BGH 14. März 2023
II ZR 161/21
GmbHG § 43 Abs. 2

Haftung des Geschäftsführers einer geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH

letzte Aktualisierung: 5.5.2023
BGH, Urt. v. 14.3.2023 – II ZR 162/21

GmbHG § 43 Abs. 2
Haftung des Geschäftsführers einer geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH

a) Der Schutzbereich des zwischen der Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer
bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses erstreckt sich im Hinblick auf seine Haftung aus
§ 43 Abs. 2 GmbHG im Falle einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung auf die
Kommanditgesellschaft.
b) Die Haftung des Geschäftsführers der geschäftsführenden GmbH einer GmbH & Co. KG
erstreckt sich auch dann auf die Kommanditgesellschaft, wenn die Geschäftsführung der
Kommanditgesellschaft nicht die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH ist.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht (OLG Hamburg, ZIP 2022, 485) hat zur Begründung
seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung,
ausgeführt:

Dem Kläger stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz
in entsprechender Anwendung des § 43 Abs. 2 GmbHG zu. Der Beklagte habe
seine Pflichten als Geschäftsführer der U. GmbH verletzt,
indem er die Überweisung der Schuldnerin an die D.
AG vom 31. Mai 2012 nicht verhindert habe, auch wenn er erst am 1. Januar
2012 seinen nach eigenem Vortrag mit 2.500 tlich vergüteten Dienst angetreten
habe. Die Darlehensvergabe an die D. AG habe
das Kerngeschäft der Schuldnerin dargestellt, mit dem sich der Beklagte bei
Dienstantritt hätte befassen müssen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
zur unmittelbaren Haftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH
einer GmbH & Co. KG gegenüber der Kommanditgesellschaft sei auf den Geschäftsführer
der geschäftsführenden Kommanditistin übertragbar. Die geschäftsführende
Kommanditistin müsse ebenso wie die Komplementärin auf eine
sorgfältige Geschäftsführung bedacht sein. Die übrigen Kommanditisten seien
unabhängig davon schutzbedürftig, ob der handelnde Geschäftsführer für die
Komplementärin oder für die geschäftsführende Kommanditistin auftrete.
Unerheblich sei, dass der U. GmbH zugleich in
weiteren Gesellschaften die Geschäftsführung übertragen worden und insofern
die Geschäftsführung der Schuldnerin nicht ihre alleinige oder wesentliche Aufgabe
gewesen sei. Jedenfalls wenn es wie hier im Zusammenhang mit der behaupteten
Pflichtverletzung keinen Interessenkonflikt des Geschäftsführers in
Bezug auf die Tätigkeit der geschäftsführenden Kommanditistin für andere Gesellschaften
gegeben habe, gebe es keinen Grund, das Schutzbedürfnis der
Kommanditgesellschaft hinter die nur abstrakt bestehende Möglichkeit einer Interessenkollision
zurücktreten zu lassen. Ob es infolge einer internen Ressortverteilung
unter den Geschäftsführern der Kommanditistin nicht die wesentliche
Aufgabe gerade des Beklagten gewesen sei, die Geschäfte der Schuldnerin zu
führen, sei ebenfalls nicht erheblich, weil ihm die Missstände jedenfalls nicht verborgen
geblieben sein könnten.

D.
AG nicht verhindert habe, sei der Schuldnerin ein Schaden entstanden,
da sie diesen Betrag von der mittlerweile insolventen D.
AG weder zurückerlangen noch Ab- oder Aussonderungsrechte an deren Vermögensgegenständen
geltend machen könne.

II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen
den Beklagten als Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditisten-
GmbH aus § 43 Abs. 2 GmbHG wegen sorgfaltswidriger Geschäftsführung
rechtsfehlerfrei bejaht.

1. Der Schutzbereich des zwischen der Kommanditisten-GmbH und ihrem
Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses erstreckt
sich im Hinblick auf seine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle einer sorgfaltswidrigen
Geschäftsführung auf die Kommanditgesellschaft. Hierfür ist es
nicht erforderlich, dass die Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft
die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH darstellt.

a) Der Bundesgerichtshof erstreckt in ständiger Rechtsprechung den
Schutzbereich des zwischen der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG
und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses im
Hinblick auf die Haftung des Geschäftsführers aus § 43 Abs. 2 GmbHG auf die
Kommanditgesellschaft (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1979 - II ZR 174/77,
BGHZ 75, 321, 323 f.; Urteil vom 17. März 1987 - VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190,
193 f.; Urteil vom 10. Februar 1992 - II ZR 23/91, WM 1992, 691, 692 f.; Urteil
vom 25. Februar 2002 - II ZR 236/00, ZIP 2002, 984, 985; Urteil vom 18. Juni
2013 - II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 Rn. 15 f.; Urteil vom 22. September 2020
- II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 18).

b) Die Grundsätze dieser Rechtsprechung sind auf den vorliegenden Fall
übertragbar. Auch der Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditisten-
GmbH haftet gegenüber der Kommanditgesellschaft gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG
nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wie gegenüber
der GmbH. Denn die Kommanditgesellschaft ist in den Schutzbereich
des zwischen der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer
bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses einbezogen.

Auch ohne die Voraussetzungen des § 328 BGB kann nämlich ein am Vertrag
nicht beteiligter, aber von dessen Risiken mit betroffener Dritter berechtigt sein,
gegen eine Vertragspartei Schadensersatzansprüche wegen Verletzung einer
Schutzpflicht geltend zu machen (BGH, Urteil vom 12. November 1979
- II ZR 174/77, BGHZ 75, 321, 322 f. mwN). Die Annahme einer Schutzwirkung
zu Gunsten Dritter setzt voraus, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der
Hauptleistung in Berührung kommt und der Gläubiger ein schutzwürdiges
Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags
hat. Für die Ausdehnung des Vertragsschutzes muss nach Treu und Glauben ein
Bedürfnis bestehen. Die Einbeziehung Dritter muss schließlich dem Schutzpflichtigen
bekannt oder für ihn zumindest erkennbar sein (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil
vom 12. November 1979 - II ZR 174/77, BGHZ 75, 321, 322 f. mwN; Urteil vom
27. Februar 2020 - VII ZR 151/18, BGHZ 225, 23 Rn. 22; Urteil vom 9. Juli 2020
- IX ZR 289/19, ZIP 2020, 1720 Rn. 12, jeweils mwN). So liegt der Fall hier.

aa) Die Kommanditgesellschaft kommt bestimmungsgemäß mit der Leistung
des Geschäftsführers in Berührung, wenn eine Kommanditisten-GmbH die
Geschäfte der Kommanditgesellschaft führt, weil sich Fehlleistungen der Geschäftsführung
zwangsläufig stets und in erster Linie zum Nachteil der Kommanditgesellschaft
auswirken.

bb) Das wohlverstandene Interesse der die Geschäfte einer Kommanditgesellschaft
führenden und an dieser beteiligten GmbH geht dahin, dass ihr Geschäftsführer
die Leitung der GmbH & Co. KG im Rahmen seiner Organpflichten
ordnungsgemäß ausübt. Sie muss auf eine günstige wirtschaftliche Entwicklung
ihrer Beteiligung bedacht sein. Vor allem aber haftet sie der Kommanditgesellschaft
für Schäden aus der Verletzung der von ihr im Gesellschaftsvertrag übernommenen
Geschäftsführungsaufgaben und muss sich dabei gemäß § 31 BGB
analog Pflichtverletzungen ihres Geschäftsführers, dessen sie sich zur Erfüllung
ihrer Geschäftsführungsaufgaben bedient, zurechnen lassen (für die Komplementär-
GmbH: BGH, Urteil vom 18. Juni 2013 - II ZR 86/11, BGHZ 197, 304
Rn. 18 mwN; Urteil vom 19. Dezember 2017 - II ZR 255/16, ZIP 2018, 276
Rn. 16; Urteil vom 22. September 2020 - II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 38).
Dabei macht es keinen Unterschied, ob die geschäftsführende GmbH die Komplementärin
oder eine Kommanditistin der Kommanditgesellschaft ist; anderes
zeigt auch die Revision nicht auf.

cc) Für die Ausdehnung des Vertragsschutzes besteht nach Treu und
Glauben ein Bedürfnis. Die Kommanditgesellschaft ist gegenüber der geschäftsführenden
GmbH und deren Geschäftsführer schutzbedürftig, ohne dass es darauf
ankommt, ob die geschäftsführende GmbH ihre Komplementärin oder ihre
Kommanditistin ist.

(1) Eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers bei der Führung der Geschäfte
der Kommanditgesellschaft geht vor allem zu deren Lasten. Die Kom-
manditgesellschaft bzw. die Kommanditisten sind daher auf die Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit
des Geschäftsführers der geschäftsführenden GmbH angewiesen
(vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2013 - II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 Rn. 18
mwN), unabhängig davon, ob diese die Geschäftsführung als Komplementärin
oder als Kommanditistin ausübt.

(2) Die Kommanditgesellschaft bzw. die Kommanditisten haben regelmäßig
keine Befugnisse, wie namentlich ein Weisungsrecht, um unmittelbar auf den
Geschäftsführer der geschäftsführenden GmbH einzuwirken (für die Komplementär-
GmbH vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1979 - II ZR 174/77,
BGHZ 75, 321, 323; Urteil vom 14. November 1994 - II ZR 160/93, ZIP 1995,
738, 745; Urteil vom 18. Juni 2013 - II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 Rn. 18). Dieses
Ungleichgewicht wird noch dadurch verstärkt, dass die geschäftsführende GmbH
in gewissen Grenzen auf (pfändbare) Ersatzansprüche gegen ihren Geschäftsführer
verzichten oder ihn trotz Kenntnis eines pflichtwidrigen Verhaltens entlasten
kann (für die Komplementär-GmbH: BGH, Urteil vom 12. November 1979
- II ZR 174/77, BGHZ 75, 321, 323; vgl. auch Urteil vom 14. November 1994
- II ZR 160/93, ZIP 1995, 738, 745 f.). Nur wenn der Kommanditgesellschaft aus
dem Organ- und Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers zur GmbH ein eigener
Anspruch gegen den Geschäftsführer zusteht, führt seine Entlastung durch
die Gesellschafterversammlung der GmbH nicht zugleich zum Ausschluss der
Kommanditgesellschaft mit Ansprüchen gegenüber dem Geschäftsführer (vgl.
BGH, Urteil vom 22. September 2020 - II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 21
mwN). Dies gilt für die geschäftsführende Komplementär-GmbH und die geschäftsführende
Kommanditisten-GmbH gleichermaßen.

(3) Die Schutzbedürftigkeit der Kommanditgesellschaft gegenüber der
Kommanditisten-GmbH ist entgegen der Auffassung der Revision auch nicht deswegen
entscheidend herabgesetzt, weil deren Vollmacht widerruflich ist oder ein
Widerspruchsrecht hinsichtlich der Geschäftsführung besteht.

Eine eventuelle Widerrufsmöglichkeit bzw. ein Widerspruchsrecht stünde,
wovon auch die Revision ausgeht, lediglich dem Komplementär zu, dessen Interessen
mit den schutzbedürftigen Interessen der Kommanditgesellschaft bzw.
der übrigen Kommanditisten nicht deckungsgleich sein müssen. Hier waren die
weiteren Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditistin, die ehemaligen
Beklagten zu 1 und 3, zugleich die Geschäftsführer der Komplementärin,
deren Alleingesellschafter zudem mittelbar der ehemalige Beklagte zu 1 war.
dd) Entgegen der Auffassung der Revision war das Interesse der geschäftsführenden
Kommanditisten-GmbH an der Einbeziehung der Schuldnerin
in den Schutzbereich des Organ- und Anstellungsverhältnisses zum Beklagten
für diesen als Geschäftsführer der Kommanditisten-GmbH erkennbar und ihm die
Erstreckung der Schutzwirkung auf die Schuldnerin zumutbar, auch wenn die
GmbH die Geschäfte in weiteren Fondsgesellschaften geführt hat und daher die
Geschäftsführung der Schuldnerin nicht ihre alleinige oder wesentliche Aufgabe
war.

(1) Der Bundesgerichtshof hat bisher offengelassen, ob der Geschäftsführer
der Komplementärin einer GmbH & Co. KG gegenüber der Kommanditgesellschaft
auch dann nach § 43 Abs. 2 GmbHG haftet, wenn die Wahrnehmung der
Geschäftsführung nicht die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH ist (vgl.
BGH, Urteil vom 10. Februar 1992 - II ZR 23/91, WM 1992, 691, 693). In der
Literatur wird im Einklang mit einem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf
(ZIP 1984, 825, 833) und weiteren Entscheidungen des Berufungsgerichts (vgl.
OLG Hamburg, Urteil vom 29. März 2018 - 11 U 174/16, juris Rn. 67) befürwortet,
die Kommanditgesellschaft auch dann in den Schutzbereich des Organ- und Anstellungsverhältnisses
des Geschäftsführers mit der geschäftsführenden GmbH
einzubeziehen, wenn die GmbH noch weitere wesentliche Aufgaben zu erfüllen
hat (vgl. Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., § 43 Rn. 97; Blaum in: Westermann/
Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Stand: April 2022,
§ 55 Rn. 3218; Staub/Casper, HGB, 5. Aufl., § 164 Rn. 57; MünchKomm-
HGB/Grunewald, 5. Aufl., § 161 Rn. 86; Mussaeus in Hesselmann/Tillmann/
Müller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG, 20. Aufl., § 4 Rn. 56, 70; BeckOGK
HGB/Notz/Zinger, Stand: 15.1.2021, § 161 Rn. 233; Uwe H. Schneider in
Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl., § 2 Rn. 2.61; Schnorbus
in Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl., § 43 Rn. 139; Scholz/Verse, GmbHG,
13. Aufl., § 43 Rn. 445; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände,
2007, 198; Mühlhaus/Wenzel, GmbH-StB 2014, 87, 92; Otte-Gräbener,
BB 2022, 212; Schmitt, WuB 2022, 385, 388; Uwe H. Schneider, GmbHR 2017,
680, 681; Theiselmann, EWiR 2022, 172, 174; differenzierend Nietsch,
GmbHR 2014, 348, 353 f.).

(2) Der Senat schließt sich dem an. Die Haftung des Geschäftsführers der
geschäftsführenden GmbH einer GmbH & Co. KG erstreckt sich auch dann auf
die Kommanditgesellschaft, wenn die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft
nicht die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH ist.

(a) Entgegen der Auffassung der Revision bleibt die Haftungserstreckung
auf die Kommanditgesellschaft für den Geschäftsführer der geschäftsführenden
GmbH auch dann erkennbar, wenn die GmbH, wie hier vom Berufungsgericht
festgestellt, die Geschäfte in weiteren Gesellschaften führt. Am Pflichtenkreis des
Geschäftsführers ändert sich durch Mehrfach-Geschäftsführungen im Grundsatz
nichts; dieser hat sich bei Übernahme der Geschäftsführung über den Umfang
der damit verbundenen Aufgaben einen Überblick zu verschaffen. Die Kommanditgesellschaft
darf dabei darauf vertrauen, dass die geschäftsführende GmbH
bzw. deren Geschäftsführer ihr die geschuldete Obhut und Fürsorge unabhängig
von der Anzahl weiterer übernommener Geschäftsführungen oder sonstiger gesellschaftsfremder
Aufgaben entgegenbringt. Kann die geschäftsführende GmbH
dies nicht gewährleisten, ist nicht der Haftungsumfang zu reduzieren. Vielmehr
muss die geschäftsführende GmbH ihre Aufgaben auf das Maß begrenzen, das
ihr die geschuldete ordnungsgemäße Erfüllung aller übernommenen Pflichten ermöglicht.

(b) Die unmittelbare Haftung des Geschäftsführers einer GmbH, die in
mehreren Gesellschaften die Geschäftsführung übernommen hat, gegenüber der
Kommanditgesellschaft ist nicht deswegen unzumutbar, weil es in der Person
des Geschäftsführers zu einem Interessenkonflikt kommen könnte. Einer im Hinblick
auf die Tätigkeit für mehrere Gesellschaften möglichen Pflichtenkollision
kann im Einzelfall auf der Rechtfertigungs- oder Verschuldensebene Rechnung
getragen werden (vgl. MünchKommHGB/Grunewald, 5. Aufl., § 161 Rn. 86;
Nietsch, GmbHR 2014, 348, 353 f.). Die darüberhinausgehende Annahme eines
abstrakten Interessenkonflikts bei der Geschäftsführung für mehrere Gesellschaften
ist nicht geboten, zumal es zwischen den Gesellschaften nicht zwangsläufig
wettbewerbsrechtliche Berührungspunkte geben muss.

2. Der Haftung des Beklagten als Geschäftsführer der U.
GmbH nach § 43 Abs. 2 GmbHG steht nicht entgegen, dass nach
der revisionsrechtlich zu unterstellenden internen Ressortverteilung die Geschäftsführung
der Schuldnerin nicht seine wesentliche Aufgabe war.

a) Den Geschäftsführer einer GmbH trifft kraft seiner Amtsstellung grundsätzlich
die Pflicht zur Geschäftsführung im Ganzen. Eine gleichwohl zulässige
Ressortverteilung innerhalb der Geschäftsführung einer GmbH lässt daher die
Verantwortung für die ordnungsgemäße Führung der Geschäfte der Gesellschaft
nicht entfallen. Auch bei einer zulässigen Verteilung von Aufgaben verbleiben
dem organisatorisch nicht betroffenen Geschäftsführer wegen seiner Allzuständigkeit
Überwachungspflichten, deren Reichweite nach den jeweiligen Umständen
des Einzelfalls zu bestimmen sind. Insbesondere muss der Geschäftsführer
Hinweisen auf Fehlentwicklungen oder Unregelmäßigkeiten in einem fremden
Ressort immer und unverzüglich nachgehen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 1985
- II ZR 198/84, ZIP 1985, 1135, 1136; Urteil vom 20. März 1986 - II ZR 114/85,
ZIP 1987, 1050; Urteil vom 1. März 1993 - II ZR 81/94, ZIP 1994, 891, 892; Urteil
vom 15. Oktober 1996 - VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370, 376 ff.; Urteil vom
6. November 2018 - II ZR 11/17, BGHZ 220, 162 Rn. 15, 36).

b) Hinsichtlich der dem ressortunzuständigen Geschäftsführer verbleibenden
Überwachungspflichten gibt es keinen sachlichen Grund, die Schutzwirkung
zugunsten der Kommanditgesellschaft zu beschränken und die Überwachungspflichten
anders zu behandeln als die Geschäftsführerpflichten im Übrigen. Die
Kommanditgesellschaft ist insoweit in gleicher Weise schutzbedürftig wie hinsichtlich
der Pflicht zur Geschäftsführung im Ganzen. Der Ressortunzuständigkeit
wird bereits durch die Herabstufung der Geschäftsführungspflichten zu Überwachungspflichten
ausreichend Rechnung getragen. Entgegen der Auffassung
der Revision ergibt sich anderes insbesondere nicht aus der Entscheidung des
Senats vom 6. November 2018 (II ZR 11/17, BGHZ 220, 162 Rn. 24). Danach
dienen zwar die aus dem Gebot zur sorgfältigen Unternehmensführung gemäß
§ 43 Abs. 1 GmbHG abgeleiteten Organisationspflichten nicht dem Schutz der
Gesellschaftsgläubiger. Hier geht es aber um die Schutzwirkung der bei dem ressortunzuständigen
Geschäftsführer verbleibenden Überwachungspflichten zugunsten
der in den Schutzbereich des Organ- und Anstellungsverhältnisses zur
GmbH einbezogenen Kommanditgesellschaft selbst.

3. Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender
Weise angenommen, dass der Beklagte seine Überwachungspflichten als Geschäftsführer
der geschäftsführenden Kommanditistin verletzt hat, indem er die
Überweisung der Schuldnerin an die D. AG am 31. Mai
2012 nicht verhindert hat.

a) Die vom Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung (§ 286 ZPO)
festgestellte Verletzung von Überwachungspflichten durch den Beklagten ist revisionsrechtlich
nur darauf zu überprüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen
Umstände berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze
verstoßen hat (BGH, Urteil vom 6. November 2018 - II ZR 11/17, BGHZ 220, 162
Rn. 30). Ausgehend von diesen Maßstäben begegnet die Würdigung des Berufungsgerichts
keinen Bedenken. Es hat darauf abgestellt, dass sich bereits aus
dem E. -Bericht vom 2. November 2011 ergeben habe, dass die D.
AG nur 20,27 % der ihr von der Schuldnerin aus Anlegergeldern
gewährten Darlehen besichert und nur 18,13 % der Darlehen in Immobilien investiert
habe. Hieran habe sich bis 31. Mai 2012 nichts geändert, so dass bei
pflichtgemäßer Geschäftsführung und Ausübung seiner Überwachungspflicht
dem Beklagten dieser Missstand im Kerngeschäft der Schuldnerin nicht verborgen
geblieben wäre. Rechtsfehler in dieser Begründung sind weder dargelegt
noch sonst ersichtlich.

b) Soweit die Revision beanstandet, es hätten keine hinreichenden Anhaltspunkte
für den Beklagten vorgelegen, dass sein Mitgeschäftsführer, der vormals
Beklagte zu 1, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die
Überweisung vorgenommen hat, in seinem Arbeitsbereich die Geschäfte nicht
ordnungsgemäß führe, setzt sie lediglich ihre Würdigung an die Stelle der
revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts.

4. Soweit die Revision behauptet, das Berufungsgericht habe den Beklagten
nicht darauf hingewiesen, dass er die Beweislast für ein pflichtgemäßes
Alternativverhalten trage, hat der Senat die in diesem Zusammenhang erhobene
Verfahrensrüge (Art. 103 Abs. 1 GG) geprüft und nicht für durchgreifend erachtet.
Von einer Begründung wird gemäß § 564 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

14.03.2023

Aktenzeichen:

II ZR 161/21

Rechtsgebiete:

Verein
Allgemeines Schuldrecht
GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

GmbHG § 43 Abs. 2