Unzulässige Zwischenverfügung bei Antrag auf Löschung eines altrechtlichen Wegerechts
letzte Aktualisierung: 5.10.2018
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.5.2018 – 3 Wx 60/17
Unzulässige Zwischenverfügung bei Antrag auf Löschung eines altrechtlichen Wegerechts
1. Der Hinweis des Grundbuchamts, es handele sich bei einem eingetragenen Wegerecht nicht um
eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit im Sinne der
Grunddienstbarkeit im Sinne der
Antragsteller Löschungsbewilligungen aller Eigentümer der herrschenden Grundstücke
entsprechend der Identitätserklärung vorlege, zielt nicht auf die Beseitigung eines behebbaren
Eintragungshindernisses und kann daher im Verfahren auf Löschung nicht Gegenstand einer
Zwischenverfügung sein.
Eine Zwischenverfügung darf auch nicht ergehen, wenn – was hier hinzutritt – die nach
Auffassung des Grundbuchamtes zur Eintragung erforderliche Eintragungsbewilligung der
unmittelbar Betroffenen noch nicht erklärt war.
2. Zu den Voraussetzungen der Löschung eines altrechtlichen Wegerechts („... Wegegerechtigkeit zum
Gehen und Schieben für die Besitzung des A. [Band 1 S. 121 des Hypothekenbuchs] nach näherer
Anleitung des Vertrages vom 24. Februar 1854 eingetragen zufolge Verfügung vom 15. April 1854.“).
G r ü n d e :
I.
Die Beteiligte ist Eigentümerin der wie oben im Grundbuch eingetragenen 13 Flurstücke.
Zu Lasten ihres Grundbesitzes ist in Abteilung II Nr. 2 eingetragen
„Eine Wegegerechtigkeit zum Gehen und Schieben für die Besitzung des A. (Band 1 S.
121 des Hypothekenbuchs) nach näherer Anleitung des Vertrages vom 24. Februar 1854
eingetragen zufolge Verfügung vom 15. April 1854.“
Die Beteiligte hat am 30. Aug. 2016 beantragt, das Wegerecht auf der Grundlage von § 5
Abs. 1 Grundbuchbereinigungsgesetz (GBBerG) zu löschen. Sie hat die
Identitätsbescheinigung des Katasteramts der Stadt Mülheim an der Ruhr vom 17. Febr.
2017 vorgelegt, in der alle diejenigen aktuellen Flurstücke aufgeführt sind, in denen das
ursprünglich herrschende Grundstück (die „Besitzung des A.“) enthalten ist. Auf die
achtseitige Auflistung in den Akten wird Bezug genommen. Den Löschungsantrag hat die
Beteiligte damit begründet, es sei ausweislich der Grundbucheintragung nicht erkennbar,
dass das Wegerecht vererblich oder veräußerbar sei. Da auch der Geburtstag des
Berechtigten nicht aus dem Grundbuch oder den Grundakten ersichtlich sei, sei der Tag
der Eintragung des Wegerechts, nämlich der 15. April 1854 maßgeblich und die nach § 5
GBBerG maßgebende Frist von 110 Jahren seit geraumer Zeit verstrichen und die mithin
überholte Dienstbarkeit zu löschen.
Das Grundbuchamt hat sich zur Aufklärung des Sachverhaltes an das Landesarchiv
Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland, gewandt. Ausweislich des in der dortigen
Hypothekenbuchakte enthaltenen Vertrages vom 24. Febr. 1854 hat der Bergmann B. als
damaliger „Besitzer und Eigenthümer“ des dienenden Grundbesitzes – und damit als
Rechtsvorgänger der Beteiligten – die Wegegerechtigkeit dem „W.“ „A. für dessen zu
Heißen gelegene, im Hypothekenbuch von …. ingressirte Besitzung“ eingeräumt und mit
diesem bewilligt und beantragt, „daß diese so eingeräumte und constituirte
Wegegerechtigkeit im Hypothekenbuch am angeführten Orte auf der dienenden Besitzung
des B. für A. respective dessen Besitzung“ vermerkt werde.
Das Grundbuchamt hat mit der angefochtenen Zwischenverfügung darauf hingewiesen,
dass es sich bei dem eingetragenen Wegerecht nicht um eine beschränkt persönliche
Dienstbarkeit im Sinne der
der
Löschungsbewilligungen aller Eigentümer der herrschenden Grundstücke entsprechend
der Identitätserklärung vom 17. Febr. 2017 vorlege. In Anbetracht des erheblichen
Umfangs der zu beschaffenden Löschungsbewilligungen werde eine großzügige
Erledigungsfrist gewährt.
Die Beteiligte macht in ihrer Beschwerde geltend, die Eintragung sei rechtlich als
beschränkt persönliche Dienstbarkeit zu qualifizieren. Grundbucheintragungen seien
grundsätzlich der Auslegung fähig. Die Wegegerechtigkeit sei vor Inkrafttreten des BGB im
Hypothekenbuch eingetragen worden. Aus den Bewilligungsurkunden – soweit vorhanden
– sei nicht erkennbar, dass sie als Grunddienstbarkeit bestellt worden sei. Vielmehr sei
eine bestimmte Person benannt, die den Vorteil für die Benutzung eines anderen
Grundstückes habe. Vor Inkrafttreten des BGB sei nicht zwischen Grunddienstbarkeit und
beschränkt persönlicher Dienstbarkeit unterschieden worden. Wäre eine reine
Grunddienstbarkeit gewollt gewesen, so hätte die Formulierung gewählt werden müssen,
dass der Berechtigte nur der jeweilige Eigentümer eines anderen Grundstücks sein
müsse. Mangels Eindeutigkeit des Wortlauts sei zugunsten des belasteten Grundbesitzes
eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit anzunehmen. Gegen eine Grunddienstbarkeit
spreche im Übrigen auch, dass kein Lageplan im Hypothekenbuch existiere, in dem der
Weg eingezeichnet sei.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde durch weiteren Beschluss vom 22. März 2017
nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Grundbuchakten Bezug
genommen.
II.
Die gemäß
Amtsgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung
angefallen, § 75 GBO. Sie hat in der Sache – vorläufigen – Erfolg, weil die
Zwischenverfügung nicht hätte ergehen bzw. durch Nichtabhilfe nicht hätte bestätigt
werden dürfen und daher schon aus formellen Gründen aufzuheben ist.
Die Zwischenverfügung ist ein Mittel, um einer beantragten Eintragung den nach dem
Eingang des Antrages bestimmten Rang zu sichern, der bei sofortiger Zurückweisung
nicht gewahrt bliebe. Sie darf nur ergehen, wenn der Eintragung ein behebbares
Eintragungshindernis entgegensteht und ist demgemäß nicht zulässig, wenn der Mangel
des Antrags nicht mit rückwirkender Kraft geheilt werden kann, denn andernfalls erhielte
die beantragte Eintragung einen ihr nicht gebührenden Rang (Senat,
So liegen die Dinge hier. Denn nach dem vom Grundbuchamt vertretenen Standpunkt fehlt
es gerade deshalb an den Voraussetzungen für die hier beantragte Löschung der
Wegegerechtigkeit nach
Grunddienstbarkeit und eben keine beschränkt persönliche Dienstbarkeit enthält. Eine
Heilung ist insoweit nicht denkbar.
Eine Zwischenverfügung hätte zudem auch deshalb nicht ergehen dürfen, weil die nach
Auffassung des Grundbuchamtes zur Eintragung erforderliche Eintragungsbewilligung der
unmittelbar Betroffenen noch nicht erklärt war. Denn wird die Löschung der Eintragung
beantragt, ohne dass die Löschungsbewilligungen der unmittelbar Betroffenen vorgelegt
werden, leidet der Löschungsantrag an einem wesentlichen Mangel; später vorgelegte
Löschungsbewilligungen können nicht zurückwirken (BayObLG
Vorsorglich sei – ohne Bindungswirkung – bemerkt:
In der Sache dürfte die Auffassung des Grundbuchamtes zutreffend sein. Auch der Senat
erachtet die Voraussetzungen für eine Löschung der hier eingetragenen
Wegegerechtigkeit nach
Nach
zugunsten natürlicher Personen eingetragene nicht vererbliche und nicht veräußerbare
Rechte (genannt sind Nießbrauche, beschränkt persönliche Dienstbarkeiten und
Wohnungsrechte) mit dem Ablauf von 110 Jahren unter bestimmten Voraussetzungen als
erloschen. Die Fiktion des
(Böhringer,
Um ein solches höchstpersönliches dingliches Recht handelt es sich aber bei dem hier in
Rede stehenden Nutzungsrecht offenbar nicht.
Schon der Wortlaut der Grundbucheintragung spricht dafür, dass die eingetragene
Wegegerechtigkeit nicht dem A. als Person und unabhängig von seiner Eigenschaft als
Grundstückseigentümer eingeräumt worden ist und von Vorteil sein, sondern sich vielmehr
auf dessen Besitzung beziehen und damit der jeweilige Grundstückseigentümer der
Berechtigte sein und das Nutzungsrecht einen Vorteil gerade für die Nutzung dieses
Grundstücks („für die Besitzung des...“) darstellen sollte.
Diese Auslegung wird durch den Inhalt der vertraglichen Vereinbarung vom 24. Febr. 1854
bestätigt. Danach hat der Bergmann B. als damaliger „Besitzer und Eigenthümer“ des
dienenden Grundbesitzes die Wegegerechtigkeit dem „W.“ „A. für dessen …. [ näher
bezeichnete ] Besitzung“ eingeräumt und mit diesem bewilligt und beantragt, „daß diese so
eingeräumte und constituirte Wegegerechtigkeit im Hypothekenbuch am angeführten Orte
auf der dienenden Besitzung des B. für A. respective dessen Besitzung“ vermerkt wird.
Hätte die Wegegerechtigkeit nur ein höchstpersönliches dingliches Recht für A. sein
sollen, wäre die wiederholte Erwähnung, die Wegegerechtigkeit sei für dessen Besitzung
bzw. für A. respective dessen Besitzung eingeräumt, nicht nur überflüssig, sondern als
widersprüchlich nicht zu erklären.
Darüber hinaus entspricht die vorstehende Auslegung der (damaligen und heutigen, Art.
184 Satz1 EGBGB) Rechtsdogmatik.
Die 1854 im Grundbuch eingetragene Wegegerechtigkeit ist als Nutzungsrecht die
Ausgestaltung einer damals sog. Grundgerechtigkeit. Ob ein Nutzungsrecht als eine
eigentliche Grundgerechtigkeit anzusehen ist, beantwortet sich nach der Rechtsprechung
des Reichsgerichts (
Landrecht von einer solchen aufstellt. Dieser Begriff ist mit dem der römischen
Präsidialservitut identisch. Der Begriff der Servitut, namentlich die Unterscheidung
zwischen Personal- und Präsidialservituten war dem deutschen Recht fremd und die
römische Theorie musste daher auf diesem Gebiet vor allem in der Feststellung der
Begriffe einen entscheidenden Einfluss gewinnen. Wo daher von Grundgerechtigkeiten
gesprochen wird, ist darunter stets der Begriff der römischen Präsidialservitut im
Gegensatz zu den Personalservituten zu verstehen. In der gemeinrechtlichen Doktrin war
aber unumstritten, dass dem Begriff der Präsidialservitut die Beziehung auf den Vorteil des
herrschenden Grundstückes als etwas so wesentliches innewohnt, dass die Berechtigung
ohne solche Beziehung gar nicht gedacht werden konnte und dass daher weder das Recht
noch auch dessen bloße Ausübung von dem herrschenden Grundstück zu trennen ist. Ein
dingliches Recht hingegen, dass der Person Vorteil bringen würde, auch wenn sie gar kein
Grundstück besäße, konnte niemals als Grundgerechtigkeit aufgefasst werden. (vgl. zu
allem Vorstehenden
Dienstbarkeiten nach dem Recht des BGB lassen sich u.a. unterscheiden in
Grunddienstbarkeiten (
(„dienenden“) Grundstücks einzelne Benutzungen des Grundstücks dulden oder einzelne
tatsächliche Handlungen auf dem Grundstück nicht vornehmen oder einzelne aus dem
Eigentum fließende Rechte nicht ausüben darf, wobei Berechtigter nur der jeweilige
Eigentümer eines anderen („herrschenden“) Grundstücks sein und die Grunddienstbarkeit
für die Benutzung dieses Grundstücks vorteilhaft sein muss. Eine beschränkt persönliche
Dienstbarkeiten hat den gleichen Rechtsinhalt wie eine Grunddienstbarkeit; allerdings
kann Berechtigter nur eine bestimmte Person sein und ein Vorteil für die Benutzung eines
anderen Grundstücks ist nicht notwendig (Palandt/Herrler, BGB, 77. Aufl., Überbl. 1 vor §
1018).
Aus alledem folgt, dass Grundgerechtigkeiten und damit auch die hier in Rede stehende
Wegegerechtigkeit keine beschränkt persönliche Dienstbarkeit im Sinne von
sind und daher der dort vorgesehenen Erlöschensfiktion nicht unterliegen.
Ob die Wegegerechtigkeit inzwischen wegen dauerhaften, nachträglichen Wegfalls des
Vorteils aus tatsächlichem oder rechtlichem Grund für den herrschenden Grundbesitz
erloschen ist (vgl. dazu Palandt/Herrler, a.a.O., § 1019, 1 m.N.), ist ebensowenig
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens wie die Frage, ob eine amtswegige Löschung
der Wegegerechtigkeit gem. §§ 84ff. GBO in Betracht kommt.
Eine Kostenentscheidung durch den Senat ist nicht veranlasst, §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1
GNotKG, daher auch keine Wertfestsetzung. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der
Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Düsseldorf
Erscheinungsdatum:09.05.2018
Aktenzeichen:3 Wx 60/17
Rechtsgebiete:
Immobilienrechtliches Sonderrecht der neuen Bundesländer
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
GBO § 18; GBBerG § 5 Abs. 1; BGB §§ 1018 ff., 1090 ff.