Kostenrechtliche Behandlung der Beurkundung der Gesellschafterversammlungen zweier Gesellschaften mit beschränkter Haftung in einer Niederschrift
DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 29.12.2017
BGH, Beschl. v. 26.9.2017 – II ZB 27/16
GNotKG §§ 86, 93
Kostenrechtliche Behandlung der Beurkundung der Gesellschafterversammlungen zweier
Gesellschaften mit beschränkter Haftung in einer Niederschrift
1. Bei der Beurkundung der Gesellschafterversammlungen zweier Gesellschaften mit
beschränkter Haftung, in denen jeweils die Zustimmung zur Aufhebung von
Unternehmensverträgen mit derselben Alleingesellschafterin beschlossen wurde, in einer
Niederschrift handelt es sich um mehrere in einem Beurkundungsverfahren zusammengefasste
Beurkundungsgegenstände.
2. Für die Zusammenfassung dieser Beurkundungsgegenstände in einem Beurkundungsverfahren
fehlt auch bei identischer Zusammensetzung der Gesellschafterversammlungen regelmäßig ein
sachlicher Grund, so dass das Beurkundungsverfahren hinsichtlich jedes dieser
Beurkundungsgegenstände als besonderes Verfahren gilt und abzurechnen ist.
Gründe:
I. Die Beteiligte zu 2, die B. SE & Co. KGaA, ist die Alleingesellschafterin
der Verlag R. GmbH und der V. GmbH, mit denen
sie einen Gewinnabführungs- und Verlustübernahmevertrag bzw. einen Beherrschungs-
und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen hatte. Am 15. August
2014 vereinbarte die Beteiligte zu 2 mit den beiden Gesellschaften die Aufhebung
der Unternehmensverträge. Am 18. September 2014 hielt die Beteiligte
zu 2, vertreten durch eine Bevollmächtigte, bei dem Beteiligten zu 1, Notar J.
B. , Gesellschafterversammlungen der beiden Gesellschaften ab und ließ zwei
Gesellschafterbeschlüsse beurkunden, mit denen der Aufhebung der Unter-
nehmensverträge zugestimmt wurde. Die Beurkundung wurde in einer Niederschrift
zusammengefasst. Die Beteiligte zu 2 übernahm die Kostenhaftung. Der
Beteiligte zu 1 hat, ausgehend von zwei Beurkundungsverfahren, für seine Tätigkeit
zwei 1,0 Gebühren aus einem Geschäftswert von jeweils 5.000.000
berechnet (§ 34 Abs. 2 i.V.m. Nr. 21102 KV GNotKG).
Die Beteiligte zu 2 hat Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Sie
vertritt die Auffassung, der Beteiligte zu 1 dürfe mit Rücksicht auf § 93 Abs. 1
Satz 1,
von 5.000.000 gericht hat den Antrag nach Einholung
einer Stellungnahme des Präsidenten des Landgerichts zurückgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen
und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
II. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
Gemäß § 93 Abs. 1 GNotKG sei für ein Verfahren nur eine Gebühr zu
erheben. Eine Ausnahme hiervon sehe § 93 Abs. 2 GNotKG für den Fall vor,
dass verschiedene Beurkundungsgegenstände ohne sachlichen Grund in einer
Urkunde zusammengefasst würden. Ein sachlicher Grund für die Zusammenfassung
sei nicht erkennbar. Beurkundet worden seien die Beschlüsse verschiedener
Gesellschaften, deren Bezugspunkte jeweils unterschiedliche Unternehmensverträge
seien. Die Konzernverbundenheit beider Gesellschaften
sei kein sachlicher Grund für die Zusammenfassung verschiedener Rechtsgeschäfte.
Ein sachlicher Grund für die Zusammenfassung finde sich auch nicht in
der personellen Identität der Beteiligten im Sinn des § 93 Abs. 2 Satz 2
GNotKG. Es komme auf die materielle Beteiligtenrolle an. Im rechtlichen Sinn
beteiligt sei aber nicht der jeweils mitstimmende Gesellschafter, sondern die
Gesellschaft, deren Organ die Gesellschafterversammlung sei.
III. Die aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthafte
und auch im Übrigen gemäß
§ 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 hat in der Sache
keinen Erfolg. Der Beschluss des Beschwerdegerichts hält der rechtlichen
Nachprüfung stand.
Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass die Beurkundungen
der Gesellschafterversammlungen der Verlag R. GmbH und der
V. GmbH, in denen jeweils die Zustimmung zur Aufhebung von Unternehmensverträgen
mit der Beteiligten zu 1 beschlossen wurde, als mehrere
Beurkundungsgegenstände ohne sachlichen Grund in einem Beurkundungsverfahren
zusammengefasst wurden, so dass das Beurkundungsverfahren hinsichtlich
jedes dieser Beurkundungsgegenstände als besonderes Verfahren gilt
und als solches abzurechnen ist (§ 93 Abs. 2 Satz 1 GNotKG).
1. Bei den beurkundeten Gesellschafterbeschlüssen handelt es sich um
mehrere in einem Beurkundungsverfahren zusammengefasste Beurkundungsgegenstände
im Sinn des § 93 Abs. 2 Satz 1 GNotKG.
Beurkundungsgegenstand ist gemäß
auf das sich die Erklärungen beziehen, bei Tatsachenbeurkundungen
die beurkundete Tatsache oder der beurkundete Vorgang. Mehrere
Rechtsverhältnisse, Tatsachen oder Vorgänge sind verschiedene Beurkundungsgegenstände,
soweit nicht ausnahmsweise von demselben Beurkundungsgegenstand
gemäß
GNotKG). Bei den Zustimmungsbeschlüssen der Gesellschafterversammlungen
verschiedener Gesellschaften mit beschränkter Haftung handelt es sich um verschiedene
Beurkundungsgegenstände. Die Aufhebung eines Beherrschungsoder
Gewinnabführungsvertrags bedarf eines Beschlusses der Gesellschafter in
jeder abhängigen GmbH (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2011 - II ZR 109/10,
GNotKG ist, was auch die Beteiligte zu 2 nicht in Frage stellt, nicht erfüllt.
Die beiden Gesellschafterbeschlüsse wurden in einer Niederschrift beurkundet,
so dass trotz zweier Beurkundungsgegenstände ein Beurkundungsverfahren
im kostenrechtlichen Sinn vorliegt (§ 85 Abs. 2 GNotKG; vgl.
Korintenberg/Bormann, GNotKG, 20. Aufl., § 85 Rn. 16; Regierungsentwurf eines
Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, BTDrucks.
17/11471 S. 176).
2. Da die mehreren Beurkundungsgegenstände ohne sachlichen Grund
in einem Beurkundungsverfahren zusammengefasst wurden, gilt das Beurkundungsverfahren
hinsichtlich jedes der beiden beurkundeten Beschlüsse gebührenrechtlich
als besonderes Verfahren.
a) Grundsätzlich werden in demselben Beurkundungsverfahren Gebühren
jeweils nur einmal erhoben (
Beurkundungsgegenstände innerhalb desselben Beurkundungsverfahrens
werden zusammengerechnet (vgl. § 35 Abs. 1 GNotKG). Etwas anderes gilt
nach § 93 Abs. 2 Satz 1 GNotKG, wenn mehrere Beurkundungsgegenstände
ohne sachlichen Grund in einem Beurkundungsverfahren zusammengefasst
werden. Dann gilt das Beurkundungsverfahren hinsichtlich jedes dieser Beurkundungsgegenstände
auch hinsichtlich der Höchstwerte des § 108 Abs. 5
GNotKG als besonderes Verfahren (vgl. BT-Drucks. 17/11471, S. 179;
Bormann in Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 2. Aufl., § 93 Rn. 12; Korintenberg/
Diehn, GNotKG, 20. Aufl., § 93 Rn. 28; Korintenberg/Tiedtke, GNotKG,
20. Aufl., § 108 Rn. 9).
b) Ein sachlicher Grund für die Beurkundung der Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen
zweier Gesellschaften mit beschränkter Haftung in einer
Niederschrift lag nicht vor.
Nach
dann anzunehmen, wenn hinsichtlich jedes Beurkundungsgegenstands die
gleichen Personen an dem Verfahren beteiligt sind. Das war nicht der Fall. Es
kann dahinstehen, ob die Gesamtheit der Gesellschafter oder die Gesellschafterversammlung
als Willensbildungsorgan einer Gesellschaft mit beschränkter
Haftung anzusehen ist. Jedenfalls handeln bei der Beschlussfassung der Gesellschafterversammlungen
zweier Gesellschaften mit beschränkter Haftung
verschiedene Willensbildungsorgane. Damit handeln auch bei identischer Zusammensetzung
der Gesellschafterversammlungen unterschiedlicher Gesellschaften
verschiedene Beteiligte im materiellen Sinn (vgl. Korintenberg/Diehn,
GNotKG, 20. Aufl., § 93 Rn. 30). Gegen diese Würdigung erhebt die Rechtsbeschwerde
keine Einwände.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde liegt auch im Übrigen
kein sachlicher Grund für eine gemeinsame Beurkundung beider Beurkundungsgegenstände
in einer Niederschrift vor. Ein solcher müsste objektiv vorliegen.
Der Wunsch eines Beteiligten nach einer Zusammenbeurkundung reicht
nicht (Wudy in Rohs/Wedewer, GNotKG, 115. Aktualisierung Dezember 2016,
§ 93 Rn. 59). Wenn bereits der Wunsch eines Beteiligten nach einer Zusammenbeurkundung
zu einer gegenüber der getrennten Beurkundung eintreten-
den Kostenersparnis führte, widerspräche das dem Gesetzeszweck und dem
Willen des Gesetzgebers. Werden mehrere Beurkundungsgegenstände einzig
aus dem Motiv zusammengefasst, die gebührenrechtlichen Folgen der Zusammenfassung
auszunutzen, soll das Beurkundungsverfahren hinsichtlich dieser
einzelnen Gegenstände als besonderes Verfahren behandelt werden (vgl. Gesetzentwurf
der Bundesregierung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Modernisierung
des Kostenrechts [2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz
- 2. KostRMoG], BT-Drucks. 17/11471 S. 179).
Die bloße Konzernzugehörigkeit mehrerer Gesellschaften ist kein sachlicher
Grund für die Zusammenbeurkundung. Stimmen, wie hier, mehrere Tochtergesellschaften
der Aufhebung ihrer jeweiligen Unternehmensverträge zu,
handelt es sich um Gesellschafterversammlungen verschiedener Gesellschaften
zu unterschiedlichen und voneinander unabhängigen Beschlussgegenständen.
Ein sachlicher Grund dafür, dass diese nicht getrennt, sondern in einer
Urkunde zusammengefasst beurkundet werden, wird auch im Schrifttum verneint
(vgl. Korintenberg/Diehn, GNotKG, 20. Aufl., § 93 Rn. 35). Entgegen der
Behauptung der Beteiligten zu 2 ist das Verfahren durch die gewählte Vorgehensweise
nicht vereinfacht worden. Die Bevollmächtigte der Beteiligten zu 2,
die die Gesellschafterversammlungen der beiden GmbH abgehalten und die
Zustimmung beschlossen hat, hätte keinen merklichen Mehraufwand betreiben
müssen, wenn die Versammlungen in verschiedenen Niederschriften beurkundet
worden wären.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf
i.V.m. § 84 FamFG.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:26.09.2017
Aktenzeichen:II ZB 27/16
Rechtsgebiete:
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
RNotZ 2018, 113-115
ZNotP 2018, 37-39
FGPrax 2018, 43-44
NJW-RR 2018, 103-104
NotBZ 2018, 99-100
GNotKG §§ 86, 93