnte
bedeuten, daß hiermit nach der Vorstellung der Parteien das gesamte Spektrum der Funktionen umfaßt
werden sollte, die der Morgengabe in den islamischen Rechtsordnungen zukommt (vgl. dazu oben unter 1.
und 2. a). Ebenso könnte in Betracht kommen. daß die Parteien ausschließlich oder in erster Linie eine
unterhaltsrechtliche Regelung treffen und jedenfalls mit der Zahlung der zweiten Hälfte der Morgengabe im
Falle des Scheiterns ihrer Ehe eine Sicherstellung des Lebensbedarfs der Klägerin für bestimmte
vorgestellte Zeiträume nach der Scheidung erreichen wollten (vgl. auch Henrich, Internationales
Familienrecht, § 5 IV 2 b S. 145). In diesem Fall könnte dem Umstand einer Wiederverheiratung des
unterhaltsberechtigten Ehegatten Bedeutung zukommen. Die Auslegung des Ehevertrages wäre unter
diesem Gesichtspunkt auch - ggf. ergänzend - darauf zu erstrecken gewesen, ob und ggf. welche
Rechtsfolgen sich nach dem - mutmaßlichen Willen der Parteien für die Morgengabevereinbarung daraus
ergeben sollten, daß die Klägerin bereits drei Monate nach der Scheidung eine neue Ehe eingegangen ist.
Das Berufungsgericht hat indessen als Folge des von ihm gewählten unzutreffenden rechtlichen Ansatzes
rechtsfehlerhaft die gebotene umfassende tatrichterliche Auslegung der Vereinbarung über die Zahlung der
Morgengabe unterlassen. Damit hat es sich zugleich den Blick auf mögliche Einwände der Parteien verstellt,
die u.U. rechtliche Hinweise erfordert hätten.
4. Aus den dargelegten Gründen ist die Sache nach alledem zur neuen Prüfung nach ggf. ergänzendem
Sachvortrag der Parteien und zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei
bietet die neue Verhandlung dem Beklagten Gelegenheit, auf sein Vorbringen in der Revisionsbegründung
zurückzukommen, daß ein in dem Scheidungstermin vor dem Familiengericht am 14. März 1995
vereinbarter gegenseitiger Unterhaltsverzicht der Parteien Einfluß auf die Verpflichtung zur Zahlung der
Morgengabe habe.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:14.10.1998
Aktenzeichen:XII ZR 66/97
Erschienen in:
DNotI-Report 1999, 15
DNotZ 1999, 518-520
NJW 1999, 574-575
ZNotP 1999, 31-32
EGBGB Art. 15