Zum berechtigten Interesse des Nachbarn auf Grundbucheinsicht bei drohenden Nachbarschaftskonflikten wegen künftig angrenzender Wohnbebauung
9. Notarrecht – Zum berechtigten Interesse des Nachbarn auf Grundbucheinsicht bei drohenden Nachbarschaftskonflikten wegen künftig angrenzender Wohnbebauung
(OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. 5. 2013 – 11 Wx 40/13)
Der Nachbar kann ein berechtigtes Interesse auf Grundbucheinsicht i. S. d.
(RNotZ-Leitsatz)
Zur Einordnung:
Nach
Das OLG Karlsruhe sah diese Voraussetzung als erfüllt an. Der Ast. hatte dargelegt, dass er ein Interesse an der Kenntnis des Eigentümers habe, um einen bei einer geplanten Wohnbebauung drohenden Nachbarschaftskonflikt durch Gespräche mit dem derzeitigen Eigentümer zu vermeiden. Es sei zu befürchten gewesen, dass eine Rechtsbeziehung zu dem Eigentümer des von der Auskunft betroffenen Grundstücks in naher Zukunft entstehen werde, wenn dieser die Nutzung seines Grundstücks veränderte und es sodann zu Auseinandersetzungen über mögliche Lärmimmissionen des Ast. komme.
Zu diesem Zweck darf aber nur eine beglaubigte Grundbuchabschrift (vgl.
Der Ast. hat sein berechtigtes Interesse auf Einsicht in das Grundbuch darzulegen. Das erfordert Vortrag von Tatsachen, die überzeugenden Anhalt für die Richtigkeit des Vorbringens geben (KG;
Gem.
i. S. d.
Die Schriftleitung (AG)
Zum Sachverhalt:
I. Die Bet. wendet sich gegen die Entscheidung des GBA, ihr eine teilweise Grundbuchabschrift für das im Rubrum näher bezeichnete Grundstück zu verweigern.
Die Bet. ist Eigentümerin eines Grundstücks in der Stadt B., das sich – durch eine Straße getrennt [. . .] – in der Nähe des angefragten Flurstücks 3079 befindet. Mit einem am 8. 4. 2013 eingegangenen Schreiben beantragte sie die Überlassung eines unbeglaubigten Grundbuchauszugs. Das Flurstück 3079 solle bebaut werden; sie wolle mit dem Grundstückseigentümer Kontakt aufnehmen. Der Ratschreiber wies den Antrag mit Verfügung vom 8. 4. 2013 zurück. Eine direkte Nachbarschaft zu dem angefragten Grundstück bestehe nicht; auch eine solche rechtfertige eine Einsichtnahme in das Grundbuch zudem nicht ohne weiteres. Mit der dagegen eingelegten Erinnerung hat die Bet. geltend gemacht, durch die auf dem Flurstück 3079 geplante Wohnbebauung werde sie in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Sie betreibe ein lärmintensives Unternehmen und müsse rechtliche Auseinandersetzungen mit den künftigen Bewohnern befürchten. Sie habe daher Anspruch auf einen Grundbuchauszug ohne die Angaben in Abteilung III. Der Grundbuchrechtspfleger hat der Erinnerung mit dem angefochtenen Beschluss nicht abgeholfen. Eine direkte Nachbarschaft fehle. Im Übrigen sei die Erteilung von unbeglaubigten Abschriften nur eines Teils des Grundbuchblattes – hier ohne die Abteilung III – nicht zulässig. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Bet., der das GBA nicht abgeholfen hat. Mit der Rechtsmittelbegründung macht die Bet. ergänzend geltend, die Stadt B. plane auf der zwischen den Grundstücken gelegenen Straße die Anlage eines Parkstreifens; dies könne zur Folge haben, das Lastkraftwagen das Grundstück der Bet. nicht mehr ohne weiteres anfahren könnten.
Das zunächst vom GBA mit der Beschwerde befasste LG K. hat die Sache im Hinblick auf Artikel 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG mit Beschluss vom 8. 5. 2013 an das OLG K. abgegeben.
Aus den Gründen:
II. Die Beschwerde ist nach
1. Der Rechtspfleger hat zutreffend seine Zuständigkeit für eine die Instanz abschließende Entscheidung angenommen. Zwar spricht
– hier des Ratschreibers (§ 32 Abs. 2 Nr. 1 LFGG) – auf Entscheidung des „Grundbuchrichters“ angetragen werden könne. „Grundbuchrichter“ in diesem Sinne ist aber nach § 3 Nr. 1 h) RPflG der Rechtspfleger (vgl. OLG Schleswig
Ein „berechtigtes Interesse“ an Grundbucheinsicht hat derjenige, der ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse verfolgt
2. Ein „berechtigtes Interesse“ an Grundbucheinsicht hat nach allgemeiner Auffassung, wer ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse verfolgt (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 525); ausreichend ist, dass sachliche Gründe vorgetragen werden, welche die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen (Demharter, GBO, 28. Aufl., § 12 Rn. 7 m. w. N.). Dabei sind auch bloß tatsächliche, insbesondere wirtschaftliche Interessen ausreichend (Bauer/von Oefele/Maaß, GBO, 3. Aufl., § 12 Rn. 9; BeckOK/Wilsch, Edition 17,
Die Vermeidung eines bei einer geplanten Wohnbebauung drohenden Nachbarschaftskonflikts ist ein durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse
a) Die Bet. hat dargelegt, dass sie ein Interesse an der Kenntnis des Eigentümers habe, um einen bei einer geplanten Wohnbebauung drohenden Nachbarschaftskonflikt durch Gespräche mit dem derzeitigen Eigentümer zu vermeiden. Das ist ein durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse. Zwar entspricht es der ganz überwiegend vertretenen Auffassung (vgl. etwa Bay-ObLG
Eine im Rechtssinne eine unmittelbare Grundstücksnachbarschaft muss nicht bestehen
b) Dass eine im Rechtssinne unmittelbare Nachbarschaft nicht besteht – das angefragte Grundstück also nicht direkt an dasjenige der Bet. angrenzt – rechtfertigt keine andere Beurteilung. Ob ein Nachbarschaftskonflikt im Falle der Wohnbebauung droht, hängt nicht davon ab, ob im Rechtssinne eine unmittelbare Grundstücksnachbarschaft besteht; ein verständliches Interesse vielmehr besteht, wenn die Entfernung zwischen den Grundstücken – wie hier – so gering ist, dass bei einer Veränderung der Nutzung Konflikte wegen Lärmbelastungen konkret zu besorgen sind.
2. Der Glaubhaftmachung des geltend gemachten Interesses ist nicht erforderlich.
Es genügt eine Grundbuchabschrift, die den derzeitigen Eigentümer des Grundstücks ausweist
3. Der Ast., der sein berechtigtes Interesse erfolgreich dargelegt hat, hat nach ganz überwiegender Auffassung (vgl. etwa Bauer/von Oefele/Maaß, GBO, 3. Aufl., § 12 Rn. 59) – für die der gebotene Schutz der Interessen der Eigentümer spricht – nur Anspruch auf Einsicht in diejenigen Teile des Grundbuches, auf die sich das Interesse bezieht, also unter Umständen nur in das aktuelle Blatt, in einzelne Eintragungen oder einzelne Abteilungen. Um in Gespräche mit dem Grundstückseigentümer über die geplante künftige Nutzung eintreten zu können, genügt hier eine Grundbuchabschrift, die den derzeitigen Eigentümer des Grundstücks ausweist. Ein berechtigtes Interesse, Auskünfte über frühere Eigentümer oder Eintragungen in der Abteilung II zu erhalten – auf diese bezieht sich der Antrag, der nur die Abteilung III ausnimmt
– seinem Wortlaut nach ebenfalls, hat die Bet. nicht.
4. Abschriften eines Teils des Grundbuchs dürfen nach
[. . .]
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Karlsruhe
Erscheinungsdatum:29.05.2013
Aktenzeichen:11 Wx 40/13
Rechtsgebiete:Grundbuchrecht
Erschienen in: Normen in Titel:GBO § 12