BGH 20. Juli 2020
NotZ (Brfg) 2/19
BNotO § 52 Abs. 2

Versagung der Erlaubnis zur Führung der Bezeichnung „Notar a. D.“

letzte Aktualisierung: 04.09.2020
BGH, Beschl. v. 20.7.2020 – NotZ (Brfg) 2/19

BNotO § 52 Abs. 2
Versagung der Erlaubnis zur Führung der Bezeichnung „Notar a. D.“

Für die Versagung der Erlaubnis zur Führung der Bezeichnung „Notar außer Dienst (a. D.)“ bedarf
es keiner Dienstverfehlung, die derart schwerwiegend ist, dass sie bei Fortbestehen der
Notartätigkeit zu einer Entfernung aus dem Amt geführt hätte, und auch keines
Disziplinarverfahrens, welches Letzteres zum Ziel gehabt hätte. Erforderlich, aber auch ausreichend,
ist, dass der Notar seine Dienstpflichten in grob unredlicher Weise verletzt und dadurch das
Vertrauen in die Verlässlichkeit und Sicherheit notarieller Amtsausübung schwer erschüttert hat.

Gründe:

I.
Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihm die Erlaubnis zu
erteilen, die Amtsbezeichnung "Notar" mit dem Zusatz "außer Dienst (a.D.)"
weiterzuführen.

Der seit 1979 als Rechtsanwalt zugelassene Kläger war von 1982 bis
zum Erreichen der Altersgrenze nach § 48a BNotO mit Ablauf des Monats Oktober
2018 Notar mit Amtssitz in O. . Seinem Antrag vom 25. April
2018, ihm die Weiterführung der Amtsbezeichnung "Notar" mit dem Zusatz "außer
Dienst (a.D.)" zu erlauben, gab die Beklagte nicht statt. Ihre Entscheidung
begründete sie unter Hinweis auf in den Jahren 2002, 2008, 2009, 2015 und
2016 gegen den Kläger verhängte Disziplinarmaßnahmen damit, dass dieser
seine Dienstpflichten in grob unredlicher Weise verletzt und dadurch das Vertrauen
in die Verlässlichkeit und Sicherheit notarieller Amtsausübung so schwer
erschüttert habe, dass ihm im Rahmen des ihr, der Beklagten, eröffneten Ermessens
nicht zu gestatten sei, die frühere Amtsbezeichnung weiterzuführen.
Das Oberlandesgericht hat die Verpflichtungsklage abgewiesen. Hiergegen
wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, mit
der er sein Klagebegehren weiterverfolgt.

II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, bleibt in der Sache
aber ohne Erfolg. Ein Grund zur Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 5 Satz 2,
§ 124 Abs. 2 VwGO iVm § 111d Satz 2 BNotO) liegt nicht vor. Entgegen der
Auffassung des Klägers hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung,
weicht das Urteil des Oberlandesgerichts nicht von einer Entscheidung des
Bundesgerichtshofs ab und bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der
Richtigkeit dieses Urteils.

1. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache
(§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO iVm § 111d Satz 2 BNotO) ist erfüllt, wenn es im
konkreten Fall auf eine Tatsachen- oder Rechtsfrage ankommt, die über den
von der ersten Instanz entschiedenen Fall hinausgeht und an deren Klärung
daher im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts auch für vergleichbare
Fälle ein Interesse besteht (s. zB Senat, Beschlüsse vom 20. Juli
2015 - NotZ(Brfg) 12/14, DNotZ 2015, 872, 873 Rn. 9 und vom 23. November
2015 - NotSt(Brfg) 5/15, DNotZ 2016, 311, 316 Rn. 19, jeweils mwN). Diese
Voraussetzungen sind nicht gegeben, wenn die Streitfrage bereits in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt ist (s. zB Senat, Beschlüsse vom
20. Juli 2015 aaO und vom 23. November 2015 aaO). Letzteres ist hier der Fall.
Die für die Entscheidung über diese Rechtssache maßgeblichen Fragen sind
durch die Rechtsprechung des erkennenden Senats geklärt.

a) Gemäß § 52 Abs. 1 BNotO darf ein Notar nach dem Erlöschen seines
Amtes die Bezeichnung "Notar" grundsätzlich nicht mehr führen, auch nicht mit
einem Zusatz, der auf das Erlöschen des Amtes hinweist. Jedoch kann die
Landesjustizverwaltung dem früheren Anwaltsnotar nach § 52 Abs. 2 Satz 2
i.V.m. § 52 Abs. 2 Satz 1 BNotO unter anderem dann die Erlaubnis erteilen,
seine frühere Amtsbezeichnung "Notar" mit dem Zusatz "außer Dienst (a.D.)"
weiterzuführen, wenn sein Amt wegen Erreichens der Altersgrenze (§ 48a
BNotO) erloschen ist. Durch diese Regelung wollte der Gesetzgeber erreichen,
dass der Eindruck eines unehrenhaften Ausscheidens aus dem Amt vermieden
wird, wenn ein Anwaltsnotar seine Notartätigkeit etwa aus wirtschaftlichen
Überlegungen aufgibt. Daher darf die Justizverwaltung die Weiterführung der
Amtsbezeichnung nur verweigern, wenn besondere Gründe die Ausübung des
Ermessens in diese Richtung rechtfertigen. Worin derartige Gründe gesehen
werden können, regelt das Gesetz nicht ausdrücklich. Die Ermessensausübung
hat sich daher an dessen Zweck zu orientieren. Wie sich der Regelung der Voraussetzungen,
unter denen nach § 52 Abs. 2 BNotO die Erlaubnis erteilt und
gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 BNotO wieder zurückgenommen werden kann, entnehmen
lässt, will das Gesetz unter anderem verhindern, dass ein früherer
Notar durch den weiteren Gebrauch der Amtsbezeichnung das Ansehen und
das Vertrauen schädigt, die dem Notarberuf entgegengebracht werden (s. zu
alldem Senat, Urteil vom 13. März 2017 - NotZ(Brfg) 4/16, BGHZ 214, 193, 197
Rn. 22 f und S. 199 Rn. 27; Beschlüsse vom 23. Juli 2007 - NotZ 56/06, DNotZ
2008, 307, 308 Rn. 6; vom 24. November 2014 - NotZ(Brfg) 8/14, DNotZ 2015,
230, 231 Rn. 7 mwN; vom 23. April 2018 - NotZ(Brfg) 4/17, DNotZ 2018, 711,
713 Rn. 17 mwN und vom 19. November 2018 - NotZ(Brfg) 5/18, DNotZ 2019,
395 f Rn. 3). Dienstverfehlungen des Notars können es daher rechtfertigen, die
Erlaubnis zur Weiterführung der Amtsbezeichnung zu versagen, wobei es nicht
erforderlich ist, dass diese Verfehlungen ohne das freiwillige (beziehungsweise
mit dem Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze einhergehende) Ausscheiden
des Notars zu dessen Entfernung aus dem Amt geführt hätten (Senat, Beschlüsse
vom 23. Juli 2007 aaO; vom 24. November 2014 aaO und vom 19.
November 2018 S. 396 Rn. 3 aaO). Andererseits genügen leichte und mittelschwere
Disziplinarverstöße noch nicht. Den Schutz vor dem ungerechtfertigten
Eindruck, er habe sein Amt aus makelbehafteten Gründen aufgeben müssen,
verdient der freiwillig (beziehungsweise mit dem Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze)
aus dem Amt scheidende Anwaltsnotar erst dann nicht mehr, wenn
seine Verfehlungen von erheblichem Gewicht waren. Er muss seine Dienstpflichten
in grob unredlicher Weise verletzt und dadurch das Vertrauen in die
Verlässlichkeit und Sicherheit notarieller Amtsausübung schwer erschüttert haben
(Senat, Beschlüsse vom 23. Juli 2007 aaO Rn. 7; vom 23. April 2018 aaO;
vom 19. November 2018 aaO; vgl. auch Senat, Beschluss vom 24. November
2014 aaO S. 231 Rn. 8 mwN und S. 232 Rn. 10).

b) Nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen bedarf es entgegen der
Auffassung des Klägers für die Versagung der Erlaubnis zur Führung der Bezeichnung
"Notar außer Dienst (a.D.)" keiner Dienstverfehlung, die derart
schwerwiegend ist, dass sie bei Fortbestehen der Notartätigkeit zu einer Entfernung
aus dem Amt geführt hätte, und auch keines Disziplinarverfahrens, welches
Letzteres zum Ziel gehabt hätte. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist,
dass der Notar seine Dienstpflichten in grob unredlicher Weise verletzt und
dadurch das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Sicherheit notarieller Amtsausübung
schwer erschüttert hat. In diesem Fall ist er der Weiterführung der
Bezeichnung "Notar" mit dem Zusatz "außer Dienst (a.D.)" nicht würdig. Darin
liegt, anders als der Kläger meint, keine "doppelte Bestrafung" für bereits ge-
ahndete Dienstverfehlungen, sondern eine eigenständige Entscheidung darüber,
ob der Notar würdig ist, nach dem Erlöschen seines Notaramtes die Bezeichnung
"Notar außer Dienst (a.D.)" zu führen. Weitere Umstände, aus denen
sich eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben könnte, sind weder
vorgetragen noch sonst ersichtlich.

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO
i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO setzt voraus, dass das erstinstanzliche Urteil von
der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht und es auf dieser Abweichung
beruht. Eine Abweichung liegt vor, wenn das in Notarsachen erstinstanzlich
zuständige Oberlandesgericht mit einem seine Entscheidung tragenden
abstrakten Rechtssatz von einem in der höchstrichterlichen Judikatur aufgestellten
ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben oder einer inhaltsgleichen
Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent abrückt. Zwischen den Gerichten
muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt
einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen
(s. zB Senat, Beschluss vom 20. Juli 2015 - NotZ(Brfg) 12/14, DNotZ 2015,
872, 874 f Rn. 16 mwN). Auch dieser Zulassungsgrund liegt indes nicht vor.
Insbesondere besteht entgegen der Meinung des Klägers keine Divergenz zum
Beschluss des erkennenden Senats vom 24. November 2014 (NotZ(Brfg) 8/14).
Die Ablehnung der Erlaubnis zur Führung der Bezeichnung "Notar außer Dienst
(a.D.)" hat hiernach nicht, wie der Kläger annimmt, zur Voraussetzung, dass der
Notar "unehrenhaft" aus seinem Amt geschieden ist. Nach ständiger Rechtsprechung
des erkennenden Senats ist vielmehr maßgeblich, ob der Notar seine
Dienstpflichten in grob unredlicher Weise verletzt und dadurch das Vertrauen
in die Verlässlichkeit und Sicherheit notarieller Amtsausübung schwer erschüttert
hat oder nicht.

3. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen
Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO iVm § 111d Satz 2 BNotO) ist
nur gegeben, wenn der Antragsteller im Zulassungsverfahren einen einzelnen
tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit
schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (s. zB Senat, Beschlüsse
vom 20. Juli 2015 - NotZ(Brfg) 12/14, DNotZ 2015, 872, 875 Rn. 19 und vom
23. November 2015 - NotSt(Brfg) 5/15, DNotZ 2016, 311, 312 Rn. 5, jeweils
mwN; vgl. auch Senat, Beschluss vom 23. April 2018 - NotZ(Brfg) 4/17, DNotZ
2018, 711, 712 Rn. 15). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder
tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn
solche Zweifel nicht auch die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (Senat, Beschlüsse
vom 20. Juli 2015 aaO; vom 23. November 2015 aaO und vom 13.
November 2017 - NotSt(Brfg) 3/17, NJW 2018, 1607, 1610 Rn. 22; jeweils
mwN; vgl. auch Senat, Beschluss vom 23. April 2018 aaO). Die hier angegriffene
Entscheidung begegnet keinen solchen Bedenken. Die Beurteilung des
Oberlandesgerichts, dass die Beklagte durch die Ablehnung des Antrags des
Klägers, nach seinem Ausscheiden aus dem Notaramt die Bezeichnung "Notar"
mit dem Zusatz "außer Dienst (a.D.)" weiterzuführen, weder die gesetzlichen
Grenzen des ihr durch § 52 Abs. 2 Satz 2 BNotO eingeräumten Ermessens
überschritten noch von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden
Weise Gebrauch gemacht habe (vgl. § 114 Satz 1 VwGO), ist
nicht zu beanstanden.

a) Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, dass die dem Kläger in den
gegen ihn ergangenen Disziplinarverfügungen angelasteten Dienstpflichtverletzungen
zahlreich seien und teilweise schon für sich genommen, jedenfalls aber
in ihrer Gesamtheit, schwer wögen.

b) Gegen diese, im Einzelnen begründete, Würdigung bestehen keine
Bedenken. Eine Vielzahl von Verstößen gegen Treuhandauflagen, gegen das
Verbot, bei Handlungen mitzuwirken, die erkennbar unerlaubte oder unredliche
Zwecke verfolgen, und gegen das Gebot der Unparteilichkeit rechtfertigen die
Ablehnung der Erlaubnis, die Bezeichnung "Notar außer Dienst (a.D.)" zu führen
(vgl. Senat, Beschlüsse vom 23. Juli 2007 - NotZ 56/06, DNotZ 2008, 307,
308 f Rn. 7 und vom 19. November 2018 - NotZ(Brfg) 5/18, DNotZ 2019, 395,
396 Rn. 4). Gleiches gilt für eine Vielzahl von Verstößen gegen notarielle Pflichten,
die über einen längeren Zeitraum und trotz der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen
erfolgt sind und unterschiedliche Kernbereiche der notariellen
Tätigkeit betreffen (vgl. Senat, Beschluss vom 24. November 2014 - NotZ(Brfg)
8/14, DNotZ 2015, 230, 233 Rn. 20). So liegt es auch hier. Der Kläger hat
schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen begangen, wobei die Beklagte ermessensfehlerfrei
insbesondere auf die systematische Einsetzung einer von
einer Mitarbeiterin des Klägers geführten Gesellschaft als Testamentsvollstreckerin
in 54 Fällen in einem Zeitraum von vier Jahren (2011 bis 2014) abgestellt
hat. Die hiervon betroffenen Prinzipien der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit
gehören zu den wichtigsten des notariellen Berufsrechts und rechtfertigen
überhaupt erst das Vertrauen, das dem Notar entgegengebracht wird; sie bilden
mithin das Fundament des Notarberufs, und zwar sowohl für den Nur-Notar als
auch für den Anwaltsnotar (Senat, Beschluss vom 13. November 2017
- NotSt(Brfg) 3/17, NJW 2018, 1607, 1610 Rn. 25 mwN). Zutreffend hat das
Oberlandesgericht auch die übrigen Verfehlungen, die Gegenstand der Disziplinarverfügungen
gegen den Kläger aus den Jahren 2002, 2008, 2009 und 2015
gewesen sind, als teilweise schon für sich genommen, jedenfalls aber in ihrer
Gesamtheit, derart schwerwiegend eingeordnet, dass dadurch das Vertrauen in
die Verlässlichkeit und Sicherheit notarieller Amtsführung schwer erschüttert
worden ist. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass viele dieser Verfehlun-
gen trotz vorangegangener Disziplinarmaßnahmen geschehen sind, Letztere
den Kläger also nicht zu einer durchweg sorgfältigen und redlichen Besorgung
seiner notariellen Geschäfte haben anhalten können.

c) Hiernach erweist sich der Einwand des Klägers, es handele sich nur
um "leichte" Verfehlungen, als unberechtigt. Wie oben (unter 1) bereits ausgeführt,
bedarf es entgegen der Auffassung des Klägers für die Versagung der
Erlaubnis zur Führung der Bezeichnung "Notar außer Dienst (a.D.)" keiner
Dienstverfehlung, die derart schwerwiegend ist, dass sie bei Fortbestehen der
Notartätigkeit zu einer Entfernung aus dem Amt geführt hätte, und auch keines
Disziplinarverfahrens, welches Letzteres zum Ziel gehabt hätte.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO
i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Die Wertfestsetzung beruht auf § 111g Abs. 1
BNotO i.V.m. § 52 Abs.2 GKG.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

20.07.2020

Aktenzeichen:

NotZ (Brfg) 2/19

Rechtsgebiete:

Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren

Normen in Titel:

BNotO § 52 Abs. 2