Fortwirken eines gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzichts trotz Rückübertragung des Verzichtsgegenstands
letzte Aktualisierung: 3.3.2021
OLG Saarbrücken, Urt. v. 12.2.2020 – 5 U 59/19
BGB §§ 2303, 2346
Fortwirken eines gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzichts trotz Rückübertragung
des Verzichtsgegenstands
Für die Annahme, ein gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht sei unter der
stillschweigenden auflösenden Bedingung der Rückübertragung der betreffenden Immobilie
vereinbart worden, bedarf es mit Blick auf die Beweislastverteilung erheblicher Anhaltspunkte.
(Leitsatz der DNotI-Redaktion)
Gründe:
I.
Die Parteien, Bruder und Schwester, streiten um Pflichtteils- und
Pflichtteilsergänzungsansprüche nach dem Tode der am 28. August 2018
verstorbenen gemeinsamen Mutter, D. M. A. (im Folgenden: Erblasserin). Diese hatte
am 10. Januar 2001 ein notarielles Testament errichtet, mit dem sie den Beklagten zu
ihrem alleinigen Erben eingesetzt hatte; zugleich hatte sie alle bisherigen Verfügungen
von Todes wegen widerrufen und ihrer vormals zur Alleinerbin eingesetzten Tochter
K. K. den Pflichtteil entzogen (Bl. 8 ff. GA). Die Erblasserin war verwitwet und hinterließ
neben den Parteien drei weitere Abkömmlinge. Ein weiteres von ihr geborenes Kind
ist infolge Adoption aus dem Kreise der Pflichtteilsberechtigten ausgeschieden (Bl. 91,
106 GA). Auf der Grundlage von Auskünften des Beklagten, die sich die Klägerin
insoweit zu Eigen gemacht hat, bestand der Nachlass zum Zeitpunkt des Erbfalles aus
einem im Grundbuch von B., Blatt XXXX, Flur XX Nrn. XXXX und XXXX/X
verzeichneten Hausanwesen (... pp.), dessen Verkehrswert zum Stichtag gutachterlich
mit 155.000,- Euro ermittelt wurde (Bl. 100 GA) und über dessen Berücksichtigung bei
den Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen die Parteien streiten, sowie aus
zwei Bankkonten mit Guthaben in Höhe von insgesamt 4.049,36 Euro. Als Passiva
sind jedenfalls Beträge für ein restliches Hausdarlehen (723,74 Euro),
Gutachterkosten (1.670,77 Euro) und Beerdigungskosten (6.211,57 Euro) in Abzug zu
bringen (Bl. 105 GA). Die Erblasserin unterhielt außerdem zwei
Lebensversicherungsverträge bei der ERGO Lebensversicherung AG, deren
Todesfalleistungen sich ausweislich eines Abrechnungsschreibens vom 14. Februar
2019 (Bl. 148 GA) zum Zeitpunkt des Erbfalles auf 5.795,73 Euro und 1.078,57 Euro
beliefen und die aufgrund eines entsprechenden Bezugsrechts jeweils unmittelbar an
den Beklagten als Begünstigten ausbezahlt wurden.
In Ansehung des vorbezeichneten Hausanwesens hatte die Erblasserin mit ihrer
Tochter K. K. im Jahre 1987 zunächst einen notariellen Erbvertrag abgeschlossen (UR
Nr. XXXX/XXXX des Notars F. J. Sch., L.), der am 30. Januar 1992 von den Beteiligten
vollumfänglich aufgehoben wurde (UR. Nr. XXX/XXXX des Notars F. J. Sch.).
Ebenfalls am 30. Januar 1992 ließen die Erblasserin, ihre Tochter K., der Beklagte
sowie die weiteren Kindern A. und H. einen „gegenständlich beschränkten Erb- und
Pflichtteilsverzicht“ beurkunden (UR Nr. 146/1992 des Notars F. J. Sch.). Unter
Bezugnahme auf eine notarielle Urkunde Nr. 145/1992 vom selben Tage, in der die
Erblasserin ihrer Tochter K. das vorbezeichnete Hausanwesen übertragen und diese
sich zugleich verpflichtet hatte, zum Ausgleich für die vorstehende Übertragung an ihre
Geschwister A., H. und den Beklagten jeweils einen Betrag von 20.000 DM
herauszuzahlen, erklärten diese – wörtlich – Folgendes:
„Für den Fall, dass wir von unserer Schwester die uns aus der vorgenannten Urkunde
zustehenden Auszahlungsbeträge von jeweils 20.000 DM (...) erhalten haben, erklären
wir uns hiermit hinsichtlich des an unsere Schwester im vorgenannten Vertrag
übertragenen elterlichen Hausanwesens für abgefunden und verpflichten uns hiermit,
diesbezüglich keinerlei weiteren Ansprüche mehr geltend zu machen, insbesondere
soweit es sich um Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche handelt.“
Im Zuge eines von der Tochter K. K. und deren Ehemann gegen die Erblasserin
geführten Rechtsstreites – 14 O 108/95 LG Saarbrücken – schlossen die Beteiligten
am 30. Juli 1997 einen Vergleich, in dem u.a.
„die Rückübertragung des Hausanwesens … lastenfrei Zug um Zug gegen Zahlung
eines Betrages in Höhe von 100.000,- Euro“
vereinbart wurde (Bl. 119 ff. GA). Mit notarieller Urkunde vom 7. August 1997 (UR Nr.
XXXX/XXXX des Notars Dr. K. K., L.) schlossen die Parteien in Erfüllung dieses
Vergleiches einen „Übertragungsvertrag“, mit dem der vorbezeichnete Grundbesitz
gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 100.000,- DM auf die Erblasserin
übertragen wurde (Bl. 68 ff. GA). Die von der Klägerin in Erfüllung des „gegenständlich
beschränkten Erb- und Pflichtteilsverzichts“ vom 30. Januar 1992 an ihre drei
Geschwister ausbezahlten Beträge in Höhe von jeweils 20.000,- DM verblieben bei
ihrem jeweiligen Empfänger.
Mit der am 21. November 2018 zum Landgericht Saarbrücken erhobenen Stufenklage
hat die Klägerin den Beklagten – nach einvernehmlicher Erledigung der Auskunftsstufe
und anschließender Bezifferung – zuletzt auf Auszahlung des Pflichtteils in Höhe von
15.044,33 Euro sowie eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs in Höhe weiterer 687,43
Euro zzgl. Prozesszinsen in Anspruch genommen (Bl. 104 GA). Sie hat gemeint, der
– zuletzt übereinstimmend angegebene – Wert des im Nachlass befindlichen
Hausanwesens von 155.000,- Euro müsse auch bei der Berechnung der Ansprüche
berücksichtigt werden, weil sich der im Jahre 1992 erklärte Pflichtteilsverzicht lediglich
auf die damals vereinbarte Schenkung des Hausanwesens an die Tochter K. K.
bezogen habe, während die Erblasserin das nunmehr im Nachlass vorhandene
Anwesen erst im Jahre 1997 käuflich erworben und die Finanzierungsraten aus ihrem
Vermögen erbracht habe. Weitere von dem Beklagten eingewandte
Beerdigungskosten seien vom Nachlasswert nicht in Abzug zu bringen.
Entsprechendes gelte für eine schon vor dem Erbfall von dem Zeugen A. A. regulierte
Dachdeckerrechnung, wegen der kein Anspruch des Zeugen gegen die Erblasserin
bestanden habe. Hinsichtlich der vom Beklagten aufgrund schenkweiser Zuwendung
vereinnahmten Todesfalleistungen aus den beiden Lebensversicherungen bestehe ein
Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 1/10 der – unstreitig – an den Beklagten
ausgezahlten Beträge.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten mit dem Hinweis, die Erblasserin habe
das Hausanwesen nicht „zurückgekauft“, sondern es sei lediglich eine
Rückübertragung gegen Rückzahlung der von der Tochter K. K. für den
Pflichtteilsverzicht an die Geschwister ausgezahlten Geldbeträge erfolgt. Der
Pflichtteilsverzicht sei weder widerrufen noch sonst aufgehoben worden; auch sei die
Verstorbene bis zuletzt davon ausgegangen, dass das Hausanwesen aus der
Pflichtteilsberechnung ausgeschlossen sei. Auf der Passivseite seien weitere
Beerdigungskosten für ein Trauerbild (42,50 Euro), eine aus Anlass der Trauerfeier
von der Klägerin konsumierte Tasse Kaffee (4,80 Euro), die Kosten für
„Unterhaltungsarbeiten“ gemäß Bescheid der Gemeinde Sch. (1.872,- Euro, Bl. 274
GA) sowie Grabsteinkosten gemäß Rechnung der Firma H. (2.490,- Euro, Bl. 136 GA)
zu berücksichtigen. Dasselbe gelte für den Betrag in Höhe von 3.100,65 Euro aus einer
Dachdeckerrechnung vom 16. Juli 2018 (BI. 134 GA), den der Bruder A. A. für die
Erblasserin ausgelegt habe. Der Beklagte habe die pflegerische Betreuung der
Erblasserin an sieben Tagen der Woche über zehn Stunden sichergestellt, wodurch
sich gemäß
Prozent rechtfertige (Bl. 91, 133 GA). Ohnehin wäre der von der Klägerin vereinnahmte
Betrag in Höhe von 20.000,- DM auf einen etwaigen Pflichtteil anzurechnen.
Mit dem zur Berufung angefallenen Urteil, auf dessen Inhalt auch hinsichtlich der darin
enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen
wird, hat das Landgericht Saarbrücken die Klage abgewiesen. Da die Klägerin
hinsichtlich des im Nachlass befindlichen Hausgrundstücks einen gegenständlich
beschränkten Erb- und Pflichtteilsverzicht erklärt habe, müsse dessen Wert bei der
Berechnung des Pflichtteils außer Betracht bleiben. Danach sei der Nachlass
überschuldet, weshalb auch unter Berücksichtigung der Zuwendung der Bezugsrechte
aus den beiden Lebensversicherungsverträgen keine Pflichtteils- oder
Pflichtteilsergänzungsansprüche der Klägerin in Betracht kämen.
Mit ihrer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr
Zahlungsbegehren weiter. Sie meint, der Wert des Hausgrundstückes sei unbeschadet
des im Jahre 1992 vereinbarten Verzichts bei der Berechnung der
Pflichtteilsansprüche zu berücksichtigen, weil der im Rahmen einer
Grundstücksüberlassung erklärte Pflichtteilsverzicht weichender Geschwister
zugunsten der damaligen Alleinerbin auflösend bedingt durch die Rückübertragung
des Grundstücks gewesen sei und die Erblasserin die Immobilie später zum Kaufpreis
von 100.000,- DM zurückerhalten habe; eine solche Bedingung könne auch
stillschweigend vereinbart werden und sei hier durch die vergleichsweise
Rückübertragung des Hausanwesens im Jahre 1997 verwirkt worden. Die Erblasserin
sei zum Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks berechtigt gewesen, dadurch
sei es nicht mehr die seinerzeit vom Pflichtteilsverzicht begünstigte Schwester K.,
sondern der Beklagte, der als Erbe den Pflichtteilsanspruch zu erfüllen habe. Auch die
Dachdeckerrechnung in Höhe von 3.100,65 Euro habe das Landgericht zu Unrecht
berücksichtigt, obschon die Klägerin die behauptete Forderung des Zeugen A. A.
bestritten habe.
Die Klägerin beantragt (Bl. 234 GA):
Unter Aufhebung des am 14. Juni 2019 verkündeten Urteils des Landgerichts
Saarbrücken, Az. 16 O 164/18, wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin
einen Pflichtteil in Höhe von 15.044,33 Euro und Pflichtteilsergänzung in Höhe
von 687,43 Euro nebst Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Gesamtbetrag
in Höhe von 15.731,76 Euro in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz nach BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt (Bl. 266 GA),
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschriften des
Landgerichts vom 21. Januar und 28. Mai 2019 (Bl. 64 ff., 206 f. GA) sowie des Senats
vom 22. Januar 2020 (Bl. 286 f. GA) verwiesen.
II.
Die gemäß
in der Sache ohne Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer
Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden
Tatsachen eine andere, der Klägerin günstigere Entscheidung. Das Landgericht hat
die geltend gemachten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche zu Recht für
unbegründet erachtet.
1.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Pflichtteilsanspruch aus § 2303 Abs. 1
Satz 1 BGB. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Nachlass im –
insoweit maßgeblichen – Zeitpunkt des Erbfalles (
a)
§ 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt zugunsten des Abkömmlings des Erblassers, der
durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist, dass dieser
von dem Erben den Pflichtteil verlangen kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Die Klägerin ist eine Tochter der am 28. August 2018 verstorbenen Erblasserin; sie ist
durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen, nachdem der
Beklagte mit notariellem Testament vom 10. Januar 2001 (UR Nr. XX/XXXX des
Notars Dr. K. Sch., L., Bl. 8 ff. GA) zum alleinigen Erben der Erblasserin eingesetzt
worden ist. Dem Umfange nach besteht der Pflichtteil grundsätzlich in der Hälfte des
Wertes des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB). Er beliefe sich danach
vorliegend auf 1/10 des Nachlasses, da neben den Parteien des Rechtsstreits noch drei
erbberechtigte Abkömmlinge der Erblasserin existieren – eine weitere Tochter wurde,
wie zuletzt unstreitig geworden ist, durch eine Tante adoptiert, wodurch das
Verwandtschaftsverhältnis zur Erblasserin erloschen ist, vgl. §§ 1755 Abs. 1 Satz 1,
1756 Abs. 1 BGB –, der Ehemann der Erblasserin vorverstorben war und sich folglich
der Erbteil der Klägerin im Falle der gesetzlichen Erbfolge auf 1/5 beliefe (§ 1924 BGB).
b)
Gleichwohl scheiden Pflichtteilsansprüche der Klägerin vorliegend aus. Denn der Wert
des Nachlasses ist negativ; er belief sich im Zeitpunkt des Erbfalles nach Abzug der
berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten auf -11.463,67 Euro.
aa)
Die in die Ermittlung des Nachlasswertes (
Vermögenswerte (Aktiva) beliefen sich zum Stichtag auf 4.049,36 Euro. Unstreitig war
die Erblasserin Inhaberhin von zwei Bankkonten, die zum Zeitpunkt des Erbfalles in
Höhe dieses Gesamtbetrages valutierten. Auf das im Eigentum der Erblasserin
stehende Hausanwesen, dessen Wert zum Zeitpunkt des Erbfalles die Parteien auf
der Grundlage eines Gutachtens zuletzt übereinstimmend mit 155.000,- Euro
angegeben haben, hat das Landgericht dagegen zu Recht den von der Klägerin im
Jahre 1992 notariell erklärten – gegenständlich beschränkten – Verzicht auf
Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche zur Anwendung gebracht mit der
Folge, dass dieser Gegenstand jetzt bei der Bemessung des Aktivnachlasses nicht
mehr zu berücksichtigen war.
(1)
Die Klägerin hat – ebenso wie zwei weitere Miterben, darunter der Beklagte – in
Ansehung des streitgegenständlichen Hausanwesens mit der Erblasserin einen
gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzicht vereinbart. Sie hat ausweislich
notarieller Urkunde vom 30. Januar 1992 (Bl. 96 ff. GA) erklärt, dass sie sich nach
Erhalt eines Auszahlungsbetrages von 20.000,- DM durch ihre Schwester K.
„hinsichtlich des an unsere Schwester im vorgenannten Vertrag übertragenen
elterlichen Hausanwesens für abgefunden“ erachte und sich verpflichte,
„diesbezüglich keinerlei weiteren Ansprüche mehr geltend zu machen, insbesondere
soweit es sich um Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche handelt“. Ein
solcher gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht eines Erben mit der Folge,
dass bestimmte Gegenstände – hier: das in der Urkunde benannte Hausanwesen –
bei der Nachlassbewertung zum Zwecke der Anspruchsberechnung außer Betracht
bleiben, wird allgemein für zulässig erachtet (vgl. Staudinger/Schotten (2016) BGB §
2346, Rn. 48; Wegerhoff, in: MünchKomm-BGB 8. Aufl. § 2346 Rn. 21 f.; vgl. auch
RG, Urteil vom 6. Mai 1909 – IV 475/08,
BGB können Verwandte sowie der Ehegatte des Erblassers durch Vertrag mit dem
Erblasser auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichten mit der Folge, dass der
Verzichtende von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist, wie wenn er zur Zeit
des Erbfalls nicht mehr lebte und dann auch kein Pflichtteilsrecht hat, und gemäß §
2346 Abs. 2 BGB kann der Verzicht auch auf das Pflichtteilsrecht beschränkt werden.
Da der Pflichtteilsanspruch in einer Geldforderung besteht (§ 2303 Abs. 1 Satz 2), ist
ein beschränkter Verzicht in jeder Weise möglich, die mit dem Charakter einer
Geldforderung zu vereinbaren ist (Wegerhoff, in: MünchKomm-BGB, a.a.O., § 2346
Rn. 22; Fette,
– wie hier – anlässlich einer vorweggenommenen Erbfolge erklärt, ist dies i.d.R.
unproblematisch, weil durch die Zuwendung selbst der Umfang des Verzichts
festgelegt ist und auch keine zukünftigen Veränderungen hinsichtlich ihrer
Auswirkungen auf den Umfang und die Reichweite des Pflichtteilsrechts zu beachten
sind (Mayer,
(2)
Zu Recht hat das Landgericht diesen Pflichtteilsverzicht für wirksam erachtet und ihm
auch unter Berücksichtigung der späteren Entwicklung nicht seine Rechtswirkungen
abgesprochen. Aus der notariellen Urkunde vom 30. Januar 1992 folgt, dass die
Beteiligten den auf das Hausanwesen beschränkten Verzicht unter die Voraussetzung
gestellt haben, dass die Klägerin, ebenso wie die weiteren Verzichtenden, im
Gegenzug von ihrer Schwester einen Geldbetrag in Höhe von 20.000,- DM ausbezahlt
erhalten. Diese Voraussetzung ist hier unstreitig erfüllt worden; sie beinhaltete bei
wirtschaftlicher Betrachtung eine vorweggenommene Erbauseinandersetzung in
Ansehung des betroffenen Gegenstandes unter den daran beteiligten Miterben.
Insoweit hat die Klägerin den rechnerisch ihr gebührenden Anteil auf der Grundlage
des von den Beteiligten damals angenommenen Wertes im Wege der abgekürzten
Zahlung unmittelbar von ihrer Schwester K. ausbezahlt erhalten; dadurch wurde die
Vereinbarung vollzogen. Diese Vereinbarung ist in der Folgezeit nicht rückgängig
gemacht worden; auch der Betrag wurde seitens der Klägerin – unstreitig – nicht
zurückgezahlt. Der spätere Rückkauf des Anwesens durch die Erblasserin gegen
Zahlung von 100.000,- DM an die Schwester hat daran ebenfalls nichts geändert, weil
hiernach sowohl der von den Parteien angenommene Gegenwert des Hausanwesens,
den die Erblasserin an ihre Tochter K. gezahlt hat, als auch der rechnerische Anteil
der Klägerin hieraus mangels Rückzahlung jeweils bei der jeweiligen Begünstigten
verblieben ist. Da die Erblasserin das Hausanwesen entgeltlich zurückerworben hat
und die wirtschaftlichen Grundlagen der darauf bezogenen Teilauseinandersetzung
nicht entfallen sind, kommt es auf die Motive, die sie zu diesem Schritt veranlassten,
nicht an. Dass die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen eines wirksamen
Pflichtteilsverzichts (§§ 2346 ff BGB), insbesondere die vertragsmäßige Vereinbarung
unter persönlicher Beteiligung des Erblassers (§ 2347 Abs. 2 BGB) sowie die
Beachtung der vorgeschriebenen Form (§ 2348 BGB) eingehalten wurden, steht
ebenfalls außer Frage.
(3)
Vergeblich beruft sich die Klägerin mit der Berufung darauf, der Pflichtteilsverzicht
habe hier unter der auflösenden Bedingung einer Rückübertragung des
Hausanwesens an die Erblasserin gestanden, die verwirkt worden sei. Das trifft nicht
zu:
(a)
Die Vereinbarung eines Pflichtteilsverzichts unter einer auflösenden Bedingung wird
zwar allgemein als zulässig erachtet, weil dies es ermöglicht, auf spätere
Veränderungen zu reagieren; allerdings muss eine solche auflösende Bedingung auch
tatsächlich – ausdrücklich oder stillschweigend – vereinbart worden sein (§§ 133, 157
BGB; vgl. OLG München,
MünchKomm-BGB a.a.O. § 2346 Rn. 12; Hermanns,
Insoweit entspricht es allgemeinen Grundsätzen, dass derjenige, der sich – wie hier
die Klägerin – auf die Rechtswirkungen einer auflösenden Bedingung beruft, ihre
Vereinbarung sowie ihren Einritt beweisen muss, weshalb diesbezügliche Zweifel hier
zu Lasten der Klägerin gehen (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 1966 – Ib ZR 50/64, MDR
1966, 571; Urteil vom 25. November 1999 – IX ZR 40/98,
dass eine auflösende Bedingung vereinbart worden wäre, kann hier bei sachgerechter
Auslegung der vertraglichen Abreden der Beteiligten nicht ausgegangen werden. Wie
das Landgericht richtig ausführt, finden sich keine Hinweise auf eine solche
Vereinbarung. Eine ausdrückliche Abrede dieses Inhaltes enthält der Vertrag ohnehin
nicht. Die schlichte Bezugnahme auf das mittels gesonderter Urkunde an die Tochter
K. K. übertragene Hausanwesen, die ersichtlich nur der zwecks Bestimmtheit
notwendigen Beschreibung des Gegenstandes diente, genügt auch nicht für die
Annahme, Solches sei hier konkludent gewollt gewesen, ebenso wenig wie der auch
schon vom Landgericht berücksichtigte Umstand, dass die Parteien des Verzichts
damals davon ausgingen, ihre Schwester werde im Rahmen der von ihnen
vereinbarten gegenständlich beschränkten Auseinandersetzung das Eigentum an dem
Hausanwesen erhalten. Da die Möglichkeit späterer Veränderungen dem
Rechtsgeschäft innewohnte und es den Parteien frei stand, dies durch vertragliche
Abreden zu regeln (vgl. zu den Möglichkeiten vertraglicher Vorsorge Hermanns,
fehlende Vereinbarungen nicht leichtfertig mittels Auslegung in den Vertrag
hineingelesen werden. Vielmehr bedarf es auch mit Blick auf die vorbeschriebene
Beweislastverteilung schon erheblicher Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien
stillschweigend ihr Geschäft unter die auflösende Bedingung des Eintritts eines
bestimmten späteren Ereignisses stellen wollten, wofür hier jedoch, wie das
Landgericht zutreffend ausführt, gar nichts ersichtlich ist. Weder die Umstände des
Vertragsschlusses, noch Sinn und Zweck der getroffenen Abreden gebieten die
Annahme, dass die am Erbverzicht Beteiligten – konkret: die Erblasserin einerseits
und ihre Kinder andererseits – den Fortbestand der Vereinbarung davon abhängig
machen wollten, dass allein der körperliche Gegenstand des Verzichts – das
Hausanwesen – auf Dauer im Eigentum der seinerzeit in Aussicht genommenen
Begünstigten verbleibt. Vielmehr liegt es gerade auch mit Blick auf den Charakter der
Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche als Geldforderung mindestens
genauso nahe, dass aus ihrer Sicht in erster Linie die Fortdauer der wirtschaftlichen
Auswirkungen des Rechtsgeschäfts entscheidend sein sollte, die hier jedoch – wie
bereits ausgeführt – weiterhin gegeben ist.
(bb)
Vergeblich bezieht sich die Klägerin mit ihrer Berufung auf eine Entscheidung des
Oberlandesgerichts München vom 14. Mai 2014 (
Annahme eines stillschweigend auflösend bedingten Pflichtteilsverzichts maßgeblich
darauf gestützt, dass der Übertragungsvertrag, der als Gegenleistung für die
Überlassung des Hausanwesens der Erblasserin eine persönliche Verpflichtung des
Bedachten zur Versorgung und Pflege der Erblasserin vorsah, bei Versterben des
Bedachten eine Rückübertragungsverpflichtung an die Erblasserin enthielt, die
verwirkt worden war. Diese Auslegung ließ sich damit rechtfertigen, dass durch den
Tod des Bedachten die als Gegenleistung vereinbarte persönliche Betreuung und
Pflege der Erblasserin durch den Bedachten und damit der wesentliche Grund für den
Pflichtteilsverzicht der anderen Miterben entfallen war (OLG München, FamRZ 2015,
961). Durch die Rückabwicklung fiel der dortige Vertragsgegenstand mit seinem
gesamten Wert vollumfänglich in das Vermögen der Erblasserin zurück. Der
vorliegende Fall einer vorweggenommenen, auf einen bestimmten
Vertragsgegenstand beschränkten Auseinandersetzung unter Miterben kann dem
nicht gleichgesetzt werden. Anders als dort, ist der wirtschaftliche Wert des
Vertragsgegenstandes hier mit seiner Übertragung auf die Tochter K. K. dauerhaft aus
dem Erblasservermögen ausgeschieden und auch danach, unbeschadet des späteren
(entgeltlichen) Rückkaufes durch die Erblasserin gemäß notarieller Urkunde vom 7.
August 1997, nicht mehr dorthin zurückgelangt. Da die Weggabe des Grundstücks
vielmehr wirtschaftlich fortwirkte, kommt es, entgegen der Klägerin, auch nicht
entscheidend auf die Motive an, die die Erblasserin zum Rückkauf bewegt haben
mögen, weshalb ihr Hinweis auf einen – vermeintlichen – Schenkungswiderruf wegen
groben Undankes ebenfalls keine abweichende Betrachtung rechtfertigt. Für die
Annahme, mit dem Rückkauf des Vertragsgegenstandes durch die Erblasserin sei eine
stillschweigend vereinbarte auflösende Bedingung des gegenständlich beschränkten
Pflichtteilsverzichts verwirkt worden, fehlt deshalb auch vor diesem Hintergrund jeder
Anhalt.
bb)
Zu den von diesem Aktivnachlass von mithin 4.049,36 Euro in Abzug zu bringenden
Passiva sind die im Zeitpunkt des Erbfalls entstandenen Nachlassverbindlichkeiten zu
zählen sowie darüber hinaus diejenigen Verbindlichkeiten, die – wie Erblasser- und
Erbfallschulden – zu diesem Zeitpunkt bereits angelegt waren (Lange, in:
MünchKomm-BGB a.a.O., § 2311 Rn. 15; Weidlich, in: Palandt, BGB 78. Aufl. § 2311
Rn. 3 ff.). Diese summieren sich vorliegend auf einen Betrag in Höhe von 15.513,03
Euro:
(1)
Auf der Grundlage der von dem Beklagten erteilten Auskünfte hat die Klägerin als
Verbindlichkeiten zu Lasten des Nachlasses Beträge in Höhe von insgesamt 8.003,08
Euro anerkannt. Dies betrifft im Einzelnen die Beträge für das restliche Hausdarlehen
in Höhe von 723,74 Euro, Gutachterkosten in Höhe von 1.670,77 Euro sowie jedenfalls
anteilige Beerdigungskosten in Höhe von 6.211,57 Euro.
(2)
Auch die weiteren vom Beklagten eingewandten Beerdigungskosten, die am Stichtag
bereits als Verbindlichkeiten angelegt waren, sind entgegen der Auffassung der
Klägerin in voller Höhe zu berücksichtigen. Allgemein gehen Beerdigungskosten, die
der Erbe zu tragen hat (§ 1968 BGB), zu Lasten des Nachlasses (Weidlich, in: Palandt
a.a.O. § 2311 Rn. 4). Sie erfassen den Aufwand, der der Lebensstellung des
Erblassers angemessen ist, unter anderem die Kosten für die Todesanzeige und für
eine übliche Feier, zu der auch der Blumenschmuck gehört (OLG München, NJWSpezial
2011, 391; Weidlich, in: Palandt a.a.O. § 1968 Rn. 2). Darunter fallen über das
unbedingt Notwendige hinaus die Kosten für alles das, was nach den in den Kreisen
des Erblassers herrschenden Auffassungen und Gebräuchen zu einer würdigen und
angemessenen Bestattung gehört (Senat, Urteil vom 15. Juli 2009 - 5 U 472/08,
vorliegenden Fall auch die Aufwendungen für ein Trauerbild (42,50 Euro, Bl. 272 GA),
die die Klägerin zuletzt ohnehin nicht mehr substantiell in Abrede gestellt hat (Bl. 156
GA), sowie für zwei nach den vorgelegten Unterlagen ersichtlich aus Anlass der
Trauerfeier in Rechnung gestellte Tassen Kaffee (4,80 Euro, Bl. 272 GA), mögen diese
von der Klägerin oder von anderen Trauergästen konsumiert worden sein.
Abzugsfähig sind schließlich auch die weiteren Kosten für die Anfertigung eines
Grabsteins gemäß Rechnung der Firma H. vom 21. März 2019 (2.490,- Euro, Bl. 136
GA), die unter Berücksichtigung aller Umstände noch nicht übersetzt erscheinen,
sowie die mit Bescheid der Gemeinde Sch. vom 4. September 2018 berechnete
„Pauschal für Unterhaltungsarbeiten“ in Höhe von 1.872,- Euro (Bl. 274 GA) als Teil
der durch die Bestattung veranlassten öffentlich-rechtlichen Gebühren (vgl. Senat,
Urteil vom 15. Juli 2009 - 5 U 472/08,
(3)
Zu Recht hat das Landgericht auf der Passivseite auch eine Forderung des Zeugen A.
A. gegen den Nachlass aus
Begleichung einer Dachdeckerrechnung in Ansatz gebracht; dass dieser selbst die
Rechnung zum Stichtag bereits ausgeglichen hatte, ist entgegen der Auffassung der
Klägerin unerheblich. Dass Arbeiten, wie sie in der Rechnung vom 16. Juli 2018 (Bl.
134 f. GA) ausgewiesen sind, am Hausanwesen der Erblasserin erbracht wurden, hat
die Klägerin nicht in Abrede gestellt. Unstreitig ist auch, dass die Rechnung durch den
Zeugen A. A. bezahlt wurde (Bl. 155 GA). Der schon erstinstanzlich erhobene Einwand
der Klägerin, es fehle insoweit an einer entsprechenden Einigung der Erblasserin mit
dem Zeugen, der als Mitbewohner die Arbeiten im eigenen Interesse in Auftrag
gegeben und diese dementsprechend selbst bezahlt habe, geht indessen fehl. Soweit
der Zeuge nicht schon aufgrund eines rechtsgeschäftlichen Auftrages (
Erblasserin gehandelt haben sollte, lag in der Vergütung von Arbeiten, die der
Wiederherstellung der Dachrinnenfunktion dienten und damit ersichtlich
Erhaltungsmaßnahmen an der Gebäudesubstanz darstellten, eine berechtigte
Geschäftsführung ohne Auftrag dieses Zeugen (§ 677 BGB). Da die Arbeiten das im
Eigentum der Erblasserin stehende Hausanwesen betrafen, stellte sich dies für den
Zeugen, unbeschadet der zu Protokoll des Senats in Abrede gestellten Behauptung,
auch er habe in dem Anwesen gewohnt, als – zumindest auch – fremdes Geschäft
dar; dass eine dahingehende Verpflichtung des Zeugen bestanden hätte, ist nicht
dargelegt oder erkennbar (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2009 – VIII ZR 302/07, BGHZ
181, 188). Den infolgedessen zu seinen Gunsten vermuteten
Fremdgeschäftsführungswillen (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2006 – III ZR
274/05,
eine Verkennung der Beweislast durch das Landgericht und eine infolgedessen
unterlassene Beweisaufnahme beanstandet, geht deshalb an der Sache vorbei.
Vielmehr steht unwiderlegt fest, dass dem Zeugen in Ansehung der von ihm
verauslagten Beträge ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen gegen den
Nachlass zusteht, der zum Zeitpunkt des Erbfalles unstreitig nicht beglichen war und
der daher als Passivposten in die Berechnung des Nachlassvermögens einzustellen
ist.
cc)
Ausgehend von einem Aktivvermögen in Höhe von 4.049,36 Euro und abzugsfähigen
Verbindlichkeiten in Höhe von 15.513,03 Euro belief sich der gemäß
die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs maßgebliche Wert des Nachlasses zum
Stichtag mithin auf -11.463,67 Euro. Der Nachlass war mithin schon zu diesem
Zeitpunkt objektiv überschuldet, so dass ein Pflichtteilsanspruch der Klägerin von
vornherein nicht entstanden ist (OLG Stuttgart,
MünchKomm-BGB 8. Aufl., § 2311 Rn. 15).
2.
Der von der Klägerin weiterhin geltend gemachte Pflichtteilsergänzungsanspruch aus
§ 2325 Abs. 1 BGB in Höhe von 687,43 Euro besteht ebenfalls nicht.
a)
Gemäß § 2325 Abs. 1 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte für den Fall, dass der
Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht hat, als Ergänzung des Pflichtteils
den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte
Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Dieser Anspruch setzt voraus, dass
der Erblasser eine Schenkung im Sinne von § 516 BGB gemacht hat, d.h. eine
Zuwendung, die ihren Empfänger aus dem Vermögen des Gebers bereichert und bei
der beide Teile darüber einig sind, dass sie unentgeltlich erfolgt (BGH, Urteil vom 14.
März 2018 – IV ZR 170/16,
kann danach angenommen werden, wenn der ohne wirtschaftlichen Gegenwert
erfolgte Vermögensabfluss beim Erblasser zu einer materiell-rechtlichen, dauerhaften
und nicht nur vorübergehenden oder formalen Vermögensmehrung des Empfängers
geführt hat (BGH, a.a.O.; vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2003 - IV ZR 249/02,
Voraussetzungen ist der Pflichtteilsberechtigte: Diesem obliegt insbesondere der
Nachweis, dass ein bestimmter Gegenstand zum Nachlass gehörte und dass dieser
unentgeltlich auf einen Dritten übertragen wurde (BGH, Urteil vom 27. Mai 1981 – IVa
ZR 132/80,
1996, 705; Lange, in: MünchKomm-BGB, a.a.O., § 2325 Rn. 44).
b)
Im Streitfall hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass die Erblasserin dem
Beklagten die Bezugsrechte aus den beiden Lebensversicherungsverträgen bei der
ERGO Lebensversicherung AG schenkweise zugewandt hat und dass deshalb die an
den Beklagten ausgekehrten Todesfalleistungen grundsätzlich der
Pflichtteilsergänzung unterliegen.
aa)
Der Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, schon von längerer Zeit als
Bezugsberechtigter der beiden Versicherungsverträge eingesetzt worden zu sein (Bl.
88 GA). Aus dem Abrechnungsschreiben des Versicherers vom 4 Oktober 2018 folgt
hierzu, dass die Verstorbene zu Lebzeiten ein namentliches Bezugsrecht zu seinen
Gunsten ausgesprochen hatte (Bl. 94 GA). Dabei ist – mangels abweichender
Behauptung – schon kraft gesetzlicher Vermutung (vgl. § 159 Abs. 1 VVG; Schneider,
in: Prölss/Martin, VVG 30. Aufl. § 159 Rn. 2) davon auszugehen, dass die Einsetzung
widerruflich erfolgte; dies bewirkt, dass im Verhältnis zum Versicherer mit dem Tode
der Erblasserin ein Anspruch auf die Versicherungssumme unmittelbar in der Person
des Beklagten entstanden ist mit der Folge, dass die Versicherungsleistung nicht in
den Nachlass gefallen ist, sondern unmittelbar von ihm erworben wurde (§ 159 Abs. 2
VVG). Dem lag – im Verhältnis zwischen der Erblasserin und dem Beklagten – auch
eine Schenkung im Sinne des § 516 Abs. 1 BGB zugrunde. Da der Abschluss eines
Lebensversicherungsvertrages mit Bezugsberechtigung einen Vertrag zugunsten
Dritter (
Deckungsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer (=Erblasser) und Versicherer und
das Valutaverhältnis zwischen Versicherungsnehmer (=Erblasser) und Begünstigtem
(=Beklagter), voneinander unterschieden werden; ausschließlich letzteres bestimmt
darüber, ob und aus welchem Grunde der Begünstigte im Verhältnis zu den Erben das
aus dem Bezugsrecht Erlangte auf Dauer behalten darf (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli
2015 – IV ZR 437/14,
26). Wie das Landgericht zu Recht ausführt, bestehen im vorliegenden Fall keine
Anhaltspunkte dafür, dass von Seiten des Beklagten Gegenleistungen für die
Einräumung der beiden Bezugsrechte erbracht wurden. Eine Einigung über die
(zumindest teilweise) Unentgeltlichkeit einer Zuwendung wird jedoch schon dann
vermutet, wenn zwischen den Leistungen der einen und der anderen Seite objektiv ein
auffälliges, grobes Missverhältnis besteht, das den Vertragsschließenden nicht
verborgen geblieben sein kann (BGH, Urteil vom 17. April 2002 - IV ZR 259/01, FamRZ
2002, 883; Versäumnisurteil vom 25. November 2009 – XII ZR 92/06,
Dafür, dass dies hier ausnahmsweise anders sein könnte oder dass es sich um eine –
nicht ergänzungspflichtige – Pflicht- oder Anstandsschenkung handeln könnte, wurde
nichts dargetan.
bb)
Der Wert der beiden Bezugsrechte ist nach Maßgabe der jüngeren Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 73/08, BGHZ
185, 252; Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 230/08,
Beklagten ausgekehrten Geldbeträgen – 5.795,73 Euro und 1.078,57 Euro – zu
bewerten. Wendet der Erblasser die Todesfallleistung aus einem von ihm auf sein
eigenes Leben abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag einem Dritten über ein
widerrufliches Bezugsrecht schenkweise zu, so berechnet sich ein
Pflichtteilsergänzungsanspruch weder nach der Versicherungsleistung noch nach der
Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien (so noch RG, Urteil vom 25. März 1930
– VII 440/29,
134). Es kommt vielmehr allein auf den Wert an, den der Erblasser aus den Rechten
seiner Lebensversicherung in der letzten – juristischen – Sekunde seines Lebens nach
objektiven Kriterien für sein Vermögen hätte umsetzen können (BGH, Urteil vom 28.
April 2010 – IV ZR 73/08,
Begünstigung erst mit dem Erbfall vollzogen wird (§ 159 Abs. 2 VVG), ist sie überdies
auch unter Berücksichtigung der Abschmelzungsregelung des § 2325 Abs. 3 BGB mit
dem vollen Wert der beiden Todesfalleistungen anzusetzen.
c)
Jedoch führt die Berücksichtigung der Beträge aus den beiden Todesfalleistungen
vorliegend nicht zu einem Pflichtteilsergänzungsanspruch der Klägerin. Denn gemäß
§ 2325 Abs. 1 BGB ist die Pflichtteilsergänzung dergestalt vorzunehmen, dass der
Pflichtteilsberechtigte den Betrag verlangen kann, um den sich der Pflichtteil erhöht,
wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Maßgebend
ist damit der Wert des sog. fiktiven Nachlasses, der sich aus der Zusammenrechnung
von realem Nachlass und dem Wert des Geschenks ergibt; nur soweit dieser dann
einen aktiven Wert aufweist, kann der Berechtigte den Betrag verlangen, um den sich
sein ordentlicher Pflichtteil erhöhen würde, wenn zum Nachlass alle
berücksichtigungsfähigen Schenkungen hinzugerechnet werden (vgl. Weidlich, in:
Palandt a.a.O. § 2325 Rn. 3). Insoweit gelten dieselben Berechnungsgrundsätze wie
für den Pflichtteilsanspruch; insbesondere hat – entsprechend der notariellen
Vereinbarung vom 30. Januar 1992, die den gegenständlich beschränkten
Pflichtteilsverzicht ausdrücklich auf Pflichtteilsergänzungsansprüche erweitert – der
Wert des Hausanwesens auch insoweit unberücksichtigt zu bleiben. Bei einem danach
– wie hier – negativen Nachlasswert käme eine Pflichtteilsergänzung also nur in
Betracht, wenn sich unter Hinzurechnung des Geschenks ein Aktivnachlass ergäbe
(Lange, in: MünchKomm-BGB a.a.O. § 2325 Rn. 51). Das ist aber nicht der Fall. Selbst
nach Hinzurechnung der beiden Todesfalleistungen in Höhe von insgesamt 6.874,30
Euro zu dem mit -11.463,67 Euro überschuldeten Nachlass verbleibt kein
Aktivnachlass, aus dem die Klägerin vorliegend eine Ergänzung ihres Pflichtteils
verlangen könnte.
d)
Auch ein Herausgabeanspruch aus § 2329 Abs. 1 BGB gegen den Beklagten als
Beschenkten scheidet vorliegend aus. Insoweit kann dahinstehen, dass der
Klagantrag derzeit nur auf Geldzahlung lautet, der Anspruch aus § 2329 BGB jedoch
auf Herausgabe (Duldung der Zwangsvollstreckung) gerichtet ist, weil ggf. ein
entsprechender Hilfsantrag der Klägerin hätte angeregt werden können (vgl. BGH,
Urteil vom 8. Februar 1961 – V ZR 137/59,
gegebenen – Fall, dass der (Netto-) Nachlass auch bei Hinzurechnung des
verschenkten Gegenstands nicht aktiv wird, scheidet ein
Pflichtteilsergänzungsanspruch sowohl nach § 2325 als auch nach § 2329 aus (BGH,
Urteil vom 8. Februar 1961 – V ZR 137/59,
a.a.O. § 2329 Rn. 2; Staudinger/Olshausen (2015) BGB § 2329, Rn. 7). Dies
begründet sich damit, dass der Pflichtteilsberechtigte auch mit dem
Ergänzungsanspruch nicht bessergestellt werden soll, als er stünde, wenn das
Geschenk sich noch im Nachlass befände (Staudinger/Olshausen (2015) BGB § 2325,
Rn. 61). Wären die Bezugsrechte nicht verschenkt worden und daher im Nachlass
verblieben, würde sich dies vermögensichtlich jedoch nicht zugunsten der Klägerin
auswirken.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen. Weder
hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts.
Die Wertfestsetzung beruht auf den § 3 ZPO, §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1
GKG.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Saarbrücken
Erscheinungsdatum:12.02.2020
Aktenzeichen:5 U 59/19
Rechtsgebiete:
Erbenhaftung
Allgemeines Schuldrecht
Gesetzliche Erbfolge
Erbverzicht
Abstammung (incl. künstliche Befruchtung), Adoption
Vorweggenommene Erbfolge (Ausgleichung, Anrechnung)
Pflichtteil
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Grundstücksübergabe, Überlassungsvertrag
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
ZEV 2020, 767-772
Normen in Titel:BGB §§ 2303, 2346