Online-Teilnahme an einer Eigentümerversammlung; Zulässigkeit einer Eigentümerversammlung unter Geltung der „2G-Regel“ während der Corona-Pandemie
letzte Aktualisierung: 9.1.2025
BGH, Urt. v. 20.9.2024 – V ZR 123/23
WEG §§ 23 Abs. 1 S. 2, 24 Abs. 1
Online-Teilnahme an einer Eigentümerversammlung; Zulässigkeit einer Eigentümerversamm-
lung unter Geltung der „2G-Regel“ während der Corona-Pandemie
1. Unter den während der Corona-Pandemie zeitweise geltenden landesrechtlichen Vorgaben von
„2G“ durfte eine Eigentümerversammlung stattfinden. Der Verwalter musste die für die
Versammlung geltenden infektionsschutzrechtlichen Vorgaben beachten und durfte
dementsprechend in der Ladung auf die Notwendigkeit der Einhaltung der „2G“-Regelung
hinweisen. Die Abhaltung einer Eigentümerversammlung war auch dann ermessensgerecht, wenn
einzelne Wohnungseigentümer mitteilten, die Vorgaben der „2G“-Regelung nicht zu erfüllen und
deshalb an der Teilnahme gehindert zu sein.
2a. Der Verwalter muss, wenn ein Grundlagenbeschluss nach
worden ist, nicht bereits in der Ladung zur Eigentümerversammlung auf die Möglichkeit der Online-
Teilnahme hinweisen und die dafür notwendigen technischen Details mitteilen.
2b. Ein Wohnungseigentümer, dem die Online-Teilnahme an der Eigentümerversammlung durch
Beschluss gemäß
Teilnahme Gebrauch machen. Der Verwalter kann dieses Verlangen abwarten und muss die Online-
Teilnahme auch dann nicht von sich aus (vorsorglich) anbieten, wenn ein Wohnungseigentümer ihm
mitteilt, dass er an der Versammlung nicht physisch teilnehmen kann.
Gründe:
I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in
ist, erklärt die Beschlüsse wegen eines Ladungsmangels für ungültig. Zwar
sei der ursprüngliche Hinweis in der Ladung auf die geltenden "2G"-Regelungen
rechtmäßig gewesen. Die Entscheidung der Verwalterin, am 4. März 2022 keine
Hybridversammlung abzuhalten, sei aber ermessensfehlerhaft gewesen. Der
Klägerin sei im Zeitpunkt der Ladung am 10. Februar 2022 aufgrund der infektionsschutzrechtlichen
Bestimmungen ("2G"-Regelung) die Teilnahme an der Versammlung
in Präsenz nicht möglich gewesen, weil sie weder gegen das Coronavirus
SARS-COV-2 geimpft noch von einer Infektion mit dem Virus genesen gewesen
sei. Eine hybride Eigentümerversammlung sei nach dem Beschluss zu
TOP 8a vom 5. Juli 2021 möglich gewesen. Die Auslegung dieses Beschlusses
ergebe, dass Hybridversammlungen auch dann ermöglicht werden sollten, wenn
einzelne Wohnungseigentümer daran nicht teilnehmen könnten. Die Abhaltung
einer hybriden Versammlung habe der Beschluss zwar grundsätzlich in das Ermessen
der Verwalterin gestellt. Dieses Ermessen habe sich aber nur darauf bezogen,
ob die Eigentümerversammlung gar nicht oder ob sie in hybrider Form
durchgeführt werde. Dagegen sei keine Ermessensentscheidung dahingehend
eröffnet gewesen, eine Präsenzversammlung abzuhalten, obwohl nicht alle Wohnungseigentümer
hätten anwesend sein können.
Infolgedessen habe ein Ladungsmangel vorgelegen. Zwar sei die Bayerische
Infektionsschutzmaßnahmeverordnung durch Ministerratsbeschluss vom
2. März 2022 mit Wirkung zum 4. März 2022, 0.00 Uhr, geändert worden, so dass
die Klägerin an der Versammlung doch in Präsenz hätte teilnehmen können. Mit
einer Änderung der Rechtslage so kurz vor der Versammlung habe die Klägerin
aber nicht rechnen können, weshalb die Ladungsfrist nicht gewahrt sei. Jedenfalls
nachdem die Klägerin der Verwalterin angezeigt habe, dass sie die "2G"-
Kriterien nicht erfülle, hätte eine Hybridversammlung abgehalten werden müssen.
Etwas anderes folge nicht daraus, dass die Klägerin keine Hybridversammlung,
sondern die Absage der Versammlung beantragt habe. Eine Ursächlichkeit
des Ladungsmangels für das Ergebnis könne nicht ausgeschlossen werden.
II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Der angefochtene Beschluss ist nicht bereits wegen unzureichender tatbestandlicher
Feststellungen aufzuheben.
a) Der für das Revisionsverfahren maßgebliche Prozessstoff bestimmt
sich nach
grundsätzlich nur der Tatsachenstoff, der sich aus dem Berufungsurteil einschließlich
der in ihm enthaltenen wirksamen Bezugnahmen sowie aus dem Sitzungsprotokoll
erschließt. Dies gilt auch dann, wenn Gegenstand des Revisionsverfahrens
ein die Berufung gemäß
ist, da dieser an die Stelle des Berufungsurteils tritt. Deshalb müssen die
tatsächlichen Grundlagen, von denen das Berufungsgericht ausgegangen ist,
aus dem Berufungsurteil oder dem Zurückweisungsbeschluss ersichtlich sein,
um dem Revisionsgericht die Überprüfung zu ermöglichen. Dabei reicht für die
Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes gemäß § 540 Abs. 1
Nr. 1 ZPO bzw.
Feststellungen in dem angefochtenen Urteil aus. Eine revisionsrechtliche Prüfung
ist nicht möglich, wenn tatbestandliche Darstellungen in dem Berufungsurteil
oder in dem Zurückweisungsbeschluss völlig fehlen oder derart widersprüchlich,
unklar oder lückenhaft sind, dass sich die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung
des Berufungsgerichts nicht mehr zweifelsfrei erkennen lassen (vgl. Senat,
Urteil vom 9. Dezember 2016 - V ZR 231/15,
Urteil vom 29. Januar 2021 - V ZR 158/20, Grundeigentum 2021, 644 Rn. 6).
Gleiches gilt, wenn sich die Berufungsanträge nicht aus dem Berufungsurteil ergeben.
Deren Wiedergabe ist nicht deshalb entbehrlich, weil sie in dem Protokoll
über die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht enthalten sind (vgl.
Senat, Urteil vom 29. Januar 2021 - V ZR 158/20, aaO Rn. 6 mwN).
b) Der angefochtene Beschluss enthält zwar weder eine geordnete Sachdarstellung
noch eine Bezugnahme auf die Feststellungen des Amtsgerichts. Er
gibt auch die Berufungsanträge nicht wieder. Er genügt den Mindestanforderungen
des
der Gründe des Hinweis- und des Zurückweisungsbeschlusses lassen
sich noch hinreichend deutlich die tatbestandlichen Feststellungen entnehmen;
es ist auch erkennbar, dass die Beklagte mit der Berufung die Aufhebung des
amtsgerichtlichen Urteils und die Abweisung der Anfechtungsklage erstrebt hat.
2. Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass allein
die Anfechtbarkeit, nicht aber die Nichtigkeit der in der Versammlung vom
4. März 2022 gefassten Beschlüsse in Betracht kommt. Denn die von der Klägerin
geltend gemachten Beschlussmängel betreffen die in den
Formvorschriften für die Einberufung einer Eigentümerversammlung,
die nicht zu den zwingenden Bestimmungen und Grundsätzen des Wohnungseigentumsrechts
gehören. Ihre Verletzung führt regelmäßig - und so auch hier - zur
Anfechtbarkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse, nicht aber zu deren
Nichtigkeit gemäß
8. März 2024 - V ZR 80/23,
3. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht weiter davon aus, dass die
Verwalterin für die Eigentümerversammlung am 4. März 2022 die Einhaltung der
während der Corona-Pandemie geltenden infektionsschutzrechtlichen Bestimmungen
beachten musste und deshalb zutreffend in der Ladung vom 10. Februar
2022 auf die "2G"-Regelung hingewiesen hat.
a) Unter den während der Corona-Pandemie zeitweise geltenden landesrechtlichen
Vorgaben von "2G" durfte eine Eigentümerversammlung stattfinden
(Zutritt nur für gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 Geimpfte oder von einer Infektion
mit dem Virus Genesene; hier gemäß § 5 Abs. 1 der Fünfzehnten Bayerischen
Infektionsschutzmaßnahmeverordnung [15. BayIfSMV] vom 23. November
2021, BayMBl. 2021 Nr. 816, i.V.m. § 2 Nr. 2 und 4 COVID-Schutzmaßnahmen-
Ausnahmeverordnung [SchAusnahmV] in der Fassung vom 8. Mai 2021,
BAnz AT vom 8. Mai 2021, V1). Zwar ergibt sich aus der Mitgliedschaft in der
GdWE das Recht jedes Wohnungseigentümers auf Teilnahme an der Versammlung,
was nach derzeit geltendem Recht regelmäßig und vorbehaltlich einer
grundsätzlich möglichen Stellvertretung im Sinne der
Anwesenheit der Wohnungseigentümer in der Versammlung voraussetzt
(vgl. Senat, Urteil vom 8. März 2024 - V ZR 80/23,
mwN). Das Recht auf Teilnahme in Präsenz gilt aber nicht unbeschränkt, sondern
nur im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen, zu denen die während der
Corona-Pandemie geltenden Beschränkungen des Zugangs auf Personen mit
einem bestimmten Impf- bzw. Teststatus aufgrund der geltenden Vorschriften
des Infektionsschutzgesetzes und der darauf gestützten landesrechtlichen Verordnungen
zählen (vgl. AG München,
Wohnungseigentümer nicht an der Versammlung in Präsenz teilnehmen konnten,
ist Folge der Rechtslage und macht eine dem gesetzlich vorgesehenen
Grundbild entsprechende Eigentümerversammlung nicht unmöglich.
b) Der Verwalter musste die für die Versammlung geltenden infektionsschutzrechtlichen
Vorgaben beachten, zumal ein Verstoß gegen die Corona-
Schutzvorschriften bußgeldbewehrt war (vgl. hier § 17 Nr. 3 der 15. BayIfSMV),
und durfte dementsprechend in der Ladung auf die Notwendigkeit der Einhaltung
der "2G"-Regelung hinweisen (vgl. auch LG Bremen,
"2G"-Regelung stand der Einberufung der Eigentümerversammlung nicht entgegen.
Die Wohnungseigentümer konnten sich vertreten lassen. Ohnehin konnte
der Verwalter im Zeitpunkt der Ladung nicht wissen, ob die Wohnungseigentümer
die "2G"-Vorgaben erfüllen oder nicht.
c) Zum Zeitpunkt der Ladung am 10. Februar 2022 galt die Zugangsbeschränkung
"2G" (vgl. § 5 Abs. 1 der 15. BayIfSMV i.V.m. § 2 Nr. 2 und
4 SchAusnahmV aF). Danach konnten nur solche Personen an einer in geschlossenen
Räumen der Gastronomie stattfindenden Eigentümerversammlung in Präsenz
teilnehmen, die gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft oder von einer
Infektion mit dem Virus genesen waren. Indem die Verwalterin einerseits ihrer
Pflicht nachkam, eine Eigentümerversammlung einzuberufen (§ 24 Abs. 1 WEG),
andererseits in der Ladung auf die "2G"-Regelung hinwies, verhielt sie sich
rechtskonform. Sie musste nämlich davon ausgehen, dass die Regelung zum
Zeitpunkt der Versammlung am 4. März 2022 fortgelten werde.
4. Der Sache nach zutreffend geht das Berufungsgericht weiter davon aus,
dass die Verwalterin, nachdem die Klägerin ihr mitgeteilt hatte, dass sie die "2G"-
Vorgaben nicht erfüllte, nicht deshalb ermessensfehlerhaft handelte, weil sie die
Versammlung nicht absagte. Die Verhinderung einzelner Wohnungseigentümer
kann schon eine Verlegung der Eigentümerversammlung nur in Ausnahmefällen
veranlassen (vgl. Bärmann/Merle, WEG, 15. Aufl., § 24 Rn. 67; Staudinger/Häublein,
BGB [2023],
einer ersatzlosen Absage der Eigentümerversammlung begründen. Die Abhaltung
einer Eigentümerversammlung war unter den besonderen Bedingungen der
Corona-Pandemie auch dann ermessensgerecht, wenn einzelne Wohnungseigentümer
- wie hier - mitteilten, die Vorgaben der "2G"-Regelung nicht zu erfüllen
und deshalb an der Teilnahme gehindert zu sein. Das ergibt sich schon daraus,
dass eine Terminsverlegung das Problem regelmäßig nicht beseitigte und die
Nichtabhaltung der Versammlung den Vorgaben des Wohnungseigentumsgesetzes
widersprach, während die verhinderten Wohnungseigentümer durch die
Möglichkeit einer Vertretung ausreichend geschützt waren (zum Ganzen auch
Senat, Urteil vom 8. März 2023 - V ZR 80/23,
5. Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, es liege
ein Ladungsmangel vor, weil die Verwalterin für die Versammlung keine Online-
Teilnahme angeboten hat.
a) Nach der durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz zum
1. Dezember 2020 neu geschaffenen Bestimmung des
können die Wohnungseigentümer beschließen, dass Wohnungseigentümer an
der Versammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort teilnehmen und sämtliche
oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation
(nachfolgend: Online-Teilnahme) ausüben können (hybride Versammlung).
Die Vorschrift begründet eine gesetzliche Beschlusskompetenz für
die Gestattung einer Online-Teilnahme der Wohnungseigentümer an der Präsenzversammlung
(vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 71). Nur wenn ein solcher Beschluss
gefasst ist, darf eine Online-Teilnahme eines Wohnungseigentümers erfolgen,
andernfalls ist sie unzulässig. Liegt ein Gestattungsbeschluss vor, hat der
Wohnungseigentümer das Recht, davon Gebrauch zu machen (vgl. Bärmann/
Dötsch, WEG, 15. Aufl., § 23 Rn. 145; BeckOK WEG/Bartholome [15.7.2024],
§ 23 Rn. 21; Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 23 Rn. 42; Lehmann-Richter/Wobst,
WEG-Reform 2022, Rn. 613). Erfolgt eine Online-Teilnahme, handelt es sich um
eine hybride Versammlung. Diese ist und bleibt jedoch eine Präsenzversammlung,
an der (lediglich) einzelne Wohnungseigentümer online teilnehmen dürfen.
b) Den Beschluss zur Gestattung einer Online-Teilnahme an der Eigentümerversammlung
vom 4. März 2022 sieht das Berufungsgericht im Ausgangspunkt
zu Recht in dem Beschluss der Wohnungseigentümer zu TOP 8a vom
5. Juli 2021.
aa) Der Beschluss zu TOP 8a vom 5. Juli 2021 ist auslegungsbedürftig.
Seinem Wortlaut nach wird den Wohnungseigentümern die Online-Teilnahme an
Eigentümerversammlungen nur unter bestimmten Bedingungen gestattet, nämlich
dann, wenn Präsenzversammlungen nicht möglich sind. Ein Beschluss mit
diesem Inhalt ergibt allerdings keinen Sinn, weil eine reine Online-Versammlung
damals unzulässig war.
vom 16. Oktober 2020 ermöglicht es nicht, von einer Präsenzversammlung
gänzlich abzusehen (vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 71; Senat, Urteil vom 8. März
2024 - V ZR 80/23,
bb) Die Auslegung des Berufungsgerichts, der Beschluss zu Top 8a vom
5. Juli 2021 erfasse auch die Situation, in der - wie hier - einzelne Wohnungseigentümer
die aufgrund der Corona-Schutzvorschriften geltenden Zugangskriterien
für Versammlungen nicht erfüllen und deshalb nicht (physisch) an der Versammlung
teilnehmen können, hält der insoweit uneingeschränkten Nachprüfung
durch den Senat (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 17. April 2015 - V ZR 12/14,
Online-Teilnahme von Wohnungseigentümer werde für den Fall zugelassen,
dass pandemiebedingt eine "normale" Eigentümerversammlung nicht möglich ist,
ist nächstliegend. Die Wohnungseigentümer wollten mit dem Gestattungsbeschluss
für die während der Corona-Pandemie abzuhaltenden Eigentümerversammlungen
der Dynamik des Infektionsgeschehens und den damit verbunde-
nen Änderungen der Infektionsschutzmaßnahmen Rechnung tragen, um möglichst
vielen Wohnungseigentümern eine Teilnahme an der Versammlung zu ermöglichen.
Die Anzahl der an der Versammlung teilnehmenden Personen war im
Frühjahr 2022 zwar nicht (mehr) pandemiebedingt beschränkt (vgl. noch § 7
Abs. 1 und 2 der 13. BayIfSMV vom 5. Juni 2021, BayMBl. 2021, Nr. 384). Die
Wohnungseigentümer mussten aber zum Zeitpunkt der Ladung am 10. Februar
2022 die "2G"-Vorgaben (vgl. oben Rn. 14) und im Zeitpunkt der Versammlung
am 4. März 2022 die "3G"-Vorgaben (vgl. Beschluss der Bayerischen Staatskanzlei,
BayMBl. 2022 Nr. 152: geimpft, genesen oder negativ getestet im Sinne
von § 2 Nr. 2, 4 und 6 SchAusnahmV aF) erfüllen, um vor Ort teilnehmen zu
können. Auch dieser Fall ist von dem Gestattungsbeschluss (Beschluss Top 8a)
vom 5. Juli 2021 erfasst.
c) Daraus folgt aber, anders als das Berufungsgericht meint, kein Ladungsmangel.
aa) Es begründet zunächst keinen Ladungsmangel, dass die Verwalterin
nicht in der Ladung vom 10. Februar 2022 auf die Möglichkeit der Online-Teilnahme
hingewiesen hat. Der Verwalter muss, wenn ein Grundlagenbeschluss
nach
Eigentümerversammlung auf die Möglichkeit der Online-Teilnahme hinweisen
und die dafür notwendigen technischen Details mitteilen. Notwendiger Inhalt der
Ladung zur Eigentümerversammlung sind nach allgemein anerkannter Ansicht
der Ort und die Zeit der Versammlung sowie die Beschlussgegenstände (Tagesordnung
gemäß § 23 Abs. 2 WEG; vgl. BeckOGK/Hermann, WEG [1.9.2024],
§ 24 Rn. 75 ff.; Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 24 Rn. 96; Schultzky in Jennißen,
WEG, 8. Aufl., § 24 Rn. 55). Der Hinweis auf einen Gestattungsbeschluss nach
technischen Details (z.B. Einwahldaten) gehören nicht zum notwendigen Inhalt
der Ladung. Die Einwahldaten für die Online-Teilnahme treten bei einer hybriden
Eigentümerversammlung insbesondere nicht an die Stelle der Angabe des Versammlungsortes
(entgegen Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl., § 23 Rn. 47; Lehmann-
Richter/Wobst, WEG-Reform 2020 Rn. 614; Pauli,
Skauradszun/Kolb,
derjenige der Präsenzversammlung; daran nimmt der Wohnungseigentümer im
Wege der elektronischen Kommunikation (online) teil. Der Hinweis auf die Möglichkeit
der Online-Teilnahme und die Angabe der technischen Details für die Online-
Teilnahme in der Ladung mögen zwar aus Praktikabilitätsgesichtspunkten
sinnvoll sein. Rechtmäßigkeitserfordernis für die Ladung sind sie aber nicht. Es
gilt dasselbe wie für den Hinweis auf eine Vertretungsmöglichkeit. Für diesen ist
anerkannt, dass er nicht zwingend ist (vgl. dazu Hügel/Elzer, aaO; Schultzky in
Jennißen, aaO).
bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind die gefassten Beschlüsse
auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Verwalterin der Klägerin nicht
unaufgefordert eine Online-Teilnahme angeboten hat, nachdem diese mitgeteilt
hat, sie könne nach den geltenden infektionsschutzrechtlichen Bestimmungen
nicht an der Versammlung teilnehmen.
(1) Ein Wohnungseigentümer, dem die Online-Teilnahme an der Eigentümerversammlung
durch Beschluss gemäß
muss aktiv von seinem Recht auf Online-Teilnahme Gebrauch machen. Der Verwalter
kann dieses Verlangen abwarten und muss die Online-Teilnahme auch
dann nicht von sich aus (vorsorglich) anbieten, wenn ein Wohnungseigentümer
ihm mitteilt, dass er an der Versammlung nicht physisch teilnehmen kann. Eine
Hybridversammlung ist nämlich mit einem erheblichen organisatorischen und
technischen Aufwand für den Verwalter verbunden, der einen Versammlungsraum
und zusätzlich die technische und personelle Ausstattung für eine Online-
Teilnahme bereitstellen muss. Der Verwalter darf vor diesem Hintergrund erwarten,
dass ein verhinderter Wohnungseigentümer zunächst im eigenen Interesse
überprüft, ob er Zeit für die Versammlung hat und über die nötige technische
Ausstattung für die Online-Teilnahme verfügt, und dass er sich dann gegebenenfalls
mit diesem Anliegen an ihn wendet. Erst wenn der Wohnungseigentümer
dem Verwalter mitteilt, er wolle online an der Versammlung teilnehmen, muss der
Verwalter ihm dies ermöglichen und seinerseits rechtzeitig die dafür notwendigen
technischen Details mitteilen. Dabei steht das Verlangen eines Wohnungseigentümers,
die Versammlung abzusagen, nicht dem Verlangen nach einer Online-
Teilnahme gleich. Es ist nicht Aufgabe des Verwalters, den Eigentümer über die
Möglichkeit der Online-Teilnahme zu beraten. Dem Wohnungseigentümer ist die
Beschlusslage bekannt; er muss zur Wahrung seiner rechtlichen Interessen prüfen
und entscheiden, ob er online teilnehmen kann und möchte.
(2) Dass ein Wohnungseigentümer eine Online-Teilnahme verlangt hat,
zeigt die Revision nicht auf. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat
die Klägerin nur die Absage der Versammlung gefordert, zu der die Verwalterin
aber nicht gehalten war (vgl. oben Rn. 15).
cc) Infolgedessen ist, anders als das Berufungsgericht meint, die gesetzliche
Einberufungsfrist des § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG mit der Ladung vom 10. Februar
2022 gewahrt. Auf die Änderung der Bayerischen Infektionsschutzordnung
am 2. März 2022 kommt es nicht an. Die Entschärfung der infektionsschutzrechtlichen
Bestimmungen machte eine Verlegung der Versammlung vom 4. März
2022 nicht erforderlich.
III.
Die Berufungsentscheidung kann daher keinen Bestand haben; sie ist aufzuheben
(
an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da die Sache nicht zur Endentscheidung
reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat - von
seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu weiteren Anfechtungsgründen
getroffen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:20.09.2024
Aktenzeichen:V ZR 123/23
Rechtsgebiete:
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
WEG §§ 23 Abs. 1 S. 2, 24 Abs. 1